Wessen Wunsch sind „Wunschkinder“?

Jedes Kind, so schallt uns aus der Welt entgegen, solle ein „Wunschkind“ sein. Ist es nicht das beste für alle Beteiligten, für Vater, Mutter und auch das Kind selbst, wenn es aus dem freien Entschluss, dem freien Kinderwunsch der Eltern hervorgeht? Diese Idee klingt so verführerisch wie ein frischer, saftiger Apfel im Paradies, und sie ist in der Tat verführerisch. Denkt man über sie nach, dann scheint die Vorstellung einer Welt glücklicher Eltern auf, die glückliche Kinder haben, und das ist natürlich eine glückliche Welt aus glücklichen Familien. Doch nicht selten täuscht das Vorstellungsbild, das eben durch säuselnde Worte der Verführung in die Irre geleitet werden kann. Dies gilt auch für die Wunschkind-Ideologie.

Denn „Jedes Kind ein Wunschkind“ ist zweideutig. Es kann bedeuten, dass Eltern immer in der Geisteshaltung verharren sollten, dass ein Kind, das jetzt gezeugt und bald geboren würde, wirklich und wahrhaft ein wünschenswerter Segen sei. Doch so wird es in der Regel eben nicht verstanden. Wer von „Wunschkindern“ redet, der meint in Wahrheit geplante Kinder: Kinder, die dann (und nur dann) auf die Welt kommen sollen, wenn sie den Eltern gerade genehm sind. Die Vorstellung des „Wunschkindes“ impliziert bereits die Vorstellung unerwünschter Kinder.

Wer fordert, jedes Kind möge ein Wunschkind sein, der fordert damit im Umkehrschluss, jedes Kind, das von den Eltern nicht erwünscht wird, möge als kleine Kinderleiche vorgeburtlich entsorgt werden. Wunschkindideologie ist nichts anderes als Abtreibungsideologie.

Woher kommt die Vorstellung, es solle von den Wünschen der Eltern abhängen, ob ein Kind geboren werde? Diese Vorstellung kommt aus der Verhütungsmentalität. Sie besagt, dass Eltern selbst die Entscheidung treffen sollen, ob und wann neues Leben in die Welt kommen darf. Wenn in den Köpfen die Verhütung als Selbstverständlichkeit, als Normalität verankert ist, dann ist die Kinderlosigkeit die „normale“ Option geworden. In der Regel ist Sexualität nicht mehr mit der Schaffung neuen Lebens verbunden. Der Mensch kontrolliert durch Verhütung vielmehr, dass seinen fleischlichen Vergnügungen nicht mehr die natürliche Verantwortung gegenüber steht, infolge besagter Vergnügungen nunmehr für ein Menschenleben da sein zu müssen. Sexualität soll folgenlos sein, damit sie gefahrlos als Freizeitvergnügen zur Erholung konsumiert werden kann. Das ist die Verhütungsmentalität in Reinform.

Wenn man dann irgendwann, wie es meist früher oder später geschieht, den Wunsch nach einem Kinde verspürt, dann wird das Türchen zum neuen Leben, das bisher durch Verhütung versperrt wurde, einen Spalt geöffnet, zu einem sorgfältig ausgewählten Zeitpunkt, an dem das Kind gerade nicht stört, in der Absicht ein „Wunschkind“ auf die Welt zu bringen. Auch das Kind gerät dabei, ebenso wie die Sexualität, zum Konsumgut der Eltern. Das sieht man schon daran, dass der Ruf laut wird, Eltern, die, wenn ihr imperialer Wille es fordert, kein Kind „produzieren“ können, ein solches Kind durch künstliche Befruchtung zu verschaffen. Wir können das Konsumgut Kind nicht selbst herstellen; wir wollen aber ein Stück Kind konsumieren – also, schafft es herbei, auf dass unser imperialer Wille befriedigt werde.

Das „Wunschkind“ ist dasjenige Kind, das gnädig auf die Welt gelassen wurde, um ein Konsumbedürfnis seiner Eltern zu befriedigen. Die Vorstellung des „Wunschkindes“ entspringt aus der Verhütungsmentalität, durch die Sexualität zum Konsumgut, zur Ware wird*, und macht seinerseits folgerichtig das Kind selbst ebenfalls zum Konsumgut der Eltern.

Dabei bleibt die Kehrseite des Wunschkindes immer der „Unfall“, durch den neues Leben – mangels (sachgerechter) Anwendung der Verhütungsmittel oder durch ihr Versagen – in die Welt kommt. Solcher Unfall wird nun tendenziell zum Abfall, was wiederum logisch ist, denn „jedes Kind“ soll ja ein Wunschkind sein. Alle Kinder, die sein dürfen, sind Wunschkinder. Nicht-Wunschkinder, „Unfälle“, können, dürfen, sollen nicht mehr sein. Wie gesagt, Wunschkindideologie ist fast immer auch Abtreibungsideologie.

Was ist dieser moralisch verarmten Vorstellung vom „Wunschkind“ entgegenzusetzen? Sollen Eltern sich denn keine Kinder wünschen? Was ist die Alternative?

Die Alternative ist, dass die Eltern gerufen sind, ihren eigenen Willen, ihren eigenen Wunsch zurückzustellen. Wenn Gott einem Ehepaar ein Kind, zwei Kinder, elf Kinder zu schenken wünscht, dann sind alle diese Kinder Geschenke Gottes, die in Demut und in gläubiger Überzeugung, dass der Herr für die Seinigen sorgen wird, angenommen und geliebt werden müssen.

Die Alternative zur Wunschkindideologie und zur Verhütungsmentalität, aus der sie entspringt, ist die Haltung, dass Kinder Geschenke Gottes sind. Nicht der Elternwille, sondern der Wille Gottes ist ausschlaggebend. Nicht mein Wille geschehe, sondern Deiner, Herr! Das muss der Wahlspruch christlicher Elternschaft sein.

Der pervertierte Satz, jedes Kind solle ein Wunschkind sein, gelangt so zu seiner echten, christlichen Bedeutung. Jedes Kind ist bereits hier und heute, faktisch, in Wirklichkeit, ein Wunschkind, nämlich ein Kind, das allein auf Wunsch Gottes geschaffen und gezeugt worden ist. Gott erschafft die Seele eines jeden Kindes direkt und den Körper des Kindes indirekt durch den vermittelnden körperlichen Zeugungsakt der Eheleute. Der freie Willensentschluss der Eheleute zum Kind besteht in der Durchführung dieses Zeugungsaktes, nämlich des ehelichen Verkehrs. Mit der Einwilligung in die Durchführung des ehelichen Verkehrs ist in eins gesetzt die Einwilligung in die Erschaffung eines neuen Menschenlebens, so Gott es denn will. Diese freie Einwilligung muss nicht gegeben werden. Aus schwerwiegenden, guten Gründen können Eheleute für eine gewisse Zeit oder sogar dauerhaft auf diese Einwilligung verzichten, indem sie den Akt, der zur Zeugung von Kindern führen kann, nicht ausüben. Doch wenn sie durch ihre Körper im Sexualakt die freie Einwilligung bekennen, dann ist sie unwiderruflich gegeben, und Gott kann und wird sie öfters nutzen.

Das auf diese Weise gezeugte und geborene Kind, das Kind von Eheleuten, die den ehelichen Akt in Offenheit zum Leben vollziehen, ist immer und überall ein Wunschkind, denn die Eheleute wissen ja, wozu der eheliche Akt Gott ermächtigt! Dieses Niveau an Sexualaufklärung hat wohl jeder erwachsene Mensch. Sie müssen also, wann immer sie ihn ausführen, damit rechnen, dass Gott ihnen ein neues Leben schenken wird. Öfters wird dies unerwartet sein, und manchmal wird es den Eheleuten gerade überhaupt nicht passen.

(Ob es wohl Maria gepasst hat, als der Engel ihr erschien und sie zur Kooperation aufforderte? Bestimmt hatte sie gerade wichtige Dinge vor und hätte sich, nach ihrer menschlichen Weisheit, sicher noch kein Kind gewünscht.)

Ob es aber gerade passt oder nicht, jedes Kind ist ein Wunschkind Gottes, und wenn wir Gott wirklich lieben, dann werden wir auch jedes Kind lieben (und seine Existenz wünschen!), so wie Gott es liebt und seine Existenz wünscht.

Und dann ist auch jedes Kind für uns Menschen ein Wunschkind, weil es der Wunsch Gottes ist, und wir uns diesen Wunsch gläubig zu eigen machen, und nicht umgekehrt.

Die Vorstellung der Welt ist, dass ein Kind zu erscheinen habe, wenn die Frau, die Mutter sein möchte, dies begehrt. Menschen hätten, so behaupten inzwischen sogar manche Gerichte, ein „Recht auf Kinder“**. Dieses herbeikommandierte Kind, das Produkt des Egoismus, wird dann propagandistisch zum „Wunschkind“ verklärt.

Die diametral entgegengesetzte Vorstellung der christlichen Religion ist, dass ein Kind erscheint, wenn Gott dies begehrt. Und ein „Recht auf Kinder“ haben die Eheleute nicht. Kinder sind kein Recht, sondern ein Geschenk. Niemand hat ein „Recht“ darauf, beschenkt zu werden. Geschenke bekommt man als Beschenkter immer gratis, also aus Gnade.

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*kein Wunder, dass die Prostitution, in der Sexualität als Ware verkauft wird, in der heutigen Gesellschaft nicht mehr als moralisch verwerflich, sondern nur noch als potenziell unhygienisch und ausbeuterisch gegenüber der sich prostituierenden Frau gesehen wird. Auch dies ist ein Symptom der Verhütungsmentalität.

**Dieses Recht auf Kinder wird dann, im nächsten Schritt, als Hebel für die Einführung der Homo-Adoption verwendet; da „eingetragene Partnerschaften“ ja nicht zur natürlichen Kinderzeugung fähig sind, müsse ihnen zur Erfüllung ihres Rechts auf Kinder mindestens die Adoption zugestanden werden.

Der Utilitarismus und seine Folgen

Einen sehr langen und interessanten Kommentar zu diesem Artikel habe ich erhalten, den ich der breiteren Leserschaft nicht vorenthalten möchte, da er ganz wichtige Punkte enthält, über die ich ohnehin noch schreiben wollte. Ich teile den Kommentar in einige Abschnitte, auf die ich dann eine Antwort gebe (es empfiehlt sich als Kontext den Artikel und die dazu bereits ausgetauschten Kommentare zu lesen):

Nochmal Utilitarismus vs deontologische Ethik(en): Vielleicht können wir uns ja doch evtl. darauf einigen, dass die Dinge nicht einfach, sondern komplex sind? – Zum Beispiel kann man im Rahmen einer utilitaristischen Argumentation zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Während der eine bereit ist, anderes Leben zu opfern zum Wohl eines “wertvolleren” Lebens, kann ein anderer, ebenfalls utiltaristisch Argumentierender eben gerade dieses “wertvollere Leben” als nicht so wertvoll ansehen und dann anders entscheiden.

Genau das ist beim Utilitarismus richtig. Moral wird zu einer Frage persönlicher Präferenzen. Ich persönlich finde die Folge x gerade noch akzeptabel, weil etwas weniger schlecht als Folge y, und du siehst es umgekehrt. Moral ist im Utilitarismus letztlich notwendigerweise relativ, weil es keine allgemein akzeptable Präferenzordnung geben kann. Nutzen und Folgen sind irreduzibel und komplex. Zudem kann man die Folgen einer Handlung in realen Situationen einfach nicht verlässlich absehen. Als Grundlage einer Ethik eignen sie sich damit nicht. Wie gesagt, ich möchte damit gar nicht leugnen, dass man die Folgen einer Handlung betrachten muss, um in konkreten Situationen zu richtigen ethischen Urteilen zu kommen. Doch die Folgenbetrachtung nimmt den ihr angemessenen Platz in der ethischen Reflektion erst dann ein, wenn sie sich der vorgängigen Untersuchung der Frage, welche Arten von Handlungen denn niemals zulässig sein können, unterordnet. Beim intrinsischen Übel endet die Folgenbetrachtung, weil man sonst auch Judas freisprechen müsste: Immerhin hat er durch seinen Verrat wesentlich dazu beigetragen, dass Christus gekreuzigt wurde, auferstehen konnte und die Menschen von ihren Sünden erlöst. Judas ist der Schutzpatron des Utilitarismus.

Bei solchen Fallbeispielen, die ja in der Theorie immer eine argumentative Rolle spielen, muss man bedenken, dass sie eben nicht wirklich “praktisch” sind (nicht eine reale Lebenssituation darstellen), sondern künstlich zum Zweck der Klärung einer Position aufgestellt werden. Was ich damit sagen will, ist, dass in einer realen Situation eben situationsbezogen überlegt und gehandelt werden sollte – und das kann man im vorhinein eben nicht für alle Fälle theoretisch “festklopfen”.

Selbstverständlich sind Fallbeispiele immer problematisch. Der Verzicht auf Fallbeispiele ist besonders problematisch für den Utilitaristen, der nämlich allein im theoretischen Elfenbeinturm die Folgen seines Handelns zuverlässig ermessen kann. In der Realität stützt er seine Ethik auf oft falsche, immer aber zweifelhafte Folgenerwartungen. Die reale Komplexität menschlichen Nutzens und wirklicher Folgen verunmöglicht die Findung korrekter ethischer Urteile nach utilitaristischem Maßstab. Er scheitert bereits an den immanenten Forderungen seiner eigenen Theorie. Naturrechtliche Ethik hat dieses Problem nicht in demselben Maße. In ihr ist nämlich durchaus Platz für eine gewisse Flexibilität in konkreten Handlungen (99,9% der möglichen Handlungen sind eben nicht intrinisch falsch, so dass die Umstände durchaus wichtig für ihre moralische Beurteilung sind). Deontologische Ethiken im Gefolge Kants tendieren tatsächlich zum moralischen Rigorismus, weshalb ich sie auch nicht für den richtigen Weg halte. Doch die naturrechtliche Ethik ist nicht rigoristisch – sie hält allerdings trotzdem an der Notwendigkeit absoluter moralischer Prinzipien fest, die, in ihrer christlichen Version, als Gegebenheiten der göttlichen Schöpfungsordnung angesehen werden.

Natürlich fände ich es auch absolut unangebracht, wenn ein Seelsorger aus “Barmherzigkeit” einer vergewaltigten Frau empfehlen würde, ihr Kind abzutreiben. Aber ebenso unangebracht wäre es (das sagst Du ja selbst!), ihr in dieser Situation die “kalten” Prinzipien der Moral an den Kopf zu werfen – das wäre ziemlich lieblos. Ich plädiere dafür, in diesen Situationen mit Verständnis nach einem gangbaren Weg zu suchen – wie immer er aussehen sollte. Und Falls die Frau sich für eine Abtreibung entscheiden sollte, dann steht es uns eben nicht zu, sie moralisch zu verurteilen; denn Du kennst ja das Diktum Jesu aus der Bergpredigt: “Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!” – Wer weiß schon, in welche Situation e r s e l b s t geraten kann und wie er dann evtl. den Moralgesetzen zuwiderhandelt …?

 Die wahren Prinzipien müssen der betroffenen Frau sanft beigebracht werden. Ihr muss jegliche Hilfe, jegliche Unterstützung angeboten werden, zu der man überhaupt fähig ist. Doch es wäre falsch, so zu tun, als ob die Abtreibung nicht immer noch ein intrinsisches Übel bliebe. Aus „Barmherzigkeit“ von der Verurteilung vorsätzlicher Tötungshandlungen gegen Unschuldige abzusehen, ist genauso absurd, wie aus „Barmherzigkeit“ eine solche Tötung zu empfehlen oder sie selbst durchzuführen. Nein, wahre Barmherzigkeit geht nicht auf Kosten des Lebens der Unschuldigen. Wahre Barmherzigkeit rettet an erster Stelle das Leben der Unschuldigen. Und wenn man Jesus zitiert, dann sollte man auch bedenken, dass das Gericht, von dem Jesus spricht, nicht die Jury der Moralphilosophen ist, sondern das göttliche Gericht, vor dem alle Menschen sich verantworten müssen. Jesus hat es mit der Ehebrecherin vorbildlich vorgemacht: Die Leute wollten sie steinigen. Er hat praktisch gesagt, man solle nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Aber er hat der Frau auch klar gesagt, sie solle nicht nur einfach gehen, sondern gehen und nicht mehr sündigen. Barmherzigkeit bedeutet nicht das Leugnen der Sünden, und „nicht richten“ hat nichts mit moralischer Blindheit oder Schweigen im Angesicht des Bösen zu tun, auch dann nicht, wenn die böse Handlung von einer Vergewaltigten ausgeht, die ihr Kind töten will.

Ich selbst würde dringend wollen, dass mir jemand mitteilt, wenn ich gegen das moralische Gesetz handle. Wie sollte ich sonst meine Sünden bereuen, wenn man sie mir aus „Barmherzigkeit“ verschwiege? Wahrheit und Barmherzigkeit können nicht getrennt werden. Wenn Abtreibung wirklich vorsätzliche Tötung eines Unschuldigen ist, dann ist es nicht angemessen, aus „Barmherzigkeit“ diese Tatsache zu ignorieren.

 Also eine Empfehlung an Dich (wenn ich mir das mal so erlauben darf …): Konsequente Moral als Richtschnur und Orientierung für das Leben ist unverzichtbar – und zugleich gehört in ein gelingendes Leben auch eine Herzensmilde, die Menschen in ihrer Schwachheit wahrnimmt und sie dennoch auch liebevoll annimmt. Wie das dann im einzelnen aussieht, das kann man eben nicht im vorhinein festlegen (s.o.)!

Selbstverständlichkeit gehört die Annahme der Menschen in ihrer Schwachheit dazu. Doch das bedeutet nicht, die Schwachheit nicht mehr zu benennen oder zu verschweigen. Wenn eine Frau aus Schwäche ihr Kind töten will, muss man zwei Dinge tun: Erstens, vermeiden, dass die Frau die Tötung wirklich begeht, und zweitens, die Gründe ihrer Schwachheit (in diesem Fall, die Vergewaltigung) so sanft und liebevoll wie möglich mit ihr zu besprechen und ihr bei der Überwindung ihres psychischen Notzustandes zu helfen. Wie man das konkret anstellt, kann man tatsächlich nicht im Vorhinein festlegen. Doch man kann durchaus sagen, dass es eine Weise gibt, auf die man es niemals konkret anstellen kann, nämlich, indem man die Tötung einfach zulässt und so tut, als ob sie gar keine vorsätzliche Tötung gewesen wäre. Eine Frau, die nach Vergewaltigung abtreibt, hat sicherlich eine geringere Schuld, als eine Frau, die aus nichtigen Gründen der Bequemlichkeit abtreibt. Doch die Schuld, wenn auch verringert, bleibt bestehen, und die Sünde ist objektiv dieselbe.

Zum Utilitarismus noch ein Wort und ein Denk-Beispiel: Wenn es absolut verboten ist, menschliches Leben zu töten, dann ist es auch klar verboten, ein entführtes Passiergierflugzeug abzuschießen, wenn es ganz offensichtlich auf ein Atomkraftwerd zufliegt – so ist ja auch die Rechtsprechung des BVG. Und nun: Wenn die Entführer klar gesagt haben, sie würden das Flugzeug in das AKW stürzen und wenn ebenso klar ist, dass damit hunderttausende Menschen in der nahe gelegenen Großstadt dadurch ums Leben kommen, und wenn dann genau das passiert, weil das Flugzeug (moralisch korrekt!) n i c h t abgeschossen wurde – glaubst Du, der Verantwortliche (Innen- oder Verteidigungsminister, Bundeskanzler, General oder wer auch immer) kann dann noch ruhig schlafen, weil er ja ein prima Gewissen haben müsste: “Ich habe moralisch einwandfrei gehandelt, mir kann keiner was vorwerfen!” Glaubst Du wirklich, dass er nicht denken würde: “ich hätte diese grausame Katstrophe verhindern können, wenn ich dieses Flugzeug hätte abschießen lassen, auch wenn dadurch einige hundert unschuldige Menschen geopfert worden wären”. Glaubst Du nicht, dass diese Bürde ihn sein Leben lang verfolgen würde? – Ich sage dies nur aus einem einzigen Grund: Das “wirkliche Leben” kann uns tatsächlich in äußerste moralische Bedrängnis bringen – und ich jedenfalls würde diesen Verteidigungsminister sehr gut verstehen, wenn er das Flugzeug hätte abschießen lassen, auch wenn er im vorhinein natürlich nicht hätte wissen können, ob es nicht doch auch eine andere Lösung gegeben hätte, die Katastrophe zu verhindern (vielleicht hätten ja einige Passagiere die Entführer noch im letzten Moment überwältigt, wie damals bei dem einen Flugzeug in USA 2001).

Ach ja, da ist es wieder, das Fallbeispiel! Ja, ich stimme dem Gericht zu, dass es unzulässig wäre, ein Gesetz zu verabschieden, nach dem die Tötung von Menschen gerechtfertigt werden könnte, um ein (angeblich) größeres Übel zu verhindern. Menschenleben dürfen nicht gegen Menschenleben aufgerechnet werden. Wenn ein konkreter Entscheidungsträger vor diese Situation gestellt wird, dann wird er eine Entscheidung treffen müssen, mit der er leben kann. Entschließt er sich zum Abschuss des Passagierflugzeugs, so muss er damit leben, dass er viele Menschen getötet hat, um viele Menschen zu retten. Er könnte sich strafrechtlich auf etwas berufen, was man übergesetzlichen Notstand nennt. Es gibt Fälle, für die das Gesetz nicht gemacht ist, und für die kein Gesetz gemacht werden kann. Der Entscheidungsträger muss die Verantwortung selbst übernehmen, und zwar nicht nur die politische, sondern auch die moralische. Ich weiß nicht, ob ich selbst noch schlafen könnte, egal wie ich mich entscheiden würde. Aber in letzter Konsequenz, wenn Leben gegen Leben steht – und nicht, wie bei der Vergewaltigung, Leben gegen psychischen Schmerz – haben wir eine andere Situation. So hat die Kirche Abtreibung immer grundsätzlich und ohne Ausnahme abgelehnt, auch bei Lebensgefahr für die Mutter. Und dennoch ist es nach ihrer Lehre zulässig, eine Operation zur Lebensrettung der Mutter zu unternehmen, bei der als Nebenfolge (nicht als beabsichtige Folge) das Kind stirbt. Die Tötung des Kindes darf nicht intendiert sein, aber wenn sie bei der Lebensrettung als Nebenfolge passiert, ist das durchaus zulässig. Ähnlich würde ich den Fall mit dem Flugzeug sehen, das auf ein AKW zusteuert. Wenn der Entscheidungsträger die Rettung des AKW befiehlt, und als Nebenfolge dieser Rettung das Flugzeug abgeschossen wird, dann wäre es zulässig, wenn es auch immer noch schlaflose Nächte bereiten würde. Hier haben wir einen Fall der Anwendung moralischer Prinzipien. Man darf und muss in der Anwendung flexibel sein, aber nicht, wenn dies den Bruch mit dem moralischen Gesetz bedeutet. In letzter Konsequenz darf man nicht Böses intendieren, um Gutes damit zu erreichen.

Drei einfache Beobachtungen

1. Abtreibung ist nach katholischer Lehre grundsätzlich verwerflich, auch wenn sie in den ersten Stunden oder Tagen nach der Befruchtung stattfindet. Da es sich bei Abtreibung um die Tötung eines unschuldigen Menschen handelt, reicht selbst ein geringer Verdacht, es könne zur Abtreibung kommen, bereits aus, um die Einnahme der „Pille danach“ kategorisch abzulehnen. Auch wenn es einige Studien gibt (auf die sich die deutschen Bischöfe jetzt berufen wollen), nach denen die „Pille danach“ womöglich ohne nidationshemmende (=frühabtreibende) Wirkung funktioniert, gibt es ebenso Studien, die das genaue Gegenteil behaupten. Die Wirkweise ist nicht endgültig geklärt. Es ist also keinesfalls auszuschließen, dass es durch die „Pille danach“ zu Frühabtreibungen kommt.

Im Zweifelsfall daher für das Leben und gegen die „Pille danach“.

2. Die Tötung unschuldiger Menschen ist auch dann nicht erlaubt, wenn eine Vergewaltigung vorhergegangen ist. Die Tatsache, dass die Mutter vergewaltigt wurde, entschuldigt nicht, dass sie ihr Kind (durch die Einnahme einer möglicherweise frühabtreibenden Medikation) womöglich tötet. Selbstverständlich kann durch die Situation extremer psychischer Belastung, der eine Frau infolge einer Vergewaltigung oft ausgesetzt ist, im Einzelfall die Schuldfähigkeit der Frau mindern, doch Abtreibung bleibt eine Todsünde und eine Abtreibung billigend in Kauf zu nehmen, indem man die „Pille danach“ nimmt (oder sie einer Frau anbietet, verabreicht, verschreibt etc.) ist nicht viel besser. Übrigens kann das Kind am allerwenigsten für seinen Vater. Wer gegen die Todesstrafe für Vergewaltiger ist, der sollte die Todesstrafe für das Kind des Vergewaltigers erst recht ablehnen.

Vergewaltigung rechtfertigt also keinesfalls, die Tötung des unschuldigen Kindes billigend in Kauf zu nehmen, wie dies bei der Einnahme der „Pille danach“ geschieht.

3. Verhütung ist nach der Lehre der Kirche ein intrinsisches Übel, d.h. sie kann nicht durch die Umstände gerechtfertigt werden. Sie ist an sich moralisch falsch. Es gibt einige orthodoxe katholische Theologen, die die Einnahme eines (nicht-frühabtreibenden) Verhütungsmittels in Extremsituationen rechtfertigen wollen, um ein größeres Übel zu verhindern. Wie auch immer es damit bestellt sein mag – im Falle einer bereits geschehenen Vergewaltigung wird durch die „Pille danach“, selbst wenn sie nicht frühabtreibend wirkt, kein „größeres Übel“ verhindert, sondern die Entstehung eines von Gott selbst geschaffenen Menschenlebens! Das ist kein Übel, sondern ein Segen, wie schrecklich die Umstände seiner Entstehung auch gewesen sein mögen.

Das geschehene große Übel, die Vergewaltigung, kann durch eine nachträgliche Verhütung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie ist unwiderruflich geschehen. Die Frage bleibt nur, was man dann aus der Situation macht. Wie gesagt, das Kind kann nichts für seinen Vater. Ich verstehe, dass Frauen nach Vergewaltigungen oft das in ihnen wachsende Leben hassen. Sie müssen es auch, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, nicht großziehen.

Aber sie dürfen es nicht töten und sie dürfen auch keine schweren Sünden (wie Verhütung) begehen, damit sich ihr belasteter psychischer Zustand dadurch bessere.

Zusammenfassung:

1. Abtreibung ist ein intrinsisches Übel, eine schwere Sünde, die niemals zulässig ist, auch nicht zur Verhinderung eines anderen Übels. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

2. Da Abtreibung nicht durch die Umstände gerechtfertigt werden kann, gilt dies auch für Kinder, die von Gott infolge dieses großen Übels Vergewaltigung geschaffen worden sind.

3. Was für Abtreibung gilt, trifft auch für Verhütung zu.

Die Einnahme der „Pille danach“ ist aus diesen drei Gründen auch in Fällen von Vergewaltigung grundsätzlich und generell abzulehnen.

Sie zu empfehlen, zu verschreiben oder zu verabreichen stellt eine Form der Kooperation oder Beihilfe zur Begehung dieser Sünde dar und ist daher ebenfalls auch in Fällen von Vergewaltigung generell und grundsätzlich abzulehnen.

Dies ändert sich auch durch die falsche Meinung der Zeitgeistbischöfe, befeuert von falsch verstandenem Mitleid mit dem tatsächlich schrecklichen Schicksal vergewaltigter Frauen, nicht. Selbst wenn ein Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben der stehenden Haltung seiner eigenen Behörde im Interesse des Zeitgeists widerspricht. Mit dem Bauch zu denken und auf Meinungsumfragen zu hören führt gerade im Feld der Sittenlehre nur allzuoft zu schrecklichen Fehlschlüssen.

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Einige Verweise zum Thema:

Offizielle Stellungnahme der Päpstlichen Akademie für das Leben zur „Pille danach“ (2000) – dürfte wohl höher zu bewerten sein als die persönliche Meinung des Präsidenten… Hier ist keine Spur von moralischem Sentimentalismus bzw. Populismus. Die Wahre Lehre wird klar und deutlich vermittelt.

German Bishops give qualified approval of morning after pill (Life Site News)

World’s Top Authority on morning-after-pill says women must be told it may cause abortions (Life Site News) – Die Studienlage ist eben unklar. Im Zweifel für das Leben.

Vatican versus Vatican (Rorate Caeli) – Verschiedene widersprüchliche Aussagen aus dem Vatikan zum Thema „Pille danach“

Vatican II at 50: German bishops OK abortifacient morning-after-pill (Rorate Caeli)

Pope Benedict: Inaction to the end? (Mundabor)

US-Wahlen: Romney als zweitgrößtes Übel

Wer diese Seiten regelmäßig liest, dem wird bereits aufgefallen sein, dass der Autor sich für Politik interessiert und darüber oft und gern aus seiner christlichen Perspektive schreibt. Die Kategorie „Politik und Wirtschaft“ ist eine der größeren auf diesem Blog und innerhalb der Kategorie dominieren politische Themen die Wirtschaft deutlich.

Ich werde in den kommenden Wochen bis zu den Wahlen gelegentlich über die aktuelle Situation in den USA hinsichtlich des Präsidentschaftswahlkampfes berichten. Ich bin davon überzeugt, dass die Wahlen in den USA große Auswirkungen nicht nur auf die USA, sondern auf die ganze Welt haben, und eine große Zahl gerade auch aus christlicher und katholischer Perspektive wichtiger Konsequenzen mit sich bringen werden. Zudem verfolge ich die amerikanische politische Landschaft schon seit einigen Jahren, so dass ich mir einbilde, mich damit einigermaßen auszukennen.

Doch genug der Vorrede. Der Wahlkampf läuft bereits auf Hochtouren. Gerade in diesen Tagen haben Demokraten und Republikaner ihre jeweiligen Nominierungsparteitage beendet. Romney und Obama sind damit auch offiziell die Kandidaten ihrer jeweiligen Partei. Wie auch bei deutschen Parteitagen werden jedoch die wesentlichen Entscheidungen lange vorher hinter verschlossenen Türen getroffen. Anders als bei deutschen Parteitagen gibt es durch das amerikanische Vorwahlsystem wenigstens ein Mitspracherecht der Parteianhänger bei der Auswahl der Kandidaten. Die Vorwahlen sorgen immer wieder für Spannung und haben den zusätzlichen Vorteil, dass die Parteieliten ihre Anhänger nicht ganz so vollständig ignorieren können wie es in Europa üblich ist.

So hat sich Romney über viele Monate gegen mehrere ernsthafte Rivalen zur Wehr setzen müssen, bevor er überhaupt das Recht erworben hatte, gegen Obama antreten zu dürfen. Unter anderem bezwang er dabei den traditionell-katholischen Ex-Senator von Pennsylvania, Rick Santorum, der wohl der Wunschkandidat der meisten katholischen Konservativen (und nicht weniger Evangelikaler) gewesen sein dürfte.

Santorum ist einer der bekanntesten und effektivsten Streiter für das Lebensrecht der Unschuldigen Kinder, für die natürliche Familie und für eine Gesellschaft im Sinne der katholischen Soziallehre. Im Gegensatz zu einigen anderen Republikanern, deren „Konservatismus“ sich in liberaler Wirtschaftspolitik erschöpft, steht Santorum nicht bloß für das Individuum, sondern für die Person. Er sieht aufgrund seiner Verankerung in traditioneller katholischer Soziallehre die Ergänzungsbedürftigkeit des Individuums. Das freie Individuum auf dem freien Markt ist nicht seine Idealvorstellung. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass er als Senator öfters mit linken Demokraten wie Ted Kennedy z.B. für gewisse Programme zur Armutsbekämpfung oder andere derartige Anliegen gekämpft hat, obwohl er einer der konservativsten Senatoren überhaupt war.

Doch leider war Santorum für die etablierten Republikaner zu konservativ und zu christlich. Denn Santorum war wirklich gegen Abtreibung, nicht nur wenn es um die Mobilisierung der konservativen Parteibasis ging, sondern aus Überzeugung, auch in schwierigen Fällen. Er glaubte wirklich an die Verteidigung der natürlichen Familie und hielt auch daran fest, wenn es ungemütlich wurde. Er scheute sich nicht, die Folgen der Verhütungsmentalität klar zu benennen und gegen die staatliche Förderung von Verhütungsmitteln Stellung zu beziehen. (Romney führte diese Förderung als Gouverneur von Massachussetts in seinem Bundesstaat selbst ein!) Die republikanische Parteielite machte mobil, um Santorum zu verhindern und sie hatte Erfolg, wenn auch knapp. Man machte sich Santorums Abweichungen von der Parteilinie zunutze und stellte ihn als nicht konservativ genug dar. Zugleich erklärte man den Wählern, Santorum sei auf jeden Fall unwählbar, weil er die Gemäßigten nicht erreichen könne, da diese für „fortschrittliche“ Gesellschaftspolitik, für legale Abtreibung, kostenlose Verhütung für alle und staatliche Privilegien für Homosexuelle seien.

Trotz dieser massiven Kampagne gewann Santorum insgesamt elf Bundesstaaten und führte im Februar lange Zeit in den nationalen Vorwahlumfragen. Der entscheidende Wendepunkt kam am 28. Februar. Bei den Vorwahlen in Michigan holte er 36%, Romney 37%. Die restlichen 27% verteilten sich auf andere sehr konservative Bewerber, die sicherlich eher Santorum als Romney gewählt hätten. Doch da Newt Gingrich sich als sehr konservativer Republikaner darstellte und einige Wähler dem eingefleischten Mitglied der republikanischen Parteielite diese offensichtliche Pose auch noch glaubten, unterlag Santorum in Michigan extrem knapp, statt einen deutlichen Sieg einzufahren.

Eine Woche später verlor er noch knapper (0,8% Unterschied) in Ohio, wobei Gingrich wieder 15% der Stimmen gewann, die im Falle eines Duells Santorum-Romney sicherlich niemals Romney zugute gekommen wären.

Danach war Santorums Kampagne zwar noch längst nicht geschlagen (er holte noch weitere Siege in verschiedenen Staaten), doch nach diesen zwei Nackenschlägen trocknete die finanzielle Lage Santorums immer mehr aus (er hatte von Anfang an keinen Zugriff auf die Spenden der wohlsituierten Eliten, da er sich schroff gegen sie gewendet hatte, doch nach diesen zwei knappen Niederlagen glaubten die Wähler nicht mehr an eine Siegchance Santorums und hielten ihr Geld beisammen). Immer mehr drangen nun Plädoyers für innerparteiliche Einigkeit an die Öffentlichkeit. Santorum solle seine Kandidatur zurückziehen, um einen langen Vorwahlkampf zu vermeiden, der den Republikanern bei den allgemeinen Wahlen im Herbst schaden könnte. Santorum wehrte sich eine Weile tapfer dagegen, doch schließlich zog er im April zurück, nachdem er noch weitere Staaten knapp verloren hatte, wiederum wegen der andauernden Kandidatur Gingrichs, dessen reiche Geldgeber dafür sorgten, dass er weitermachen konnte, bis Santorum praktisch geschlagen war).

So stand also spätestens im Mai fest, dass Mitt Romney den Präsidenten herausfordern würde. Doch wofür steht Romney eigentlich? In den deutschen Medien hört man, wenn überhaupt, nur, dass die Republikaner konservativ seien und dass das auch für Romney gelte. Seine Gegner und die Mainstream-Medien zeichnen von ihm das Portrait eines raffgierenden Kapitalisten von rechtsaußen. Doch das stimmt überhaupt nicht. Im Gegenteil: Romney gehört zum gemäßigten Flügel der Republikaner und ist gerade in den wesentlichen kulturell-gesellschaftlichen Fragen überhaupt nicht konservativ, sondern steht Obama recht nahe. Als er für den Posten eines Senators von Massachussetts kandidierte (1994), erklärte er, er sei für legale Abtreibung, für „Roe vs. Wade“ (die Entscheidung des US-Supreme-Courts, durch die Abtreibung praktisch ohne Einschränkungen bundesweit legalisiert wurde) und sehe Abtreibung als Frauenrecht an. Er überholte damit den bekanntlich sehr weit links stehenden Demokraten Ted Kennedy, seinen damaligen Herausforderer, sogar noch links.

Ebenso ist Romney in anderen wesentlichen Grundsatzfragen nicht konservativ, sondern äußerst progressiv. Als Gouverneur von Massachusetts hat er die staatliche Subventionierung von Verhütungsmitteln eingeführt und befürwortet sie noch bis heute. Er gilt auch was die Privilegierung von homosexuellen Partnerschaften betrifft als nicht besonders konservativ. Während seiner Gouverneurszeit war Massachusetts der erste US-Bundesstaat, der die „Homo-Ehe“ einführte.

Was also die Verteidigung des Lebensrechts und der natürlichen Familie betrifft, so ist Romney ein Totalausfall gewesen. Oder sagen wir, er war es, bis er plötzlich die Chance sah, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Da die republikanische Basis in diesen Fragen sehr konservativ ist, begann Romney seine Positionen passenderweise zu modifizieren, damit er bei der Basis besser punkten konnte. Auf einmal behauptete er gegen Abtreibung zu sein, auch wenn ihm niemand glaubte. Die ganze Geschichte wäre vielleicht glaubwürdiger gewesen, wenn Romney ernsthaft gegen die legale Abtreibung eingetreten wäre. Doch es blieb bei dem lauen rhetorischen Bekenntnis, dass er „pro-life“ sei.

In allen wesentlichen Kontroversen seit seiner angeblichen „Bekehrung“ zum Lebensschützer vor etwa sechs Jahren ist Romney niemals ein politisches Risiko eingegangen, um sich für das Recht auf Leben einzusetzen. Im Gegenteil. Bis heute vertritt Romney, die Tötung der Unschuldigen müsse legal sein, wenn es sich um das Kind eines Vergewaltigers handle. Romney lehnt die Todesstrafe für Vergewaltiger ab, aber er befürwortet sie für das Kind, das als Resultat einer Vergewaltigung gezeugt worden ist. Das klingt nicht nach Lebensschutz, sondern nach eiskaltem politischem Opportunismus.

Diese drei Worte – eiskalter politischer Opportunismus – beschreiben Romney überaus treffend, nicht nur beim Lebensrecht. So verkauft er als seinen Haupterfolg als Gouverneur von Massachusetts die Einführung eines Krankenversicherungsgesetzes, das dem 2009 von Obama durchgesetzten Gesetz sehr ähnlich ist. Zugleich behauptet er, Obamas Gesetz abzulehnen und wieder abschaffen zu wollen. Einfacher zynischer Opportunismus. Der Mann will um jeden Preis an die Macht. Überzeugungen, die darüber hinaus gingen, hat er nicht.

Wäre Romney ehrlich, so müsste er folgenden Wahlslogan verwenden:

Zynisch. Opportunistisch. Verlogen. Wählt Romney, weil er nicht Obama ist.

Und das ist auch der einzige Grund, warum man als Christ Romney wählen kann. Er ist zwar ebenso zynisch, opportunistisch und verlogen wie der derzeitige Amtsinhaber, und er ist auch nicht gerade für mit dem christlichen Gewissen vereinbare Politik bekannt, aber Obamas Agenda ist inzwischen offen anti-christlich und Romney ist Opportunist genug, dass er dem politischen Druck der Lebensrechtsgruppen und der konservativen Basis nachgeben wird, wenn er erst einmal gewählt ist und in seinen Wiederwahlchancen von dem Wohlwollen der christlichen Lebensrechtler abhängt.

Wahlkampf in Amerika

In etwa zwei Monaten werden die Wähler in den USA darüber entscheiden, ob Barack Obama vier weitere Jahre im Weißen Haus wohnen darf, oder ob dort Mitt Romney einzieht. Es handelt sich dabei wohl um die heißeste Wohnortdebatte der Welt, denn um Inhalte ging es eigentlich leider kaum. Der Hund von Mitt Romney nahm mehr Raum im Wahlkampf ein, als die enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten, vor denen die USA stehen. Mit der Auswahl Paul Ryans, eines katholischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses aus Wisconsin, so war erwartet worden, würde sich dies nun ändern. Denn Ryan gilt nicht nur als konservativer Kontrast zu Obama, sondern hat auch einen konkreten Plan zur Bekämpfung des Haushaltsdefizits vorgelegt. Inhaltlich, so scheint es, hat sich Romney damit ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, denn jegliche Reform des Sozialsystems löst in den USA – ebenso wie in Europa – immer heftige polemische Anwürfe von links aus.

Doch wer nunmehr einen inhaltlich bedeutsamen Wahlkampf erwartet hatte, der wurde spätestens bei dem Parteitag der Republikaner in der vergangenen Woche mächtig enttäuscht. Es war die übliche Mischung von Party, inhaltslosen Floskeln und persönlichen Angriffen gegen den Amtsinhaber. In etwa dasselbe, was auch von den Demokraten bei ihrem Parteitag in der nächsten Woche zu erwarten ist.

Wie immer werden diese Shows für einige Tagen die Umfragewerte bewegen, bevor sich das alles wieder normalisiert. Die Kandidaten werden weiterhin Kopf an Kopf liegen.

Viel interessanter als das vordergründige Posieren der beiden Parteien und ihrer Kandidaten als der einzige, der das Land nicht zugrunde richten wird, ist jedoch das, was sich hinter den alltäglichen politischen Trends verbirgt. Interessant ist nicht das politische Wetter, sondern das politische Klima, jene langfristigen Entwicklungen, die sich nicht in Umfragen, Wahlreden und Kurzinterviews niederschlagen, die aber das Fenster des erlaubten Diskurses zu verschieben vermögen.

Grundsätzlich gibt es immer eine gewisse Spannbreite erlaubter Positionen, außerhalb derer sich niemand stellen kann, wenn er überhaupt noch Wahlchancen haben möchte. Ebenso darf man dieses Fenster nicht verlassen, wenn man nicht das Opfer gesellschaftlicher – oder zuweilen sogar strafrechtlicher – Sanktionen werden möchte. Dies sieht man etwa am Beispiel der Holocaustleugnung in Deutschland oder dem Schicksal der antichristlichen Punk-Bande, die ihren blasphemischen Unfug in Russland zu treiben versucht hat. Wer sich zu weit aus dem Meinungsmainstream herauswagt, der bekommt kein Bein mehr auf den Boden. Das ist immer und überall so.

Entscheidend ist für die langfristige politische Entwicklung nun nicht so sehr, welche Partei die Wahl gewinnt, sondern wie sich dieses Fenster erlaubter Positionen im Laufe der Zeit verschiebt. Die familienfeindlichen Parolen, die heute CDU-Programmatik sind, hätte sich kein ehrbarer Sozialdemokrat in der Weimarer Republik zu sagen getraut. 1970 war der hart-linke US-Demokrat Ted Kennedy vehement gegen Abtreibung, wie auch noch in den 80er-Jahren Al Gore, Bill Clinton und viele andere Demokraten, die sich später als Gefolgsleute des Herodes hervorgetan haben. Heute, und damit kehren wir zum aktuellen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten zurück, trauen sich selbst die angeblich „konservativen“ Republikaner nicht mehr, diese Position ernsthaft und überzeugt zu vertreten. Auf ihrem Parteitag war davon wenig zu hören und Romney hat sich erstv rechtzeitig für die Vorwahlen im Sinne der „konservativen Parteibasis“ zum Abtreibungsgegner gewandelt, während er vorher immer für das „Recht auf Abtreibung“ eingetreten ist. Währenddessen haben sich die Demokraten endgültig als die Partei des Todes definiert, in der Abtreibungsgegner mit offener Feindseligkeit behandelt werden, denen man nicht einmal mehr die Freiheit ihres Gewissens zugestehen möchte. Diese Verschiebung ist nicht das Resultat von Wahlen. Im Jahre 1973 erfand der Supreme Court in seinem berüchtigen Urteil im Fall „Roe vs. Wade“ ein nahezu unbeschränktes Recht auf Abtreibung. Vorher war die Abtreibungsgesetzgebung aufgrund der bundesstaatlichen Ordnung der USA Ländersache, doch durch das Urteil von 1973 hob der Supreme Court die Abtreibungsfrage auf die Bundesebene. Zwischen 1976 und 2008 hat nur Bill Clinton das Weiße Haus als Abtreibungsbefürworter erobert, und das auch nur, indem er nicht müde wurde, seinen Wunsch nach „weniger Abtreibungen“ kundzutun.

Nein, die Verschiebung des Fensters der erlaubten Meinungen resultiert nicht aus Wahlergebnissen, sondern aus breiteren kulturellen Entwicklungen. Die Gesellschaft verändert sich immer weiter in eine bestimmte Richtung, und irgendwann werden bestimmte, früher selbstverständliche Haltungen, wie etwa das Lebensrecht für die Ungeborenen, erst umstritten, dann seltsam, dann extrem und schließlich unwählbar. Diese Veränderungen haben nichts mit Wahlen zu tun, weshalb Wahlen auch nur selten wirklich wichtige Ergebnisse zeitigen.

Diese Veränderungen resultieren auch nicht aus dem Volkswillen, denn das Volk als solches hat keinen Willen. Das, was als Volkswille verpackt und mundgerecht medial verabreicht wird, ist nicht der Wille des Volkes, sondern immer – in jedem politischen System – der Wille der gesellschaftlichen und kulturellen Elite. Die Schmiede dieser Elite ist im weitesten Sinn des Wortes die moderne Universität oder das moderne Bildungswesen. Dort werden die Grundansichten und Vorurteile geprägt, die die nächste Generation an Meinungsmachern in Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Medien gemeinsam haben wird. Fast alle Meinungsmacher sind Produkte der modernen Universität, besonders jene, die sich für individuell, kreativ und eigenständig genug halten, um sich „zu allem eine eigene Meinung zu bilden“. Die Meinungsbildner machen die Meinungsmacher und die Meinungsmacher machen den Volkswillen.

Christliche Positionen zu äußern, ist heute praktisch undenkbar, wenn man noch als respektables Mitglied der Gesellschaft zu gelten wünscht. Klar, mancher wird noch toleriert, als Hofnarr oder respektabler alter Opa, dessen „vorsintflutliche“ Ansichten bald aussterben. Narr, Fossil oder Paria – das sind die Alternativen für den ernsthaften Christen in der postmodernen Welt.

Zu spüren bekommen hat dies der bewundernswerte christliche Gentleman Todd Akin im Kontext des Wahlkampfes in den USA. Er ist republikanischer Senatskandidat für den Bundesstaat Missouri und gläubiger evangelischer Christ. Er verkündete seine feste Überzeugung, dass Abtreibung immer die Tötung eines unschuldigen Menschen ist, und daher immer, auch nach Vergewaltigungen abgelehnt werden müsse. Zudem sprach er die Binsenweisheit aus, dass es auch „Vergewaltigungsopfer“ gibt, die gar nicht vergewaltigt worden sind. Schließlich tat er noch eine zweifelhafte Äußerung über die bei einer Vergewaltigung ablaufenden biologischen Prozesse und die Wahrscheinlichkeit, mit der sie zu einer Schwangerschaft führen.

Seine Einlassungen zum Thema Biologie waren wohl sachlich weitgehend falsch, und dies kann man gern kritisieren. Er muss sich besser informieren, bevor er sich zu solchen Themen äußert. Dass Vergewaltigung oft einfach behauptet wird, auch wenn sie gar nicht stattgefunden hat, ist allgemein bekannt, aber vielleicht politisch unkorrekt. Dieses Thema im Wahlkampf anzusprechen, kann man aus strategischen Gründen kritisieren, da es die Wahlchancen schmälert, dem politischen Gegner Material liefert, und unsensibel gegenüber vergewaltigten Frauen wirken könnte.

Nach Akins Äußerungen brach ein Sturm der geheuchelten Entrüstung in den linksliberalen Mainstream-Medien los. Das war zu erwarten. Für diese Leute ist Abtreibung ein Sakrament, das nicht kritisiert werden darf.

Akins eigene Partei fiel über ihn mit einer tollwütigen Wildheit her, die seinen milden, unglücklichen Worten nicht angemessen war. Und die Kritik bezog sich nicht auf seinen Faktenirrtum zum Thema Biologie, nicht auf seine etwas unsensible Formulierung, sondern direkt auf den Hauptinhalt seiner Worte: Auf die Ablehnung von Abtreibung nach Vergewaltigung. Dies sei nicht die Position von Romney und Ryan, und nicht die Position der Republikaner, hieß es. Man forderte Akin zum Rücktritt auf. Man entzog ihm jegliche finanzielle Unterstützung der Bundespartei. Es wurden sogar Rufe laut, man möge der kleinen Schar treuer Gefährten, die an Akin festhalten wollte, das Rederecht auf dem Parteitag entziehen. Die Stimmung erinnerte an die Säuberungsaktionen, die in kommunistischen Parteien gegen Dissidenten und „Rechtsabweichler“ öfters vollzogen worden sind.

Akin, ein Mann mit Rückgrat, der sich für die Wortwahl längst entschuldigt und seinen biologischen Kenntnisstand aufgebesser hat, aber inhaltlich an seiner festen Unterstützung des Lebensrechts auch für Kinder, deren Mütter vergewaltigt worden sind, festhält, liegt in den Umfragen nunmehr gleichauf mit seiner Gegenkandidatin McCaskill. Er hat nicht die Absicht, von seiner Kandidatur zurückzutreten. Vielleicht wird es dieser Mann mit dem starken, christlichen Glauben und seinem unverrückbaren Gewissen ja noch in den Senat schaffen. Zu gönnen wäre es ihm.

Doch was auch immer aus Todd Akin werden wird; sein Fall hat bereits heute gezeigt, dass es in den USA keine Partei mehr gibt, die für elementare christliche Grundwerte und die Allerschwächsten einzustehen bereit ist, dass sich auch unter linksliberalen Abtreibungsbefürwortern wie Mitt Romney im Weißen Haus nichts ändern wird, dass die Menschenwürde der Ungeborenen auch unter Heuchlern wie Romney mit Füßen getreten werden wird, und dass die Republikaner sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – längst dem sich verschiebenden Fenster erlaubter Meinungen angepasst haben.

Und dass selbst der heuchlerisch zur Schau gestellte Ökumenismus keinen einzigen katholischen Bischof dazu bewegen konnte, das mutige Zeugnis eines gläubigen evangelischen Mitchristen für die Ungeborenen und Unschuldigen auch nur mit einem einzigen Wort lobend zu erwähnen.

Im modernen Amerika – wie im modernen Europa – ist Abtreibung das einzige anerkannte Sakrament aller etablierten Parteien.

Abtreibung: Das grundlegende Argument

Einleitung

Abtreibung ist ein meist totgeschwiegenes Thema, das, wenn es überhaupt einmal zur Diskussion steht, zudem noch mit Vorurteilen aufgeladen ist. Wenn man mit Abtreibungsbefürwortern spricht, erschöpft sich das allgemeine Niveau meist in „mein Bauch gehört mir“ und „du bist gegen Frauen“ oder „gegen Entscheidungsfreiheit“. Nur selten hat man die Chance zur sachlichen Entgegnung, aus der dann vielleicht ein freundschaftliches Gespräch entsteht.

Doch aus verschiedenen Diskussionen über das Abtreibungsthema, an denen ich aktiv oder passiv (als Zuhörer) teilgenommen habe, weiß ich auch, wie schwer es Lebensschützern oft fällt, ihre Position auf verständliche, nicht-religiöse Weise zu artikulieren. Natürlich ist das religiöse Argument für ernsthafte Christen so zwingend wie kein anderes. Doch nichts schreckt einen Abtreibungsbefüworter mehr ab als ein „religiöser Fundamentalist“, der „wieder diesen Gott ins Spiel bringt“. Wenn man mit Abtreibungsbefürwortern sprechen will, muss man sie dort „packen“, wo ihre Überzeugung angreifbar ist, und wo eine gemeinsame Basis besteht.

Das fällt vielen christlichen Lebensschützern schwer. Daher erlebe ich immer wieder (hauptsächlich in Internetdebatten, aber auch sonst) einen von zwei Effekten: Entweder der Lebensschützer argumentiert religiös, und der Abtreibungsbefürworter antwortet, die „alten Kerle in der Kirche, diese Kinderf….“ und den Rest kann man sich denken. Oder der Abtreibungsgegner geht auf die Befindlichkeiten des Gegenübers ein, und argumentiert gegen besonders barbarische Formen der Abtreibung, oder gegen Väter, die die von ihnen geschwängerten Frauen zur Abtreibung zwingen, oder gegen Spätabtreibung, oder gegen Abtreibung zur Geschlechterselektion, oder andere Fälle, in denen vielleicht ein Konsens zu erzielen wäre.

Selbst wenn der Lebensschützer mit dieser Strategie Erfolg hat, ist noch nicht viel gewonnen. Die meisten Abtreibungen geschehen nun einmal nicht aufgrund solcher Extremsituationen, sondern einfach, weil das Kind gerade nicht passt, oder die Finanzlage knapp ist, oder die Partnerschaft „einfach kein Kind aushält“ usw. Der Abtreibungsbefürworter wird weiterhin alle diese „normalen“ Abtreibungen befürworten.

Der einzige Weg, einen Abtreibungsbefürworter vom Gegenteil zu überzeugen, ist, in ihm die Erkenntnis reifen zu lassen, dass das ungeborene Leben ein menschliches Leben ist, das wie jedes menschliche Leben unter dem besonderen Schutz der Gesellschaft und des Staates zu stehen hat. Glücklicherweise ist das nicht nur ein Argument, das Abtreibung gleich grundsätzlich als falsch erscheinen lässt, sondern auch noch ganz ohne Zuhilfenahme religiöser Botschaften vermittelbar.

Das grundlegende Argument

Jedes gute Lehrbuch der Biologie oder Embryologie wird bestätigen, dass das menschliche Leben, das heißt das Leben eines Organismus unserer Spezies, mit der Befruchtung der Eizelle beginnt, und zu keinem späteren Zeitpunkt. Alle späteren Vorgänge sind Reifungsprozesse eines bereits bestehenden, existierenden, menschlichen Wesens, eines ganz, ganz kleinen Kindes. Da haben wir schon einen kleinen Menschen, der dann langsam seine Anlagen ausbildet, die ihm genetisch mit auf den Weg gegeben sind. Durch die Ausbildung dieser Anlagen verändert sich dieser Mensch sehr stark. Es kommt zur Diversifikation der Körperfunktionen; „Stammzellen“ differenzieren sich aus, Organe werden geformt, ein kleines Herz fängt nach wenigen Wochen bereits an zu schlagen. Doch das sind alles Veränderungen, die an dem schon existierenden Menschen geschehen.

Und dass das so ist, das lehrt nicht die Kirche, sondern die Wissenschaft. Es ist keine religiöse These, dass das menschliche Leben mit der Zeugung beginnt, sondern eine biologisch sehr gut bestätigte, und wissenschaftlich nicht umstrittee Tatsache. Das menschliche Leben beginnt mit der Zeugung, mit der Befruchtung der Eizelle. Nicht mit der Implantation, nicht nach drei Monaten, nicht wenn das Kind überlebensfähig außerhalb des Mutterleibs wäre, nicht bei der Geburt, sondern im Moment der Befruchtung.

Wollen wir uns wirklich gegen den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt im Interesse überkommener feministischer Dogmen stellen? Wollen wir der rationalen Wissenschaft folgen, oder der Päpstin Alice Schwarzer dienen?

Und wenn wir einmal anerkennen, dass das, was da in „meinem Bauch“ ist, der „mir gehört“, eben nicht bloß „ein Zellhaufen“ ist, sondern ein individuelles, genetisch einzigartiges, unverwechselbares Lebewesen, nämlich ein kleines Menschenkind, dann können wir nicht mehr sagen: „Mein Bauch gehört mir“. Denn selbst wenn mein Bauch mir gehört – der Mensch in meinem Bauch gehört nicht mir. Und wenn man diesem Menschen keine vorübergehende Heimstatt im „Bauch“ bietet, dann stirbt dieser Mensch. Dann töten wir diesen Menschen.

Also ist Abtreibung die Tötung eines kleinen, unschuldigen, schutzbedürftigen Etwas, das nach eindeutigen wissenschaftlichen – nicht religiösen – Erkenntnissen ein Mitglied der menschlichen Spezies ist.

Und man darf keine Menschen töten. Das erkennt wohl auch der Abtreibungsbefürworter normalerweise abstrakt an.

Doch wenn

(1) Abtreibung die Tötung eines Menschen ist,
und
(2) Tötung eines Menschen moralisch falsch ist und gesetzlich bestraft gehört,
dann gilt:
(3) Abtreibung ist moralisch falsch und muss gesetzlich bestraft werden.

Wissenschaft und Logik führen also zum Abtrebungsverbot – das Festhalten an der legalisierten Abtreibung ist also nur faktenresistentes rückständiges Festklammern an überkommenen Dogmen längst gescheiterter politischer Ideologien.

Natürlich gibt es dagegen auch wieder Einwände von seiten einiger Abtreibungsbefürworter, die nicht mit Stammtischparolen wie „Mein Bauch gehört mir“ argumentieren, doch dazu später mehr.

Lügen in der Abtreibungsfabrik

Lila Rose, die Gründerin von „Live Action“

Der Hochwürdige Herr Alipius hat kürzlich die in der englischsprachigen katholischen Blogosphäre schon seit langem tobenden Kampf um die Rechtmäßigkeit der Lüge als Teil einer Undercover-Operation gegen Abtreibungsorganisationen wie „Planned Parenthood“ in die deutsche Blogozese importiert. Die Details der aktuellen Situation kann man sich bei Alipius abholen, aber im Prinzip hat die amerikanische Lebensschutzgruppe „Live Action“ Undercover-Operationen durchgeführt, um die selbst nach dem liberalen amerikanischen Abtreibungsregime nicht akzeptablen Zustände bei Planned Parenthood aufzudecken. Zu diesem Zweck kreuzte man bei einer Niederlassung der Abtreibungsförderer auf, und gab sich fälschlich als Kunde aus, der eine Abtreibung wolle, und zwar jeweils aus selbst in den USA noch als verwerflich geltenden Gründen. Die Reaktion der Mitarbeiter von PP filmte man mit versteckter Kamera und veröffentlichte sie später.

Die Moralität dieser Taktik ist natürlich sehr umstritten. Bereits vor einigen Monaten, als ein vergleichbares Video veröffentlicht wurde, explodierte die englische Katholosphäre angesichts der Frage, ob das Vorgehen von Live Action moralisch zulässig sei. Manche behaupteten, es sei eine Lüge, und Lügen sei immer moralisch falsch, so sage es der Katechismus. Andere erklärten, die Abtreiber bei PP hätten „kein Recht auf die Wahrheit“, und man dürfe ihnen deswegen auch Falsches erzählen, ohne dadurch im strengen Sinne zu lügen. Wieder andere brachten philosophische Argumente vor, die mal so und mal so ausgingen. Die Debatte steigerte sich so weit, dass nach endlosen Kommentarschlachten am Ende die halbe englische katholische Blogosphäre in Aufruhr war, und die eine Seite die andere beschuldigte, sie sei utilitaristisch, indem sie das Böse rechtfertige, damit Gutes daraus komme, und die andere Seite die eine beschuldigte, sie sei von einem unerträglichen, pharisäerhaften moralischen Rigorismus befallen, der jenseits jeglicher gesunder Moral liege.

Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass allen Beteiligten die Lektüre des alten Gleichnisses mit dem Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen Auge gut getan hätte.

Angesichts der radikalen Verurteilungen der sündhaften Lügner von Live Action gerieten die Abtreibungen leider ganz in Vergessenheit. Man hatte halt wichtigeres zu tun…

Nun haben wir die Debatte auch hier in der Blogozese. Glücklicherweise ist sie hier bislang sachlich geblieben, und wir wollen hoffen, dass dies auch so bleibt. Doch eine Frage bekomme ich einfach nicht aus dem Kopf. Wo ist die Verhältnismäßigkeit in dieser Diskussion? Ja, ich gestehe jederzeit zu, dass die Lüge, verstanden als vorsätzliche Falschaussage mit Täuschungsabsicht, immer und überall moralisch falsch ist. Die folgenden Zeilen sind nicht als Kritik an dieser Auffassung zu verstehen, sondern als Kritik an der Verhältnismäßigkeit der Debatte.

Wir haben zwei Handelnde, A und B.

A verdient sein Geld mit dem Töten unschuldiger kleiner Kinder, und B findet das nicht gut. A ist aber der Meinung, dass das Töten der Kinder nicht so schlimm ist, weil ihre Eltern sie ja nicht gewollt haben, und weil er außerdem viel Geld damit verdient, und sich den Jaguar leisten kann, mit dem er jetzt zur Arbeit fährt. B findet es aber besonders schlimm, wenn jemand kleine Kinder für Geld tötet. Sie ist der Meinung, sie müsse etwas dagegen tun. Doch die Menschen sind nicht an dem Leben der Kinder interessiert, weil es ihnen hinderlich wäre, wenn sie ihre Kinder nicht mehr töten lassen könnten. Also denkt B sich einen Plan aus. Sie geht in die Fabrik, wo A die kleinen Kinder tötet, und behauptet, sie wolle ihr Kind auch töten lassen. A ist ganz begeistert. Aber jederzeit doch, sagt er ihr mit breitem Lächeln, und zählt im Kopf schon das Geld, von dem er sich sein neues Urlaubshaus in den Bergen kaufen will. Da bist du hier richtig.

Es gibt da nur ein Problem, sagt B. Ich will mein Kind töten lassen, weil es ein Mädchen ist. A wird bleich. Kinder töten zu lassen finden die Menschen da draußen zwar ganz okay, aber etwas gegen Mädchen zu haben, nicht. Doch er denkt wieder an sein Urlaubshaus in den Bergen und nickt und lächelt wieder. Kein Problem, sagt er. Wir fragen da nicht weiter nach. Wir machen, was du willst, solange du nur zahlst. B nickt ebenfalls. Kein Problem. Unser Präsident hat ja jetzt ein Gesetz gemacht, durch das meine Versicherung dich für die Tötung meiner kleinen Tochter bezahlt, damit ich sie mir auch leisten kann. Hoch lebe unser Präsident. Ja, bestätigt A, wir haben einen tollen Präsidenten. Er denkt, vielleicht kann er sich dann ja sogar ein großes Segelboot kaufen, was er schon wollte, seit er ein kleiner Junge war, den seine Eltern nicht haben töten lassen.

A und B sind sich einig. A will die kleine Tochter von B gern töten, und solange man ihn bezahlt, ist ihm egal, warum die Mutter ihre kleine Tochter töten lassen will. Doch er hat einen Fehler gemacht. Denn B hat alles mit der versteckten Kamera aufgenommen. Sie veröffentlicht ihr Video im Internet, und so erfahren die Menschen da draußen von dem, was A und B besprochen haben.

Die Katholiken, die von sich sagen, sie wollten nicht, dass die kleinen Kinder getötet werden, sehen sich das Video an, und sind so richtig empört. Wie kann man nur…, denken sie sich. So etwas kann man doch nicht machen! Man darf nicht Lügen! Das geht doch nicht! Der Katechismus sagt, Lügen ist Sünde! Ihr Blut gerät in Wallung. Sie schreiben lange Artikel, in denen sie sagen, dass man gar nicht lügen darf Und dass B eine schlimme Frau ist, die schlimme Sünden begeht, und sich für diese Sünden vor Gott verantworten muss.

Unterdessen tötet A weiter.

Welch eine Absurdität! Erzählen Sie das Ihren Kindern, und sie werden sofort erkennen, wie lächerlich diese ganze Debatte ist. Ja, die Lüge von B ist moralisch nicht ganz makellos. Es ist eine winzige, lässliche Sünde. Und sie bekommt 95% der Aufmerksamkeit.

Das ist als ob nur darüber diskutiert würde, dass der kleine Hans eine Tafel Schokolade gestohlen hat, während in der Nachbarschaft ein Kettensägenmörder umgeht. Einfach grotesk.

Der Teufel hätte es nicht besser gekonnt. Wir greifen Live Action für ihr nicht ganz makelloses Verhalten an, während die Abtreiber sich eins grinsen – sie haben es mal wieder geschafft. Wir rufen: Haltet die Lügner, während die Kronjuwelen gestohlen werden. Wir rufen: nieder mit der lässlichen Sünde, während die Todsünde fröhliche Urstände feiert.