Ein interessantes Interview mit Norbert Bolz

In Christ und Welt befindet sich ein interessantes Interview mit dem Religionswissenschaftlers und Medientheoretiker Norbert Bolz über die „neue Macht des Unzeitgemäßen“, wie es der Untertitel des Interviews ausdrückt.

Hier der Artikel und mein Kommentar in rot dazu.

Christ & Welt: Sind die Piusbrüder die Vergangenheit oder die Zukunft der katholischen Kirche?
Norbert Bolz: Sie sind beides. In ihrem Dogmatismus und Traditionalismus wird der Urtext des Christentums (Ja, dies ist der „Urtext“, nicht ein angeblich dogmenloses, von Wahrheitsansprüchen und „intoleranter Exklusivität“ freies Urchristentum, wie heute immer gern behauptet wird) sichtbar, von dem sich die Kirche mit den Jahrhunderten immer weiter entfernt hat. Oft wird heute vergessen, dass das Dogma ein identitätsstiftender Teil des Katholizismus ist. Der Papst will daran erinnern und ihn stärken.

C & W: Indem er die Piusbrüder umschmeichelt und liberale Katholiken wie Hans Küng oder die südamerikanischen Befreiungstheologen mit Nichtachtung straft? (Wie nicht anders zu erwarten ist man bei Christ und Welt so fanatisch und ideologisiert, dass man nicht einmal halbwegs neutrale Fragen stellen kann. Dieser Trend wird sich im Verlauf des Interviews noch fortsetzen. Glücklicherweise steht Bolz über der primitiven Stimmungsmache des für das Interview Verantwortlichen)
Bolz: Indem er zwischen den beiden Extremen vermittelt, das ist die große dialektische Aufgabe, die sich dieser Papst gestellt hat: einerseits eine in einer modernen Gesellschaft überlebensfähige Kirche zu gestalten und andererseits das zu stärken, was das Christentum dogmatisch zum Christentum macht. („Hermeneutik der Kontinuität“?)

C & W: Warum redet er mit den Piusbrüdern, mit den Küngs dieser Welt aber nicht?
Bolz: Warum sollte er? (Volltreffer!) Diese Seite des Katholizismus ist nicht kontrovers, sondern Mainstream. Küng ist der Liebling von Massen und Medien. Der Liberalismus hat kein Imageproblem. Die andere, die reaktionäre Seite ist die problematischere. Sie zurückzuholen in die offizielle Welt der katholischen Kirche ist schwieriger. Aber das ist das Wesen des Katholizismus, so wie ihn Benedikt versteht, eine Einheit im Angesicht der Widersprüche zu schaffen. (Damit könnte Bolz zwar im Recht sein – vermutlich ist das das Anliegen des Heiligen Vaters, doch eine Einheit zwischen Liberalisten und traditionellen Katholiken kann es langfristig nicht geben, ohne dass die Liberalisten ihre oft von der Kirche verurteilten Irrlehren ablegen und sich bekehren. Eine Kirche mit Hans Küng und Bischof Fellay in einem Boot ist undenkbar. Vielleicht als temporäre Allianz, aber nicht als erstrebenswerter Normalzustand.)

C & W: Küng mag Mainstream sein mittlerweile, aber die Befreiungstheologie ist es nicht. Nach ihrer großen Zeit in den Siebzigern führt sie ein Schattendasein. Grund genug, sie heim in den Schoß der Kirche zu holen? (Christ und Welt ist anempfohlen, mit dem Gequengel aufzuhören und Fragen zu stellen. Die Befreiungstheologie ist häretisch. Doch Bolz versenkt auch diese Steilvorlage:)
Bolz: Die Befreiungstheologie hat ihre besten Tage hinter sich. Eine politische Kirche in ihrem Sinne ist heute genauso wenig ernst zu nehmen wie ihre Protagonisten. (Noch ein Volltreffer!) Sie ergeht sich im Revolutionspathos, das im Angesicht einer Diktatur sinnvoll sein mag, aber heute, wo es kaum mehr Diktaturen gibt (noch nicht wieder? Zumindest Europa driftet rapide auf eine Diktatur der Bürokraten unter einer dünnen Decke scheindemokratischer Legitimität zu.), doch sentimental und naiv wirkt. Das katholische Integrationsinteresse des Papstes liegt deshalb mehr auf der Reaktion als auf der Revolution. Dumm ist das nicht. (Selbst seine Gegner gestehen dem Heiligen Vater generell zu, dass er nicht dumm ist. Das ist mehr, als man über Küng und andere Modernisten sagen kann.)

C & W: Es ist also besser, ein Reaktionär zu sein als ein Gutmensch? (Man hört die Frustration des Interviewführers richtig heraus!)

Bolz: Sagen wir mal so: Der Papst wäre schlecht beraten, auf einmal zum Gutmenschen zu werden. Aber da sehe ich auch keine Gefahr.

C & W: Mit der Hinwendung zum Dogma frustriert der Papst aber viele Laien. Mit Ansprachen wie der von der Entweltlichung der Kirche predigt er langfristig die Kirchen leer. (Noch eine Steilvorlage von C&W, noch ein Tor von Bolz. 3:0!)
Bolz: Das muss nicht so sein. Die Frustration der Laien ist nur die eine Seite der Medaille. (Man sollte hinzufügen: Die Frustration eines Teils der westeuropäischen und nordamerikanischen Laien) Auf der anderen steht eine wachsende Sehnsucht vieler Menschen nach Strenge, Tradition, Liturgie und dogmatischer Festigkeit. (Genau so ist es!) Benedikts Hinwendung zum Dogma ist nicht unbedingt ein Weg ins gesellschaftliche Abseits (die Fußballanalogien…), vielmehr gibt er seiner Kirche durch die Macht der Unzeitgemäßheit möglicherweise eine neue Relevanz. (Man kann, wie ich gebetsmühlenartig auf diesem Blog wiederhole, eben nur relevant werden, wenn man zuvor irrelevant war. Wer krampfhaft versucht relevant zu sein, für den interessiert sich niemand – er ist und bleibt Mitläufer. Nur wer sich dem Zeitgeist entgegen stellt kann, wenn er Erfolg hat, den Zeitgeist ändern und als Stifter eines neuen Zeitgeists relevant sein.)

C & W: Ob dadurch die Kirchen voller werden, ist aber doch eher fraglich. (Ja, das ist es. Und das ist vollkommen irrelevant. Die Kirche kann mit elf Priestern und einem Teil der Stadtbevölkerung Jerusalems überleben, wie wir wissen, solange ihre Mitglieder heiliggemäß leben und ihren Missionsauftrag ernst nehmen.)
Bolz: Die evangelischen Kirchen sind aber auch leer. (Nebenbei: Tor! Toooooor! Jetzt schon 4:0. Kantersieg für BOOOOOOLLLLZZZZZ!!!!) Im Falle des Protestantismus sieht man, in welche Sackgasse der Weg einer radikalen Anpassung an den Zeitgeist führt. Die katholische Kirche dagegen spielt bewusst mit der Dialektik des Unzeitgemäßen. Diese Halsstarrigkeit im Namen Gottes(Bolz versteht etwas von des Formulierens Kunst) hat einen auratischen Effekt, den man nicht unterschätzen sollte.

C & W: Die Kirchen müssen also erst mal richtig leer werden, damit sie irgendwann wieder voll werden können? (Unvorstellbar, liebe Relevanzapostel?)
Bolz: So sieht es der Papst, und ich halte dieses Kalkül nicht für unrealistisch. Benedikt ist der erste Pontifex, der den Mut hat auszusprechen, was alle wissen: Die Kirche muss mit ihrem Schrumpfen leben. (Noch ein Treffer. Aus spitzem Winkel ins Eck gezwirbelt. 5:0!) Deshalb sagt er, dass kleiner zu werden auch heißen kann, wendiger und lebendiger zu werden. (Das weiß jeder Gärtner.) Im Prozess des Gesundschrumpfens verschwindet, so die Theorie, die Langeweile, die mit dem Entstehen einer Orthodoxie automatisch in eine Organisation sickert. Zum Vorschein kommt die Lehre selbst. (Stellt Bolz hier Orthodoxie und Lehre der Kirche gegeneinander? Nicht die Orthodoxie ist das Problem, sondern die bürokratische Starre eines festen Apparats, der kein Interesse mehr am wahren Glauben, an der Orthodoxie hat. Leider ein krasser Abwehrfehler – eine riesige Chance für Christ und Welt auf 1:5 zu verkürzen. Mal sehen, was sie daraus machen:)

C & W: Und damit der Urtext und die Piusbrüder. (Sie vergeigen das Ding! Außennetz! Es bleibt beim 5:0. Schneller Abschlag vom FC Bolz, Bolz läuft frei aufs Tor zu….)
Bolz: So ist es. (Toooooorrrr!!!! 6:0)

C & W: Die Piusbrüder stehen aber, vom Holocaust-Leugner Williamson einmal ganz abgesehen, auch für eine jahrhundertealte Tradition des Antisemitismus in der katholischen Kirche. (Ein taktisches Foul vom FC Christ und Welt 1968. Wissen die überhaupt, was Antisemitismus bedeutet? Wenn man von Williamson absieht, lehrt die Piusbruderschaft, dass die Juden sich bekehren sollen. Der Papst schwächt diese These derzeit gern etwas ab. In diese Debatte möchte ich hier gar nicht einsteigen. Unabhängig davon ist aber der Aufruf sich zu bekehren, definitiv kein Antisemitismus, sondern entstammt aus tiefer Freundschaft gegenüber den Juden: Außerhalb der Kirche ist kein Heil – wenn wir also die Juden wirklich lieben, dann werden wir sie zurück in die Kirche holen wollen, ihnen also den wahren Glauben an den Messias und Gottessohn Jesus Christus bringen. Was ist daran antisemitisch, außerhalb der fiebrigen Vorstellungskraft dogmatischer Katholikenhasser?)
Bolz: Und da darf es auch für den Papst keine Zugeständnisse geben. (Wenn es um wirklichen Antisemitismus geht, hat Bolz Recht. Wir sind keine Antisemiten und wollen auch keine haben. Das heißt: Williamsons Äußerungen sind unsinnig, historisch falsch und eine Distanzierung von ihnen ist erforderlich. Sie hat aber auch stattgefunden. Wo ist das Problem?) Auch in der katholischen Kirche muss ein Minimum an Pragmatismus und Realitätsgerechtigkeit gelten. Gerade beim Thema Antisemitismus dürfen rein dogmatische und theologische Überlegungen nicht ausschlaggebend sein. (Doch, das müssen sie sogar. Denn dogmatische und theologische Erwägungen sind es, die uns die besten Argumente gegen den wahren Antisemitismus in die Hand geben. Gegen Ende der 2. Halbzeit scheint Bolz zu schwächeln…)  Man kann hier die Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht ausklammern. (Der Historizismus, dass also der Glaube zeitabhängig sei, ist ein Kernelement der modernistischen Irrlehre. Der Glaube verändert sich nicht durch das eine oder andere historische Ereignis. Im Gegenteil: Auschwitz hat uns mehr als deutlich gezeigt, dass alle Menschen der Bekehrung bedürfen und sowohl die Erbsünde als auch die Existenz des übernatürlichen Bösen, des Satans, Erfahrungstatsachen sind. Den Glauben an die „historischen Ereignisse“ anzupassen kann nicht statthaft sein. Glücklicherweise ist die Forderung nach der Bekehrung der Juden genausowenig antisemitisch wie die Forderung nach der Bekehrung der Deutschen deutschenfeindlich, oder nach der Bekehrung der Japaner japanerfeindlich wäre. ) Insoweit war es notwendig, wenn auch etwas spät, dass sich der Papst wie die Piusbrüder von den Holocaust-Leugnungen des Pater Williamson öffentlich distanziert haben. (Spät? Die Kirche hat nie den Holocaust geleugnet. Niemand, der nicht mit einer hinterhältigen Boshaftigkeit an die ganze Affäre herangegangen ist, kann ernsthaft geglaubt haben, die Kirche leugne den Holocaust. Christ und Welt war unfähig ein Tor zu schießen, doch jetzt haut Bolz sich die Dinger schon selber rein.) Andernfalls hätte gerade für einen deutschen und dazu noch traditionalistischen Papst (Papst Benedikt mag viel sein, aber er ist kein Traditionalist. Er sympathisiert sicher mit vielen ihrer Anliegen, aber er ist kein Traditionalist.) die Gefahr bestanden, mit den Ansichten Williamsons identifiziert zu werden. (Natürlich doch! So ein gutes Interview – und jetzt das! Klar, jeder gerecht denkende Mensch hätte Benedikt für einen Holocaustleugner gehalten, weil er deutsch, katholisch, und nicht feindlich genug gegenüber der Piusbruderschaft ist. Diese widerliche Sippenhaft, von den Nazis eingeführt und von den Aposteln der Politischen Korrektheit wie so vieles direkt aus dieser dunklen Zeit übernommen, vergiftet jedes sinnvolle Gespräch.)

C & W: Aber er wurde es anfänglich durch sein Schweigen. Johannes Paul II. wäre dieser Fehler nicht passiert. (Nein. Er hätte sich einfach an den Zeitgeist angeschmiegt und die Piusbrüder wie einst die Leprakranken behandelt. Nie hätte er eine Exkommunikation aufgehoben oder die Tridentinische Messe freigegeben. Lieber sah er leicht bekleideten liturgischen Tänzerinnen bei ihrem Treiben zu und lächelte huldvoll. Er war nach allen Berichten ein Mann von großer persönlicher Heiligkeit, nicht mehr und nicht weniger. Aber sicher nicht der größte Papst des 20. Jahrhunderts.)
Bolz: Nein, Johannes Paul hatte ein glücklicheres, weil spielerisches Händchen im Umgang mit den Medien – vielleicht ein Nebeneffekt der Ausbildung zum Schauspieler in der Jugend. (In den Medien wird man auf jede klare Aussage im Widerspruch gegen den Zeitgeist sofort festgenagelt. Die wichtige Frage des Lebensrechts einmal ausgenommen, hat sich das Pontifikat Johannes Pauls II. nicht gerade durch eine energische Verkündigung der kontroversen Aspekte des Glaubens ausgzeichnet. Ein Medienpapst eben.) Wobei sich generell die Frage stellt, ob die katholische Kirche sich überhaupt den medialen Imperativen der Moderne anpassen muss. (Bolz hat sich wieder gefangen und einen Konter gesetzt. FC Christ und Welt 1968 liegt nun schon 1:6 zurück, siebenfacher Torschütze ist Norbert Bolz.)

C & W: Das wird so manchem Bistumspressesprecher aber die Schweißperlen auf die Stirn treiben.
Bolz: Es wird den Umgang mit Skandal in der katholischen Kirche jedenfalls nicht leichter machen. Aber eine Hoffnung gibt es für den schwitzenden Pressesprecher.

C & W: Und die wäre?
Bolz: Unter dem nächsten Papst könnte alles wieder ganz anders sein. (Ja, das wäre theoretisch möglich. Aber noch ein Pontifikat des Stillstands und des huldvoll in Kameras Lächelns bei gleichzeitigem systematischen Kampf gegen den Katholizismus auf Gemeindeebene würde die Kirche in Europa nicht überleben. Sehen wir es positiv: Der nächste Papst, Pius XIII., wird endlich systematisch gegen Häresien und Liturgiemissbräuche vorgehen, und am Tag nach seiner Inthronisierung die Tridentinische Messe im Petersdom zelebrieren. Auch dann wäre unter dem nächsten Papst alles anders als unter dem vorigen. Doch der Schweiß auf der Stirn der Verbandskatholiken würde sich wundersam vermehren.)

Norbert Bolz, ein Mann der Einsichten in die Strategie des Heiligen Vaters, ist relativ fair zu allen Seiten, was man wie erwartet von den Zeitgeistgläubigen bei Christ und Welt nicht sagen kann. Dennoch entpuppt Bolz sich in einigen seiner Antworten eher als Relativist – immerhin ist er als Religionswissenschaftler nach dem Selbstverständnis dieser Disziplin auch zur Neutralität gegenüber allen Religionen verpflichtet. An manchen Stellen, wie etwa dem Antisemitismus, erkennt man aber, dass selbst Bolz nicht fähig ist, sich von allen Zeitgeistklischees („Bekehrung der Juden“ = „Antisemitismus“) zu lösen.

Trotzdem: Ein sehr schönes Interview, und ein Kantersieg des FC Bolz gegen den FC Christ und Welt 1968.

Nachtrag: Eine Stellungnahme des Distriktoberen der Piusbruderschaft in Deutschland, Pater Schmidberger, zu der Antisemitismuskontroverse findet sich hier.

12 Gedanken zu „Ein interessantes Interview mit Norbert Bolz

    • Danke, Frischer Wind.
      Eine Anmerkung: Dass gerade Sie den extra für Sie vorbereiteten Tippfehler gleich im ersten Satz nicht gefunden haben, enttäuscht mich doch sehr. Da hätte ich mehr erwartet… 🙂
      („mit dem Religionswissenschaftlers…“)
      P.S. Nein, der Fehler war natürlich keine Absicht, aber trotzdem… 🙂

  1. In einem ähnlichen Zusammenhang betreffend der tendenziösen Fragestellung in diesem Interview, habe ich mir in den letzten Wochen den Spaß erlaubt, mich auf einem (moderat-)konservativen katholischen Forum als Anhänger von traditionalistischem Gedankengut und Verteidiger der Piusbruderschaft zu outen. Es gibt 3 Arten von Reaktionen:
    1. Man wird ignoriert.
    2. Man wird „gemobbt“.
    3. Man erhält Zustimmung von Gleichgesinnten (eher selten)
    Wir sprachen vor einiger Zeit über die „repressive Toleranz“. Es ist erstaunlich und erschreckend, wie diese Art von Meinungsdiktatur und versteckter Zensur bereits verbreitet ist. Selbst in eigentlich konservativen Kreisen ist man dagegen nicht mehr immun. George Orwell lässt grüßen, aber ganz anders, als er sich das wohl vorgestellt hat.

    • wk1999,
      Orwell war, soweit ich weiß, kommunistisch orientiert, wenn auch gegen den Stalinismus (korrigieren Sie mich bitte, wenn ich da falsch liege). Der Kommunismus hat eine Reihe von sehr weitsichtigen Denkern hervorgebracht, die zu verschiedenen Zeiten mit der Parteilinie gebrochen haben. Die kommunistischen Dissidenten sind immer hochinteressant, denn sie liefern uns einen von persönlicher Erfahrung geprägten Einblick in die perversen Gedankengänge dieser Ideologie.
      Es ist also kein Wunder, dass Orwell so klar gesehen hat, wenn auch seine Ideologie ihm die richtigen Schlussfolgerungen verborgen hat.
      Was die Reaktion auf traditionalistische Katholiken betrifft, so kann ich Ihre Erlebnisse nur bestätigen. Der Konservative unterscheidet sich vom Traditionalisten in seinem ganzen Denkansatz. Das Grundproblem des Konservatismus besteht darin, dass er sich, schon in seinem Namen, dem Bewahren eines gegebenen Zustandes verschrieben hat. Wenn die Revolutionäre dann einmal gewonnen haben, wird der Konservative eben den nachrevolutionären Zustand verteidigen. Das unterscheidet ihn vom Reaktionär, der nach erfolgter Revolution die Konterrevolution wünscht. Nach dem Konzil, nach der Auffassung mancher das „1789“ der Kirche, haben sich die Konservativen, unter ihnen wohl auch der Heilige Vater, mit dem neuen Zustand arrangiert. Sie bekämpfen Missbräuche und legen das Konzil gemäßigt aus. Sie wünschen aber keine Konterrevolution, keine Rückkehr zur Tradition. Sie verstehen auch gar nicht, wie jemand das ernsthaft wünschen könnte, ist ihnen doch die Bewahrung um der Bewahrung Willen heilig.
      Chesterton hat einmal gesagt, es sei die Aufgabe der Fortschrittlichen, Fehler zu machen. Und die Aufgabe der Konservativen sei es, zu verhindern, dass die Fehler korrigiert werden. Wir sehen dies derzeit überall. Kein Wunder, dass auch konservative Katholiken wenig Verständnis für die Haltung haben, man müsse gemachte Fehler (wie z.B. die Abschaffung der Tridentinischen Messe) schlicht korrigieren, statt sie durch vorsichtige Reformen fortzuschreiben.

  2. Nochmal im Nachgang zu dieser Sache. Ich hatte diesen Artikel der ja aus „Christ und Welt“ stammt (ehemals Rheinischer Merkur jetzt dem linksliberalen Wochenmagazin „Die Zeit“ zugehörig!) kommentarlos in Kathspace.com gepostet. Sie werden es nicht glauben, er wurde zweimal vom Administrator entfernt. Auf Nachfrage wurde folgende Begründung gegeben:
    „Wir unterstützen keine Werbung für die Piusbruderschaft so lange sie sich ausserhalb der vollen Einheit der kath. Kirche befindet. Siehe auch: http://kathspace.com/community/bedingungen/
    Vielen Dank für Verständnis. “
    Es wäre zum Lachen wenn es nicht so traurig wäre. Das ist an Borniertheit fast nicht mehr zu überbieten.

    • wk1999,
      dabei handelt es sich ja nicht einmal um „Werbung für die Piusbruderschaft“. Scheinbar ist jemand, der sich ernsthaft bemüht, zu verstehen was die Piusbrüder eigentlich umtreibt, statt nur hirnlos Propaganda zu verbreiten, bereits außerhalb des erlaubten Fensters von Meinungen im katholischen Bereich.

      Das sind dann wohl dieselben Leute, die die Lehre von der unbeschränkten „Gewissensfreiheit“ aus dem letzten Konzil vehement verteidigen würden, oder nicht?

      Eine Zensur, so sagt man, findet nicht statt. Außer wir wollen es so.

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  4. „Die wichtige Frage des Lebensrechts einmal ausgenommen, hat sich das Pontifikat Johannes Pauls II. nicht gerade durch eine energische Verkündigung der kontroversen Aspekte des Glaubens ausgzeichnet. Ein Medienpapst eben“

    Diese Aussage halte ich vor der Hand mal für eine Unverschämtheit. Sie trifft übrigens voll umfänglich den jetzigen Hl. Vater, der bekanntlich während des Pontifikates seines seligen Vorgängers für die Glaubenslehre der Kirche eine besondere Verantwortung hatte.

    Aber gerne lasse ich mir erklären, welchem „kontroversen Aspekt des Glaubens“ Johannes Paul II. denn aus dem Weg gegangen ist …

    • Theodor,
      zum Vorwurf der Unverschämtheit: Ich gebe zu, ich hätte mich etwas diplomatischer ausdrücken können, ohne von der Substanz dessen was ich hatte sagen wollen, abzurücken. Ich hätte richtigerweise hinzufügen können, dass, hinsichtlich seiner Enzykliken und sonstigen lehramtlichen Dokumente durch den seligen Johannes Paul II nichts Falsches und auch nichts Unvollständiges gelehrt wurde. Meine Aussage, getätigt im Kontext der Frage nach dem Verhältnis des Papstes zu den Medien, bezog sich vornehmlich auf die sozusagen vor großem Publikum stattfindenden Handlungen und geäußerten Worte.
      Augenfällig wäre vor diesem Hintergrund das zumindest zweifelhafte Assisi-Treffen von 1986, durch das zumindest implizit der Eindruck erweckt wurde, alle Religionen seien irgendwie gleichermaßen legitim oder gar heilsbringend, und durch das der weitere Eindruck erweckt wurde, es gehe im Wesentlichen um die Herstellung eines weltlich interpretierten Friedens statt um den Frieden Christi (den die Nichtchristen unter den gleichberechtigt anwesenden Religionsvertretern aus naheliegenden Gründen ja nicht erstreben konnten).
      Weitere Dinge, die mir spontan in den öffentlichen Äußerungen und Medienbeziehungen Johannes Pauls II. fehlen, sind unter anderem die Lehre von der Hölle, das für die Soziallehre entscheidende Prinzip der Subsidiarität und die Heilsnotwendigkeit der Kirche, um drei wichtige Beispiele zu nennen.
      Wohlgemerkt: Ich behaupte nicht, der Papst habe diese Dinge geleugnet, oder auch nur in seinen lehramtlichen Veröffentlichungen verschwiegen – ich spreche von seinem, wie Bolz in dem Interview das nennt – „spielerischen“ Umgang mit den Medien, der sich nun einmal mehr als Auslandsreisen, charmanten Interviews, interreligiösen Treffen usw. speiste, als aus den oben erwähnten Aspekten des Glaubens.
      Ich gebe ohne Weiteres zu, dass ich dies etwas präziser und vor allem diplomatischer hätte formulieren können, doch inhaltlich stehe ich aus den genannten und anderen Gründen, für deren Aufzählung ein Kommentar nicht reicht, zu der These, dass Johannes Paul II. sich nicht gerade durch eine „energische Verkündigung“ des ganzen, unverkürzten Glaubens ausgezeichnet hat.
      Wenn Sie Gegenbeispiele nennen könnten, die zeigen, wo – in der Öffentlichkeit, vor großem Publikum oder sonstwie mit großem Eifer und missionarischer Energie – Johannes Paul II. die genannten Aspekte des Glaubens zu verkündigen versucht hat, wäre ich Ihnen dankbar. Aus Altersgründen habe ich auch nicht das ganze Pontifikat bewusst miterlebt und war damals auch nocht gar nicht katholisch, so dass ich nicht ausschließen möchte, dass mir etwas entgangen sein könnte.

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