Dritte Reaktion: Eine Richtungswahl

Eine Nacht ist vergangen und ich habe über das ernüchternde Ergebnis des Konklaves einmal geschlafen. Die erste Enttäuschung ob der Wahl eines liturgischen Anti-Traditionalisten vom theologisch progressiven bis modernistischen Flügel ist noch längst nicht abgeklungen. Doch das ändert alles nichts. Er ist nun einmal gewählt worden, und wenn er nun der Papst ist, dann ist er auch mein Papst, und ich will versuchen, ihm in den kommenden Tagen und Wochen ihm die Chance zu geben, sich als ein guter Hirte zu bewähren, was ihm objektiv betrachtet in Buenos Aires nicht gelungen war.

Doch die Frage muss erlaubt sein: Was bitte ist in dieses Konklave gefahren? Wir hatten ja durchaus einige Kardinäle, die die Richtung des vergangenen Pontifikats gern fortgesetzt hätten – Scola, Ouellet etc. Das Konklave war das, was man in manchen weltlichen Kontexten eine Richtungswahl nennen könnte. Nach dem Papstrücktritt, der einen klaren Bruch mit einer langen Tradition darstellte, stand nun die Frage an, wie die Kardinäle mit diesem Rücktritt umgehen sollten. Sollten sie einen Papst wählen, der grob die theologische und liturgische Reform Benedikts fortsetzen würde? Die Antwort auf diese Frage konnte nur „ja“ oder „nein“ lauten. Hätte man im Konklave auch nur 38 Stimmberechtigte gefunden, die an dem Reformkurs Benedikts hätten festhalten wollen, so wäre die Wahl des großen Gegenspielers von Benedikt aus dem Konklave 2005 sicher niemals geschehen.

Der Ausgang des Konklaves, der Richtungswahl, zeigt klar: Eine solide Zweidrittelmehrheit der Kardinäle wollte den Bruch mit dem Kurs Benedikts, den Bruch mit der langsamen  Rückkehr zu liturgischer Angemessenheit und theologischer Orthodoxie, den Bruch mit der „Hermeneutik der Kontinuität“ und mit allen anderen Aspekten des vergangenen Pontifikats. Die Kardinäle, die mehrheitlich von Benedikt ernannt worden sind, haben damit einen energischen Richtungswechsel der Kirche herbeizuführen versucht. Gegen Bergoglios Liturgien nehmen sich die von deutschen Bischöfen zelebrierten Messen geradezu ehrfürchtig, andächtig und ultra-traditionell aus. Verglichen mit Bergoglios hochmütigem Vorsichhertragen angeblicher Demut nimmt sich selbst der ständige Versuch der deutschen Bischöfe, volksnah zu sein, noch triumphalistisch und pompös aus.

Welche Botschaft geht also von diesem Richtungs-Konklave aus? Die versammelten Kirchenfürsten haben ein glasklares Votum gegen den Kurs Benedikts ausgesprochen. Es handelt sich angesichts der Kandidatenauswahl auch keinesfalls um eine nur partielle Abkehr von den Zielen des letzten Pontifikats, sondern um eine fast vollständige Kehrtwende.

Von der natürlich immer bestehenden Möglichkeit einer Herzensbekehrung des neuen Bischofs von Rom abgesehen, heißt das für den traditionellen Katholiken, dass die langsame Rückkehr zur gesunden Lehre, die sich nach dem Konzil über die Reihe Paul VI –> Johannes Paul II. –> Benedikt XVI. anzudeuten schien, nun gründlich vorüber ist. Radikaler Ökumenismus, Anpassung an das wirtschaftspolitische Programm sozialistischer Parteien, weitgehendes Schweigen zum Massenmord an den Ungeborenen, Herabwürdigung des Heiligen Messopfers zur Tanz- und Hüpfparty für geistige Kinder aller Altersschichten, Unterdrückung der Anhänger der überlieferten Messe, Anbiederung an die Moderne etc. etc., das ist das Programm des Erzbischofs von Buenos Aires gewesen, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dies werde nicht auch sein Programm als Bischof von Rom bleiben.

Mindestens 78 Kardinäle haben gestern für den Lieblingskandidaten der Bruchhermeneutiker gestimmt. Es ist richtig, dass nun in einigen katholischen Medien die hysterisch-positive Berichterstattung über Papst Franz losgehen wird. Dieselben Leute, die die Reform der Reform unter Benedikt verteidigt haben, werden jetzt ihre Liebe zum liturgischen Tanz und zur Gitarre als vornehmlicher Form liturgischer Musik wiederentdecken, weil der Papst das gern so hat. Dass für manche ein Papst niemals etwas falsch machen kann, selbst wenn er gar nicht ex cathedra spricht, ist leider eine Tatsache.

Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass eine überwältigende Mehrheit des Konklaves jeglicher Reform des Benedikt-Pontifikats eine entschiedene Absage erteilt hat.

Doch selbst das überwältigende Votum für einen Bruch mit der Traditionskontinuität Benedikts ändert nicht einmal einen winzigen Hauch an der Tatsache, dass die Heilige Kirche uns in Tradition und Schrift den Wahren Glauben zugänglich gemacht hat und weiterhin zugänglich macht, egal ob der aktuelle Papst dies gern hört oder nicht.

Ich kann nur der Piusbruderschaft erneut danken, dass sie nicht den Fehler gemacht hat, vom giftigen Baum des Konzils zu essen, um von Rom wieder anerkannt zu werden.

Heiliger Papst Pius X., bitte für uns.

Summorum Pontificum

Im Jahr 2007 erließ der Papst ein ganz wichtiges Kirchengesetz, nämlich Summorum Pontificum. Mit diesem „Motu Proprio“ erhielt die traditionelle Messe wieder volles Heimatrecht in der Kirche. Jeder Priester hat das Recht, die liturgischen Traditionen seiner Kirche wieder für sich zu entdecken und die Messe aller Zeiten zu zelebrieren. Bis heute stellen sich die Modernisten mit Macht gegen die Umsetzung von Summorum Pontificum, größtenteils mit Erfolg. Doch es sind rechtliche Fakten geschaffen worden, und ein zukünftiger Papst kann auf diesem wichtigen Fundament aufbauen. Anlässlich der Abdankung des Heiligen Vaters zum Ende des laufenden Monats sei hier dieses wichtige Motu Proprio vollständig und ungekürzt in deutscher Übersetzung präsentiert: (Die lateinische Originalfassung findet sich hinter dem Link. Doch trotz der lateinfreundlichen Ausrichtung dieses Blogs scheint es mir angemessen, hier die deutsche Übersetzung zu zitieren, da den meisten Lesern die Lektüre des lateinischen Originals sicher schwerer fallen dürfte, als die der deutschen Übersetzung…)

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Deutsch

Achtung: Inoffizielle vom Vatikan veröffentlichte Übersetzung

Motu Proprio SUMMORUM PONTIFICUM

Die Sorge der Päpste ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt, „zum Lob und Ruhm Seines Namens“ und „zum Segen für Seine ganze heilige Kirche“.

Seit unvordenklicher Zeit wie auch in Zukunft gilt es den Grundsatz zu wahren, „demzufolge jede Teilkirche mit der Gesamtkirche nicht nur hinsichtlich der Glaubenslehre und der sakramentalen Zeichen übereinstimmen muss, sondern auch hinsichtlich der universal von der apostolischen und ununterbrochenen Überlieferung empfangenen Gebräuche, die einzuhalten sind, nicht nur Irrtümer zu vermeiden, sondern auch damit der Glaube unversehrt weitergegeben wird; denn das Gesetz des Betens (lex orandi) der Kirche entspricht ihrem Gesetz des Glaubens (lex credendi).“ (1)

Unter den Päpsten, die eine solche gebotene Sorge walten ließen, ragt der Name des heiligen Gregor des Großen heraus; dieser sorgte dafür, dass sowohl der katholische Glaube als auch die Schätze des Kultes und der Kultur, welche die Römer der vorangegangenen Jahrhunderte angesammelt hatten, den jungen Völkern Europas übermittelt wurden.

Er ordnete an, dass die in Rom gefeierte Form der heiligen Liturgie – sowohl des Messopfers als auch des Officium Divinum – festgestellt und bewahrt werde.

Eine außerordentlich große Stütze war sie den Mönchen und auch den Nonnen, die unter der Regel des heiligen Benedikt dienten und überall zugleich mit der Verkündigung des Evangeliums durch ihr Leben auch jenen äußerst heilsamen Satz veranschaulichten, dass „dem Gottesdienst nichts vorzuziehen“ sei (Kap. 43). Auf solche Weise befruchtete die heilige Liturgie nach römischem Brauch nicht nur den Glauben und die Frömmigkeit, sondern auch die Kultur vieler Völker.

Es steht fraglos fest, dass die lateinische Liturgie der Kirche – mit ihren verschiedenen Formen in allen Jahrhunderten der christlichen Zeit – sehr viele Heilige im geistlichen Leben angespornt und so viele Völker in der Tugend der Gottesverehrung gestärkt und deren Frömmigkeit befruchtet hat.

Dass aber die heilige Liturgie diese Aufgabe noch wirksamer erfüllte, darauf haben verschiedene weitere Päpste im Verlauf der Jahrhunderte besondere Sorgfalt verwandt; unter ihnen ragt der heilige Pius V. heraus, der mit großem seelsorglichen Eifer auf Veranlassung des Konzils von Trient den ganzen Kult der Kirche erneuerte, die Herausgabe verbesserter und „nach der Norm der Väter reformierter“ liturgischer Bücher besorgte und sie der lateinischen Kirche zum Gebrauch übergab.

Unter den liturgischen Büchern des römischen Ritus ragt das Römische Messbuch deutlich heraus; es ist in der Stadt Rom entstanden und hat in den nachfolgenden Jahrhunderten schrittweise Formen angenommen, die große Ähnlichkeit haben mit der in den letzten Generationen geltenden.

„Dasselbe Ziel verfolgten die Päpste im Lauf der folgenden Jahrhunderte, indem sie sich um die Erneuerung oder die Festlegung der liturgischen Riten und Bücher bemühten und schließlich am Beginn dieses Jahrhunderts eine allgemeine Reform in Angriff nahmen“. (2) So aber hielten es Unsere Vorgänger Clemens VIII., Urban VIII., der heilige Pius X., (3) Benedikt XV., Pius XII. und der selige Johannes XXIII.

In jüngerer Zeit brachte das Zweite Vatikanische Konzil den Wunsch zum Ausdruck, wonach mit der gebotenen Achtsamkeit und Ehrfurcht gegenüber dem Gottesdienst dieser ein weiteres Mal reformiert und den Erfordernissen unserer Zeit angepasst werden sollte.

Von diesem Wunsch geleitet hat Unser Vorgänger Papst Paul VI. die reformierten und zum Teil erneuerten liturgischen Bücher im Jahr 1970 für die lateinische Kirche approbiert; überall auf der Erde in eine Vielzahl von Volkssprachen übersetzt, wurden sie von den Bischöfen sowie von den Priestern und Gläubigen bereitwillig angenommen.

Johannes Paul II. rekognoszierte die dritte Editio typica des Römischen Messbuchs. So haben die Päpste daran gearbeitet, dass „dieses ‚liturgische Gebäude‘ […] in seiner Würde und Harmonie“ neu erstrahlte. (4)

Andererseits hingen in manchen Gegenden durchaus nicht wenige Gläubige den früheren liturgischen Formen, die ihre Kultur und ihren Geist so grundlegend geprägt hatten, mit derart großer Liebe und Empfindung an und tun dies weiterhin, dass Papst Johannes Paul II., geleitet von der Hirtensorge für diese Gläubigen, im Jahr 1984 mit dem besonderen Indult „Quattuor abhinc annos“, das die Kongregation für den Gottesdienst entworfen hatte, die Möglichkeit zum Gebrauch des Römischen Messbuchs zugestand, das von Johannes XXIII. im Jahr 1962 herausgegeben worden war; im Jahr 1988 forderte Johannes Paul II. indes die Bischöfe mit dem als Motu Proprio erlassenen Apostolischen Schreiben „Ecclesia Dei“ auf, eine solche Möglichkeit weitherzig und großzügig zum Wohl aller Gläubigen, die darum bitten, einzuräumen.

Nachdem die inständigen Bitten dieser Gläubigen schon von Unserem Vorgänger Johannes Paul II. über längere Zeit hin abgewogen und auch von Unseren Vätern Kardinälen in dem am 23. März 2006 abgehaltenen Konsistorium gehört worden sind, nachdem alles reiflich abgewogen worden ist, nach Anrufung des Heiligen Geistes und fest vertrauend auf die Hilfe Gottes, BESCHLIESSEN WIR mit dem vorliegenden Apostolischen Schreiben folgendes:

Art. 1. Das von Paul VI. promulgierte Römische Messbuch ist die ordentliche Ausdrucksform der „Lex orandi“ der katholischen Kirche des lateinischen Ritus. Das vom hl. Pius V. promulgierte und vom sel. Johannes XXIII. neu herausgegebene Römische Messbuch hat hingegen als außerordentliche Ausdrucksform derselben „Lex orandi“ der Kirche zu gelten, und aufgrund seines verehrungswürdigen und alten Gebrauchs soll es sich der gebotenen Ehre erfreuen.

Diese zwei Ausdrucksformen der „Lex orandi“ der Kirche werden aber keineswegs zu einer Spaltung der „Lex credendi“ der Kirche führen; denn sie sind zwei Anwendungsformen des einen Römischen Ritus.

Demgemäß ist es erlaubt, das Messopfer nach der vom sel. Johannes XXIII. promulgierten und niemals abgeschafften Editio typica des Römischen Messbuchs als außerordentliche Form der Liturgie der Kirche zu feiern. Die von den vorangegangenen Dokumenten „Quattuor abhinc annos“ und „Ecclesia Dei“ für den Gebrauch dieses Messbuchs aufgestellten Bedingungen aber werden wie folgt ersetzt:

Art. 2. In Messen, die ohne Volk gefeiert werden, kann jeder katholische Priester des lateinischen Ritus – sei er Weltpriester oder Ordenspriester – entweder das vom seligen Papst Johannes XXIII. im Jahr 1962 herausgegebene Römische Messbuch gebrauchen oder das von Papst Paul VI. im Jahr 1970 promulgierte, und zwar an jedem Tag mit Ausnahme des Triduum Sacrum.

Für eine solche Feier nach dem einen oder dem anderen Messbuch benötigt der Priester keine Erlaubnis, weder vom Apostolischen Stuhl noch von seinem Ordinarius.

Art. 3. Wenn Gemeinschaften der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens – seien sie päpstlichen oder diözesanen Rechts – es wünschen, bei der Konvents- bzw. „Kommunitäts“-Messe im eigenen Oratorium die Feier der heiligen Messe nach der Ausgabe des Römischen Messbuchs zu halten, die im Jahr 1962 promulgiert wurde, ist ihnen dies erlaubt.

Wenn eine einzelne Gemeinschaft oder ein ganzes Institut bzw. eine ganze Gesellschaft solche Feiern oft, auf Dauer oder ständig begehen will, ist es Sache der höheren Oberen, nach der Norm des Rechts und gemäß der Gesetze und Partikularstatuten zu entscheiden.

Art. 4. Zu den Feiern der heiligen Messe, von denen oben in Art. 2 gehandelt wurde, können entsprechend dem Recht auch Christgläubige zugelassen werden, die aus eigenem Antrieb darum bitten.

Art. 5 § 1. In Pfarreien, wo eine Gruppe von Gläubigen, die der früheren Liturgie anhängen, dauerhaft existiert, hat der Pfarrer deren Bitten, die heilige Messe nach dem im Jahr 1962 herausgegebenen Römischen Messbuch zu feiern, bereitwillig aufzunehmen. Er selbst hat darauf zu achten, dass das Wohl dieser Gläubigen harmonisch in Einklang gebracht wird mit der ordentlichen Hirtensorge für die Pfarrei, unter der Leitung des Bischofs nach der Norm des Canon 392, wobei Zwietracht zu vermeiden und die Einheit der ganzen Kirche zu fördern ist.

§ 2. Die Feier nach dem Messbuch des sel. Johannes XXIII. kann an den Werktagen stattfinden; an Sonntagen und Festen kann indes ebenfalls eine Feier dieser Art stattfinden.

§ 3. Gläubigen oder Priestern, die darum bitten, hat der Pfarrer auch zu besonderen Gelegenheiten Feiern in dieser außerordentlichen Form zu gestatten, so z. B. bei der Trauung, bei der Begräbnisfeier oder bei situationsbedingten Feiern, wie etwa Wallfahrten.

§ 4. Priester, die das Messbuch des sel. Johannes XXIII. gebrauchen, müssen geeignet und dürfen nicht von Rechts wegen gehindert sein.

§ 5. In Kirchen, die weder Pfarr- noch Konventskirchen sind, ist es Sache des Kirchenrektors, eine Erlaubnis bezüglich des oben Genannten zu erteilen.

Art. 6. In Messen, die nach dem Messbuch des sel. Johannes XXIII. zusammen mit dem Volk gefeiert werden, können die Lesungen auch in der Volkssprache verkündet werden, unter Gebrauch der vom Apostolischen Stuhl rekognoszierten Ausgaben.

Art. 7. Wo irgendeine Gruppe von Laien durch den Pfarrer nicht erhalten sollte, worum sie nach Art. 5 § 1 bittet, hat sie den Diözesanbischof davon in Kenntnis zu setzen. Der Bischof wird nachdrücklich ersucht, ihrem Wunsch zu entsprechen. Wenn er für eine Feier dieser Art nicht sorgen kann, ist die Sache der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ mitzuteilen.

Art. 8. Ein Bischof, der für Bitten dieser Art seitens der christgläubigen Laien Sorge tragen möchte, aber aus verschiedenen Gründen daran gehindert wird, kann die Sache der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ berichten, die ihm Rat und Hilfe zu geben hat.

Art 9 § 1. Der Pfarrer kann – nachdem er alles wohl abgewogen hat – auch die Erlaubnis geben, dass bei der Spendung der Sakramente der Taufe, der Ehe, der Buße und der Krankensalbung das ältere Rituale verwendet wird, wenn das Heil der Seelen dies nahe legt.

§ 2. Den Bischöfen ist die Vollmacht gegeben, das Sakrament der Firmung nach dem alten Pontificale Romanum zu feiern, wenn das Heil der Seelen dies nahe legt.

§ 3. Die geweihten Kleriker haben das Recht, auch das Römische Brevier zu gebrauchen, das vom sel. Johannes XXIII. im Jahr 1962 promulgiert wurde.

Art. 10. Der Ortsordinarius hat das Recht, wenn er es für ratsam hält, eine Personalpfarrei nach Norm des Canon 518 für die Feiern nach der älteren Form des römischen Ritus zu errichten oder einen Rektor bzw. Kaplan zu ernennen, entsprechend dem Recht.

Art. 11. Die Päpstliche Kommission „Ecclesia Dei“, die von Johannes Paul II. im Jahr 1988 errichtet wurde (5), fährt fort mit der Erfüllung ihrer Aufgabe. Diese Kommission soll die Form, die Amtsaufgaben und die Handlungsnormen erhalten, mit denen der Papst sie ausstatten will.

Art. 12. Dieselbe Kommission wird über die Vollmachten hinaus, derer sie sich bereits erfreut, die Autorität des Heiligen Stuhls ausüben, indem sie über die Beachtung und Anwendung dieser Anordnungen wacht.

Alles aber, was von Uns durch dieses als Motu Proprio erlassene Apostolische Schreiben beschlossen wurde, ist – so bestimmen Wir – gültig und rechtskräftig und vom 14. September dieses Jahres, dem Fest der Kreuzerhöhung, an zu befolgen, ungeachtet jeder anderen gegenteiligen Anordnung.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 7. Juli, im Jahr des Herrn 2007, dem dritten Jahr Unseres Pontifikats.

Anmerkungen:
(1) INSTITUTIO GENERALIS MISSALIS ROMANI, EDITIO TERTIA, 2002, Nr. 397. (2) PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus vom 4. Dezember 1988, Nr. 3: AAS 81 (1989) 899. (3) Ebd. (4) HL. PAPST PIUS X., Apostolisches Schreiben „Motu Proprio“ Abhinc duos annos vom 23. Oktober 1913: AAS 5 (1913) 449-450; vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, Nr. 3: AAS 81 (1989) 899. (5) Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben „Motu Proprio“ Ecclesia Dei adflicta vom 2. Juli 1988, Nr. 6: AAS 80 (1988) 1498.

Ein Rückblick

Im Jahre 2005, als Papst Johannes Paul II. verstarb, war ich Atheist, und zwar aus Überzeugung. Es gab einige Punkte, etwa beim Lebensrecht, in denen ich der Kirche zustimmte, doch generell wäre ich nie auf die Idee gekommen, aus solchen punktuellen Gemeinsamkeiten irgendeine Art religiöser Zugehörigkeit abzuleiten, zumal mir die bekannten deutschen „amtskirchlichen“ Vertreter sehr unsympathisch waren.

Im Familienkreis sagte ich damals, direkt nach dem Tod des Heiligen Vaters, ich sei sicher, Kardinal Ratzinger werde sein Nachfolger. Auch als Nichtkatholik und sogar Nichtchrist fand ich den Tod des Papstes traurig, hatte ich doch keinen anderen in meinem Leben gekannt. Doch, so weissagte ich mit Überzeugung, jetzt werde alles noch schlimmer, wenn dieser bissige Schäferhund, dieser konservative Extremist Joseph Ratzinger auf den Stuhl Petri steigt. Ich sollte Recht behalten, auch wenn mir damals noch niemand glauben wollte. Wenige Wochen später hatten wir Papst Benedikt XVI. und sein Pontifikat sollte für mich zu einem Wendepunkt in meinem Leben werden. Ich konnte damals noch nicht absehen, dass ich acht Jahre später, gegen Ende dieses Pontifikats als traditioneller Katholik auf einem katholischen Blog schreiben würde.

Auch wenn Benedikt XVI. mindestens in der Anfangsphase sehr wenig mit meiner Bekehrung zu tun hatte – ich hätte mich niemals von einem „Kirchenfunktionär“ überzeugen lassen – wurde er später zu einem wichtigen Bezugspunkt meiner Beschäftigung mit dem katholischen Glauben. Wie kein anderer „nachkonziliarer“ Theologe versteht er es, den Glauben in seiner ganzen geistigen und geistlichen Tiefe und in seinen tiefgreifenden praktischen Konsequenzen für das Leben des Menschen zu vermitteln, und auch über gewisse offene Fragen in der Auslegung bestimmter Konzilstexte hinweg muss man anerkennen, dass Joseph Ratzinger ein geistiger Riese des 20. und 21. Jahrhunderts ist.

Für sein ganzes beträchtliches Lebenswerk und mehr noch für seinen ungebrochenen Willen, sein Leben in den Dienst Gottes und Seiner Kirche zu stellen, gebührt unserem Heiligen Vater allein der aufrichtigste Dank. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, theologische Streitfragen über das Konzil erneut zu diskutieren. Es ist bekannt, dass es da wichtige Differenzen gibt, doch diese Differenzen sollten unsere Dankbarkeit nicht trüben.

Auch auf der praktischen Seite hat Papst Benedikt durch Summorum Pontificum der traditionellen Messe einen wichtigen Weg zurück zur innerkirchlich anerkannten Legitimität verschafft. Seine Versuche, sich mit der Piusbruderschaft zu einigen, sind wohl gescheitert, und jetzt ist nicht der Zeitpunkt, über die Ursachen zu spekulieren, doch dass er diese Versuche ernstlich und gegen nicht geringe Widerstände unternommen hat, ist ein weiteres positives Zeichen dieses Pontifikats. In den kommenden Tagen und Wochen wird noch genug Zeit sein, im Detail über solche Fragen zu sprechen, ebenso wie auch die unvermeidliche Spekulation über mögliche Nachfolger.

Die letzten acht Jahre haben meine Bekehrung gesehen, und allein deshalb wird in meinem Herzen das derzeitige Pontifikat immer einen ganz besonderen Platz haben, wie auch der derzeige Papst, den ich zum Zeitpunkt seiner Krönung für eine schreckliche Katastrophe gehalten habe.

Also noch einmal: Danke, Heiliger Vater. Danke, Benedikt.

Schaden kann es nicht…

… auch wenn ich das Anliegen für völlig unrealistisch halte:

Es gibt eine Petition, die den Heiligen Vater bittet, die Messe auch einmal öffentlich im überlieferten tridentinischen Ritus zu zelebrieren – das Anliegen kann ich nur unterstützen. Vielleicht möchte ja der eine oder andere Leser seine Unterstützung auch in dieser Petition kundtun? Ich möchte dies empfehlen.

Es wäre ein sehr schönes und sehr wichtiges Symbol, wenn der Papst die angeblich ja wieder mit „Heimatrecht“ in der Kirche ausgestattete traditionelle Messe auch öffentlich zelebrieren würde.

Strukturelle und inhaltliche Kontinuität

Alle Vergleiche hinken. Dies gilt auch und gerade für den folgenden Vergleich zwischen politischem und theologischem „Konservatismus“. Der Vergleich hinkt sogar sehr stark, weil der christliche oder katholische theologische „Konservative“ über einen durch göttliche Offenbarung unhintergehbar zugesagten Schatz von Glaubenswahrheiten verfügt, die nicht mehr Gegenstand der theologischen Debatte sein können. Gerade für den Katholiken sind die fleischliche Auferstehung Christi, die immerwährende Jungfräulichkeit Marias, der Charakter der Messe als Opfer, die Einzigkeit und Heilsnotwendigkeit der Katholischen Kirche usw. nicht verhandelbare Gegenstände politischer oder quasipolitischer Debatten. Sie sind diplomatischen Zugeständnissen, ökumenischen oder interreligiösen Gesten oder opportuner Anpassung an den Zeitgeist schlicht und einfach nicht zugänglich.

Der theologische „Konservative“ vertritt also in seinem Festhalten an der überlieferten Glaubenswahrheit nicht bloß eine prinzipiell bestreitbare, möglicherweise falsche Überzeugung, dass eine bestimmte Sache bewahrenswert sei, sondern die gewisse Sicherheit, dass Gott seine Kirche in Fragen des Glaubens und der Sittenlehre in die Wahrheit und nicht in den Irrtum führen wird.

Politischer Konservatismus mag bis zu einem gewissen Grad Gegenstand individueller Temperamente sein. Mancher neigt vielleicht eher zur Risikobereitschaft und ist bereit, gesellschaftliche Veränderungen auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich als Irrtümer herausstellen und Schaden verursachen könnten. Ein anderer ist eher vorsichtig. Er bewertet die Vermeidung potenziell schädlicher Irrtümer höher als die Möglichkeit eventueller positiver Fortschritte. So unterscheiden sich die Menschen. In der politischen Sphäre kann man daher nicht objektiv sagen, ob in einer gewissen politischen Streitfrage der Konservative oder sein Gegner im Recht ist. In lehramtlich geklärten theologischen Fragen kann der Katholik hingegen genau diese Feststellung treffen. Wer behauptet, Christus sei gar nicht wirklich fleischlich auferstanden mit einem echten, sichtbaren, wenn auch verklärten Leib, sondern bloß in der Hoffnung oder religiösen Erfahrung seiner Anhänger, der leugnet eine sichere Glaubenswahrheit. Er hat nicht nur einfach ein experimentierfreudiges Temperament, oder ist für oder gegen Fortschritt, sondern er leugnet die Grundbasis des christlichen Glaubens.

Eine Person als „politisch konservativ“ einzustufen, gibt Auskunft über diese Person, über ihr Temperament, ihre Haltung zu Tradition und Fortschritt usw. Eine Person als „theologisch konservativ“ einzustufen, heißt einfach nur, dass sie an den sicheren und gewissen Glaubenswahrheiten festhalten will. Man könnte statt „theologisch konservativ“ also auch einfach „orthodox“ oder „katholisch“ sagen, was zugleich prägnanter und aussagekräftiger wäre.

Wenn ich nun diesen zugegeben extrem stark hinkenden Vergleich heranziehen möchte, dann nur, um zwei verschiedene Strömungen innerhalb der heutigen katholischen Kirche konzeptionell voneinander zu trennen, die beide kein kirchliches Dogma leugnen, sich aber dennoch in ihren theologischen Positionen deutlich voneinander unterscheiden. Zu diesem Zweck möchte ich die gestern bereits dargestellte Unterscheidung von „Strukturkonservatismus“ und „Wertkonservatismus“ heranziehen. Der Strukturkonservative hält an den gesellschaftlichen Strukturen fest. Er lehnt eine Veränderung ab, weil sie das Skelett der Gesellschaft, ihre Grundstruktur angreift. Der Strukturkonservative ist meist von vorsichtigem Temperament, schätzt Experimente überhaupt nicht, und fühlt sich wohl, wenn alles beim Alten bleibt. Der Wertkonservative hat ein ganz bestimmtes, inhaltlich klar definiertes Idealbild einer Gesellschaft im Auge, von dem er glaubt, dass bestimmte „Fortschritte“ oder „Reformen“ ihm entgegenstehen und deshalb verhindert werden müssen. Der Wertkonservative, sofern er wertkonservativ ist, lehnt Veränderungen gar nicht per se ab. Er lehnt Reform „x“ nicht ab, weil sie eine Veränderung der gesellschaftlich-politischen Struktur ist, sondern weil die Reform inhaltlich in die falsche Richtung geht.

Natürlich sind viele Strukturkonservative auch wertkonservativ (und umgekehrt), doch konzeptionell liegt hier eine klare Differenz vor.

Diese politische Unterscheidung möchte ich analog – wenn auch mit größter Vorsicht und Vorläufigkeit – auf die „kirchenpolitische“ Lage übertragen. Es gibt Kräfte in der Kirche (die üblichen Reformkatholiken), die weder struktur- noch wertkonservativ sind. Sie beharren nicht auf den überlieferten kirchlichen Strukturen, und auch nicht auf den Glaubensinhalten. Dann gibt es Kirchenmänner wie den Erzbischof Müller, die durchaus an den überlieferten, hierarchischen Strukturen festhalten möchten, die etwa das Frauenpriestertum, die diversen Laienaufstände usw. immer eindeutig und unmissverständlich abgelehnt haben, und die auch die Struktur der katholischen Theologie beibehalten möchten. Sie bleiben bei den traditionellen theologischen Begriffen. Sie wollen keine neue Theologie schaffen, die den offenen Bruch mit der traditionellen, katholischen Theologie vollzieht. Kurzum: Sie sind für Kontinuität der Strukturen in jeder Hinsicht.

Und doch verändern sie subtil die Bedeutung überlieferter Glaubenswahrheiten. Wenn Erzbischof Müller die Jungfräulichkeit, die Maria auch heute noch hat, so stark spiritualisiert, dass man darin nur noch mir sehr viel Wohlwollen ein Bekenntnis zur auch physischen Jungfräulichkeit lesen kann, dann haben wir genau das, was ich mit dem hinkenden Vergleich zum „Strukturkonservatismus“ beleuchten möchte. Ebenso, wenn derselbe Erzbischof erklärt, man hätte den auferstanden Jesus nicht mit einer Filmkamera aufnehmen können. Hier wird der Leib des Auferstandenen so stark spiritualisiert, dass er nicht mehr materiell genug wäre, dass diese Materie auch objektiv, unabhängig von den „Erfahrungen“ gläubiger Menschen wahrnehmbar wäre. Dies schließt zwar die traditionelle Deutung nicht explizit aus – bricht also nicht mit der Struktur der katholischen Überlieferung – verschiebt aber die Inhalte so stark, dass im Grunde eine andere Theologie dabei herauskommt. Ein fleischlicher, verklärter Leib, den der zweifelnde Thomas anfassen, und der Fisch essen konnte, ist eine ganz andere Sache, als ein spiritualisierter Leibrest, der nur in den Erfahrungen der Gläubigen überhaupt wahrnehmbar ist, selbst wenn beide Deutungen formal in Einklang mit der traditionellen Doktrin zu bringen sein sollten.

Hier haben wir den Unterschied zwischen strukturkonservativem und wertkonservativem Denken auch in der katholischen Theologie. Beide Arten von „Konservativen“ sind formal orthodox – sie leugnen formal keine Glaubenswahrheit. Und doch ist die Haltung, die etwa hier zum Ausdruck kommt grundsätzlich anders als die, die Erzbischof Müller zum Ausdruck bringt.

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen einer Hermeneutik der strukturellen Kontinuität („Kontinuität des einen Subjekts Kirche“, wie es der Heilige Vater ausdrückt), und einer Hermeneutik der inhaltlichen Kontinuität, in der nicht nur die gleiche Kirche mit den gleichen Strukturen ihrer göttlichen Verfassung die gleichen Glaubenssätze lehrt, sondern in der sie auch noch inhaltlich dasselbe mit diesen Glaubenssätzen meint.

Beide lehnen die „Hermeneutik des Bruches“ ab, doch das heißt noch nicht, dass sie sich einig in ihrem Verständnis von Kontinuität wären. Dies ist weder bei dem ewigen Zankapfel des letzten Konzils der Fall, noch bei allen anderen Fragen des Glaubens und der Sittenlehre. Ein Verfechter der Hermeneutik der strukturellen Kontinuität beharrt auf der Kirche wie sie immer war, doch er ist bis zu einem gewissen Grad bereit, die Bedeutung der Strukturen (auch sprachlicher Strukturen, wie Glaubenssätzen) neu zu fassen oder umzuinterpretieren. Er geht dabei nicht so weit wie der typische Modernist, der gleich das ganze Dogma umstülpt und einfach eine politisch korrekte Floskel über Nächstenliebe daraus macht, aber er feilt durchaus an den Inhalten auf eine Weise, dass die Glaubenswahrheit nachher einen anderen Bedeutungshorizont hat, selbst wenn die Worte unverändert bleiben und kein inhaltlicher Aspekt direkt geleugnet wird.

Ich möchte abschließend noch zweierlei betonen: Erstens, dass es sich hier um eine konzeptionelle Unterscheidung handelt. Verschiedene Katholiken, wie etwa der Heilige Vater, Erzbischof Müller, Bischof Fellay, Catocon und viele andere, werden sicherlich von beiden Arten der Kontinuität etwas in sich haben. Gewisse inhaltliche Verschiebungen wird selbst der schärfste real existierende Verfechter einer umfassenden, inhaltlichen Kontinuität nicht ablehnen, solange sie fernab jeder festgelegten Glaubenswahrheit liegen, und auch der Anhänger einer „strukturellen Kontinuität“ im oben angedeuteten Sinne ist nicht zu jeder Umdeutung der Strukturen bereit, weil er weiß, dass ein solches Unterfangen in häretischem Modernismus enden kann, wenn man sich nicht vorsieht. Insofern ist der reale Unterschied geringer als der idealtypische. Ich glaube jedoch, dass diese beiden Idealtypen in der realen katholischen Welt vielfache Anwendung finden können.

Zweitens, dass ich mir nicht anmaße, die eine oder die andere Seite außerhalb des orthodoxen, glaubenstreuen Katholizismus zu verorten. Solche Feststellungen zu treffen ist nicht meine Sache, und darüber bin ich auch sehr glücklich. Ich versuche hier nur, mittels eines hinkenden, doch meines Erachtens trotzdem nützlichen Vergleichs aus der politischen Sphäre, einige Eindrücke zu vermitteln, denen ich mich bei der Betrachtung der katholischen Landschaft nicht verwehren kann. Der Zweck dieses Essays ist daher Analyse, nicht Urteil.

Staat, Kirche und Religion: Was ist katholische Politik?

Viel wird über katholische Theologie, katholische Frömmigkeit und dergleichen geschrieben, und auch die Soziallehre findet immer wieder positive Erwähnung in den Sonntagsreden diverser Politiker, Bischöfe und Autoren. Doch in einer politisch sehr spannenden Zeit, in der bedeutende Weichenstellungen für die Zukunft getroffen werden, taucht für mich als gläubigen Katholiken unweigerlich immer wieder die Frage auf, ob es überhaupt so etwas wie eine katholische Politik gibt, und welche Folgen die Existenz genuin katholischer Anliegen in der Politik für den „säkularen Staat“ hat.

Ich bin überzeugt, dass die weltliche Sphäre von der geistlichen in einem gewissen Sinne nicht zu trennen ist. Das informierte katholische Gewissen kann zu politischen Entscheidungen wie der Legalisierung von Abtreibung, Euthanasie („aktive Sterbehilfe“) oder der Unterwanderung der natürlichen Familie nicht schweigen. Ebenso muss der Katholik aufbegehren, wenn Gier zum obersten Ordnungsprinzip der Wirtschaft erhoben wird, und Neid die Sozialpolitik beherrscht. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Aber bereits jetzt ist offensichtlich, dass es einige Bereiche gibt, in denen der Katholik bestimmte Positionen nicht vertreten kann, weil dies seinem informierten Gewissen widerspricht. Eine vollständige Trennung von Religion und Staat kann es daher nicht geben.

Man beachte jedoch die Distinktion zwischen „Religion“ und „Kirche“. Das Fehlen dieser wesentlichen Unterscheidung führt zu sehr vielen Irrtümern in der Debatte über das richtige Verhältnis von Kirche und Staat. Denn während die Kirche sehr wohl grundsätzlich vom Staat getrennt werden kann, gilt dies keinesfalls für die Religion. Wenn der Katholik durch seinen Glauben motiviert wird, eine bestimmte politische Position zu beziehen – etwa für ein Abtreibungsverbot, gegen die Einführung der „Homo-Ehe“ oder gegen die Ausbeutung von Arbeitern in vielen Entwicklungsländern – dann ist dies offensichtlich ein Verstoß gegen die „Trennung von Religion und Staat“. Denn viele Katholiken werden sehr wohl religiös motiviert sein, und nicht von einer säkularen ethischen Überlegung, wenn sie solche Thesen vertreten. Aber es ist kein Verstoß gegen die „Trennung von Kirche und Staat“, weil die Kirche überhaupt gar keine politischen Entscheidungen trifft.

Wenn umgekehrt eine Konferenz von Bischöfen aus Gründen der Machtpolitik Politiker beeinflusst, dann muss das noch nichts mit Religion zu tun haben. Es wäre also auch nicht notwendigerweise ein Verstoß gegen die Trennung von Religion und Staat, weil die Handlung dieser Bischöfe gar nicht religiös motiviert wäre. Aber es wäre natürlich ein Verstoß gegen die Trennung von Kirche und Staat – denn die Bischöfe sind offizielle Vertreter der Kirche (und wären sie auch atheistisch, sie blieben Vertreter der Kirche, bis sie von ihren Bischofsstühlen abberufen würden).

Staat und Kirche zu trennen ist daher auch aus traditionell katholischer Sicht meines Erachtens nicht unbedingt problematisch. Die natürliche Aufgabe des Staates ist das menschliche Gemeinwohl, die Aufgabe der Kirche das Seelenheil. Natürlich gibt es hier wichtige Berühungspunkte, etwa im Bildungswesen. Der Staat hat ein gerechtfertigtes Interesse an der Ausbildung der Jugend zu weltlichen Aufgaben. Die Kirche hat ein ebenso legitimes Interesse, nämlich die Jugend zu ihrem Seelenheil zu führen. Idealerweise würden Staat und Kirche nun kooperieren, so dass der Staat die Kirche fördert, wenn sie sich für das Seelenheil der Menschen einsetzt, und die Kirche den Staat unterstützt, wenn es um seine genuinen Aufgaben geht. Hier wird es natürlicherweise zu Spannungen kommen, doch eine solche Kooperation ist möglich. Man beachte, dass diese Kooperation die Trennung von Staat und Kirche gar nicht beeinflusst. Staat und Kirche sind immer noch unabhängig voneinander – sie arbeiten nur zusammen, wenn es für ihre jeweiligen gerechten Anliegen sinnvoll ist.

Doch selbst wenn eine solche Kooperation in der modernen pluralistischen Gesellschaft derzeit nicht möglich ist, können Kirche und Staat getrennt bleiben und neutral koexistieren. Auch eine Trennung von Kirche und Staat in diesem Sinne kann die Kirche meiner Auffassung nach jederzeit akzeptieren. Jedoch nur unter einer Bedingung: Dass es nicht zugleich auch noch eine Trennung von Religion und Staat gibt.

Eine Trennung von Religion und Staat geht nämlich viel weiter: Nur noch sälulare Argumente sollen im öffentlichen Raum zugelassen werden. Das führt zur Diktatur des Säkularismus. Wenn jemand sagt, er sei gegen Abtreibung, weil das Gottes Gesetz widerspricht, dann wird er ausgelacht. Seine Meinung gilt als disqualifiziert, weil sie sich auf ein nichtsäkulares Argument stützt. Die Diktatur des Säkularismus verschanzt sich hinter der These von der „Trennung von Kirche und Staat“, doch fordert in Wahrheit viel mehr. Religiöses Denken soll aus der öffentlichen Diskussion ausgeschlossen werden.

Dies führt jedoch zu einer weiteren Diktatur, die der Heilige Vater immer wieder angeprangert hat: Der Diktatur des Relativismus. Jedes moralische System soll gleichermaßen öffentliches Gehör finden, solange es sich allein auf säkulare Argumente beruft. Manche gehen gar so weit, einer Trennung von Moral und Politik zumindest implizit das Wort zu reden. Moral soll Privatsache sein. Dies ist jedoch widersinnig, da Ethik sich mit dem guten Leben beschäftigt, und dieses aufgrund der Sozialnatur des Menschen immer ein Leben in Gemeinschaft ist (und sei es die kontemplative Klostergemeinschaft). Ethik und Politik, Moral und Politik lassen sich nicht trennen. Jede politische Frage ist eine moralische Frage. Und welche moralische Auffassung richtig ist, hängt entscheidend davon ab, welche religiöse Weltanschauung der Wahrheit entspricht.

Wenn es tatsächlich einen guten Schöpfergott gibt, der uns alle liebt, uns allen das höchste Glück in Ewigkeit ermöglichen will, dann hat das Konsequenzen, auch für moralische Fragen – etwa für den Wert des menschlichen Lebens. Dies sei nur als ein Beispiel aus hunderten herausgegriffen. Jede politische Frage ist eine moralische Frage, und die Antwort auf jede moralische Frage hängt entscheidend von der religiösen Weltsicht ab.

Politik und Religion können daher nicht getrennt werden. Katholiken können, sollen und müssen sich entschieden für das Gute einsetzen, und das gilt auch für die Politik. Bestimmte politische Ansichten sind nicht mit dem katholischen Glauben vereinbar, und da sehr viele politische Parteien heutzutage in wesentlichen Punkten mit dem Glauben unvereinbare Inhalte vertreten, ist der katholische Glaube auch nicht mit bestimmten Parteien vereinbar.

Drei Thesen möchte ich festhalten:

1. Kirche und Staat können und sollen in ihrem je eigenen Bereich eine echte Autonomie genießen, mithin getrennt sein. Bestimmte Dinge stehen dem Kaiser zu und wir sollten sie ihm geben.

2. Sie sollen in den Bereichen, in denen sie beide legitime Interessen haben, möglichst zusammenarbeiten. Wenn das nicht geht, dann muss der Staat wenigstens die Freiheit der Kirche und der einzelnen Katholiken gewährleisten, ihrem informierten Gewissen unbehindert folgen zu dürfen. Das heißt, der Staat darf von den Katholiken keine unmoralischen oder mit dem Glauben unvereinbaren Handlungen verlangen.

3. Religion, Moral und Politik können und dürfen nicht getrennt werden. Ein starkes Zeugnis von Katholiken – Laien und Geistlichen gleichermaßen – in der öffentlichen politischen Debatte ist unverzichtbar auch im säkularen Staat.

Soweit einige kurz skizzierte Gedanken zu der Frage einer katholischen Politik im säkularen Staat.

Die Pius-Tragödie: Nächster Akt

Man weiß bald nicht mehr, was man dazu noch sagen soll – wieder einmal gibt es Neues von dem Tauziehen um die kirchenrechtliche Stellung der Piusbruderschaft (oder ihr Fehlen) zu berichten. Wieder einmal sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Dokumente durchgesickert, und wieder einmal sieht es so aus, als seien auf beiden Seiten – in Rom und in der FSSPX – Kräfte am Werk, die eine fruchtbringende Einigung mit allen Mitteln verhindern wollen. Informieren kann man sich z.B. hier oder hier.

Es sieht, den verlinkten Quellen folgend, jetzt wohl so aus, als habe es bereits im April, als es schon hieß, eine Einigung stehe unmittelbar bevor, oder sei gar eine ausgemachte Sache, eine Verständigung zwischen Bischof Fellay und dem Heiligen Vater gegeben, die aber aus welchen Gründen auch immer zwischen April und Juni wieder zurückgezogen oder modifiziert wurde. Diese Zusammenhänge stellt Côme de Prévigny auf Rorate Caeli trefflich dar. Man wird nun lange Spekulationen über die möglichen Ursachen dieser wechselnden Winde anstellen können – Winde, die im April Bischof Fellay dazu veranlassten, vorsichtig optimistisch zu sein, und die sich jetzt umgekehrt zu haben scheinen. Ich möchte diese Spekulationen nicht befeuern und stelle sie daher nicht an. Stattdessen verliere ich im folgenden einige Worte über ein grundsätzlicheres Problem, das mir hinter diesem nicht enden wollenden Verhandlungsmarathon zu stehen scheint:

Ich weiß, wie gesagt, eigentlich nicht mehr was ich dazu noch sagen soll. Ich glaube inzwischen auch nicht mehr, dass eine Rekonziliation zwischen der Piusbruderschaft und Rom, eine kirchenrechtliche Anerkennung, derzeit sinnvoll oder auch nur durchsetzbar wäre. Man verstehe mich nicht falsch: Ich würde sie wirklich begrüßen, doch die Umstände scheinen nicht richtig zu sein.

Im April, so heißt es in dem jetzt durchgesickerten Schreiben, habe Bischof Fellay eine Erklärung in Rom vorgelegt, die dem Heiligen Vater ausreichend erschien. Doch nun, am 13. Juni, sei aus Rom eine Art Gegenvorschlag eingegangen, dessen Substanz identisch mit der bereits von der FSSPX abgelehnten Präambel vom 14. September 2011 sei. Mit anderen Worten: Alle Annäherungen, alle Schritte, die vielleicht zu einer Einigung hätten führen können, sind damit wieder hinfällig geworden. Aus irgendeinem Grund hat man sich in Rom hinter den Schutzwall bereits abgelehnter Verhandlungsgrundlagen zurückgezogen. Eine Einigung, so wage ich zu behaupten, ist damit wieder in weite Ferne gerückt. Mehr noch: Das Projekt scheint mir gescheitert.

Wenn Bischof Fellay, wie in dem verlinkten Schreiben behauptet, bereits nach der ersten Durchsicht gesagt hat, man könne diesen Vorschlag unmöglich annehmen, dann wäre dies eine sehr bedeutsame Entwicklung. Denn unter den vier Bischöfen der Bruderschaft war Fellay immer derjenige, der einer Rekonziliation am ehesten positiv gegenüberstand.

Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es jetzt weitergehen wird. Bei der FSSPX steht nun ihr turnusmäßiges Generalkapitel an, und dort wird man alles noch einmal intensiv durchdiskutieren und von allen Seiten beleuchten. Doch was soll das ändern? Die Piusbruderschaft ist nicht bereit, inhaltliche Abstriche von ihrer Position zu machen. Aus ihrer Sicht bleibt das Konzil ein Irrweg, der Novus Ordo nicht nur theologisch minderwertig, sondern praktisch schädlich, da in ihm ein anderer Glaube als der traditionelle katholische vermittelt werde, und die kirchliche Verkündigung seit dem Konzil durch und durch modernistisch, bis hin zur Ebene der Päpste. Und die FSSPX wird nicht plötzlich von diesen Themen schweigen. Sie glaubt, Christus sei entthront worden, und dafür, ihn wieder auf den Thron zu setzen, wird sie bis zum letzten Atemzug kämpfen. Solange Rom dies nicht in einer kirchenrechtlich regulären Stellung erlauben will, wird sie es in irregulärer Stellung tun.

Umgekehrt ist Rom fest davon überzeugt, dass das Konzil ein großer Wurf war, und dieser Weg weitergegangen werden muss, auch wenn so manche zu radikale Interpretation nun abgeschwächt werden soll. Die Neue Messe ist und bleibt, auch nach dem Willen des Papstes, die normative Messe, und in der „pastoralen“ Praxis ist sie weiterhin die einzige, die in Freiheit zelebriert werden kann. Summorum Pontificum ist praktisch eine Karteileiche – das Motu Proprio wird nicht durchgesetzt und von den meisten Bischöfen einfach ignoriert. Sicher möchte man das Konzil ein wenig uminterpretieren, so dass es nicht mehr als radikaler Bruch mit der Tradition erscheint – Reform statt Revolution. Doch es bleibt dabei: Der Unterschied zwischen Reformern und Revolutionären ist nur das Tempo – das Ziel ist dasselbe. Der Reformer bricht langsam mit der Tradition, so dass es niemandem auffällt. Deswegen ist er häufiger erfolgreich als der Revolutionär. Aber brechen tut er ganz genauso. Die Hermeneutik der Reform ist also eine Hermeneutik des langsamen, kontinuierlichen, schonenden Bruchs. Eine „Hermeneutik des Umbiegens“ sozusagen.

Für die Piusbruderschaft ist keine Akzeptanz einer solchen „Hermeneutik des Umbiegens“ möglich. Sie hält unbeirrbar an dem fest, was Erzbischof Lefebvre im Gefolge der Tradition immer geglaubt und gelehrt hat. („Tradidi quod et accepi“) Ginge es wirklich um eine „Hermeneutik der Kontinuität“, so lägen die Dinge womöglich anders. Wollte man in Rom wirklich „Kontinuität“ statt „Reform“, wollte man also wirklich an der Tradition festhalten, bzw. in der „pastoralen“ Praxis zu ihr zurückkehren, so wäre die FSSPX sicher ganz aufgeschlossen. Bischof Fellay hat dies immer wieder deutlich gemacht: Wenn man von der Bruderschaft nicht verlangt, dass sie Abstriche an Glauben, Liturgie und Verkündigung macht, so wird sie nicht nein sagen. Selbst wenn mancher in der FSSPX damit seine Schwierigkeiten hätte, und selbst wenn das einen großen Kampf gegen die Bruchhermeneutiker in der Kirche bedeuten würde.

Doch im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn sie doch Abstriche vom Glauben, von der Liturgie, von der Verkündigung machen soll, dann wird sie nicht ja sagen. Wenn Rom sich weigert, der FSSPX die Gelegenheit zu dem von Erzbischof Lefebvre geforderten „Experiment der Tradition“ zu geben, in voller Freiheit von Behinderungen durch modernistische Ortsbischöfe, die in Europa leider nicht selten sind, dann wird sie – auch das hat Fellay nicht unterschlagen – nein sagen müssen.

Eine kirchenrechtliche Anerkennung einer Piusbruderschaft, die weiterhin einen Bruch zwischen Konzil und Tradition sieht und davon nicht schweigen möchte, scheint mir damit unmöglich, oder zumindest extrem unwahrscheinlich. Beide Seiten haben ihre Überzeugungen, und beide Seiten werden darüber sprechen können, bis sie schwarz werden. Ändern wird das nichts. Für eine Einigung müsste entweder die FSSPX auf ihre Vorbedingung eines freien Experiments der Tradition, das nicht von den Ortsbischöfen ausgehebelt oder aufs Abstellgleis geschoben werden könnte, verzichten, und ihre Konzilskritik weitgehend abschwächen oder einstellen, oder Rom gesteht der FSSPX eben diese volle Freiheit zu. Doch beides scheint inzwischen unmöglich.

Aus der Sicht der FSSPX könnte man möglicherweise sagen: Entweder Rom kehrt zum überlieferten Glauben zurück, oder wir brechen mit dem überlieferten Glauben. Da wir nicht mit dem Glauben brechen können, und Rom nicht dorthin zurückkehren will, ist keine Einigung möglich.

Aus Sicht Roms könnte man vielleicht sagen: Entweder die FSSPX erkennt die Segnungen des Konzils an, oder wir distanzieren uns von dieser dringend nötigen Kirchenreform. Doch wir können das Konzil nicht revidieren, und die FSSPX wird es nicht anerkennen, also ist keine Einigung möglich.

Am Ende, wenn der Rauch aller diplomatischen Initiativen geklärt ist, läuft es immer wieder auf die Integrität des ganzen, überlieferten, wahren katholischen Glaubens heraus. Ist dieser in seiner Substanz durch das Konzil angegriffen? Wenn ja, dann ist keine Versöhnung mit der „Konzilskirche“ möglich, in wie wundervolle diplomatische Floskeln man das auch kleiden mag.

Und dann ist noch die Frage, woran man erkennt, ob die Substanz des Glaubens durch das Konzil angegriffen worden ist. Rein dogmatisch-theologisch gesprochen erkennt man dies durch feinsinnige theologische Analysen der Konzilstexte, wie sie ja auch von katholischen Intellektuellen wie Msgr. Gherardini, Roberto de Mattei und anderen gefordert worden sind. Doch für die FSSPX ist das nicht der alleinige Maßstab. Das Konzil wollte „pastoral“ sein. Also schauen sie einfach ganz pastoral in die durchschnittlichen Gemeinden. Ist der Glaube dort in seiner Substanz angegriffen? Wird das Konzil, das real existierende Ereignis des Konzils, als Waffe gegen die Substanz des Glaubens eingesetzt? Und sie kommen zu dem klaren Ergebnis: Ja, es ist so.

Also können sie davon auch nicht schweigen. Und Rom kann sie davon nicht frei reden lassen. Also gibt es keine Einigung. Wie man dies auch immer diplomatisch formulieren mag.

Einige Klarstellungen zur FSSPX-Diskussion

Mein Beitrag über die mögliche Reaktion der deutschsprachigen Bischöfe auf eine Regularisierung der Piusbruderschaft hat ein reges Interesse hervorgerufen – sowohl im Kommentarbereich hier auf Kreuzfährten, als auch auf der Webseite „Summorum Pontificum“, deren Artikel ich kommentiert hatte. Aufgrund dieser unerwarteten Aufmerksamkeit, und um Missverständnisse auszuschließen, die vielleicht aufgetreten sein könnten, möchte ich an dieser Stelle noch einmal einige Punkte klarstellen:

1. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob es wirklich einen Plan der deutschsprachigen Bischöfe gegen eine regularisierte Piusbruderschaft gibt. Summorum Pontificum, ein sonst recht zuverlässiges Portal, berichtete davon, jedoch ohne eine ausdrückliche Quelle zu nennen. Es erscheint auch recht plausibel, da sehr viele Bischöfe auch gegenüber der vergleichsweise gemäßigten Petrusbruderschaft und anderen bereits heute kirchenrechtlich regulären traditionellen Gruppierungen eine Linie der unbedingten Opposition verfolgt haben. Doch ob der konkrete Plan wirklich existiert, kann ich nicht beurteilen.

2. Ich möchte aus diesem Grund klar und deutlich feststellen, dass es mir in keiner Form darum geht, ein Gerücht zu verbreiten, oder ihm irgendeinen Raum zu geben. Vielmehr bestand und besteht meine Absicht darin, auf die Schwierigkeiten des kirchenrechtlichen Konstrukts einer Personalprälatur für die Piusbruderschaft hinzuweisen. Zudem wollte ich meinen Eindruck darlegen, dass ein solcher „Verhinderungsplan“ jederzeit rechtens wäre, selbst wenn er nicht dem Geist einer Rekonziliation entspräche. Das ohnehin auch ohne mein Zutun veröffentlichte und verbreitete Gerücht eines möglichen internen Anti-Pius-Plans war dazu nur der Anlass, nicht der Grund.

3. Die in der Reaktion auf meinen Beitrag auf Summorum Pontificum angedeutete Unterscheidung zwischen „Recht“ und „richtig“ teile ich in vollem Maße. Wenn man im Vollsinn des Wortes legitim reagieren will, kann man einer kirchenrechtlich anerkannten Piusbruderschaft nicht grundsätzlich die Zusammenarbeit verweigern oder sie gar von jeglicher Aktivität in der Diözese ausschließen, selbst wenn man kirchenrechtlich dazu befugt ist. Die durch das (womöglich fiktive) Schreiben ausgedrückte Haltung ist meines Erachtens vollkommen legal, aber nicht legitim. Gerade im Kirchenrecht müssen formaljuristische Auslegungsfragen immer unter dem übergeordneten Gesichtspunkt des Seelenheils betrachtet werden. Den Ausführungen auf Summorum Pontificum zu diesem Thema kann ich mich nur anschließen.

4. Auf Summorum Pontificum wird meinem Beitrag eine „solide juristische Grundausbildung“ attestiert. Dies mag der Fall sein, oder auch nicht. Ich verfüge allerdings über keine formale kirchenrechtliche Bildung. Wenn ich etwas über kirchenrechtliche Fragen weiß, dann ist dies keine Folge formaler Bildung, sondern nur meines Interesses an einer Einigung zwischen Rom und der Piusbruderschaft. Falls jemand den Eindruck gewonnen haben sollte, ich besäße besondere juristische Expertise, so wäre dieser Eindruck falsch.

5. In manchen Kommentaren zu dem Beitrag über die „FSSPX und das Trojanische Pferd“ (oben verlinkt) wurde die Kritik geäußert, ich hätte eine zu negative Sicht der Absichten aus Rom bzw. des Papstes. Besonders kritisch wurde die These gesehen, Rom stelle der FSSPX entweder eine Falle, oder begehe einen tragischen Irrtum. Ich möchte deutlich betonen, dass ich dem Heiligen Vater keinerlei böse Absicht unterstelle. Er hat auch sicherlich bessere kirchenrechtliche Experten als ich. Zudem ist er direkt über die Sachlage informiert (oder wir wollen es zumindest hoffen – auszuschließen wage ich kaum etwas). Ferner möchte ich betonen, dass ich Bischof Fellay und dem Heiligen Vater vertraue, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

6. Kommentieren kann man nur auf der Basis der bekannten Informationen in Verbindung mit Vermutungen, für die wenigstens vertrauenswürdige Quellen oder gut begründbare Indizien sprechen. Deswegen ist jeder Kommentar immer abhängig von der Verfügbaren Faktenlage. Sollte das rechtliche Konstrukt einer Personalprälatur für die Piusbruderschaft tatsächlich modifiziert werden, wie etwa Bischof Fellay es sich zu wünschen scheint, so könnten alle meine Worte hinfällig sein. Womöglich wäre die Personalprälatur in ihrer modifizierten Form das beste rechtliche Vehikel für eine Regularisierung der FSSPX unter Wahrung ihrer legitimen Anliegen und Handlungsfreiheit auch unter feindlichen Ortsbischöfen. Diese Entwicklungen bleiben selbstverständlich abzuwarten.

7. Das allerwichtigste, das ich in meinem thematisch eng umgrenzten Beitrag nicht erwähnt habe, das man aber eigentlich nie unerwähnt lassen sollte, wenn man zu den Einigungsbestrebungen zwischen Rom und FSSPX spricht, ist allerdings das Gebet. Bischof Fellay unterlässt diesen Hinweis in keinem Interview und keiner Äußerung zum Thema. Alle Leser, gleich welche Auffassung sie zu den diversen umstrittenen Fragestellungen auch haben mögen, sollten dafür beten, dass in jedem Fall Gottes Wille geschehe. Wenn die Einigung jetzt möglich und sinnvoll ist, dann soll sie geschehen. Wenn sie noch verfrüht ist, und beide Seiten mehr Zeit brauchen, dann sollten wir auch diese Verzögerungen akzeptieren.

Ich persönlich hielte es für besonders angemessen, den Heiligen Papst Pius X., den Streiter gegen den Modernismus, den Namensgeber der Piusbruderschaft, den größten Papst des 20. Jahrhunderts, um seine Fürsprache zu bitten. Doch überhaupt sollten wir alles versuchen, und den Himmel mit unseren Gebeten bestürmen, dass ein Weg gefunden werde, damit die großen Gaben, mit denen die FSSPX beschenkt ist, in voller Gemeinschaft mit Petrus zu noch größerem Erfolg eingesetzt werden können, und dass auch die Herzen der Verantwortlichen auf Diözesanebene in den deutschsprachigen Ländern erweicht und dazu bewegt werden, das „Experiment der Tradition“ ohne Vorurteile zuzulassen.

Ein kleines Pius-Update

In den letzten Wochen hat sich hinsichtlich einer möglichen kirchenrechtlichen Anerkennung der Piusbruderschaft nicht mehr viel getan. Nachdem sich die Glaubenskongregation im Mai mit der Frage befasst hatte, dürfte der ganze Vorgang nun  beim Heiligen Vater liegen. Obwohl mache Spekulationen erwarten ließen, dass eine Entscheidung noch im Mai fallen würde, steht es dem Papst natürlich frei, wie lange er über die Sache nachdenken und was er unternehmen will, wenn er denn handelt. Seitens der Piusbruderschaft weist man immer wieder darauf hin, dass nun alles in den Händen des Papstes liege, und man auf seine nächste Reaktion warte. In dieser Zeit, so etwa Bischof Fellay in diesem Interview, sollten die Gläubigen intensiv für einen guten Ausgang der Verhandlungen beten und in ihren diesbezüglichen Bemühungen nicht nachlassen.

Ich kann daran, egal von welcher „Seite“ der Debatte um die Piusbruderschaft man kommt, nichts schlechtes finden. Die Angelegenheit liegt in den Händen des Papstes, und bis dieser zu einer Entscheidung gelangt ist, und diese dann verkündet, sollten alle Katholiken darum beten, dass Gottes Wille getan werde, und alle Beteiligten sich diesem Willen ganz unterwerfen.

Die Schwierigkeiten sind immens. Nach wie vor scheinen zumindest einige der drei anderen Bischöfe der Bruderschaft jeglichem bisher existierenden Einigungsvorschlag sehr skeptisch gegenüber zu stehen – wie Bischof Tissier de Mallerais bei einer Predigt am Dreifaltigkeitssonntag deutlich zu verstehen gegeben hat. Ob die Bedenken gegen den am Ende vorliegenden Vorschlag stark genug sind, um die Piusbruderschaft zu zersplittern, kann man jetzt noch nicht absehen. Dass aber zumindest eine kleine Rumpf-FSSPX übrigbleiben wird, die sich den Annäherungsversuchen aus Rom entschieden aus Angst vor einer „Ansteckung durch das modernistische Rom“ widersetzt, kann man für den Fall einer erfolgreichen Einigung ebenso absehen, wie dass es die regularisierten Piusbrüder in ihrer neuen kirchenrechtlichen Stellung sehr schwer haben und großen Behinderungen ihres Wirkens durch modernistische Laien, Priester und Bischöfe ausgesetzt sein werden.

Über diese Wahrscheinlichkeiten hinaus, lässt sich sehr wenig über die aktuelle Lage mit zureichender Sicherheit sagen. Überraschend finde ich allerdings, dass angesichts der grassierenden Lecks im Vatikan noch keine Details über die Gespräche mit der FSSPX durchgesickert sind. Wollen wir hoffen, dass das auch so bleibt, bis die Gespräche zu einem guten Ende, worin dies auch bestehen mag, gekommen sind.