Polen: Triumphaler Wahlsieg für Kultur des Todes

Bei den Wahlen zum polnischen Sejm konnte die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Donald Tusk mit gut 39% der Stimmen unter leichten Verlusten die Position der stärksten Partei behaupten. Hinter Tusks Bürgerplattform (PO) blieb die PiS, gewöhnlich in der deutschen Presse mit „Recht und Gerechtigkeit“ übersetzt, unter ihrem Ergebnis von 2007 und erreichte nicht ganz 30% der Stimmen.

Hinter den beiden großen Parteien, deren Stimmanteil und Sitzzahl relativ konstant geblieben sind, wurde jedoch mit der neugegründeten, radikal-antiklerikalen „Palikot-Bewegung“ eine neue Gruppierung drittstärkste Kraft und könnte damit in die Rolle des Züngleins an der Waage rutschen – eine Rolle, die bislang die Bauernpartei, eine inhaltlich flexible, als opportunistisch geltende Gruppierung, innehatte.

Die postkommunistischen Sozialisten büßten erneut stimmen ein, und blieben erstmals sogar unter 10%.

Was bedeutet dieses Wahlergebnis für Polen, wo noch vor wenigen Wochen über ein völliges Verbot der Tötung unschuldiger Menschen durch Abtreibung abgestimmt worden war? Nun, Donald Tusk, inhaltlich wie persönlich nahe an Angela Merkel und ihrer neuen, familien- wie lebensfeindlichen CDU, hatte bei der Abstimmung über das Abtreibungsverbot vor einigen Wochen kurzfristig den Fraktionszwang eingeführt, welcher normalerweise für Gewissensentscheidungen aufgehoben ist (wie auch in Deutschland üblich). Kaczynskis PiS befürwortet das Lebensrecht unschuldiger Menschen, wie auch die Mehrheit der Abgeordneten von Tusks PO und der Bauernpartei. Wie üblich sind sozialistische Parteien generell nicht am Wohl der Unschuldigen Kinder interessiert, und so stehen auch die Postkommunisten in Polen für die Freigabe der Tötung der Unschuldigen, sofern sie ihrer Mutter hinderlich sind. Selbstverständlich trifft dies in noch stärkerem Maße auch auf die Kirchenhasser um Palikot zu. Eigentlich, so müsste man vermuten, wäre durch diese Konstellation eine Mehrheit für den Lebensschutz sicher, wenn nicht Tusks Fraktionszwang in der PO gültig wäre.

In erster Lesung hatte der polnische Sejm dem Abtreibungsverbot im Sommer mit großer Mehrheit zugestimmt – dann kam der erwartete internationale Druck und Tusks Entscheidung zum Fraktionszwang. In der entscheidenden Abstimmung fiel das Lebensrecht dann mit 186 zu 191 Stimmen bei sehr vielen Enthaltungen durch.

Der neue Sejm ist mit Palikots Extremisten, den Abtreibungsliebhabern aus der sozialistischen Ecke, der auf Linie gebrachten PO, und der opportunistischen Bauernpartei wohl mit einer klaren Mehrheit für die Fortführung der bisherigen Abtreibungsgesetzgebung ausgestattet. Ein wichtiger Durchbruch ist damit verhindert worden.

Bereits heute hat Polen jedoch, verglichen mit der menschenverachtenden Praxis in den anderen europäischen Ländern (mit Ausnahme Irlands und Maltas) eher humane Regelungen zur Tötung der Ungeborenen. Abtreibung ist nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig – was sich auf etwa 500 Abtreibungen pro Jahr beläuft. Die internationale Abtreibungslobby, die in Tusk und seinem ehemaligen Parteifreund Janusz Palikot wohl solide Verbündete hat (wobei Palikot ein radikaler Schreihals und Tusk ein sich gemäßigt gebender Politiker im Geiste Angela Merkels ist), ist mit dieser Rechtslage selbstversändlich nicht zufrieden. In der Zange zwischen einer räuberischen EU und einer bereitwillig die Schwächsten verratenden polnischen Regierung unter Tusk, womöglich bald mit Palikots Fanatikern als Koalitionspartner, wird die internationale Abtreibungslobby sich sicher sein können, dass der Schutz der Schwachen nicht ausgebaut, und wahrscheinlich sogar zurückgefahren wird.

Und dass ein Palikot überhaupt ein zweistelliges Ergebnis gewinnen konnte, zeigt, wie sehr das Gift des Antikatholizismus selbst in das immer als solide katholisch erscheinende Polen bereits injiziert worden ist. Wenn Irland das Beichtgeheimnis vernichten und Polen sich nicht zum Schutz der Ungeborenen entschließen kann, dann wissen wir: Der Einfluss der Kirche ist selbst in ihren Stammländern praktisch verschwunden. Spanien und Portugal haben inzwischen barbarische Abtreibungsgesetze – zwei weitere traditionell katholische Länder.

Die Marienerscheinung von Fatima versprach den Portugiesen, in ihrem Land werde die katholische Lehre bewahrt werden. Ist das so? Wenn ja, wo? Sieht es nicht vielmehr so aus, als ob die ganze westliche Welt, Portugal eingeschlossen, von der tosenden Flut des aggressiven Säkularismus überspült würde und so der moralische Relativismus oder gar Nihilismus die Parlamente, Gesetze, Gerichte und Köpfe erobert?

Selbst in Malta gibt es inzwischen die Scheidung.

In den meisten westlichen Ländern traut sich die Kirche nicht einmal mehr, wesentliche Themen ihres Glaubens überhaupt anzusprechen, und oft genug schleicht sich der Verdacht ein, ihre Vertreter glaubten selbst nicht mehr daran.

Palikot mag nur 10% erreicht haben, doch der Kern seines Denkens hat in Westeuropa inzwischen alle Parteien erfasst, und hat auch in Polen mehr Anhänger, als sein Stimmanteil ausdrückt – besonders populär ist der Antikatholizismus in der jungen Generation, in der Palikot allein 25% der Stimmen erhalten hat. Auch in Polen spielt die Kirche die jetzige Lage kräftig herunter und scheint sich der Gefahr nicht bewusst zu sein. Man müsse, „mit der ganzen Gesellschaft kommunizieren, nicht nur mit den Gläubigen„, sagt man dort. Auch dort scheint man sich also auf ein Kommunikationsproblem zurückzuziehen. Die Völker wenden sich doch nur von uns ab, weil wir nicht gut genug „kommuniziert“ haben – verbal, versteht sich, nicht sakramental, wo kämen wir denn da hin!?

Die Wahlen in Polen sind enttäuschend, weil man fast den Eindruck hätte haben können, als wehre sich dort noch ein Land gegen den reißenden Strudel des todbringenden Säkularismus mitsamt seiner unmenschlichen Menschenfreundlichkeit und seiner amoralischen Moral. So kann man sich täuschen. Polen wehrt sich nicht, sondern umarmt seinen schlimmsten Feind. Die Kälber wählen ihre Schlächter nicht selber – denn die ungeborenen Kälber sind noch zu klein, um wählen zu dürfen.

Aber ihre Mütter wählen die Schlächter für sie gleich mit.

Und nennen das Fortschritt.

Große Schlachten oder Großes Schlachten?

Wie man auf Katholisches derzeit lesen kann, ist der Versuch eines Abtreibungsverbotes in Polen ganz knapp gescheitert. Mit 191 zu 186 Stimmen bei fünf Enthaltungen fiel das Gesetz, das ein vollständiges Abtreibungsverbot vorsah, und in der Bevölkerung den Rückhalt einer breiten Mehrheit besitzt, aufgrund der strengen Parteidisziplin der sich selbst als konservativ gebenden Regierungspartei PO („Bürgerplattform“) im Sejm durch. Damit bleibt das derzeitige Abtreibungsrecht gültig, das in Polen zu 500 Abtreibungen im letzten Jahr geführt hat, und die Tötung der Ungeborenen nur in seltenen Ausnahmefällen zulässt. Ein Versuch der Sozialdemokraten, die Abtreibung zu liberalisieren (und damit die Tötung der Unschuldigen auf den in Deutschland längst üblichen Stand zu bringen) scheiterte mit riesiger Mehrheit.

Alles in allem hat Polen die nach Irland und Malta besten Abtreibungsgesetze in der ganzen EU – und steht deswegen von derselben massiv unter Druck. Nachdem in diesem Jahr Ungarn eine neue Verfassung beschlossen hat, die das Grundrecht auf Leben ab dem Moment der Befruchtung bis zum natürlichen Tod festschreibt (was mit Sicherheit zu Verfassungsklagen gegen die derzeitige Abtreibungsgesetzgebung in Ungarn führen wird), ist Polen damit das zweite osteuropäische Land, in dem sich etwas für das Lebensrecht bewegt.

Das ist ganz sicher an erster Stelle dem seligen Papst Johannes Paul II. zu verdanken, der in Polen eine ganze Generation junger Wähler bewegt zu haben scheint:

A June 3rd (2011) survey showed 65% of Poles agreeing that the law “should unconditionally protect the life of all children since conception.”  Only 23% supported abortions in cases where unborn children of 24 weeks or less were diagnosed with a “serious disease.”

Significantly, 76% of those aged 15 to 24-years-old wanted total protection for the unborn – the most of any age group.  The lowest level of support came from the oldest age bracket, 55 to 70 years old, but still with 57% supporting total protection.

Mehr als drei von vier Polen unter 25 Jahren unterstützen also das Gesetzesvorhaben, das gerade gescheitert ist. Es ist überhaupt nur darüber abgestimmt worden, weil hunderttausende Polen dafür unterschrieben hatten. Und im Oktober sind Wahlen – vielleicht wird die scheinkonservative in Wahrheit lebensfeindliche Bürgerplattform von Merkel-Verbündeten Donald Tusk für das Katzbuckeln vor der internationalen Abtreibungslobby und ihrem Erfüllungsgehilfen EU an der Wahlurne bezahlen. Wir werden es sehen.

Doch ganz abgesehen von der aktuellen Lage in Polen, die sicher, trotz der vorübergehenden Abstimmungsniederlage ziemlich hoffnungsvoll stimmt, möchte ich an dieser Stelle den Kontrast zu Deutschland ansprechen. Wann hat hier in Deutschland zuletzt ein Politiker gefordert, alle Abtreibungen müssten strafrechtlich ebenso relevant sein wie die Tötung der Unschuldigen in anderen Lebensphasen? Wann hat überhaupt jemand das Lebensrecht in der Öffentlichkeit entschlossen verteidigt, nicht mit technokratischen Phrasen, sondern in eindeutigen unmissverständlichen Worten? Selbst Kardinal Meisner, der ja zuweilen scharfe Worte gegen Abtreibung spricht, bis hin zu der Erkenntnis, es handle sich um einen „Super-Gau“ vor einigen Monaten (und dazu ist ihm zu gratulieren!), hat meines Wissens nicht direkt ein Abtreibungsverbot gefordert. (Man möge mich korrigieren, wenn ich mich täusche).

Darüber spricht man in Deutschland nicht. Auch nicht in der Kirche. Zum Ausstieg aus der Blankovollmacht zur Tötung der Unschuldigen (die fälschlich „Beratungsschein“ genannt wird) musste man die Bischofskonferenz zwingen, und bis heute arbeitet man, wo immer möglich und ohne Aufsehen vertretbar, mit der Abtreibungslobby zusammen.

Eines jedenfalls hat Papst Johannes Paul II. nie getan: Zum Thema Lebensrecht geschwiegen. Seine (meines Erachtens beste) Enzyklika Evangelium Vitae hat er zu genau diesem Thema verfasst. Er hat in Polen viele Menschen inspiriert.

Auch Benedikt XVI. hat zum Lebensrecht nie geschwiegen. Auch er zieht immer wieder die Verbindungslinien von den aktuellen ökonomischen Problemen bis zur Abtreibung, auch er spricht immer wieder in klaren Worten von der gemeinsamen Wurzel so vieler heutiger Probleme, von der Kultur des Todes. Er wandelt in dieser Frage in den Fußstapfen seines Vorgängers. Dieser inspirierte in Polen, seinem Heimatland, sehr viele, er half bei der Entstehung einer neuen Generation mit, die Abtreibung als das sieht, was sie wirklich ist: Als Tötung der Unschuldigen.

Nur eines ist Benedikt bisher nicht gelungen, und nicht weil er es nicht versucht hätte: In Deutschland die Menschen zu inspirieren. Davon ist leider nichts zu spüren. Eher im Gegenteil. Während die Polen „ihrem“ Papst zujubelten, und sehr viele seinem Weg nachfolgen, gerade auch bei so wichtigen Fragen wie dem Lebensrecht für alle, haben die Deutschen nur aus nationalistischen Gründen kurz „ihrem Papst“ zugejubelt, bevor sie sich apathisch wieder ihrem üblichen Alltagstrott aus Sünde, Entertainment und Erwerbsarbeit zugewandt haben, nur um alle paar Monate empört den Kopf zu schütteln über die „antiquierte“ Moral der Kirche, in der Leben wirklich noch etwas zählt, und Menschen wirklich noch Würde besitzen, statt bloß Geld.

Worin besteht der Unterschied? Ist Benedikt unfähig, Menschen von sich zu überzeugen, Menschen mitzureißen? Er ist sicher weniger „telegen“ als sein Vorgänger. Doch der wesentliche Unterschied ist nicht der Papst, sondern das Volk. Die meisten Polen haben ihre Erfahrung mit einer atheistischen Diktatur schon hinter sich, und zu ihren Lebzeiten. Die Ostdeutschen auch. Doch könnte der Unterschied nicht größer sein. Während die meisten Polen heute für das Lebensrecht und stolz auf ihren katholischen Glauben sind, vegetiert der Osten im eigenen Saft vor sich hin, stirbt vor sich hin, im Griff der Kultur des Todes, wenn überhaupt noch mehr als der Westen.

Es sind nicht die Umstände, und schon gar nicht die Leistung des Papstes, sondern schlicht die spirituelle Offenheit der Polen, die es in Deutschland einfach nicht mehr gibt. In gewissem Sinn kann man vielleicht sogar sagen, Wohlstand verneble den Geist. Es ist eben schwer als wohlhabender Mensch in den Himmel zu kommen. Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, hat einmal ein den meisten modernen Deutschen nicht mehr bekannter Weiser aus dem Nahen Osten gesagt. (Hinweis an alle modernen Leser: Nein, es war nicht Mohammed!)

Die Kultur des Todes hat eine große Schlacht in Polen vorerst gewonnen, doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

In Deutschland hat es zum Lebensrecht keine großen Schlachten gegeben, sondern nur das große Schlachten. Bedauerlich, dass eine Kulturnation wie Deutschland in nur 100 Jahren gleich zweimal so tief fallen konnte.