Über eine Sonntagspredigt

In der kurzen Zeit seit meinem Übertritt zur katholischen Kirche und unmittelbar davor habe ich sehr viel Negatives über den Zustand der katholischen Kirche und besonders ihrer Liturgie gelesen und gehört. Ein Punkt, der neben den anderen oft thematisierten Fragen dabei oft auftauchte war die fade und inhaltsleere Qualität vieler Predigten.

Gestern hatte ich das Glück einem eindrucksvollen Gegenbeispiel beizuwohnen. Es war eine Predigt über das Sakrament der Ehe. Dieses Thema liegt mir besonders am Herzen, weil es gerade diese Fragen waren, durch die ich erstmals positiv mit der katholischen Kirche in Berührung kam, lange bevor ich den Glauben der Kirche für etwas anderes als frömmlerische Erfindung hielt.

Die Predigt dauerte etwa zwanzig Minuten, war von vorne bis hinten klar und nachvollziehbar logisch strukturiert, erklärte auf allgemeinverständlichem Niveau und doch mit theologischer und spiritueller Tiefenschärfe sehr viele wesentliche Punkte der Lehre zum Ehesakrament und kontrastierte diese eindrucksvoll mit der ehelichen Ruinenlandschaft, die das Resultat der Säkularisierung des Eheverständnisses ist. Sie ging auch schweren und womöglich unpopulären Themen nicht aus dem Weg, vermittelte diese jedoch mit der nötigen Klarheit und dogmatischen Deutlichkeit, allerdings sanft und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl.

In diesen zwanzig Minuten lernte der Zuhörer unter anderem:

– Warum die Ehe unauflöslich ist

– Warum die künstliche Geburtenregelung verwerflich ist,

– Welche Ehezwecke es gibt und warum sie existieren,

– Wie die innere Ordnung der Ehe hinsichtlich der Aufgaben von Ehemann und Ehefrau aussieht,

– In welchem Zusammenhang das Sakrament der Ehe mit dem Verhältnis von Christus zu seiner Kirche steht,

– Wieso die Ehe kein „weltlich Ding“ sein kann,

– Dass die Ehe eine hohe Würde besitzt, und worin sie besteht,

– Dass jedes Kind ein unverzichtbares Geschenk Gottes ist,

und einiges mehr.

Eine wirklich beeindruckende Predigt, wie ich Vergleichbares seit meinem Übertritt zur Kirche noch nicht gehört hatte.

Das einzige Problem: Es war ein Pater der Piusbruderschaft, der diese vortreffliche Predigt hielt.

Sicher gibt es viele gute katholische Priester außerhalb der Piusbruderschaft in ganz normalen Gemeinden (oft haben sie allerdings mit Widerständen aus den Gemeinderäten und teilweise auch „von oben“ aus den Diözesen zu kämpfen, wodurch sie an der Ausübung ihres Amtes gehindert werden).

Doch die Predigt vom Sonntag ist aus meiner Sicht ein weiteres Indiz für die immer deutlicher hervortretende Tatsache, dass die Kirche in den westlichen Ländern die geistige und geistliche Kraft der Piusbruderschaft dringend braucht, und jeder Katholik den Tag mit Freunden erwarten sollte, an dem es gelingt, die Piusbruderschaft wieder in volle Einheit mit Rom zu bringen und ihr oft hervorragendes Wirken breiteren Kreisen der Gläubigen zugänglich zu machen als bisher.

Etwas ironisch könnte ich schließen: Die Piusbruderschaft erkennt nachkonziliares Lehramt offenbar doch an – zumindest bei Humanae Vitae scheint es in Deutschland machmal, als seien sie die einzigen, die das täten…

Bischof Tebartz-van Elst zu Ehe und Familie (Teil 2 von 2)

Wir hatten gestern den ersten Teil eines Interviews der WELT mit dem Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst kommentiert. Hier folgt nun der zweite Teil, in dem es unter anderem um das Lebensrecht, künstliche Befruchtung, PID, die „Homo-Ehe“, und den Begriff der „christlichen Leitkultur“ geht.

Welt Online: Was die Weitergabe des Lebens betrifft, so will die Bundesfamilienministerin die künstliche Befruchtung wieder stärker bezuschussen. (Kinder für die Rente, wie schon beim Krippenwahn)

Tebartz-van Elst: Es ist schon erstaunlich, dass Formen des medizinisch-technischen Eingriffs in die Weitergabe des Lebens relativ schnell und unbedenklich seitens des Staates unterstützt werden sollen. (Erstaunlich? Eigentlich ist es, gegeben die derzeit mit stillschweigender Unterstützung der Bischöfe herrschende Ideologie der Kultur des Todes, ganz logisch.)  Statt den vielen Familien zu helfen, im Alltag Familie zu leben und ihre Kinder zu verantwortlichen und selbstständigen Menschen zu erziehen, werden spektakuläre Einzelmaßnahmen (keine moralische Bewertung dieser spektakulären Einzelmaßnahmen?) als Familienförderung angepriesen.

Bei der Initiative wird allerdings nur von den Kosten der medizinischen Durchführung gesprochen und nicht von der medizinisch-psychologischen Betreuung von Familien, die den seelisch und körperlich belastenden Weg einer künstlichen Befruchtung einschlagen. Die Schwere des Eingriffs wird bagatellisiert. (Der Einwand gegen die regelmäßig Menschen im embryonalen Lebensstadium tötende künstliche Befruchtung ist also mal wieder einer angeblich fehlender „psychologischer Betreuung“. Auch auf diese Art von „Unterstützung“ der Kultur des Lebens kann man gern verzichten. Wer solche Freunde hat….)

Wie bei der Entscheidung für die Präimplantationsdiagnostik, die PID, wird eines deutlich: Es geht nicht um den absoluten Wert des Lebens (richtig. Darum ging es Ihnen die ganze Zeit auch nicht gerade, Exzellenz. Immerhin kommen Sie am Ende noch kurz auf diesen absolut zentralen Punkt.) oder um einen würdevollen Umgang auch mit den eigenen Grenzen, sondern um Interessen und Präferenzen. Der Gesamtzusammenhang des menschlichen Lebens, die, wie Papst Benedikt XVI. es ausdrückt, „Ökologie des Menschen“, gerät dabei aus dem Blick. (Ja, das tut er. Selbst bei Bischöfen.)

Welt Online: Wie bewerten Sie die Bundestagsabstimmung über die PID? (Vermutlich war sie irgendwie psychologisch belastend für irgendjemanden oder so…)

Tebartz-van Elst: Ich bin erschrocken (erschrocken!) darüber, wie sie ausgegangen ist. Leben ist immer ein absoluter Wert. (Jetzt plötzlich? Schön zu hören. Wo sind die Taten?) Wenn man anfängt, diesen zu relativieren, gerät man in Widersprüche – das haben wir bei der Abtreibungsproblematik bitter erkennen müssen. (Haben wir? Hat sich die Kirche je wirklich gegen den oft staatlich finanzierten Mord an Millionen unschuldiger Kinder gewehrt? Hat sie ihn nicht durch die schändliche Ausstellung von Darf-Scheinen über viele Jahre praktisch gefördert?)

Welt Online: Apropos Abtreibung. Das Bundesverfassungsgericht trug Mitte der 90er-Jahre dem Gesetzgeber auf, die Praxis des Paragrafen 218 nach einiger Zeit zu überprüfen. Das ist bis heute nicht geschehen – warum? (Jetzt kommt einmal eine schöne Antwort:)

Tebartz-van Elst: Dass das Gericht sein Urteil bisher nicht wieder in Erinnerung gebracht hat und es politisch bislang nicht wieder aufgegriffen wurde, ist ein Indikator. Es zeigt sich, und das sehen wir nicht nur in diesem Zusammenhang, dass sich auch in der Rechtsprechung gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln. (Genau. Es ist eine Illusion zu glauben, das Recht sei das Recht. Gesetze werden immer so angewendet und ausgelegt, wie es den Machthabern gefällt. Es gibt keine wirklichen „unveräußerlichen“ Grundrechte im Grundgesetz, weil Texte eben geduldig sind. Sie ertragen jede Auslegung. Was übrigens den Protestantismus mit seiner sola scriptura-Lehre restlos widerlegt, aber das nur am Rande…)

Wo es noch vor wenigen Jahren einen offensichtlichen Wertekonsens gab (wo war er? Blicken wir zurück, so sehen wir im 20. Jahrhundert bis 1945 eine massenmörderische Gesellschaft und spätestens ab 1970 wieder. Die Zeit dazwischen käme womöglich in Frage, war aber nur eine kurze Übergangsphase zwischen zwei mörderischen Generationen, die in Gänze den Sinn der Moderne verstanden haben), stellt sich die Situation heute disparater dar . Das bereitet mir Sorge. Gerade, wenn es um den Lebensschutz geht. (nein, sie ist heute uniform, nicht disparat. Es gibt keine gesellschaftlich wahrnehmbaren Lebensschützer mehr.)

Welt Online: Ist das nicht ein Indiz für eine nachlassende Prägekraft des Christlichen? (Ja, das ist es. Die deutsche Gesellschaft als christlich zu bezeichnen ist Etikettenschwindel. Wir haben eine stark von okkulten und esoterischen Praktiken geprägte neuheidnische, selbstvergötternde Gesellschaft, kurz eine moderne Gesellschaft)

Tebartz-van Elst: Dass manches kontrastierend zu dieser Welt erscheint, hat stets zur Verkündigung des Glaubens gehört. (Hat es? Bisher war eher die haltlose Anpassung an die Welt und ihren Fürsten charakteristisch für die Arbeit der Bischöfe. Es wäre schön, wenn sich das mit Ihnen änderte, Exzellenz!) Es ist meine Aufgabe als Familienbischof, dafür Sorge zu tragen, dass wir unser Verständnis von Ehe und Familie deutlicher herausstellen. (Da können wir ja vielleicht noch einige klare Worte in Zukunft erwarten. Aber bitte klarer als dieses Interview, sonst ist das alles ziemlich sinnlos.)

Unsere Aufgabe besteht darin, all jenen eine größere Unterstützung und Lobby zu geben, die sich für dieses Verständnis entscheiden und damit die ausdrückliche Bereitschaft, Kindern das Leben zu schenken, leben. (Werden wir ja sehen.)

Welt Online: Bedrückt es Sie, dass heute offener als noch vor zehn Jahren von Homo-Ehe gesprochen wird? (Mich nicht. So wird die Absicht der Ideologen besser sichtbar für die extrem wenigen, die es sehen wollen.)

Tebartz-van Elst: Der Begriff ist sehr problematisch. Als katholische Kirche (wieder eine Sonderlehre? Oder wieder der Versuch, sich vor dem barbarischen Wutanfall der Homo-Ideologen zu schützen, der immer kommt, wenn jemand einen Wahrheitsanspruch in dieser Frage erhebt, wie Bischof Overbeck zu seinem Leidwesen vor einigen Jahren hat erfahren müssen?) können wir nicht teilen, was damit gemeint ist. Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen, aus ihrer lebenslangen Verbindung in Liebe und Treue erwächst Nachkommenschaft. An dieser Schöpfungswirklichkeit können und dürfen wir nicht vorbeigehen. (Richtig. Aber wer ist mit „wir“ gemeint? Die katholische Kirche? Die deutsche Gesellschaft vertreten durch die staatliche Rechtsordnung? Etwas mehr Klarheit wäre hier vonnöten.)

So sehr jedem homosexuell veranlagten Menschen persönlicher Respekt gebührt, so wenig darf das christliche Verständnis von Ehe und Familie dadurch relativiert werden. (Korrekt. Aber es bleibt dabei: Ehe und Familie sind keine christlichen Sonderlehren. Es sind aus der natürlichen Vernunft ableitbare ethische Wahrheiten, die hinter dem christlichen Verständnis von Ehe und Familie stehen.)

Welt Online: Damit finden Sie wenig Gehör.

Tebartz-van Elst: Es entspricht der Schöpfungswirklichkeit, dass Kinder ihre Eltern als Mutter und Vater erleben. Für eine gesunde psychische Entwicklung und Orientierung brauchen Kinder die Begegnung mit Frau und Mann als Mutter und Vater. (Das Wesen der Frau ist Mutterschaft; das Wesen des Mannes Vaterschaft. Mutter und Vater sind nicht „Rollen“, die manche Menschen eben annehmen, und manche nicht, sondern sie sind das, was Frau und Mann ausmacht, was sie zu einem erforderlichen Teil der Schöpfungsordnung macht. Natürlich gibt es auch zu geistlicher Mutter- oder Vaterschaft berufene Menschen, etwa Priester, Ordensleute, aber auch Menschen, die geistliche Mutter- oder Vaterschaft außerhalb dieser Stände leben. Beides ist möglich, legitim und sogar großartig. Aber Mutterschaft gehört zu jeder Frau und ist keine Option. Vaterschaft gehört zu jedem Mann und ist keine Option. Auflehnung gegen Mutterschaft als solche oder Vaterschaft als solche ist zugleich Auflehnung gegen die natürliche Schöpfungsordnung und das natürliche moralische Gesetz, das aus ihr entspringt – und damit Auflehnung gegen den Herrn und Schöpfer selbst, sprich das Bekenntnis „non serviam“.) Wenn diese natürliche Verbindung nicht mehr erlebt, garantiert und akzeptiert wird, hat dies gravierende Auswirkungen auf die seelische Entwicklung eines Menschen. (Seelische Entwicklung? Geht es hier wieder um psychologische Betreuung, wie weiter oben, oder hat der Bischof einen christlichen Seelenbegriff im Kopf, und spricht hier durch die Hintertür von der ewigen Verdammnis, die ja in gewissem Sinn auch eine „seelische“ Entwicklung ist.)

Welt Online: Hat die Kirche in der Auseinandersetzung über die Homo-Ehe einen Kampf verloren? (Nein. Sie hat ihn nicht geführt.)

Tebartz-van Elst: Ich bin überzeugt, dass die Gesellschaft unser Zeugnis braucht, weil wir darauf aufmerksam machen, was verloren geht, wenn Ehe und Familie nicht mehr so geschützt werden, wie es die Mütter und Väter des Grundgesetzes festgelegt haben. (Man gewinnt den Eindruck, der Bischof von Limburg sei Jurist und kein Theologe. Seine ständigen Berufungen auf das Grundgesetz sind schön und gut – aus den genannten Gründen praktisch nostalgischer Natur, aber immerhin war das Grundgesetz, solange es noch praktische Bedeutung besaß, ein gutes Verfassungswerk.) Mit großem Erfolg für unser Gemeinwesen sahen sie die Familie als Keimzelle der Gesellschaft.

Deshalb (nein, nicht deshalb – das wäre auch so, wenn es nicht im Grundgesetz stünde…) ist der Ehe von Mann und Frau eine unverwechselbare Priorität zu geben, um es noch deutlicher zu sagen: ihr Alleinstellungsmerkmal zu stärken. (So weit, so gut. Wie wollen wir das „Alleinstellungsmerkmal stärken“? Ist das eine Forderung nach der Abschaffung der ebenso eheähnlichen wie unmoralischen „Eingetragenen Partnerschaft“? Es wäre an der Zeit.)

Welt Online: Vor einem Jahr zeigten Sie sich skeptisch gegenüber der Einschätzung des Bundespräsidenten, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Sehen Sie aber in ethischen Fragen nicht Übereinstimmungen zwischen Christen und Muslimen?

Tebartz-van Elst: Durchaus. Denken Sie an die Stellung von Ehe und Familie (etwa bei der Polygamie, bei der Verstoßung der Frau durch den Mann usw. Eindeutige Gemeinsamkeiten…) , die Bewahrung der Schöpfung, den Schutz des Lebens (etwa Ehrenmorde, Selbstmordattentate…) . Da sind wir nahe beieinander. (Eindeutig. Das haben wir gesehen.) Das hat sich beispielsweise in der Diskussion um die PID gezeigt. (Ja, es gibt wirklich Gemeinsamkeiten. Man verstehe mich nicht falsch. Ich bin auch der Meinung, die Gemeinsamkeiten sollten herausgestellt werden – aber nicht ohne auch auf die Unterschiede in ethischer Hinsicht zu verweisen.)

Welt Online: Wo sind die Differenzen?

Tebartz-van Elst: Eindeutig dort, wo es um Glaubensfragen geht. Wo wir als Christen in Jesus Christus die unüberbietbare Selbstmitteilung Gottes (ich hatte gedacht, er sei „der Sohn Gottes“, nicht die „unüberbietbare Selbstmitteilung“ – ich habe jedenfalls bei meinem Übertritt das Credo bekannt und dort war vom Sohn und nicht von der Selbstmitteilung die Rede. Ich kann mich aber auch verhört haben…) begreifen und bekennen, kommen der Zuspruch und der Anspruch des Evangeliums zur Geltung. Europa ist ein Kontinent, der wesentlich geprägt ist von der Botschaft des Evangeliums. (Jetzt muss der Bischof noch die Vergangenheitsform meistern. Der Kontinent WAR geprägt vom Christentum. Diese längst verblichene Religion hat heute keinen wahrnehmbaren Einfluss mehr auf den Kontinent, zumal ihre offiziellen Vertreter sich mehrheitlich nicht mehr offen und klar zu ihren Lehren bekennen, sondern sich hinter Zeitgeistfloskeln verstecken – von Ausnahmen wie dem Bischof von Limburg mal abgesehen.)

Welt Online: Sie haben von einer christlichen Leitkultur gesprochen …

Tebartz-van Elst: …was nicht heißen soll, dass andere Kulturen bei uns keinen Platz haben. (Natürlich nicht. Der Multikulturalismus ist schließlich Teil der Ersatzreligion, die wir alle angenommen haben! Das bloß noch als kulturelles Bindemittel verstandene Christentum, das Breivik-Christentum, ist eher Problem als Lösung. Das weiß der Bischof auch – für ihn ist das Christentum nicht bloß ein kulturelles Phänomen. Aber es wird trotzdem reflexartig suggeriert.) Es geht mir um etwas anderes. Ich möchte daran erinnern, was in unserer Gesellschaft vom Geist des Christentums geprägt worden ist. (Hier ist die Vergangenheitsform. Sie IST GEPRÄGT WORDEN. Sie wird es nicht mehr.) Werte und Haltungen kommen aus dem Gottes- und Menschenbild des Evangeliums und sind durch die christliche Prägung des Kontinents so sehr zum Allgemeingut unseres Denkens geworden, dass wir sie nicht mehr ausdrücklich als christlich identifizieren. (Wenn der Bischof sich auf Konzepte bezieht, die durch die protestantische Häresie und die selbsternannte „Aufklärung“ aus ihrem angemessenen Kontext gerissen und dadurch pervertiert wurden, dann hat er zwar Recht, aber an solchen ideologisierten und aus ihrem Kontext gerissenen Ideen ist wenig Bewahrenswertes zu finden. Was für Ideen meint er also?)

Welt Online: Zum Beispiel?

Tebartz-van Elst: Rechtsprechung, Rechtsstaatlichkeit und Rechtsauffassung verdanken sich dem christlichen Menschenbild. Unser Grundgesetz beruft sich ausdrücklich auf dieses Fundament und lässt sich nicht anders verstehen. (Ja, das ist ganz schön. Vermutlich werden Konzepte wie Rechtsstaatlichkeit auch wieder verschwinden, wenn noch einige Generationen aggressiver Entchristlichung durch Wirtschaft, Politik, Medien und Bildungsestablishment vergangen sind. Oder wenn man, um etwas scherzhaft zu schließen, im allumfassenden „Kampf gegen Rechts“ auch diese drei „Rechts“-Konzepte bald als Gefahr für die Demokratie ansieht.)

Zusammenfassend ist nicht zu leugnen, dass es zuweilen eine Wohltat sein kann, einen Bischof zu hören, der tatsächlich nicht vor der Lehre der Kirche wegläuft. Nirgendwo leugnet Bischof Tebartz-van Elst ein Dogma oder agitiert gegen Rom und den Heiligen Vater. Dafür ist ihm zu danken. Doch was er sagt, ist dermaßen vorsichtig und brav im gemäßigt-konservativen Bürgertum zu verorten, es ist so zögerlich, so zaudernd. Es ist alles weitgehend richtig, aber es fehlt die Konsequenz, die Klarheit und Deutlichkeit, die die Päpste in den unten Enzykliken immer an den Tag gelegt haben, weshalb ich nicht umhin kann, sie dem Leser erneut anzuempfehlen.

Wir Katholiken sind heute die Gegenkultur, wir sind heute die Rebellen gegen das Establishment – die Lage ist dieselbe wie in den 50er-Jahren, nur genau umgekehrt. Damals gab es eine Rebellion gegen eine zumindest teilweise noch christlich geprägte Gesellschaft. Heute kann es nur noch eine Rebellion geben: Und das ist die Rebellion des wahren Glaubens. Alles andere ist langweilig, abgestanden, öde. Das sollte sich auch an unserem Verhalten zeigen. Wir stehen aktiv gegen die heutige Mehrheitskultur der Moderne, wir stehen gegen alle ihre Verirrungen und Verwirrungen. Eine Verständigung wünschen wir dringend – in Form einer Kapitulation der Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft vor ihrem Erlöser Jesus Christus.Nicht aber in Form eines faulen Kompromisses.

Was sagen die Päpste zu dem Thema? Eine Auswahl wesentlicher Enzykliken zu den Themen Ehe, Familie, Sexualität, Kinder und Jugend, sowie zum grundlegenden Gedankengut der katholischen Soziallehre:

Rerum Novarum (Soziallehre allgemein, Leo XIII.) – Generell zur Lektüre zu empfehlen, besonders jenen, die sich öffentlich zu Äußerungen zur katholischen Soziallehre berufen fühlen, darunter Kardinal Marx.

Arcanum Divinum Sapientiae (Christliche Ehe, Leo XIII.)

Divini Illius Magistri (Erziehung der Jugend, Pius XI.)

Casti Connubii (Christliche Ehe, Pius XI. – Absolut wesentliche Grundlagenenzyklika, die jeder Katholik kennen und verinnerlichen sollte, bevor er sich zu diesem Thema öffentlich vorwagt!)

Humanae Vitae (Sexualität und Fortpflanzung, Paul VI. – Ebenfalls wesentlich und grundlegend.)

Bischof Tebartz-van Elst zu Ehe und Familie (Teil 1 von 2)

Die katholische Kirche in Deutschland hat in den letzten gut 40 Jahren gesellschaftspolitisch weitgehend stillgehalten. Ob Verhütung, Abtreibung, Zerstörung der traditionellen Familie, Feminismus und Gender Mainstreaming, Homo-Ehe, Künstliche Befruchtung, PID und zunehmend auch Euthanasie – die Revolution der letzten gut 40 Jahre ist selten anders als mit Schulterzucken, Gleichgültigkeit und einzelne, selbst innerhalb der Kirche marginalisierte unerschrockene Wortmeldungen begleitet worden. Durch die stillschweigende Duldung, die mit der Reaktion auf Humanae Vitae und in der Frage der zur Tötung der Unschuldigen berechtigenden Beratungsscheine teilweise gar in direkte Unterstützung der vom Seligen Papst Johannes Paul II. so benannten „Kultur des Todes“ ausgeartet ist, war hierzulande die einzige ernstzunehmende Opposition verstummt. In Deutschland wurde die Kirche wie in den meisten anderen westlichen Ländern natürlich immer noch diffus als Hüterin des Lebensrechts, der natürlichen Familie und des natürlichen Todes wahrgenommen und entsprechend diffamiert – doch die Bischöfe taten sehr wenig, um diesen diffusen Ruf mit Leben, Inhalt und vor allem Argumenten zu füllen. Eine Situation, die auf Gemeindeebene, von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, wenn überhaupt noch schlimmer aussah.

Und mehr noch, eine Situation, die sich bis heute nicht geändert hat, auch wenn mit Bischof Tebartz-van Elst aus Limburg als Familienbischof mal wieder ein Hirte den Mund zu solchen Fragen öffnet, und vor der Lehre der Kirche nicht davonläuft. Im Folgenden das WELT-Interview mit dem Bischof von Limburg vom 5. Dezember präsentiert und wie üblich in rot kommentiert.

Welt Online: Der Streit über das Betreuungsgeld für Eltern gleicht einem Glaubenskampf. Wie steht der katholische Familienbischof dazu? (Schon dass man diese Frage überhaupt stellen muss, sagt uns viel über das angstvolle Schweigen seitens des deutschen Episkopats.)

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst: Aus Sicht der Kirche begrüße ich alle Initiativen, die den Erziehungsauftrag der Eltern unterstützen. Wo Eltern in der Lage sind, ihren Kindern in den ersten drei Lebensjahren (warum nur in den ersten drei Jahren? Warum die Anpassung an die Kindergartenmentalität? Ist die „Selbstverwirklichung“ der Eltern danach erste Priorität für den „Familienbischof“? Warum nutzt man nicht die Gelegenheit zu deutlichen Aussagen über Grundsatzfragen?) all das zu geben, was der seelischen und leiblichen Entwicklung des Kindes dient, sollte der Staat dies unbedingt fördern – auch um das Bewusstsein wachzuhalten, dass eine verlässliche Mutter-Kind- und Eltern-Kind-Beziehung nicht adäquat durch andere Einrichtungen ersetzt werden kann. (Das ist soweit richtig. Aber das trifft auf das vierte, fünfte, sechste… Lebensjahr genauso zu. Auch dass Eltern ihre Kinder in Kindergärten abladen, um nicht mehr von ihnen behindert zu werden, während sie ihren erlauchten Selbstverwirklichungsträumen nachhechten, ist nicht gerade eine löbliche Entwicklung. Zumal Kinder in Kindergärten heutzutage generell nicht gerade im christlichen Geiste erzogen werden, selbst in sogenannten katholischen Kindergärten.)

Welt Online: Daraus spricht Skepsis gegenüber Kinderkrippen. (Maria hätte ihren Sohn niemals weggegeben, und Joseph auch nicht. Die heutigen Ablagehalden für Kinder sollten nicht denselben Namen tragen, wie die Krippe, in der das Jesuskind liegt… Ich schlage vor: Kind-Zentralisationslager)

Tebartz-van Elst: Der Erziehungsauftrag der Eltern hat auch nach unserem Grundgesetz unbedingte Priorität. (Ja, nach unserem Grundgesetz ist das so. Welche kindliche Naivität veranlasst den Bischof zu glauben, das Grundgesetz spiele in der heutigen Republik noch irgendeine nicht-antiquarische Rolle? Im Grundgesetz steht auch das Recht auf Leben, das seit Jahrzehnten von allen relevanten politischen Kräften rituell mit Füßen getreten wird. Und spätestens seit dem Knebelvertrag von Lissabon ist die Bundesrepublik ohnehin nur noch von historischem Interesse und faktisch längst eine Sowjetrepublik der EU)

Welt Online: Und wenn Eltern nicht in der Lage sind, diesen Auftrag zu erfüllen?

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Tebartz-van Elst: Wo Eltern dieser Verantwortung nicht angemessen nachkommen können, sind Kinderkrippen immer die zweitbeste Lösung. (Nein. Das wären Großeltern und andere Verwandte. Alternativ könnte ein solches Kind auch per Adoption Eltern gegeben werden, welche tatsächlich ein Interesse an dem Kind entwickeln, und es nicht bloß als Konsumgut sehen. Ein Kind in eine so genannte „Krippe“ zu geben, gerade wenn man bedenkt, was das vorherrschende ideologische Gedankengut ist, das hinter der Krippenidee steht, ist nichts als eine besonders subtile und daher besonders perfide Form der Kindesmisshandlung. Ja, es mag Ausnahmen geben. Doch Krippen apodiktisch als „zweitbeste Lösung“ darzustellen, ist schlicht falsch.)  Zielrichtung aller Bemühungen um das Wohl des Kindes muss deshalb für die Politik die Stärkung der Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung sein.

Welt Online: Was „Familie“ ist, darüber scheint es heute in der Gesellschaft keinen Konsens mehr zu geben. Hat es der Bischof und Theologe leichter mit einer Definition?

Tebartz-van Elst: Theologisch gesehen ist Familie „Kirche im Kleinen“, ecclesiola, Abbild des Bildes Gottes mit den Menschen und Zeichen seiner unwiderruflichen Treue. (Schöne Worte. Teilt das noch ein anderer Bischof so?) Gesellschaftspolitisch betrachtet ist Familie das, was das Grundgesetz definiert: die Keimzelle unseres Gemeinwesens. Beides beschreibt, was Familie bedeutet. (Ja, doch da gibt es noch die Soziallehre der Kirche, die ebenfalls etwas zur Familie sagt, was Bischof Marx, der sich scheinbar zum obersten Soziallehrer der Bischofskonferenz berufen fühlt, gern verschweigt. Ich empfehle die Enzykliken der Päpste zu diesem Thema – Links siehe auf der Seite „Lehre der Kirche“ auf diesem Blog, oder am Ende dieses Artikels.)

Welt Online: Das Begriffspaar Ehe und Familie ist für die Kirche nicht aufzulösen, aber offensichtlich für die Gesellschaft … (Die Säure des Modernismus zerfrisst alles. Sie löst alles auf, selbst die grundlegenden Bausteine der Gesellschaft. Doch damit sägt sich die Gesellschaft den Ast ab, auf dem sie sitzt, solange es ihr nicht gelingt, den fortpflanzungsprozess in Laboratorien zu synthetisieren und damit auch praktisch von der Sexualität zu trennen. Welche Folgen das haben wird, werden wir, falls das System lange genug durchhält, womöglich noch sehen. Ich empfehle Huxleys Brave New World zu dem Thema. Er war zwar Atheist, aber dennoch zuweilen prophetisch.)

Tebartz-van Elst: …und das halte ich für äußerst problematisch. (Problematisch ist eine schwache Formulierung für „absolut katastrophal“) Denn wo, wenn nicht in der Familie, lassen sich die Ausprägung von Personalität, das Erlernen von Solidarität und das Praktizieren von Subsidiarität besser erfahren? (Solidarität und Subsidiarität: Zwei wesentliche Grundsätze der Soziallehre) Zu diesem unverwechselbaren Lebensentwurf von Ehe und Familie kann es deshalb aus christlicher Sicht keine Alternative geben. (Aus christlicher Sicht? Handelt es sich bei Ehe und Familie also um eine Art christliche Sonderlehre, die sich speziell aus der christlichen Offenbarung ergibt? Seltsam, ergibt sich doch nach der naturrechtlichen Ethik das Verständnis von Ehe und Familie, welches auch die Kirche teilt, bereits durch die natürliche Vernunft.)

Welt Online: Sie meinen, mit ihrem Familienbild sei die Kirche up to date. In politischen Debatten sieht sie eher alt aus. (Welche politischen Debatten? Die Kirche schweigt sich weitgehend aus.)

Tebartz-van Elst: Wir sind mit unserem Verständnis von Ehe und Familie up to date, weil junge Menschen sie nach wie vor in ihrer Lebensplanung als erstrebenswert erachten und sie an die erste Stelle setzen. (Sachlich falsch. Sie mögen das in Umfragen behaupten – kostet ja nichts. Aber praktisch haben Ehe und Familie keine normative Bedeutung mehr in der heutigen Gesellschaft der jungen Leute. Klar sagen sie, „Familie“ sei ihnen wichtig – doch Familie ist dann das unverbindliche Zusammenleben einiger Sexualpartner und vielleicht noch die Zeugung von Kindern mit sofortiger Weitergabe an die Krippe, den Kindergarten usw., also ohne Verantwortung und Bindung.) Zahlreiche Umfragen bestätigen diesen Wert. Wer in den persönlichen Beziehungen Zuverlässigkeit und Treue erlebt, der geht mit Veränderung und Brüchen in unserer Gesellschaft zuversichtlicher um. (Ach so, jetzt reduziert der Bischof den Wert der Familie auf das subjektive Erleben von Zuverlässigkeit und Treue, die den Menschen dazu befähigten, mit „Brüchen“ besser umzugehen. Traurig, aber wahr. An solchen Äußerungen, die ja nicht falsch sind, aber unvollständig, sieht man wie sehr selbst die besseren unter den deutschen Hirten dem Zeitgeist des Modernismus anheim gefallen sind. Die natürliche Vernunft wird gar nicht bemüht, religiöse Argumente fehlen ebenfalls, es bleibt ein psychologischer Appell, die Familie sei nötig, um die Brüche der Moderne verarbeiten zu helfen. Sorry, auf ein solches klinisch von christlichen Elementen gereinigtes Familienbild kann ich verzichten.)

Wer sich persönlich gehalten weiß, kann Fragilität im Leben besser ertragen.

Welt Online: Dennoch beginnt sich ein anderes Bild durchzusetzen: Familie ist da, wo Kinder sind. (Ja, zum Beispiel in der Schule, auf Kinderfriedhöfen oder in Krippen…)

Tebartz-van Elst: Dieser Vorstellung von Familie muss ich widersprechen. (Und warum?) Diese Umschreibung bringt nicht zum Ausdruck, was wir als Christen (wieder eine christliche Sonderlehre? Oder versucht der Bischof nur den vielen gleichberechtigten Alternativreligionen nicht auf die Füße zu treten?) unter Ehe und Familie verstehen. Denn mit Ehe und Familie ist wesenhaft (ist das als Äußerung eines Wesensbegriffs im Geiste der traditionellen Philosophie zu verstehen? Wenn ja, sollte man das dann nicht erläutern, um auch die 99,999% der Leser mit einzubeziehen, die den Hl. Thomas nicht gelesen haben? Und wenn nicht, dann ist es bloß eine Leerfloskel.) die Bereitschaft verbunden, Nachkommen das Leben zu schenken und sie auf dem Fundament lebenslanger Treue (wann hat sich die Kirche in Deutschland zuletzt ernsthaft gegen die Scheidung ausgesprochen? Vermag mich nicht daran zu erinnern.) ins Leben zu begleiten. Im christlichen Verständnis sind Kinder ein Geschenk, denn in ihnen nimmt die Liebe der Partner neue Gestalt an.

Die Weitergabe des Lebens gehört für Christen existenziell zum Schöpfungsverständnis. (Für die Bischofskonferenz nach dem Verrat an Humanae Vitae durch die Königssteiner Erklärung gehört die Weitergabe des Lebens wohl eher ins Museum überalterter, fundamentalistischer Irrwege. Wenn Sie das anders sehen, Exzellenz, wo ist dann ihr Einsatz gegen die widernatürliche Verhütungsmentalität?) Ich halte es für außerordentlich problematisch (nur problematisch? Dann ist’s ja nicht so schlimm. Probleme haben wir viele, braucht man sich ja nicht gleich darüber aufzuregen, oder?), wenn sich immer stärker Vorbehalte gegenüber der Weitergabe des Lebens zeigen. (Seit Jahrzehnten dominieren diese Vorbehalte, genährt von wohlwollender Neutralität seitens der deutschen Bischöfe. Es grenzt an Volksverdummung, davon zu sprechen, derartige Vorbehalte „zeigten“ sich derzeit „immer stärker“. Sie sind längst seit Jahrzehnten dominant.)

Wie sehr das christliche Verständnis von Ehe und Familie und die demografische Entwicklung zusammenhängen, macht schon eine Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2004 deutlich: Menschen gaben hier an, deshalb keine Kinder zu bekommen, weil ihnen der richtige, verlässliche Partner fehle, obwohl sie es prinzipiell wollen. (Menschen wollen prinzipiell Kinder – als Konsumgüter. Sie denken an sich und erkennen, dass sie gern Nachwuchs hätten. Das ist der Unterschied zwischen haben und sein. Sie wollen Kinder HABEN, aber nicht Eltern SEIN. Denn Verantwortung? Abstriche von der besinnungslosen Akkumulation lebloser Konsumgegenstände zur Betäubung der inneren seelischen Leere? Nein, danke.)

Soweit der erste Teil des Interviews, samt Kommentar. Der zweite Teil folgt wahrscheinlich morgen.

Thesen zur traditionellen Messe (1)

Als im Jahr 1970 der Novus Ordo promulgiert worden ist, war ich weder Katholik noch überhaupt geboren. Daher habe ich keine positiven oder negativen Erinnerungen an die damalige Zeit und ihre Entscheidungen, weder eine Bitterkeit über radikale Reformen noch über ihr angebliches Ausbleiben. Als ich jedoch im Jahre 2008 erstmals den katholischen Glauben ernsthaft betrachtete, fühlte ich mich sofort zum „alten“ Ritus hingezogen. Aber nicht aus guten liturgischen Gründen – ich war liturgischer Analphabet.  Ich begegnete im Internet (und ich lernte den Katholizismus zuerst ausschließlich durch das Internet kennen) drei Gruppen von Katholiken:

(1) Die einen hatten sich demselben Zeitgeist angepasst, vor dem ich gerade erst zu fliehen begonnen hatte – diese waren überzeugte Anhänger der „Neuen Messe“.

(2) Die anderen waren überzeugte Gegner des Modernismus und verteidigten die moralischen Positionen, zu denen ich unabhängig vom katholischen Glauben 2008 gerade zu finden begonnen hatte, mit Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit – diese waren überzeugte Anhänger der „Alten Messe“.

(3) Die dritte Gruppe, für die das beste Beispiel wohl der amerikanische Blogger und Autor Mark Shea ist, ähnelte der zweiten Gruppe in ihrer Verteidigung der moralischen Werte, von denen ich mehr und mehr überzeugt war. Sie respektierten die Messe sowohl in der „neuen“ als auch der „alten“ Variante – obgleich sie generell persönlich eher den Novus Ordo zu bevorzugen schienen.

Dieser Eindruck bestätigte sich wieder und wieder – wenn ich von einem katholischen Autor wusste, wie er zur „Alten Messe“ stand, konnte ich in 99% der Fälle seine Position zu theologischen und moralischen Fragen vorhersehen. Ich habe in drei Jahren bisher noch keinen Katholiken im Internet oder anderswo angetroffen, der sowohl Humanae Vitae als auch den Novus Ordo für den großen Wurf hielt. Ebenso kenne ich niemanden, der sowohl Humanae Vitae als auch den Novus Ordo ablehnt.

Damals erschien mir dies äußerst überraschend – ich hatte wie gesagt keine Ahnung von gesunder katholischer Lehre und war ein religiöser und liturgischer Analphabet. Ich hatte auch keine Ahnung vom wirklichen Aufbau der beiden konkurrierenden Formen der Messe – meine Begegnung mit dieser Debatte fand erstmal ausschließlich im moralischen Rahmen statt. Ich war gegen Abtreibung und die Zerstörung der traditionellen Familie – ich fand Gleichgesinnte unter den Gegnern der Liturgiereform, während das Stimmungsbild unter den Befürwortern höchst gemischt war, wobei die Ablehnung der moralischen Revolution von 1968 umso stärker wurde, je mehr Sympathie ein katholischer Autor mit der Tridentinischen Messe hatte. Je radikaler seine Unterstützung des Novus Ordo, umso revolutionärer auch seine gesellschaftspolitischen Ansichten. Es war ganz natürlich, sich in dieser Lage zum „Traditionalismus“ in liturgischen Fragen hingezogen zu fühlen.

Es dauerte dabei nicht lange, bis ich einen etwas tieferen Einblick in die unter Katholiken immer gern kontrovers diskutierte Frage der Liturgie und der Messe gewann, und dann auch aus liturgischen und theologischen Gründen die außerordentliche Form zu favorisieren begann. Damals jedoch, 2008 oder 2009, war ich noch längst nicht von der Richtigkeit der katholischen Lehre überzeugt. Ich hielt die Existenz Gottes für plausibel, und wäre, wenn man mich zu einer Entscheidung gezwungen hätte, vermutlich in eine konservative evangelikale Freikirche eingetreten. Den Katholizismus, den ich aus dem Fernsehen und von diversen diffus miterlebten Verlautbarungen von Bischöfen kannte, konnte ich weder ernst nehmen noch glauben. Es war zu offensichtlich, dass diese Repräsentanten des Katholizismus sich für ihre eigene Religion schämten und sie bei jeder Gelegenheit herunterzuspielen suchten. Doch meine Aktivitäten im Internet hatten mich mit einer Religion in Kontakt gebracht, die sich nicht ihrer selbst schämte, sondern eine wirkliche Alternative anzubieten schien, eine Alternative, zu der wenigstens große Sympathie für die tridentinische Messe einfach dazugehörte.

Das sah ich, unbedarft wie ich war, bei meinen ersten Kontakten mit dem Katholizismus im Internet. Abschließend möchte ich diese Erfahrungen in zwei Thesen zusammenfassen:

1. These: Je freundlicher ein Katholik zur traditionellen lateinischen Messe steht, umso klarer, entschlossener und überzeugter ist sein Eintreten für die traditionelle katholische Moral, auch und gerade in besonders umstrittenen Themengebieten.

2. These: Solange die Gültigkeit des Novus Ordo nicht generell geleugnet wird, ist eine positive Haltung zur traditionellen Messe ein absolut sicheres Anzeichen für Lehramtstreue in allen Bereichen.

Predigtsammlungen

Ich bin kürzlich durch die lesenswerte traditionell-katholische Internetseite Rorate Caeli auf eine wunderbare Sammlung von Predigten aufmerksam geworden, die als Audiodateien (mp3) zur Verfügung stehen. Es handelt sich um mehrere hundert Predigten aus den letzten acht Jahren, die mit der Zustimmung der Priester dort veröffentlicht worden sind. Sie sind kostenlos verfügbar, allerdings bitten die Initiatoren der Seite darum, dass der Nutzer drei Ave Marias für die Priester betet, die ihre Predigten dort zur Verfügung stellen.

Es handelt sich um Audiosancto.org. Die Predigten sind auf englisch, aber jeder, der dieser Sprache mächtig ist, kann von ihnen profitieren. Sie präsentieren die Dogmen und Doktrinen des traditionellen katholischen Glaubens in unverblümter und deutlicher Form (soweit ich das bisher feststellen konnte – ich habe nur eine kleine Auswahl gehört, und auf diese trifft die Einschätzung zu).

Ein Wort der Warnung: Herzrasen für zarte modernistische Gemüter ist vorprogrammiert. Zum Beispiel findet sich dort eine Predigt über die Irrtümer des Feminismus, die das Blut der meisten modernen Zeitgenossen wahrscheinlich zum Kochen bringen wird. Doch so ist das eben, wenn man sich wirklich an die ganze Tradition der Kirche, inklusive Casti Connubii und Humanae Vitae hält…

Weitere interessante Predigtsammlungen, diesmal sogar in deutscher Sprache finden sich unter:

Glaubenswahrheit.org (Predigten des Prof. Dr. May) (im PDF-Format)

St. Pelagiberg (als Audiodokumente und teilweise auch in Schriftform)

Die Deutsche Nationalkirche

Einige Aktionen, durch die die deutschen Bischöfe sich mehr und mehr in Richtung einer vom Vatikan unabhängigen, dem provinziellen westeuropäischen Zeitgeist verbundenen Nationalkirche begeben. Die Liste ist sicher nicht vollständig. Meine Leser sind eingeladen, sie, sofern ihnen noch mehr einfällt, durch Kommentare zu vervollständigen.

– Der Verrat an Humanae Vitae durch die Königsteiner Erklärung

– Die Würzburger „Räubersynode“ 1971-75

– Die Ausstellung von Darfscheinen zur legalen Tötung der Ungeborenen über viele Jahre sowie das zustimmende Schweigen zur herrschenden Abtreibungspraxis durch die meisten Bischöfe

– Die Weigerung der Korrektur, bzw. Neuübersetzung des Messbuchs, bes. die „pro multis“-Kontroverse

– Die nahezu totale Blockade von Summorum Pontificum

– Die stillschweigende Duldung bzw. offene Förderung häretischen Religionsunterrichts, häretischer Predigten und weitverbreiteten Liturgiemissbrauchs, incl. Interkommunion, Laienpredigt, Messe als Theaterstück usw.

– Die Duldung oder Förderung offen und verdeckt häretischer Priester, Theologen, Gemeindereferenten usw.

– Die Förderung und Stärkung häretischer Gruppierungen wie etwa der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, dem Zentralrat der deutschen Katholiken usw.

– Die aktuelle „Dialog“-Initiative zur weiteren Schwächung kirchentreuer Kräfte und umfassender Verbrüderung mit oben erwähnten Häresiegruppen – kirchentreue Gruppen werden vom Dialogprozess systematisch ausgeschlossen, um ihnen kein Forum zu geben.

– Das systematische Verschweigen der christlichen Lehre zu allen kontroversen Themen, bes. zum Lebensrecht, zu Ehe und Familie, zum Bußsakrament, zur Realpräsenz Christi in der Eucharistie und allgemein zu theologischen Fragen, die die katholische Kirche von evangelischen Gruppen unterscheiden.

[NACHTRAG 13:40: Laurentius Rhenanius, der auf Superpelliceum bloggt, hat in der Kommentarspalte einige Ergänzungen meiner Liste vorgeschlagen. Hier sind sie:

– bei der Frage der Handkommunion
– den fehlenden Exorzisten für Deutschland (heikles Thema!)
– bei der vornehmen Zurückhaltung die sich von Seiten des Episkopates immer wieder zeigt, wenn der Heilige Vater in der Öffentlichkeit angegriffen wird
– beim Umgang mit Beschwerden von Gläubigen
– bei der Kommentierung und Umsetzung von römischen Entscheidungen ganz allgemein
– der Umgang mit „römischen Abweichlern“ in den eigenen Reihen…

Fällt Ihnen noch mehr ein? Die Liste ist so schon ziemlich schockierend, doch ist es notwendig, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Die Mehrzahl der deutschen Bischöfe, darunter der Vorsitzende der Bischofskonferenz, sind nicht oder nur sehr beschränkt lehramtstreu. Und wo die papsttreuen jungen Bischofsanwärter, die in einigen Jahren die Bistümer „übernehmen“ könnten, herkommen sollen, weiß ich auch nicht.

Der Glaube in Deutschland wird wohl noch auf mehrere Generationen hinaus nicht nur in der Gesellschaft Minderheitenmeinung sein, sondern sogar in der Bischofskonferenz. Die modernistischen Strömungen haben zumindest hierzulande einen haushohen Sieg eingefahren. Mir scheint, als ob selbst innerhalb der Kirche in Deutschland katholische Positionen ein elendes Randdasein fristeten. Die Kirche wird am Ende triumphieren – aber wir haben keine Garantie, dass es dann in Deutschland noch Katholiken geben wird (oder dass es überhaupt noch ein Deutschland geben wird).

Bin ich Pessimist? Wahrscheinlich, obschon ich mich eher für einen Realisten halte.

Relativismus als Dialogmittelweg?

Kath.net ist eine der wenigen Nachrichtenquellen, die ein gläubiger Katholik normalerweise in Ruhe lesen kann, ohne redaktionellen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Das trifft auch (wenn auch nur zu einem geringen Teil) auf den Gastkommentar von Andreas Püttmann zur sogenannten Dialoginitiative und ihrem Auftakt in Mannheim zu. Leider ist es jedoch auch das Beste, was man aus katholischer Perspektive dazu sagen kann. Ansonsten ist er ein unklares Sammelsurium zur Schau getragener „Offenheit“ gegenüber denjenigen, die den Glauben und die Sittenlehre der Kirche im Geiste des Säkularismus zu demontieren suchen. Beispiele gefällig?

(1) Suggestive Titelwahl

Püttmann schreibt bereits im Titel – „Dialogseligkeit und Dialogressentiment“ – einen Gegensatz hoch, der wohl nur in seinem Kopf als solcher zu verurteilen ist. Wenn man der Meinung ist, dass Glaubens- und Sittenwahrheiten auf den Tisch gehören und abgebaut werden sollen, damit die Kirche an oberflächlicher „Relevanz“ gewinnt, dann wird man zu den „Dialogseligen“, denn es ist transparent, dass dies das einzige Ziel der Dialoginitiative ist. Ansonsten hätte man die Sache ganz anders aufziehen müssen. Ist man hingegen der Meinung, dass Glaube und Sittenlehre durch das ordentliche Lehramt der Kirche festgelegt sind und nicht dem Mehrheitswillen angepasst werden dürften, dann wird man diesen Dialogprozess ablehnen. Püttmann bezeichnet diese beiden Gegensätze extrem tendenziös als „Seligkeit“ und „Ressentiment“. Wie wir alle wissen, ist im katholischen Kontext „Seligkeit“ etwas sehr Gutes, während „Ressentiment“ eie nicht von Argumenten zu untermauerndes, generell vorurteilsbehaftetes, irrationales Gefühl der Abneigung ist, von dem Menschen normalerweise Abstand nehmen sollten. Schon die Titelwahl zeigt also die Tendenz des Kommentars: Die Abrißbirnen der Kirche sind „selig“, während die Verteidiger des Lehramts von „Ressentiments“ zerfressen sind.

(2) Die Kirche für 30 Silberstücke und etwas weltliches Ansehen verjuxen?

In den ersten zwei Absätzen scheint es dann, als ob der Titel unberechtigt oder unbedacht gewählt sei. Püttmann schreibt, man habe in der Dialoginitiative zwischen der „Diskursethik von Habermas“ und der naturrechtlichen Tradition der Kirche, besonders des Papstes Benedikt zu wählen. Er charakterisiert damit treffend die Wahl, vor der der heutige Katholik steht. Er kann sich der Lehre der Kirche, dem sittlichen Naturrecht und dem Heiligen Vater anschließen, oder einem kruden Soziologismus, der jeder Fundierung in der Wahrheit entbehrt und immer das als „richtig“ ansieht, was die Mehrheit im „Diskurs“ oder „Dialog“ beschließt.

„Nimmst Du nicht an der Wahrheit Maß, dann bleibt Dir nur der Habermas“, lautet ein Bonmot des Professors für Christliche Gesellschaftslehre, Lothar Roos. Er hält es offensichtlich mehr mit Ratzinger, dem Naturrecht und der Lehrtradition als mit dem berühmten „Diskursethiker“.

Zwischen der Erkenntnislehre dieser beiden „Päpste“ haben die deutschen Katholiken in gewisser Hinsicht jetzt zu wählen.

Man ist geneigt, Püttmann für diese klare Darstellung der Alternativen zu loben. Umso erschreckender ist das was folgt:

Denn alle Stuhlkreise hatten drei Prioritäten einer zukünftigen Kirche „mit großer Ausstrahlungskraft“ zu wählen und von dieser wiederum die wichtigste, die dann coram publico vorgetragen wurde. Hierbei dominierten – ohne dass es dazu im Plenum Widerworte der anwesenden Bischöfe gab – die bekannten „Reizthemen“: Frauenpriestertum (oder –diakonat), Zölibat, Machtverteilung zwischen Geweihten und Laien sowie Fragen des Sechsten Gebotes, insbesondere zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen.

Darüber lässt sich trefflich debattieren, mit guten Argumenten auf beiden Seiten. Modifikationen kirchlicher Morallehre unter veränderten zivilisatorischen Bedingungen und humanwissenschaftlichen Erkenntnissen gab es früher schon, etwa bei den „Ehezwecken“, der Todesstrafe, der Sklaverei, oder dem Zinsverbot. Wo „Glaube und Vernunft“ wirklich voneinander lernen sollen, ist die geistig-geistliche Anstrengung auch zur Überprüfung kirchlicher Lehren legitim, zumal wenn diese nicht zum „Credo“ des Christentums gehören.

An dieser Stelle angekommen, muss man sich fragen, ob Herr Püttmann nicht vielleicht lieber einer Glaubensgemeinschaft beitreten sollte, in der die Wahrheit dasselbe ist wie die Meinung der Mehrheit. Man lasse sich diese zwei Absätze auf der Zunge zergehen. Erst stellt Püttmann absolut klar, worum es geht: Kirche, Papst, Lehramt, Naturrecht auf der einen Seite, Habermas, Zeitgeist, Diskursethik und Relativismus auf der anderen Seite. Dann plädiert er auf Neutralität zwischen beiden Seiten! Es hätten, so Püttmann, die üblichen Reizthemen dominiert, darunter Frauenpriestertum, Homosexualität, „Machtverteilung“ zwischen Laien und Geweihten, „Fragen des sechsten Gebots“ – also Sexualmoral auf Dialogchinesisch verklausuliert.

Das alles sind aber keine „Diskussionsthemen“, sondern Teil der unveränderlichen Lehre der Kirche. Homosexuelle Akte sind sündig, Frauen können nicht Priester werden, Sexualität außerhalb der Ehe, Scheidung, Verhütung, Abtreibung usw. sind ebenfalls durch das Lehramt klar entschieden worden. Püttmann behauptet, alle diese Fragen seien diskutabel, mit guten Argumenten auf beiden Seiten, auch innerhalb der Kirche, schließlich habe die Kirche ja schon früher ihre Lehre abgeändert. Nun, wenn Püttmann das wirklich glaubt, kann er dann guten Gewissens das Apostolische Glaubensbekenntnis sprechen? „Ich glaube an… die heilige katholische Kirche…“? Wenn die Kirche als Institution ihre Lehre abgeändert hat, und dies wieder tun kann, dann ist sie nicht die Kirche, die Gott „in die ganze Wahrheit führen“ wollte. Dann ist sie eine menschliche Erfindung und alles was sie sagt ist prinzipiell so suspekt, wie die Worte gewohnheitsmäßiger Lügner. Denn dann wäre die Kirche nichts anderes als eine gewohnheitsmäßige Lügnerin, die seit 2000 Jahren viele Millionen Menschen verführt hat. Sie wäre die schändlichste Institution, die jemals die Erde besudelt hätte. Sie hätte ferner ihre Existenzberechtigung verloren.

Eine bloß menschliche Organisation kann nämlich auch nicht Brot und Wein in den Herrn verwandeln. Es gäbe damit in der katholischen Kirche keine Eucharistie, keine Realpräsenz, keine Wandlung, im Tabernakel keinen Herrn. Keine Existenzberechtigung für Priester, kein Lehramt, nichts. Die Kirche wäre ihres ganzen Sinnes beraubt, wenn sie ihre Lehre wirklich abändern könnte.

Kann die Kirche von Zeit zu Zeit disziplinarische Vorschriften modifizieren? Ja, sie kann, und sie hat. Das ist etwa bei der Todesstrafe der Fall. Die Kirche lehnt die Tötung Unschuldiger generell ab. Sie lehnt NICHT generell die Todesstrafe ab, aber sie hält dazu an, sofern möglich, andere Mittel zu wählen, wie etwa lebenslange Haftstrafen. Die Todesstrafe ist in modernen westlichen Gesellschaften, gegeben aktuelle Sicherheitsstandards in Gefängnissen, gegeben die Möglichkeit lebenslanger Haftstrafen usw. nicht notwendig. Dies ist jedoch keine Veränderung der kirchlichen Moral, sondern eine Veränderung der gesellschaftlichen Umstände, auf die die kirchliche Moral angewendet wird. Die Sittenlehre ist dieselbe: Die Tötung als Strafe für ein Kapitalverbrechen ist nicht an sich unmoralisch, aber sie ist in der heutigen Gesellschaft kaum oder gar nicht notwendig. Lesen Sie den Katechismus, Herr Püttmann, bevor Sie behaupten, die Kirche habe „ihre Lehre verändert“.

Soweit zu der lächerlichen Behauptung, die Kirche könne in den von Püttmann und den „Dialogseligen“ aufgebrachten Themengebieten, einfach das Gegenteil von dem sagen, was sie immer gelehrt hat, ohne damit jegliche Glaubwürdigkeit zu verspielen, die sie je gehabt haben mag. Denn bei ihnen geht es nicht um die Anwendung moralischer Prinzipien auf eine neue Zeit, sondern um eine Änderung der Prinzipien. Sexualität ist natürlich auf die Fortpflanzung hingeordnet – daher sind sexuelle Akte, die prinzipiell die Möglichkeit der Fortpflanzung willentlich ausschließen, immer moralisch falsch. Darunter fallen sowohl Verhütung, als auch Homosexualität, um nur zwei Reizthemen der Kirchendemonteure zu nennen. (Für Katholiken sind das übrigens keine „Reizthemen“, sondern wunderschöne Glaubenswahrheiten!) Und es gibt auch keine „Wiederverheiratet-Geschiedene“ aus dem einfachen Grund, dass es keine „Geschiedenen“ gibt. Scheidung ist unmöglich. Was durch den Ehebund zusammengefügt worden ist, ist zusammengefügt. Kein Mensch kann diesen Bund aufheben – und der Versuch ist moralisch verwerflich. Man kann also Menschen, die freiwillig und öffentlich in schwerer Sünde persistieren, obgleich ihnen die Möglichkeit gegeben worden ist, aus diesem Zustande zu entfliehen, keinesfalls zur Kommunion zulassen.

Herr Püttmann behauptet ferner, die genannten Glaubens- und Sittenwahrheiten gehörten nicht zum Credo. Wie oben schon gezeigt, stimmt auch das nicht. Wer seinen Glauben an die Kirche bekennt, und dann die Lehre der Kirche nicht akzeptiert, der widerspricht sich selbst. Eine von zwei Aussagen muss falsch sein – entweder man glaubt an die Kirche, oder man glaubt ihr nicht. Da muss man sich schon entscheiden.

Die meisten im Mannheimer Meinungsbild vertretenen Thesen sind offen oder versteckt häretisch. Und das zu sagen ist „Ressentiment“, um Herrn Püttmanns Kommentartitel zu zitieren.

(3) Der Ausverkauf des Glaubens

Doch Herr Püttmann ist offenbar entschlossen, allen irgendwie zu gefallen, und damit ein Kind seiner Zeit – nur die Kirche bewahrt den Menschen vor der Sklaverei, ein Kind seiner Zeit zu sein, wie Chesterton sagen würde. Denn er kritisiert dann auch noch die „Seligen“, um Herrn Püttmanns Dialogterminologie zu folgen:

Man kann dies der „Reformpartei“ [Püttmann meint die Mutablilität der Glaubens- und Moralwahrheiten, von der er oben verklausuliert sprach – Anm. von Catocon] zugestehen und dennoch finden, dass die „Reizthemen“-Fixation an der radikalsten Herausforderung, der Glaubenskrise, vorbeigeht: [1] An den Zweifeln an unserer christlichen Auferstehungshoffnung, [2] der göttlichen Allmacht und Güte angesichts von Leid und Katastrophen, [3] der Realpräsenz Christi in der Eucharistie, [4] am Sinn des Bußsakraments, [5] am Auftrag zur Mission. Von all dem hörte man aber kaum etwas in Mannheim.

Nun, wenn die Kirche die Lehre in Glaubens- und Moralfragen einfach so abändern kann, was Herr Püttmann ja seinen „Dialogseligen“ zugesteht, dann gibt es kein einziges Argument mehr gegen den Reformeifer, denn Herr Püttmann hier ungerecht kritisiert. Wenn die Lehre der Kirche wirklich beliebig ist – was er den Neo-Reformatoren ja erklärtermaßen zugestanden hat – warum soll man dann nicht versuchen „anzukommen“ und der Welt zu gefallen? Gehen wir die obenvon mir mit Ziffern versehenen Anliegen Püttmanns vor dem Hintergrund seines zur Schau gestellten und zugestandenen Relativismus also durch:

[1] Die Auferstehungshoffnung: Sie basiert auf den durch das Neue Testament überlieferten Worten Jesu. Das Neue Testament ist eine Sammlung von frühchristlichen Schriften, die verbindlich von der Kirche zu einem Kanon zusammengestellt worden ist. Wenn aber die Kirche ihre Lehren einfach so ändern kann, vielleicht ist dann ja demnächst das Thomas-Evangelium Teil des Kanons, und das Johannes-Evangelium nicht mehr, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Bibel bezeugt, interpretiert durch die Linse der Tradition, die Auferstehungshoffnung, doch wenn die Linse Tradition (=Lehramt) suspekt geworden ist, was sie werden muss, wenn man den Neo-Reformatoren Püttmanns Zugeständnisse macht, dann kann man die Bibel auch anders interpretieren. Fragen Sie mal Herrn Bultmann. Die Auferstehungshoffnung kann nicht bestehen ohne das Lehramt der Kirche, und das ist, nach Herrn Püttmanns Auffassung, schön öfters im Irrtum gewesen, kann also keine Glaubwürdigkeit mehr für sich beanspruchen.

[2] Die göttliche Allmacht und Güte im Angesicht von Katastrophen: Ist ebenfalls nicht mehr notwendig, wenn man erst einmal Herrn Püttmanns Zugeständnisse gemacht hat. Die Gnostiker waren in der Lage, sich die Texte so zurechtzulegen, dass der Gott des Alten Testaments böse war, und Jesus ihn abgelöst hat. Das passiert eben schonmal ohne Treue zum Lehramt der Kirche…

[3] Die Realpräsenz Christi in der Eucharistie: Wenn das Lehramt der Kirche in wichtigen Fragen der Sitten- oder Glaubenslehre irrt, kann man ihm kein Vertrauen mehr schenken. Und da die einzig Gott angemessene Anbetung eines bloßen Brotes nichts anderes ist als Gotteslästerung er schlimmsten Art, reicht schon ein geringer Zweifel an der absoluten Vertrauenswürdigkeit des Lehramts dazu aus, um davon Abstand zu nehmen. Es ist aber einzig die Überlieferung der Kirche – in Bibel und Lehramtstexten – die uns die Realpräsenz garantiert. Das Dogma fällt dann also auch.

[4] Der Sinn des Bußsakraments: Beichten ist unangenehm. Warum beichten, wenn ich einfach behaupten kann, da müsse sich bei meiner Lieblingssünde die Kirche einfach geirrt haben!? Unter Herrn Püttmanns Konzessionen an die „Dialogseligen“ GIBT ES KEINEN Sinn des Bußsakraments mehr.

[5] Auftrag zur Mission: Wenn die Kirche sich in Fragen des Glaubens und der Sittenlehre korrigieren kann und fortan eine neue, modernere, Moral vertreten kann, dann ist die Wahrheit entweder bloß relativ, oder die Kirche hat sich in ihrer Geschichte über 2000 Jahre geirrt, bis die Aufgeklärten „Dialogseligen“ sie unter ihrer abgestandenen Dunstglocke von, um Herrn Püttmann zu zitieren, „Ressentiments“ zu befreien. So eine Institution hat eigentlich keinen Grund zur Mission. Und der Auftrag Jesu zur Mission ist im Neuen Testament – das, wie wir weiter oben gesehen haben, ja aus der Feder der frühen Kirche stammt, und von der nicht ganz so frühen Kirche im 4. Jahrhundert kanonisiert worden ist. Sie ist also auch nicht mehr zuverlässig.

Wir sehen also: Alle für Herrn Püttmann wichtigen Punkte sind faktisch nicht mehr haltbar oder zumindest extrem fragwürdig, wenn man den „Dialog-Seligen“ Püttmanns Zugeständnisse erst einmal gemacht hat. Warum sich die Mutter aller Stuhlkreise in Mannheim also mit solchen Trivialitäten befassen soll, sagt Herr Püttmann uns nicht.

(4) Scheinargumente

Herr Püttmann nennt dann noch drei „Argumente“, die die „Dialogseligen“ zu größerer „Mäßigung“ anhalten sollen:

Mehr Skepsis gegenüber allzu leichtfüßigem „Reform“-Eifer sollte auch wecken, dass die Reformideen der Mannheimer Wunschliste (1.) genau die Agenda widerspiegeln, die der Kirche von der säkularen Gesellschaft und ihren Medien ständig aufgedrängt werden; sie (2.) im noch rascher geschrumpften deutschen Protestantismus bereits weitgehend realisiert sind; und dass sie (3.) nicht von der deutschen Kirchenprovinz, sondern nur von der römisch-katholischen „Weltkirche“ zu entscheiden sind, in der die Deutschen kaum 2 Prozent der Mitglieder auf die Waage bringen. Rom aber hat in diesen Fragen schon klar gesprochen, teilweise definitiv wie Johannes Paul II. zum Priestertum der Frau.

Doch Herr Püttmann hat von Anfang an gesagt, dass die von ihm jetzt kritisierte Agenda sehr gute Argumente für sich habe, und die Kirche diese Fragen auch abändern könnte, wenn sie wollte. Warum soll eine Agenda schlecht sein, nur weil sie von Säkularisten stammt, da doch die Kirche nicht als verlässlich gelten kann, wenn man Herrn Püttmanns Annahmen zu Ende denkt? Das Argument, die Kirche solle sich nicht protestantisieren, weil die Protestanten noch stärker geschrumpft seien, könnte da schon eher tragen, ist jedoch bloß Marketingstrategie. Und dass Deutschland nur 2% in der Weltkirche ausmacht, ist irrelevant, wenn man so denkt wie die „Dialogseligen“ und in Teilen auch Herr Püttmann – denn das bedeutet ja bloß, dass die anderen noch nicht so aufgeklärt sind wie wir und wir die Chance haben, intellektuelle Avantgarde für einen neuen, aus dem Sumpf der Papisten und der „Ressentiments“ befreiten Glauben zu werden. Eine verlockende Aussicht, wenn man die Unfehlbarkeit des Lehramts in Glaubens- und Sittenfragen erst einmal aufgegeben hat, wie die „Dialogseligen“ und ihr faktischer, wenn auch nicht erklärter, Erfüllungsgehilfe Herr Püttmann.

Dasselbe gilt für das Argument, der Papst habe die Priesterweihe der Frau definitiv ausgeschlossen. Ja, aber wenn die Kirche doch ihre Lehre schon öfters geändert hat, wie Herr Püttmann weiter oben ja behauptet, dann kann sie dies wieder tun. Und wenn man Humanae Vitae und Casti Connubii dem Zeitgeist opfern kann, was Herr Püttmann zumindest für „mit guten Argumenten auf beiden Seiten“ diskutabel hält, warum dann nicht auch Ordinatio Sacerdotalis?

(5) Der Feldzug gegen die Wahrheit

Püttmann fährt dann fort, nachdem er pflichtgemäß einige Konzessionen an die „Ressentiment“-Seite der Debatte gemacht hat, die Kritiker der Mutter aller Stuhlkreise anzugreifen. Beispiel Lebensrecht:

Im gleichen Blatt klagte der Vorsitzende des „Bundesverbandes Lebensrecht“, man habe bei der Teilnehmerauswahl die Lebensschützer wohl „vergessen“.

Die Erklärung ist viel einfacher: Sie gehören dort als Organisationen nicht hin. Denn die „Aktion Lebensrecht für Alle“ oder die „Christdemokraten für das Leben“ sind aus gutem Grund überkonfessionell konzipiert. Ihre Sprecher dürfen nicht selbst dazu beitragen, den Lebensschutz als eine katholische Sondermoral erscheinen zu lassen und so das Geschäft ihrer Gegner zu betreiben, die das Thema gern in die Kirchenecke abdrängen.

Dieses Argument schießt in seiner Inköhärenz wirklich den Vogel ab und übertrifft fast noch die vorherigen Einlassungen des Kommentators. Lebensrechtsverbände gehören nicht an den Verhandlungstisch innerhalb der katholischen Kirche, weil sie nicht allein katholisch, sondern überkonfessionell sind? Ich fürchte, da erübrigt sich jedes Argument, ich versuche es aber trotzdem. In allen heute diskutierten Fragen der Sittenlehre kann die Wahrheit von allen Menschen guten Willens, ob gläubig oder nicht, erkannt werden. Wenn allein die Tatsache, dass es auch nichtkatholische Lebensrechtler gibt, den Ausschluss der Lebensrechtler vom Verhandlungstisch in der Kirche bedeutet, dann darf überhaupt keine an Fragen der Sittenlehre interessierte Gruppe, die auch vielleicht Nichtkatholiken beinhalten könnte, mehr in der Kirche mitreden.

Komisch, wie Herrn Püttmanns „Sorge“ um die Überkonfessionalität des Lebensschutzes immer wieder zu den gleichen Ergebnissen führt, wie die „Sorge“ der Abtreibungslobbys, die alle Lebensschützer von der öffentlichen Debatte ausschließen möchten. Wieder einmal liegt Herr Püttmann mit den Konsequenzen seiner Worte voll auf der Linie seiner „Dialogseligen“, „Säkularisten“ und „Diskursethiker“. Herr Püttmann weiter:

Fatal wäre auch der Eindruck, die 300 am Gesprächsforum beteiligten Katholiken hätten sich nicht alle um das menschliche Lebensrecht zu sorgen, weil es dafür spezielle Organisationen gebe.

Aha. Und weil Mitglieder von Gemeinderäten in den Stuhlkreisen vertreten waren, könnte der Eindruck entstehen, es müssten sich nicht „alle beteiligten Katholiken“ um den Zustand der Gemeinden sorgen, weil es dafür spezielle Organisationen gebe? Es wird immer lächerlicher. Es geht nur darum, das Lebensrecht aus der Kiche auszusperren, die Anliegen der Lebensschützer zusammen mit ihren Kreuzen in der Spree zu versenken, wie Herrn Püttmanns Gesinnungsgenossen (?) es jedes Jahr beim Marsch für das Leben in Berlin vormachen!

Ferner beklagt sich Herr Püttmann noch darüber, dass viele „Konservative“ – gemeint sind kirchentreue Katholiken – die Gremienkatholiken einer „schweigenden Mehrheit“ von Katholiken an der Basis gegenübersetzten. Er argumentiert, wenn man das so nennen kann:

Der Veränderungsdruck, den die Mannheimer Stuhlkreise ventilierten, entspricht durchaus der letzten großen Repräsentativbefragung deutscher Katholiken im „Trendmonitor“ 2010: Vier von fünf Katholiken kritisieren den Zölibat, drei von vier „die Rolle der Frau in der Kirche“, eine Zweidrittelmehrheit „den Umgang mit Kritikern innerhalb der katholischen Kirche“. Noch breitere und wachsende Mehrheiten stören sich an der „Haltung zur Sexualität“ (79%), am „Umgang mit Homosexuellen in der Kirche“ (68%) und an der Lehre zur Empfängnisverhütung (85%)

Nun, ich möchte noch einige Zahlen hinzufügen: 90% der Katholiken gehen nicht zur Messe. Mehr als 70% glauben nicht an die Realpräsenz usw. Die Umfrage unterschiedet, wie Herr Püttmann später selbst kleinlaut zugesteht, nicht nach Kirchgängern und apathischen Taufscheinchristen, denen der Austritt zu stressig ist. Zur letzteren Gruppe gehören die 90% der Katholiken, die es nicht einmal mehr für nötig halten, regelmäßig zur Messe zu kommen – eine Stunde in der Woche für den Herrn scheint ihnen zuviel. Ja, diese 90% sind säkularisiert. Und sie vertreten säkularistische Positionen. Kein Wunder.

Doch was ist mit den 10% der Katholiken, die noch die Kirche aufsuchen? Denken dort auch große Mehrheiten, die Kirche solle aufhören Kirche zu sein und sich lieber als Sozialverband und Umweltschutzorganisation neu definieren? Man weiß es nicht. Eine andere Umfrage zeigt aber, dass über 40% der regelmäßigen Kirchgänger eine in ihrer Pfarrei angebotene Messe in der außerordentlichen Form zumindest einmal monatlich aufsuchen würden, und 68% fänden es normal, wenn beide Formen in der Pfarrei zelebriert würden. Ich fürchte, dass diese Leute nicht gerade erbaut wären, wenn die Kirche ihren Glauben „zeitgemäßer“ gestaltete, und sich damit selbst ad absurdum führte.

Abschließend sagt Herr Püttmann noch und offenbart damit die Wurzel seines Irrtums:

Wo der Dialog nur als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Einsichten betrachtet wird, muss er in Frustration enden.

Hier offenbart sich Herr Püttmann als einfacher Relativist. Beide Seiten des „Dialogs“ werden, völlig unabhängig vom Wahrheitswert ihrer Aussagen, als gleichberechtigt nebeneinanderstehend gedacht, und dann müssten sie von ihren „eigenen Einsichten“ abstrahieren und nicht mehr versuchen sie durchzusetzen. Ein wundervolles Rezept – wenn es keine objektive Wahrheit gibt, sondern alles, Habermas folgend, als „Diskurs“ verstanden wird, in dem jede Gruppe ihre „Ethik“ demokratisch beschließt. Diese Mentalität verunmöglicht es Herrn Püttmann leider, sich erfolgreich für die Lehre der Kirche und die Wahrheit einzusetzen.

Natürlich muss der Dialog in Frustration enden, wie Herr Püttmann sagt, aber nicht weil es da „Selige“ und „Ressentimentgeladene“ gibt, sondern weil die Kirche von ihrem Herrn, nicht von ihrem Stuhlkreis und den Massenmedien, in die ganze Wahrheit geführt wird.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass es sich bei dem Gastkommentar um das Schwächste handelt, das ich bei kath.net jemals gelesen habe. Herr Püttmann unternimmt den Versuch, einen Mittelweg zwischen „Dialogseligen“ und „Dialogressentiment“ zu finden, spricht aber sowohl durch die Titelwahl als auch durch den Inhalt des Kommentars den lehramtstreuen Katholiken jegliches Argument ab und schreibt ihnen stattdessen eben diffuse „Ressentiments“ gegen die ehrlichen, wenn auch teilweise aus seiner Sicht fehlgeleiteten und übereifrigen, „Reformbemühungen“ der „Seligen“ zu. Dass das nicht gerade ein Mittelweg ist, sondern eher eine distanzierte Parteinahme für den „Reformflügel“ der Kirche, ist aber auch klar.

Eine solche Parteinahme ist Herrn Püttmanns gutes Recht, aber man sollte sie auch als solche bezeichnen, und nicht als „Mittelweg“ verkaufen.

Die kinderfeindliche Betreuungslüge

Durch Zufall stieß ich auf dem Osnabrücker Bistumsblog auf einen Artikel zum Thema Kinderlosigkeit in Deutschland, las ihn, und stellte mir sofort die Frage, warum selbst Katholiken heute so sehr vor einer ernsthaften Betrachtung des Problems zurückscheuen. Stattdessen arbeitet man sich auch auf dem „Bistumsblog“ an den üblichen Orthodoxien der Politischen Korrektheit ab. Beispiel gefällig?

Es gibt ein Betreuungsproblem für Menschen mit Kindern. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch nicht so gut, wie ich mir das wünsche. Ein Elternteil, meist die Mutter, ist durch die Kleinkindphase deutlich im Erwerbsleben eingeschränkt. Oft ist Kinderbetreuung so teuer, dass ein guter Teil der Einkünfte des teilzeitbeschäftigten Elternteils gleich „weitergereicht“ wird.
All das stimmt, erklärt aber nicht die Geburtenrate.

Lächerlich! Es gibt so kein „Betreuungsproblem“, sondern ein Moralproblem, dessen Ursache im sogenannten Feminismus liegt, der frauenfeindlichsten Ideologie, die den Westen jemals heimgesucht hat. Das Problem wird völlig missverstanden – durch ideologische Verblendung missverstanden – wenn man von „Betreuungsplätzen“ und den armen Frauen schwafelt, die in dem Einzigen „eingeschränkt“ werden, was nach der Ansicht der feministischen Ideologen im Leben überhaupt zählt, der Ersatzgottheit Selbstverwirklichung durch abhängige Erwerbsarbeit. Wie sehr dieser Götze die Gedanken selbst scheinbar katholischer Personen beherrscht, kann jeder sehen, der den verlinkten Artikel des Bistumsblogs von Osnabrück liest.

Die Mutter ist durch ihr Kind „in der Kleinkindphase deutlich im Erwerbsleben eingeschränkt?“ Mag sein. Aber warum wird so getan, als ob es sich dabei um ein Problem handelte? Weil eben doch finanzieller Wohlstand mehr zählt, als das Wohl des Kindes? Weil die Mentalität, Kinder als „Last“ zu sehen, als „Einschränkung“, kurzum als Hindernis eben auch in den Köpfen sogenannter Katholiken steckt? Blasen wir unser Hirn einmal von den engstirnigen, rein diesseitigen, glaubensfernen Wohlstandsdünkeln des Säkularismus und der selbstsäkularisierten Kirche frei!

Wenn Wir nun, Ehrwürdige Brüder, Uns anschicken, die Segensgüter, die Gott in die wahre Ehe hineingelegt hat, darzulegen, so kommen Uns die Worte des gefeierten Kirchenlehrers in den Sinn, dessen fünfzehnhundertjährigen Todestag Wir noch vor kurzem durch Unser Rundschreiben „Ad salutem“[10] festlich begangen haben: „Das alles“, so sagt Augustinus, „sind Güter, um derentwillen die Ehe selbst gut ist: Nachkommenschaft, Treue, Sakrament“.[11] Inwiefern diese drei Worte eine klare und erschöpfende Zusammenfassung der gesamten Lehre über die christliche Ehe bieten, setzt der heilige Kirchenlehrer auseinander, wenn er schreibt: „Die Treue will besagen, daß nicht außerhalb des Ehebundes mit einem anderen oder einer anderen Verkehr gepflegt werde. Die Nachkommenschaft, daß das Kind mit Liebe entgegengenommen, mit herzlicher Güte gepflegt und gottesfürchtig erzogen werde. Das Sakrament endlich, daß die Ehe nicht geschieden werde und der Geschiedene oder die Geschiedene nicht einmal, um Nachkommenschaft zu erhalten, mit einem anderen eine Verbindung eingehe. Das hat als Grundsatz der Ehe zu gelten, durch das die naturgewollte Fruchtbarkeit geadelt und zugleich das verkehrte Begehren in den rechten Schranken gehalten werde.“

Soweit Papst Pius XI. in seiner unverzichtbaren Enzyklika Casti Connubii über die durch die Ehe zu erreichenden und anzustrebenden Güter. Und wenn die selbstsäkularisierten Biederkatholiken einmal so richtig schockiert tun wollen, dann mögen sie jetzt in der Enzyklika weiterlesen:

In der Familiengemeinschaft, deren festes Gefüge so die Liebe ist, muß dann auch die Ordnung der Liebe, wie es der hl. Augustinus nennt, zur Geltung kommen. Sie besagt die Überordnung des Mannes über Frau und Kinder und die willfährige Unterordnung, den bereitwilligen Gehorsam von seiten der Frau, wie ihn der Apostel mit den Worten empfiehlt: „Die Frauen sollen ihren Männern untertan sein wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist.“[32]

Die Unterordnung der Gattin unter den Gatten leugnet und beseitigt nun aber nicht die Freiheit, die ihr auf Grund ihrer Menschenwürde und der hehren Aufgabe, die sie als Gattin, Mutter und Lebensgefährtin hat, mit vollem Recht zusteht. Sie verlangt auch nicht von ihr, allen möglichen Wünschen des Mannes zu willfahren, die vielleicht unvernünftig sind oder der Frauenwürde weniger entsprechen. Sie ist endlich nicht so zu verstehen, als ob die Frau auf einer Stufe stehen sollte mit denen, die das Recht als Minderjährige bezeichnet und denen es wegen mangelnder Reife und Lebenserfahrung die freie Ausübung ihrer Rechte nicht zugesteht. Was sie aber verbietet, ist Ungebundenheit und übersteigerte Freiheit ohne Rücksicht auf das Wohl der Familie. Was sie verbietet, das ist, im Familienkörper das Herz vom Haupt zu trennen zu größtem Schaden, ja mit unmittelbarer Gefahr seines völligen Untergangs. Denn wenn der Mann das Haupt ist, dann ist die Frau das Herz, und wie er das Vorrecht der Leitung, so kann und soll sie den Vorrang der Liebe als ihr Eigen- und Sonderrecht in Anspruch nehmen.

Grad und Art der Unterordnung der Gattin unter den Gatten können sodann verschieden sein je nach den verschiedenen persönlichen, örtlichen und zeitlichen Verhältnissen. Wenn der Mann seine Pflicht nicht tut, ist es sogar die Aufgabe der Frau, seinen Platz in der Familienleitung einzunehmen. Aber den Aufbau der Familie und ihr von Gott selbst erlassenes und bekräftigtes Grundgesetz einfachhin umzukehren oder anzutasten, ist nie und nirgends erlaubt.

So, nachdem die Feministen und Säkularisten unter meinen Lesern jetzt sicher kurz vor einem unkontrollierten Wutanfall oder einem Herzinfarkt stehen, möchte ich jetzt einmal fragen: Wo kommt hier bitteschön irgendetwas, und sei es auch nur in einem Nebensatz, vor, das auch nur irgendwie andeutet, dass es eine unangenehme „Einschränkung“ für die Mutter eines Kindes sein könnte, wenn sie sich auch tatsächlich um die von ihr gezeugten Kinder kümmert, statt sie bei erster Gelegenheit in fremde Hände zu geben, nur damit sie wieder ihre Hände frei für die Dinge hat, die ihr offensichtlich (durch ihr Handeln bezeugt) wichtiger sind als das neue Leben, das Gott ihrer Familie geschenkt hat?

Wo ist die absurde, modernistische Auffassung, es sei beklagenswert, dass es nicht genug Ablagehalden für Kleinkinder gebe und die vorhandenen zu teuer für viele seien, hergekommen? Aus dem Schoße der Kirche? Welcher Papst, welches lehramtliche Dokument, hat jemals gelehrt, es sei gleichermaßen die Aufgabe der Mutter wie des Vaters Geld zu scheffeln? Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: Es gibt Situationen, in denen es nicht anders geht, als dass Vater und Mutter beide ihre Kinder zurücklassen müssen, um ihnen das physische Überleben zu sichern. Aber das gibt es in Deutschland und Westeuropa eben so gut wie nicht! Niemand muss in diesem Lande von einem Einkommen hungern (und wenn doch, dann hat er seine Prioritäten falsch gesetzt). Denn einmal keinen Urlaub machen zu können, oder nur einen Gebrauchtwagen zu besitzen, das ist keine Armut, sondern Wohlstandsgemecker. Armut ist hierzulande relativ – und zwar relativ zu den eigenen Vorstellungen und Ansprüchen.

Doch die ewige „drängt die Frauen in den Beruf“-Arie, jene ewige Leier des Großkapitals zwecks Drückung der Löhne und des Zentralstaats zwecks antikatholischer Indoktrination und Verbildung möglichst vieler Kinder in möglichst frühem Alter, ist nur die Folge einer viel tieferen Krankheit. Der Westen leidet unter einer tiefgreifenden Geschlechterverwirrung, so dass Mann und Frau praktisch als austauschbar erscheinen. Feminismus ist nichts anderes als die Idee, dass Frauen von Männern unterdrückt würden, wann immer sie nicht dieselben Dinge auf dieselbe Weise tun wie Männer. Geht der Mann arbeiten und sieht seine Kinder nur noch nach Einbruch der Dunkelheit, und die Frau nicht, dann sehen die Feministen dies als „Ungleichheit“ und „Benachteiligung der Frau“. Hier sieht man, wie die Rolle des Mannes vom Feminismus zum Ideal erhoben und die Frau als minderwertige Kopie gesehen wird – denn die Frau muss scheinbar immer den Mann nachäffen. Doch das hat die Frau nicht nötig, denn in Wahrheit sind Mann und Frau ihrer Würde nach gleich, Abbilder des einen Gottes. Und gerade deshalb haben sie unterschiedliche Stärken und Schwächen, unterschiedliche Fähigkeiten, und, daraus folgend, logischerweise auch unterschiedliche Funktionen in Familie und Gesellschaft.

Wie Pius XI. es hinreißend suggestiv und zugleich absolut treffend ausdrückt: Der Mann als Haupt und die Frau als Herz der Familie. Kopf und Herz sind beide absolut notwendige Teile des ganzen Körpers. Sie besitzen die gleiche Würde. Aber sie sind eben gerade nicht gleich – und wären sie gleich, so könnte der Körper nicht funktionieren. Beide haben eine wichtige, unersetzliche Funktion, aber nicht die gleiche Funktion. Und wenn das Herz versucht, so zu werden wie der Kopf, dann wird es seine Funktion nicht mehr erfüllen, und der Körper wird sterben. Ebenso, wenn der Kopf versucht, die Funktion des Herzens auszufüllen. Auch hier wird der Körper sterben. Beide sind – in ihrer wunderbaren Verschiedenheit – notwendig.

Exakt dasselbe gilt auch für die Familie. Die Mutter und der Vater sind beide absolut notwendig – keiner von beiden ist verzichtbar. Jedes Kind braucht einen Vater und eine Mutter. Doch auch Vater und Mutter sind nicht gleich, nicht austauschbar. Im Idealfall erfüllt der Vater seine Aufgabe und die Mutter ihre. Die Mutter, das Herz der Familie, hat in der Regel eine besondere Beziehung zu ihren Kindern – immerhin trug sie sie neun Monate unter dem Herzen. Der Vater steht in dieser Beziehung immer etwas außerhalb, aber auch er hat seine unersetzliche Funktion. Er wacht über die Sicherheit und das Wohlergehen dieser engsten Mutter-Kind-Paarung. Das bedeutet in der Erwerbsgesellschaft, dass er für die finanzielle Sicherung vornehmlich verantwortlich ist – und die Mutter eben nur im Notfall. Ist das eine Ungleichheit? Ja, natürlich. Und das ist auch gut so. Denn nicht jede Ungleichheit ist auch eine Ungerechtigkeit. Im Gegenteil – manche Ungleichheiten sind absolut notwendig für die Gerechtigkeit und sogar den Fortbestand der Familie:

Denn wohin die Alternative zu dem hier beschriebenen Familienmodell führt, kann jeder sehen, der sich in Westeuropa umschaut. Es gibt kaum noch Kinder – warum sollte man auch Kinder zeugen? Durch die Verbreitung künstlicher Empfängnisverhütung ist längst in die Köpfe der Gedanke des Kindes als Luxusgut eingezogen (auch wenn sich die üblichen Verdächtigen mit Worten so nicht ausdrücken würden, sie beweisen es durch ihr Tun). Und es fällt auf, dass der Artikel aus dem Bistumsblog die Themen Verhütung und Abtreibung mit keinem einzigen Wort auch nur erwähnt – denn der Autor scheint ja die Auffassung der Feministen vollauf zu teilen, dass man sich Kinder in besonders passenden Momenten des Lebens „anschafft“, wenn sie gerade nicht so sehr stören (sie die Mutter nicht so sehr „einschränken“). Es gibt keinen Grund für Kinder mehr. Warum soll eine Frau sich denn auch eine Schwangerschaft antun, wenn sie ohnehin das Kind so schnell wie möglich wieder an staatliche oder private Verwahranstalten abtreten will, auf dass sie bei den für sie wirklich wichtigen Dingen nicht gestört werde? Warum sollte man Kinder wollen, wenn durch die mutwillige Vernichtung der Ehe und der traditionellen Familie in den letzten 50 Jahren eine Situation entstanden ist, in der man schon am Tag der Hochzeit praktisch auf die kommende Scheidung in einigen Jahren wetten kann? Warum sollte man eine Familie gründen wollen – eine Familie im katholischen Sinne, im Einklang mit der Sittenlehre der Kirche – wenn man ganz offenbar irdische Güter der „Selbstverwirklichung“ höher bewertet als das Gut des Herrn? Eine Familie zu gründen und Kinder aufzuziehen ist schwere Arbeit, wenn man sich Mühe gibt. (Es ist auch keine „Halbtagsstelle“, die man mit Beruf und Karriere „vereinbaren“ müsste.)

Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht verwunderlich, dass die Gerichte und die Politik mehr und mehr aktiv gegen die wenigen noch verbliebenen traditionellen Familien mit rechtlichen Mitteln vorgehen – wie bei dem neuesten Skandalurteil des Bundesgerichtshofs gut zu erkennen, über das der Predigtgärtner geschrieben hat.

Doch das Problem sind nicht die Gerichte und die Politik. Sie passen sich nur der herrschenden Mentalität an. Jedes Volk bekommt die Regierung, die es verdient. Der Satz ist zumindest in Wahldemokratien immer und ausnahmslos wahr. Wir haben eine familienfeindliche Regierung, weil die Mehrheit der Wähler (und scheinbar selbst der Bistumsblog von Osnabrück) das Konzept der (traditionellen christlichen) Familie als in sich hinderlich und diskriminierend begreift. (Nicht expressis verbis, aber die entsprechende Mentalität scheint durch). Klar, manche bekommen immer noch Kinder. Und einige von ihnen sind sogar noch verheiratet und bleiben es auch. In der Praxis ist das alles richtig. Doch die Mentalität spricht Bände. Unhinterfragt bleibt es stehen, dass wir ja mehr „Betreuungsplätze“ bräuchten, und diese auch preiswerter sein müssten. Wollen wir wirklich starke Familien? Wie wäre es mit folgendem Programm:

1. Abschaffung sämtlicher staatlicher Förderungen für sog. Betreuungsplätze vor dem sechsten Geburtstag des Kindes.

2. Abschaffung der diversen Scheidungsliberalisierungen der letzten 60 Jahre, idealerweise totales Scheidungsverbot.

3. Totales, ausnahmsloses Verbot der Abtreibung, Künstlicher Befruchtung und sonstiger lebensfeindlicher Praktiken. Verbot von Verhütungsmitteln mit potenziell frühabtreibender Wirkung.

4. Abschaffung aller Privilegien für homosexuelle Paarbeziehungen, so dass die Ehe wieder als einzige staatlich privilegierte Lebensform besteht.

5. Abschaffung aller sog. Gleichstellungs- oder Frauenförderungsgesetze. Abkehr vom Gender Mainstreaming – falls die EU sich dagegen wehrt, notfalls austreten.

6. Streichung aller Fördermittel und Werbekampagnen, inklusive schulischer Sexualisierungspropaganda (sog. Sexualunterricht), für Verhütung, Abtreibung und außereheliche Sexualität.

Doch diese Vorschläge könnten in Deutschland niemals umgesetzt werden, niemals auch nur diskutiert werden, und fänden sicher auch nicht die Zustimmung der Mehrzahl der deutschen Katholiken, oder auch nur Bischöfe. Warum nicht? Eben weil sie alle die Mentalität der Welt übernommen haben, weil sie alle sich selbst säkularisiert haben, weil sie alle eine generelle Abkehr von traditioneller katholischer Sittenlehre vollzogen haben, um damit den Reichen und Mächtigen zu gefallen.

Abschließend noch ein Zitat vom Bistumsblog:

Ich glaube, dass die Kinderzahl einer Gesellschaft davon abhängt, wie hoch die Bereitschaft ist, von eigenen Interessen abzusehen, um sich stattdessen intensiv um das Wohl anderer zu kümmern und wie sehr Werte wie Treue und Verbindlichkeit verwirklicht werden.
Beide Faktoren werden klassischerweise von Religionen gestärkt.
Das könnte erklären, warum im Osten Deutschlands die Kinderzahl besonders niedrig ist und warum religiöse Menschen signifikant mehr Kinder haben.
Ich selbst jedenfalls deute die Herausforderungen und Geschenke unseres Familienlebens durchaus spirituell und erlebe meine Religion als stärkend.

Hängt die demographische Krise auch mit der schwindenden religiösen Verwurzelung unserer Gesellschaft zusammen?

Dies ist das Fazit des Artikels vom Bistumsblog. Hier scheint wenigstens in halb vergessener Form etwas auf, das schon einmal neben einer religiösen Idee gelegen hat. Doch selbst sie wird säkularisiert vorgetragen. Die Rede ist von „Werten wie Verbindlichkeit und Treue“. Wie bitte? „Werte wie Verbindlichkeit und Treue“!? Erst zerstört man durch vorsätzliche Selbstsäkularisierung die Grundlage für sittliches Handeln, und verschanzt sich dann hinter den wenigen noch verbliebenen Restchen der Sexualmoral? Man kann schon verstehen, warum Atheisten diese Art von Moralgerede als Bigotterie sehen. Wenn die Welt mit ihrem Feminismus und ihrer „sexuellen Befreiung durch Todsünde“ doch im Wesentlichen Recht hat und traditionelle Sexualmoral und die aus ihr folgende Kinderschar tatsächlich als – wie war das Wort noch? – „Einschränkung“ gesehen wird, warum soll man dann noch leere Werthülsen wie „Treue“ oder „Verbindlichkeit“ befolgen? Wenn Sexualmoral doch das ist, was immer mir gerade gefällt und mich nicht „einschränkt“ – wie in die Kirche in Deutschland seit ihrem Verrat an Humanae Vitae durch die häretische Königsteiner Erklärung in der Praxis lehrt (und betrachtet man die diversen Missbrauchsskandale auch erscheckend oft selbst umsetzt)?

Wenn Sexualmoral unwichtig ist und verschwiegen wird, wie es regelmäßig seit 1968 geschieht, warum wird sie dann plötzlich wichtig, wenn es um die spießbürgerlichen sentimentalen Wörtchen von „Verbindlichkeit“ und „Treue“ geht? Treue? Wie lange? Bis zur Scheidung? Wie sollen sich die Ehepartner auch aufeinander verlassen können, wenn Scheidung zum Normalfall geworden ist? Verbindlichkeit? Da ist es genauso. Treue und Verbindlichkeit gelten entweder lebenslang oder gar nicht. Und lebenslang bedeutet dann auch die Zeit VOR der Ehe. Doch wenn sie lebenslang gelten sollen, dann gibt es keine Scheidung, folglich – abgesehen von Witwen – auch keine in positivem Licht erscheinenden „alleinerziehenden Mütter“. Und Verbindlichkeit kann es nur geben, wenn man offen zum Leben hin ist. Denn wie „verbindlich“ ist es, die Pille zu nehmen, und dadurch stillschweigend zum Ausdruck zu bringen, dass man sich ja alle Optionen offen halten muss? Denn will man wirklich bei seinem Ehemann oder seiner Ehefrau bleiben, und wirklich an Gott glauben und auf seine Hilfe vertrauen, dann braucht man keine Verhütungsmittel, sondern noch einen Kinderwagen.

Das Problem der Kinderlosigkeit hat also nicht das Geringste mit angeblichen „Betreuungskosten“ zu tun. Es hat zu tun mit der Dekadenz einer übersättigten Luxusgesellschaft, mit dem totalen Verfall christlicher Sexualmoral – einem Verfall, der von der Kirche mitbetrieben wurde und wird, sowie mit der Tatsache, dass jährlich weit über 100000 ungeborene Kinder im Mutterleib umgebracht werden.

Und am Ende noch ein Syllogismus:

1. Prämisse: Wirklich gläubige Menschen haben signifikant mehr Kinder.

2. Prämisse: Moslems haben signifikant mehr Kinder als der Durchschnitt, Katholiken nicht.

3. Konklusion: Moslems glauben wirklich, Katholiken nicht.

Erschreckend, aber oft genug wahr.

Die Tugend der Reinheit

Anthony Esolen ist, wie ich schon früher auf diesem Blog geschrieben habe, einer der wenigen verbliebenen Weisen im besten Sinn des Wortes. Auch sein neuer Artikel, „Purity: Youth Restored“ ist so reichhaltig und auf einer so tiefgreifenden Ebene richtig, dass es fast unmöglich ist, einzelne Abschnitte hervorzuheben. Er sollte unbedingt zur Gänze gelesen (und wiedergelesen, und an andere weitergegeben) werden.

Ich will trotzdem versuchen einige Höhepunkte zu isolieren – doch niemand sollte glauben, das wäre alles was der Artikel zu bieten hat. Er ist ein Gesamtkunstwerk, wie alles was Esolen schreibt.

Der Hintergrund ist eine Romanvorstellung: Quo Vadis von Henryk Sienkiewicz. Über die Qualität des Romans kann ich nichts sagen, weil ich ihn nicht kenne. Aber was aus dem Artikel hervorscheint deutet an, dass auch der Roman die Lektüre verdient.

Es geht um einen römischen Zenturio, Marcus, der sich auf eine ziemlich dekadente Weise in Ligia verliebt – eine Christin, wie sich herausstellt. Er begehrt sie auf tierische Art und Weise, läßt sie sogar entführen, um sie dann zu verführen, doch stellt dann fest:

Slowly he comes to understand, though long in confusion, that even if he could have Ligia in these ways, he would not want to, because it would spoil the very quality in her that most attracts him.

Doch er wundert sich:

What normal woman wouldn’t jump at the chance to be the concubine of a handsome young patrician? Had they set themselves in pride against ordinary pleasures, like the Cynics? But the Cynics were as bitter as gall, and these Christians were mild, almost to a fault. What Marcus comes to see is that Ligia has too exalted a view of happiness for his understanding. Her human desires – and she has fallen in love with him – are caught up in the divine, and transformed. To love Ligia is to love her in that radiant integrity.

Was Marcus an Ligia anzuziehen scheint, ist eine Qualität, die wir mit dem Wort Reinheit („purity“) bezeichnen können. Diese Fähigkeit ist letztlich der Schlüssel zu vielem, unter anderem zu einem glücklichen Leben. In seinen lesenswerten „Screwtape Letters“ läßt C.S. Lewis den Oberteufel Screwtape über Gott sagen, er sei im tiefsten seines Herzens ein Hedonist, verstanden als jemand, der sehr großen Wert auf Freude legt. Und G.K: Chesterton verwendet irgendwo (ich glaube in „Orthodoxy“) das Bild von den Geboten und Verboten des Christentums als Zaun um einen Kinderspielplatz: Um den Spielplatz findet sich ein Abgrund, doch die Kinder können auf dem Spielplatz Freude haben, gerade weil es den Zaun zu ihrem Schutz gibt. Der Zaun ist, genauso wie die christliche Moral, auf den ersten Blick restriktiv, ja sogar ein Gefängnis. Aber er ermöglicht erst wahre Freiheit und wahre Freude. Ohne den Zaun könnten die Kinder nicht so sorglos spielen und wären nicht so glücklich.

Die Art Glück, die wir Menschen in einem ständigen Durchbrechen der Zäune, durch Tabubrüche, erlangen können, ist kurzfristig schön, langfristig schon in dieser Welt höchst schädlich und in Ewigkeit erst recht. Doch die Art Glück, die wir erlangen können, indem wir die Zäune achten und pflegen, und in den Grenzen der Zäune bleiben, ist, wie das Glück der Kinder in dem obigen Bild, langfristig schon in diesem Leben schön, und die wahre Belohnung kommt natürlich in der Ewigkeit. Doch das ist ein Gedanke, der, wie mir scheint, auch Esolens Zusammenfassung zugrunde liegt. „Her human desires – she has fallen in love with him – are caught up in the divine, and transformed“ – Ihre bloß menschlichen Begierden stehen nicht mehr für sich, sie haben ihren angemessenen Platz in dem kosmischen Drama der Schöpfung und des Schöpfers, sie werden durch diese Einordnung in die göttliche Ordnung (mitsamt moralischen Geboten) transformiert, verwandelt, und zwar nicht in Form einer Erkaltung oder Abschwächung dieser Begierden. Die Einordnung in den ihnen angemessenen Zusammenhang bewirkt gerade das Gegenteil. Eheliche Liebe ist nicht nur moralisch besser als ein „One-Night-Stand“, sondern macht auch viel eher glücklich als die Leere der Objektifizierung des Partners als bloßes Mittel zum Zweck der Trieb- oder Leidenschaftsbefriedigung. Das gilt für die gesamte menschliche Sphäre. Begierden, Leidenschaften, Triebe, die in ihren gesunden moralischen Zusammenhang eingeordnet und in diesen Grenzen ausgelebt werden, erfahren keine Schwächung sondern eine Stärkung. Das ist das christliche Paradox. Gerade durch die Unterordnung unter Gott und seine Gebote wird der Mensch erst frei. Sünde ist Sklaverei. Reinheit, Heiligkeit sind Voraussetzungen der Freiheit.

Das alles ist, unterschwellig, in einer Erfahrung enthalten wie Marcus sie macht.

Esolen weiter:

Ligia becomes the means of Marcus’ salvation. She is so not because she meets him halfway, becoming a little bit debauched for the debauched, or a little bit of a whore for the whoremonger. Had she done so, Marcus would have had his way with her, enjoying her for a while, and then tiring of the emptiness.

We do not become impure for the impure, dishonest for the dishonest. Such qualities are not actually things in themselves, but deficiencies or corruptions. When a man is hungry, we do not feed him with cardboard. We give him real meat and bread. When a man is shivering with cold, we do not give him rags. We give him real clothing.

(Hervorhebungen von Catocon)

Wenn Jesus sagt wir sollen uns zu den Sündern begeben, so wie er gekommen ist, um die Sünder zu retten, dann meint er nicht, wir sollen die Sündhaftigkeit der Sünder annehmen oder entschuldigen, um irgendwie zu zeigen, dass „wir ja alle im gleichen Boot sitzen“. Er meint, dass wir den Irrenden Wahrheit, den Hungernden Brot, den Dürstenden Wasser, den Sündern Heiligkeit, den Unterdrückten wahre Freiheit bringen sollen. Den Grund dafür nennt Esolen auch: Das Böse ist gar nicht an sich, sondern immer nur als Parasit einer eigentlich guten Qualität oder Eigenschaft. Es saugt das Gute aus, nährt sich an ihm. Sexualität ist etwas sehr Gutes, und gerade deshalb ist ihre Perversion etwas sehr Schlechtes. Und gerade weil Freiheit ein hohes Gut ist, vermag sie so viel Schaden anzurichten, wenn sie pervertiert wird. Ähnliches gilt für alle menschlichen Güter.

Doch was will uns Heutigen das sagen? Die Antwort gibt Esolen ebenfalls:

Modern man is like Marcus. He no longer knows what his body is for. He has no sense of the integrity of the person, body and soul, as cooperating with God in the making of new life.  He has at best a hazy view of the eternal love for which we are made. He is hungry and cold.

Der moderne Mensch, so Esolen, weiß nicht mehr, wofür sein Körper ist. Er weiß mehr über seinen Körper als jede frühere Generation. Aber er kennt nicht mehr den Zweck, den Gründ für seinen Körper. Er glaubt, der Körper sei ein Instrument, das er benutzen könne wie und wann er wolle („Mein Körper gehört mir!“) Er erkennt nicht mehr, dass er als Person, als Bild Gottes, zur Liebe berufen ist. (Liebe, in diesem Sinne, bedeutet aber nicht bloß ein Gefühl, sondern, dem Hl. Thomas folgend, „das (objektiv) Gute des Nächsten zu wollen“, was in der christlichen Theologie das Fachwort „caritas“ zugewiesen bekommen hat). Diese Liebe äußert sich in der Beziehung zu Gott, aber im derzeit behandelten Zusammenhang steht die Liebe zum Nächsten im Vordergrund.

Diese Art Liebe hat der heutige Mensch gegen Liebe als Emotion, als Leidenschaft, eingetauscht. Das ist ein Verlustgeschäft, weil die höchsten Formen der Liebe dabei in Vergessenheit geraten. Es ist auffällig, dass der Mensch umso hungriger nach Liebe geworden ist, umso weiter er sich von den Normen der christlichen Moral entfernt hat. Ohne ein solides Wissen um den Zweck des Leibes kann man keine sinnvollen Entscheidungen über ihn treffen. Doch der Zweck des Leibes, hinsichtlich seiner Sexualität, ist Fortpflanzung und, untrennbar damit verbunden, Vereinigung mit dem Partner zu einer unauflöslichen Einheit. Und was der Mensch im Bereich der Liebe vergessen hat, wirkt sich nicht nur auf Ehe und Familie aus, sondern auf die gesamte menschliche Existenz. Alles gerät aus dem Gleichgewicht, wenn man das Ziel, den Zweck aus den Augen verliert. In diesem Sinne ist es auch klar, dass Ligia eine Christin sein muss. Denn natürlich besteht der allerletzte Endzweck der ganzen Schöpfung in Gott.

Der heutige Mensch ist dagegen orientierungslos. Er driftet vom einen Ort zum nächsten, ist nirgendwo verwurzelt, und ist auch mit niemandem untrennbar verbunden. Es ist ein Leben als Nomade – welch ein Rückschritt für den Fortschrittlichen!

Esolen verweist dann noch auf einige der Auswirkungen dieses Auseinanderbrechens der Gesamtschau, des Zerfalls des einen Endzwecks in viele kleine subjektive, vom Menschen gemachte, Zwecke, von denen keiner dem Menschen wirklich gerecht werden kann, weil das Wesentliche – oder vielmehr: der Wesentliche – fehlt. Die Auswirkungen die Esolen nennt, ergeben in der Summe den totalen Zusammenbruch unserer Hochkultur und einen Rückfall in barbarische Zeiten. Es ist nichts weniger als die Entzivilisierung der Zivilisation. Und wir eilen weiter voran, unermüdlich, alle Zäune einreißend, immer unbefriedigt dem nächsten Tabubruch nachhaschend, in der vergeblichen Hoffnung, er möge uns endlich erfüllen. Doch erfüllen kann uns nur das Wahre: Nur die Wahre Liebe, die Wahre Schönheit, die Wahre Freiheit und so weiter. Doch Jesus sagte, er sei die Wahrheit. Er hat sie nicht nur – er ist sie. Daher kann auch nur er uns erfüllen.

Esolen schließt brillant:

Modern man, then, needs to behold that virtue that spiritualizes the body, uniting the natural appetites in an integral orientation towards what is holy. That virtue is purity

Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen. Solange der Mensch „seinen“ Körper nur als materielles Werkzeug begreift, wird der im Westen begonnene Verfall sich immer weiter ausbreiten, da auch der Westen sich ausbreitet, durch die ökonomische Globalisierung, die durch und durch westlich ist – nicht nur aufgrund der Tatsache, dass es derzeit noch westliche Kulturen sind, die im globalen Wettbewerb die Nase vorn haben, sondern aus dem tieferen Grund, dass die Werte, die der Globalisierung zugrunde liegen, wie etwa der Universalismus, letztlich Perversionen der Christlichen Kultur des Westens sind.

Den Körper als „spirituelle“, geistliche Realität zu begreifen und ihn entsprechend zu behandeln, ist in der Tat notwendig. Denn unsere Leiber sind ein Tempel des Heiligen Geistes (1. Kor 6:19), wie schon Paulus wusste.

Operation Schönborn

Katholiken werden es heute gewohnt sein, dass viele in der Welt ihren Glauben ablehnen, wenn nicht gar verhöhnen. Nicht nur viele Atheisten, sondern auch nicht wenige, die sich selbst jederzeit als christgläubig bezeichnen würden, lehnen das Lehramt der Kirche mitsamt ihrer hierarchischen Verfassung ab. Dies mag im Einzelfall durch psychologisch verständliche Geschehnisse in der persönlichen Vergangenheit gerechtfertigt werden können, und selbst unter getauften Katholiken ist oft heute einfach Unwissen die Ursache solcher Auffassungen (oder zumindest möchte man das hoffen). Doch derlei subjektive Milderungsumstände treffen keinesfalls auf die Hirten selbst zu, die durch ihre Weihe eine besondere Aufgabe erhalten haben: Die Schäfchen über die schmale Brücke hinweg zum ewigen Leben mit Gott zu führen. Dies wird ihnen aber nicht gelingen, wenn sie sich selbst nicht an die elementarsten Grundsätze solcher Tätigkeiten halten möchten – obschon sie selbst es sicher besser wissen.

In diesem Zusammenhang komme ich auf die sogenannte „Pfarrer-Initiative“ zu sprechen, der inzwischen mehrere hundert österreichische Priester und Diakone angehören. Sie haben in ihrem plakativ „Aufruf zum Ungehorsam“ genannten Schreiben einen guten Teil des üblichen und für einen Konvertiten wie mich einfach nur nervigen Waschzettels an Alt-68er-Forderungen untergebracht und nennen dies Kirchenreform. Sie sprechen damit wohl hauptsächlich Alt-68er und solche, die sich dafür halten an. Ferner alle, die längst mit der Kirche gebrochen haben, und von mit dem Strom schwimmenden Priestern sicher nicht zurückgeholt werden können, da man, wenn man dem Zeitgeist hinterherläuft, eben immer HINTER dem Zeitgeist ist. Wer heute noch als junger Mensch der Kirche treu bleibt, der ist nicht an diesen unsinnigen Forderungen interessiert (dann hätte er ja auch evangelisch werden können!), sondern an dem authentischen Glauben der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Jesu Christi und ihrem zeitlichen Oberhaupt, den Bischof von Rom auf dem Stuhle Petri.

Doch das alles sind nur praktische Erwägungen. Es wird diesen „ungehorsamen“ Pfarrern langfristig keinen Zulauf bringen, außer unter den, um den Heiligen Vater zu zitieren, Berufskatholiken. Ich möchte aber noch auf einen viel wichtigeren Punkt verweisen, nämlich die Reaktion der Kirche auf diesen „Aufruf zum Ungehorsam“. Kardinal Schönborn hat darauf reagiert, indem er nach einigen Wochen einen windelweich formulierten offenen Brief geschrieben hat, indem er den selbsternannten „Ungehorsamen“ die offensichtlich aus dem Geschehen noch nicht klar beantwortbare Frage vorlegt, ob sie denn noch „gehorsam“ gegen ihren Bischof seien? Kardinal Schönborn scheint leider den Titel des Aufrufs überlesen zu haben: „Aufruf zum Ungehorsam“. Lieber Unterzeichner des Aufrufs zum Ungehorsam: Möchtest du gehorsam oder ungehorsam sein? Was für eine Frage!

Eine alternative Erklärung für Schönborns Verhalten bietet Mundabor an: Er ist in Wahrheit ein Sympathisant der Ungehorsamsaufrufer, der nur so viel wie eben nötig gegen sie unternimmt (nämlich einen Brief zu schreiben), ihnen dadurch zu mehr Öffentlichkeit verhilft, ohne irgendeinem Unterzeichner ernsthafte Konsequenzen für sein Verhalten angedeihen zu lassen. Wie würde wohl ein Unternehmer reagieren, wenn seine Mitarbeiter massenhaft „Aufrufe zum Ungehorsam“ gegen grundlegende Aspekte der Firmenpolitik verfassten? Würde er ihnen gut zureden? Vielleicht. Aber was, wenn das nicht hilft? Würde er offene Briefe schreiben, ein öffentliches Ritual des Händeringens vollführen und sie dann weiter beschäftigen? Ich vermute, er würde sie schlicht feuern, so schnell wie möglich. Schönborn selbst deutet in seinem Brief so etwas an. Aber warum handelt er dann nicht? Je mehr man darüber nachdenkt, umso plausibler erscheint Mundabors Vermutung, zumal der Kardinal in der Vergangenheit nicht gerade ein treuer Wächer der Orthodoxie war. (Man denke nur an die sogenannten „Westernmessen„, die er über Jahre hinweg zugelassen hat, bis der Druck auf ihn so groß wurde, dass er mit großem Bedauern die diesjährige Ausrichtung dieser öffentlichen Blasphemie absagen musste.)

Ist Schönborn also ein Sympathisant der Tendenzen, die in der sogannten Pfarrer-Initiative zum Ausdruck kommen? Zumindest erweckt er mit seinen Handlungen den Eindruck, dass er sich alle Türen in alle Richtungen offenhalten will.

Und dabei gibt es auch den anderen Schönborn – einen, der in Treue zur Lehre der Kirche zu stehen scheint. Manchmal hat man den Eindruck, es gebe zwei Kardinäle mit demselben Namen. Wie passen etwa die beiden folgenden Tatsachen zusammen?

1. Kardinal Schönborn hält eine bewegende Predigt, die unter anderem den folgenden politisch inkorrekten Gedanken enthält:

Ich möchte euch eine Sache sagen, die ich im Herzen trage. Ich denke, es ist ein Wort des Heiligen Geistes, das ich sagen muss. Welche ist die Schuld Europas? Die Schuld Europas, die Hauptschuld, ist das Nein zum Leben. Vor einigen Tagen habe ich im österreichischen Fernsehen auf die Frage eines Journalisten geantwortet: „Europa hat dreimal Nein zu seiner eigenen Zukunft gesagt“. Das erste Mal im Jahre 1968, wir feiern jetzt 40 Jahre, durch das Ablehnen von Humanae Vitae. Das zweite Mal im Jahre 1975, als die Abtreibungsgesetze Europa überschwemmt haben. Das dritte Mal zur Zukunft und zum Leben. Gerade gestern habe ich aus Österreich die Nachricht bekommen, dass die Regierung der homosexuellen Ehe zugestimmt hat, auch in Österreich: das ist das dritte Nein. Und dies ist nicht zuerst eine moralische Sache, sondern eine Frage der Gegebenheiten, der Fakten: Europa ist im Begriff zu sterben, da es Nein zum Leben gesagt hat.

Es gibt in meinem Herzen folgendes zu sagen: gerade dies ist der Ort, wo Jesus uns gesagt hat, dass wir die Vergebung unserer Sünden empfangen, denn ich denke, dass dies auch eine Sünde von uns Bischöfen ist, auch wenn niemand von uns im Jahre 1968 Bischof war. Heute haben in Deutschland bei Hundert Eltern 64 Kinder und 44 Enkelkinder: das bedeutet, dass in einer Generation die deutsche Bevölkerung – ohne Einwanderung – sich halbiert. Wir haben „Nein“ gesagt zu Humanae Vitae. Wir waren nicht Bischöfe, aber es waren unsere Mitbrüder. Wir haben nicht den Mut gehabt, ein klares „Ja“ zu Humanae Vitae zu sagen.

und weiter:

Aber wir Bischöfe, verschlossen hinter den Türen wegen der Angst, nicht wegen der Angst vor den Hebräern, sondern wegen der Presse, und auch wegen des Unverständnisses unserer Gläubigen. Wir hatten nicht den Mut! In Österreich hatten wir „Die Mariatroster Erklärung“ – wie in Deutschland „Die Königsteiner Erklärung“. Das hat den Sinn des Lebens im Volke Gottes geschwächt, dies hat entmutigt, sich für das Leben zu öffnen. Wie dann die Welle der Abtreibung gekommen ist, war die Kirche geschwächt, da sie nicht gelernt hatte, diesen Mut des Widerstands, den wir in Krakau gesehen haben, den Papst Johannes Paul II. während seines ganzen Pontifikates gezeigt hat, diesen Mut, JA zu sagen zu Gott, zu Jesus, auch um den Preis der Verachtung. Wir waren hinter den verschlossenen Türen, aus Angst. Ich denke, auch wenn wir damals nicht Bischöfe waren, so müssen wir diese Sünde des europäischen Episkopats bereuen, des Episkopats, der nicht den Mut hatte, Paul VI. mit Kraft zu unterstützen, denn heute tragen wir alle in unseren Kirchen und in unseren Diözesen die Last der Konsequenzen dieser Sünde.

Das klingt wie jemand, der das Problem erkannt hat und es nun besser machen wird, nicht wahr? Jemand, der erkannt hat, dass Verhütung, Abtreibung und die natürlicherweise grundsätzlich unfruchtbare Homo-„Ehe“ untrennbar zusammengehören, und das beharrliche Schweigen der Kirche aus Angst vor dem Zeitgeist als falsch erkannt hat, nicht wahr?

2. Und dann das:

„Josef Pröll ist ein großer Politiker, er hat der Republik mit ehrlichem Herzen gedient, er ist ein aufrichtiger Christ“: Dies betonte Kardinal Christoph Schönborn am Mittwoch im Vatikan im Gespräch mit „Kathpress“ im Hinblick auf den Rücktritt des Vizekanzlers, Finanzministers und ÖVP-Parteichefs;

Wer ist Joseph Pröll? Man lese die Berichte hier und hier. Pröll ist einer der Verantwortlichen für die weiter voranschreitende Auflösung der traditionellen Ehe in Österreich; als hohes Tier in der ÖVP hat er sich unermüdlich für immer weitere staatliche Privilegierung homosexueller Partnerschaften eingesetzt und brachte es sogar zu dieser Perle:

Für ÖVP-Chef Josef Pröll ist das ganze eine „gangbarer Kompromiss“ wie der „Kurier“ berichtet. Als Leiter der ÖVP-„Perspektivengruppe“ hatte sich Pröll 2007 übrigens sogar noch für eine Eintragung homosexueller Partnerschaften am Standesamt ausgesprochen. Dass dies nun an der Volkspartei gescheitert ist, sieht er allerdings nicht als Niederlage: „Ich habe es geschafft, das Thema voranzutreiben.“, erklärt er stolz.

Schönborn erkennt also den Irrtum des „europäischen Episkopats“, nicht gegen die ersten zwei lebensfeindlichen Kulturrevolutionen (künstliche Verhütung und Abtreibung) vorgegangen zu sein, und erkennt auch, dass der Feldzug für die „Homo-Ehe“ von genau demselben Kaliber ist. Und dann geht er hin und ehrt einen radikalen Aktivisten in dieser Richtung als „großen Politiker“ und „aufrechten Christen“? Warum läßt er die Chance verstreichen, ein paar passende Worte zu sagen?

Das ist nur ein Beispiel unter vielen. Mundabor hat auf seinem Blog (Link siehe oben) noch mehr davon. Schönborn ist ein Karrierekardinal – das ist das Wahrscheinlichste. Er sagt immer das, wovon er glaubt, dass es ankommt und ihm Chancen bietet, die Karriereleiter nach oben zu fallen. Was das allerdings damit zu tun haben soll, ein „Diener Gottes“ zu sein,  „cum petro et sub petro„, um mit Schönborn zu sprechen?

Ich ende wie ich begann: Katholiken müssen es heute gewöhnt sein, wenn sie von außen verhöhnt werden. Das gehört einfach dazu – tragt euer Kreuz. Aber was ist, wenn die Hirten selbst entweder kein Interesse an ihrer Aufgabe als Hirten haben – sondern sich lieber in der Öffentlichkeit beliebt machen – oder, schlimmer noch, aktiv an der Aufweichung der Wahrheit arbeiten? Welcher Hohn ist schlimmer? Der des Nichtgläubigen oder der von innen?

P.S. Was sagt es über den Zustand der Kirche in Deutschland, wenn die Hauptdialogpartner der krampfhaft um Beliebtheit bemühten Deutschen Bischofskonferenz praktisch alle Ziele der Revoltenpfarrer aus Österreich teilen?

KYRIE ELEISON!

Catocon.