Drei einfache Beobachtungen

1. Abtreibung ist nach katholischer Lehre grundsätzlich verwerflich, auch wenn sie in den ersten Stunden oder Tagen nach der Befruchtung stattfindet. Da es sich bei Abtreibung um die Tötung eines unschuldigen Menschen handelt, reicht selbst ein geringer Verdacht, es könne zur Abtreibung kommen, bereits aus, um die Einnahme der „Pille danach“ kategorisch abzulehnen. Auch wenn es einige Studien gibt (auf die sich die deutschen Bischöfe jetzt berufen wollen), nach denen die „Pille danach“ womöglich ohne nidationshemmende (=frühabtreibende) Wirkung funktioniert, gibt es ebenso Studien, die das genaue Gegenteil behaupten. Die Wirkweise ist nicht endgültig geklärt. Es ist also keinesfalls auszuschließen, dass es durch die „Pille danach“ zu Frühabtreibungen kommt.

Im Zweifelsfall daher für das Leben und gegen die „Pille danach“.

2. Die Tötung unschuldiger Menschen ist auch dann nicht erlaubt, wenn eine Vergewaltigung vorhergegangen ist. Die Tatsache, dass die Mutter vergewaltigt wurde, entschuldigt nicht, dass sie ihr Kind (durch die Einnahme einer möglicherweise frühabtreibenden Medikation) womöglich tötet. Selbstverständlich kann durch die Situation extremer psychischer Belastung, der eine Frau infolge einer Vergewaltigung oft ausgesetzt ist, im Einzelfall die Schuldfähigkeit der Frau mindern, doch Abtreibung bleibt eine Todsünde und eine Abtreibung billigend in Kauf zu nehmen, indem man die „Pille danach“ nimmt (oder sie einer Frau anbietet, verabreicht, verschreibt etc.) ist nicht viel besser. Übrigens kann das Kind am allerwenigsten für seinen Vater. Wer gegen die Todesstrafe für Vergewaltiger ist, der sollte die Todesstrafe für das Kind des Vergewaltigers erst recht ablehnen.

Vergewaltigung rechtfertigt also keinesfalls, die Tötung des unschuldigen Kindes billigend in Kauf zu nehmen, wie dies bei der Einnahme der „Pille danach“ geschieht.

3. Verhütung ist nach der Lehre der Kirche ein intrinsisches Übel, d.h. sie kann nicht durch die Umstände gerechtfertigt werden. Sie ist an sich moralisch falsch. Es gibt einige orthodoxe katholische Theologen, die die Einnahme eines (nicht-frühabtreibenden) Verhütungsmittels in Extremsituationen rechtfertigen wollen, um ein größeres Übel zu verhindern. Wie auch immer es damit bestellt sein mag – im Falle einer bereits geschehenen Vergewaltigung wird durch die „Pille danach“, selbst wenn sie nicht frühabtreibend wirkt, kein „größeres Übel“ verhindert, sondern die Entstehung eines von Gott selbst geschaffenen Menschenlebens! Das ist kein Übel, sondern ein Segen, wie schrecklich die Umstände seiner Entstehung auch gewesen sein mögen.

Das geschehene große Übel, die Vergewaltigung, kann durch eine nachträgliche Verhütung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie ist unwiderruflich geschehen. Die Frage bleibt nur, was man dann aus der Situation macht. Wie gesagt, das Kind kann nichts für seinen Vater. Ich verstehe, dass Frauen nach Vergewaltigungen oft das in ihnen wachsende Leben hassen. Sie müssen es auch, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, nicht großziehen.

Aber sie dürfen es nicht töten und sie dürfen auch keine schweren Sünden (wie Verhütung) begehen, damit sich ihr belasteter psychischer Zustand dadurch bessere.

Zusammenfassung:

1. Abtreibung ist ein intrinsisches Übel, eine schwere Sünde, die niemals zulässig ist, auch nicht zur Verhinderung eines anderen Übels. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

2. Da Abtreibung nicht durch die Umstände gerechtfertigt werden kann, gilt dies auch für Kinder, die von Gott infolge dieses großen Übels Vergewaltigung geschaffen worden sind.

3. Was für Abtreibung gilt, trifft auch für Verhütung zu.

Die Einnahme der „Pille danach“ ist aus diesen drei Gründen auch in Fällen von Vergewaltigung grundsätzlich und generell abzulehnen.

Sie zu empfehlen, zu verschreiben oder zu verabreichen stellt eine Form der Kooperation oder Beihilfe zur Begehung dieser Sünde dar und ist daher ebenfalls auch in Fällen von Vergewaltigung generell und grundsätzlich abzulehnen.

Dies ändert sich auch durch die falsche Meinung der Zeitgeistbischöfe, befeuert von falsch verstandenem Mitleid mit dem tatsächlich schrecklichen Schicksal vergewaltigter Frauen, nicht. Selbst wenn ein Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben der stehenden Haltung seiner eigenen Behörde im Interesse des Zeitgeists widerspricht. Mit dem Bauch zu denken und auf Meinungsumfragen zu hören führt gerade im Feld der Sittenlehre nur allzuoft zu schrecklichen Fehlschlüssen.

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Einige Verweise zum Thema:

Offizielle Stellungnahme der Päpstlichen Akademie für das Leben zur „Pille danach“ (2000) – dürfte wohl höher zu bewerten sein als die persönliche Meinung des Präsidenten… Hier ist keine Spur von moralischem Sentimentalismus bzw. Populismus. Die Wahre Lehre wird klar und deutlich vermittelt.

German Bishops give qualified approval of morning after pill (Life Site News)

World’s Top Authority on morning-after-pill says women must be told it may cause abortions (Life Site News) – Die Studienlage ist eben unklar. Im Zweifel für das Leben.

Vatican versus Vatican (Rorate Caeli) – Verschiedene widersprüchliche Aussagen aus dem Vatikan zum Thema „Pille danach“

Vatican II at 50: German bishops OK abortifacient morning-after-pill (Rorate Caeli)

Pope Benedict: Inaction to the end? (Mundabor)

Pfarrer Oblinger und der Zeitgeistwahn

Vor ein paar Wochen schrieb ich an dieser Stelle über das seltsame Schreibverbot für Pfarrer Oblinger seitens des Bistums Augsburg. Seitdem haben viele katholische Persönlichkeiten zu diesem recht einhellig als unverständlich und falsch eingeschätzten Verbot Stellung bezogen. Beispielhaft könnte die folgende Wortmeldung des katholischen Philosophen Walter Hoeres erwähnt werden:

„Im Blick auf das Verbot, das gegenüber Pfarrer Oblinger ausgesprochen worden ist, stellt sich die Frage, ob die falsch verstandene Anpassung der katholischen Kirche an den Zeitgeist so weit geht, daß es in der Kirche nicht mehr erlaubt ist, konservative Positionen zu vertreten“

Dieser Satz fasst das wesentliche Problem mit dem Schreibverbot zusammen. Wir hinterwäldlerische, traditionstreue, reaktionäre, antimodernistische Fossilien sind nicht prinzipiell gegen Schreibverbote. Wenn jemans häretische Sauereien verbreitet, und er dies als katholischer Pfarrer tut, dann ist ein solches Schreibverbot nicht nur zulässig, sondern auch die einzig richtige Handlungsweise. Das Problem ist also nicht das Schreibverbot an sich, sondern gegen wen – oder vielmehr: gegen welche Ansichten – es sich richtet. Da wird einem Pfarrer Oblinger, immer treu zu Kirche und Lehramt, Papst und Glaube, das Schreiben in der Jungen Freiheit verboten, obwohl er nie etwas gesagt hat, was man als kirchenfeindlich, häretisch oder sonstwie verwerflich bezeichnen könnte. Pfarrer Oblinger ist nach allem was wir wissen einfach ein guter katholischer Konservativer, der in einer konservativen Wochenzeitung schreibt.

Ich sagte eben, Pfarrer Oblinger sei mit einem Schreibverbot belegt worden, obwohl er nie etwas gegen die Kirche gesagt hat. Liegt es nicht nahe zu glauben, dies sei geschehen, nicht obwohl, sondern gerade weil er nie etwas gegen die Kirche gesagt hat? Er ist lehramtstreu und scheut sich nicht die Missstände anzusprechen, die auch der Papst bei seinem Deutschlandbesuch thematisiert hat. Er spricht über die Gefahren der Verweltlichung, der Anpassung an den Zeitgeist, er redet von Glaubensmangel und das alles an einem Ort, wo er nicht nur Katholiken, sondern Konservative aller Glaubensrichtungen erreicht, nämlich in einer der größten entschieden konservativen Zeitungen des Landes.

Bischof Zdarsa mag einem Irrtum aufgesessen sein. So etwas kommt vor, und man kann es niemandem vorwerfen. Er kann von interessierten Kreisen in seiner Diözese falsch informiert worden sein. Man kann ihn getäuscht und er kann etwas falsch verstanden haben. All dieses ist normal und menschlich. Doch in diesen Situationen erkennt man dann seinen Fehler und macht ihn rückgängig. Dies ist die Grundeinsicht des Christen: Wir sind nicht vor Fehlern gefeit, aber wir sollten sie bereuen, wenn wir sie gemacht haben.

Einer wohlartikulierten Stimme eines konservativen Katholizismus das Wort abzuschneiden, ohne dies in irgendeiner Form sachlich zureichend begründen zu können, ist eine glatte Fehlentscheidung. Unter der Annahme, dass es dem Bischof um das Wohl seines Bistums geht, wäre die einzig richtige Handlungsweise die Aufhebung dieses unseligen Schreibverbots. Prof. Hoeres spekuliert in dem oben zitierten Ausschnitt, inwiefern die Anpassung an den Zeitgeist innerhalb der deutschen katholischen Kirche inzwischen dazu geführt hat, dass konservative Positionen gar nicht mehr vertreten sein dürfen.

Das ist mit der CDU ja bereits geschehen. Die CDU ist heute keine konservative Partei mehr, und den Versuch christlich zu sein hat sie spätestens in dem Moment aufgegeben, da sie sich mit der staatlich legitimierten und teilweise öffentlich finanzierten Massentötung der Unschuldigen Kinder arrangiert und sich dadurch gegen Jesus Christus auf die Seite des Herodes und seiner Günstlinge zu stellen entschied. Dass die CDU im Wesentlichen die Kaderpartei der Katholiken der Reformation darstellt, ist inzwischen wahrlich kein Geheimnis mehr. Was Verbände wie der ZdK wollen, deckt sich weitgehend mit den, was gerade in der CDU Konsens ist. Die unangemessenen Einmischungen von Partei- und Staatsfunktionären in die inneren Angelegenheiten der Kirche – Beispiel Norbert Lammert – sprechen hier eine deutliche Sprache.

Wenn nun in der CDU konservative Ideen nicht mehr akzeptabel sind, dann liegt der Schluss nahe, dass der verbandskatholische Flügel der Kirche alsbald nachziehen möchte, und das äußern katholisch-konservativer Positionen auch innerkirchlich immer stärker negativ zu sanktionieren wünscht.

Doch während der Abschied einer Partei von christlichen und konservativen Positionen, so unglücklich und schädlich dies auch für dieses Land gewesen sein mag, letztlich nur für die Ausrichtung dieser Partei Relevanz besitzt, wäre der Abschied der Kirche von christlichen und konservativen Positionen wohl nicht ohne ein Schisma zu haben. Die CDU ist nicht mit Rom verbunden und braucht auch nicht die Positionen Roms zu vertreten. Aber die Bischöfe sollten es.

Und während ein guter Katholik natürlich nicht konservativ sein muss, fällt doch auf, dass konservative Positionen sich in vielen Bereichen, besonders in der Sexual- und Familienmoral, aber nicht nur dort, mit christlichen Ansichten decken. Wie könnte die Kirche von der konservativen Position abgehen, dass alles menschliche Leben, auch das Ungeborene des Schutzes durch Recht und Gesetz bedarf? Wie könnte die Kirche die konservative Position verlassen, derzufolge die Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau bestehen kann? Die Liste ließe sich fast beliebig verändern.

Die Verbannung des Konservatismus aus der Kirche ist daher zu großen Teilen auch eine Verbannung der kirchlichen Moral aus der Kirche – und als solche durchaus erwartbar, hat sich doch die Bischofskonferenz spätestens mit der Königssteiner Erklärung 1968 auf einen passiven Widerstand gegen die Sittenlehre der Kirche festgelegt und beschränkt sich seither in diesem Bereich auf Einzelaktionen (wie wir sie von Kardinal Meisner zuweilen erleben dürfen) und emotional gefärbte Leerfloskeln im besten Fall, während sie zugleich zulässt, dass auf Gemeindeebene aus diesem passiven Widerstand ein aktiver Abwehrkampf gegen eine christliche Moral wird.

Insofern steht dieses Schreibverbot gegen den hochwürdigen Pfarrer Georg Alois Oblinger in einer unheilvollen Tradition der Abkehr von christlichem Glauben und christlicher Sittenlehre inmitten der katholischen Bistümer der Bundesrepublik Deutschland.

Man fragt sich nur, ob die dafür verantwortlichen Leute überhaupt noch ohne Schamesröte in den Spiegel schauen können, wenn sie mal wieder gegen die angeblich illiberale, autoritäre Kirche hetzen, die ja alles verbietet und nur noch eine Drohbotschaft verbreite.

Immer drängender stellt sich die Frage, welchem Geist wir folgen wollen: Dem unheiligen Zeitgeist oder dem Heiligen Geist Gottes. Die Antworten des Papstes und des Pfarrers Oblinger waren so klar wie identisch: Wir folgen dem Heiligen Geist und seiner Kirche. Die Antwort des Bistums Augsburg ist nach einigen Wochen Schreibverbot auch ziemlich klar: Sie folgen dem Zeitgeist und demjenigen, der in seiner Rolle als Fürst dieser Welt für die Schaffung der Zeitgeister aller Zeiten verantwortlich zeichnet.

P.S: Ich möchte noch einmal diese wunderbar treffende Kolumne von Pfarrer Oblinger empfehlen, die dieser einige Wochen vor seinem Schreibverbot in der Jungen Freiheit veröffentlicht hat. Er kritisiert dabei das Ziel einiger innerkirchlicher Kreise, eine „protestantische, priesterlose Kirche“ zu schaffen. Ich frage mich, wem er mit Artikeln wie diesem wohl zu nahe getreten sein könnte…

Ein interessantes Interview mit Norbert Bolz

In Christ und Welt befindet sich ein interessantes Interview mit dem Religionswissenschaftlers und Medientheoretiker Norbert Bolz über die „neue Macht des Unzeitgemäßen“, wie es der Untertitel des Interviews ausdrückt.

Hier der Artikel und mein Kommentar in rot dazu.

Christ & Welt: Sind die Piusbrüder die Vergangenheit oder die Zukunft der katholischen Kirche?
Norbert Bolz: Sie sind beides. In ihrem Dogmatismus und Traditionalismus wird der Urtext des Christentums (Ja, dies ist der „Urtext“, nicht ein angeblich dogmenloses, von Wahrheitsansprüchen und „intoleranter Exklusivität“ freies Urchristentum, wie heute immer gern behauptet wird) sichtbar, von dem sich die Kirche mit den Jahrhunderten immer weiter entfernt hat. Oft wird heute vergessen, dass das Dogma ein identitätsstiftender Teil des Katholizismus ist. Der Papst will daran erinnern und ihn stärken.

C & W: Indem er die Piusbrüder umschmeichelt und liberale Katholiken wie Hans Küng oder die südamerikanischen Befreiungstheologen mit Nichtachtung straft? (Wie nicht anders zu erwarten ist man bei Christ und Welt so fanatisch und ideologisiert, dass man nicht einmal halbwegs neutrale Fragen stellen kann. Dieser Trend wird sich im Verlauf des Interviews noch fortsetzen. Glücklicherweise steht Bolz über der primitiven Stimmungsmache des für das Interview Verantwortlichen)
Bolz: Indem er zwischen den beiden Extremen vermittelt, das ist die große dialektische Aufgabe, die sich dieser Papst gestellt hat: einerseits eine in einer modernen Gesellschaft überlebensfähige Kirche zu gestalten und andererseits das zu stärken, was das Christentum dogmatisch zum Christentum macht. („Hermeneutik der Kontinuität“?)

C & W: Warum redet er mit den Piusbrüdern, mit den Küngs dieser Welt aber nicht?
Bolz: Warum sollte er? (Volltreffer!) Diese Seite des Katholizismus ist nicht kontrovers, sondern Mainstream. Küng ist der Liebling von Massen und Medien. Der Liberalismus hat kein Imageproblem. Die andere, die reaktionäre Seite ist die problematischere. Sie zurückzuholen in die offizielle Welt der katholischen Kirche ist schwieriger. Aber das ist das Wesen des Katholizismus, so wie ihn Benedikt versteht, eine Einheit im Angesicht der Widersprüche zu schaffen. (Damit könnte Bolz zwar im Recht sein – vermutlich ist das das Anliegen des Heiligen Vaters, doch eine Einheit zwischen Liberalisten und traditionellen Katholiken kann es langfristig nicht geben, ohne dass die Liberalisten ihre oft von der Kirche verurteilten Irrlehren ablegen und sich bekehren. Eine Kirche mit Hans Küng und Bischof Fellay in einem Boot ist undenkbar. Vielleicht als temporäre Allianz, aber nicht als erstrebenswerter Normalzustand.)

C & W: Küng mag Mainstream sein mittlerweile, aber die Befreiungstheologie ist es nicht. Nach ihrer großen Zeit in den Siebzigern führt sie ein Schattendasein. Grund genug, sie heim in den Schoß der Kirche zu holen? (Christ und Welt ist anempfohlen, mit dem Gequengel aufzuhören und Fragen zu stellen. Die Befreiungstheologie ist häretisch. Doch Bolz versenkt auch diese Steilvorlage:)
Bolz: Die Befreiungstheologie hat ihre besten Tage hinter sich. Eine politische Kirche in ihrem Sinne ist heute genauso wenig ernst zu nehmen wie ihre Protagonisten. (Noch ein Volltreffer!) Sie ergeht sich im Revolutionspathos, das im Angesicht einer Diktatur sinnvoll sein mag, aber heute, wo es kaum mehr Diktaturen gibt (noch nicht wieder? Zumindest Europa driftet rapide auf eine Diktatur der Bürokraten unter einer dünnen Decke scheindemokratischer Legitimität zu.), doch sentimental und naiv wirkt. Das katholische Integrationsinteresse des Papstes liegt deshalb mehr auf der Reaktion als auf der Revolution. Dumm ist das nicht. (Selbst seine Gegner gestehen dem Heiligen Vater generell zu, dass er nicht dumm ist. Das ist mehr, als man über Küng und andere Modernisten sagen kann.)

C & W: Es ist also besser, ein Reaktionär zu sein als ein Gutmensch? (Man hört die Frustration des Interviewführers richtig heraus!)

Bolz: Sagen wir mal so: Der Papst wäre schlecht beraten, auf einmal zum Gutmenschen zu werden. Aber da sehe ich auch keine Gefahr.

C & W: Mit der Hinwendung zum Dogma frustriert der Papst aber viele Laien. Mit Ansprachen wie der von der Entweltlichung der Kirche predigt er langfristig die Kirchen leer. (Noch eine Steilvorlage von C&W, noch ein Tor von Bolz. 3:0!)
Bolz: Das muss nicht so sein. Die Frustration der Laien ist nur die eine Seite der Medaille. (Man sollte hinzufügen: Die Frustration eines Teils der westeuropäischen und nordamerikanischen Laien) Auf der anderen steht eine wachsende Sehnsucht vieler Menschen nach Strenge, Tradition, Liturgie und dogmatischer Festigkeit. (Genau so ist es!) Benedikts Hinwendung zum Dogma ist nicht unbedingt ein Weg ins gesellschaftliche Abseits (die Fußballanalogien…), vielmehr gibt er seiner Kirche durch die Macht der Unzeitgemäßheit möglicherweise eine neue Relevanz. (Man kann, wie ich gebetsmühlenartig auf diesem Blog wiederhole, eben nur relevant werden, wenn man zuvor irrelevant war. Wer krampfhaft versucht relevant zu sein, für den interessiert sich niemand – er ist und bleibt Mitläufer. Nur wer sich dem Zeitgeist entgegen stellt kann, wenn er Erfolg hat, den Zeitgeist ändern und als Stifter eines neuen Zeitgeists relevant sein.)

C & W: Ob dadurch die Kirchen voller werden, ist aber doch eher fraglich. (Ja, das ist es. Und das ist vollkommen irrelevant. Die Kirche kann mit elf Priestern und einem Teil der Stadtbevölkerung Jerusalems überleben, wie wir wissen, solange ihre Mitglieder heiliggemäß leben und ihren Missionsauftrag ernst nehmen.)
Bolz: Die evangelischen Kirchen sind aber auch leer. (Nebenbei: Tor! Toooooor! Jetzt schon 4:0. Kantersieg für BOOOOOOLLLLZZZZZ!!!!) Im Falle des Protestantismus sieht man, in welche Sackgasse der Weg einer radikalen Anpassung an den Zeitgeist führt. Die katholische Kirche dagegen spielt bewusst mit der Dialektik des Unzeitgemäßen. Diese Halsstarrigkeit im Namen Gottes(Bolz versteht etwas von des Formulierens Kunst) hat einen auratischen Effekt, den man nicht unterschätzen sollte.

C & W: Die Kirchen müssen also erst mal richtig leer werden, damit sie irgendwann wieder voll werden können? (Unvorstellbar, liebe Relevanzapostel?)
Bolz: So sieht es der Papst, und ich halte dieses Kalkül nicht für unrealistisch. Benedikt ist der erste Pontifex, der den Mut hat auszusprechen, was alle wissen: Die Kirche muss mit ihrem Schrumpfen leben. (Noch ein Treffer. Aus spitzem Winkel ins Eck gezwirbelt. 5:0!) Deshalb sagt er, dass kleiner zu werden auch heißen kann, wendiger und lebendiger zu werden. (Das weiß jeder Gärtner.) Im Prozess des Gesundschrumpfens verschwindet, so die Theorie, die Langeweile, die mit dem Entstehen einer Orthodoxie automatisch in eine Organisation sickert. Zum Vorschein kommt die Lehre selbst. (Stellt Bolz hier Orthodoxie und Lehre der Kirche gegeneinander? Nicht die Orthodoxie ist das Problem, sondern die bürokratische Starre eines festen Apparats, der kein Interesse mehr am wahren Glauben, an der Orthodoxie hat. Leider ein krasser Abwehrfehler – eine riesige Chance für Christ und Welt auf 1:5 zu verkürzen. Mal sehen, was sie daraus machen:)

C & W: Und damit der Urtext und die Piusbrüder. (Sie vergeigen das Ding! Außennetz! Es bleibt beim 5:0. Schneller Abschlag vom FC Bolz, Bolz läuft frei aufs Tor zu….)
Bolz: So ist es. (Toooooorrrr!!!! 6:0)

C & W: Die Piusbrüder stehen aber, vom Holocaust-Leugner Williamson einmal ganz abgesehen, auch für eine jahrhundertealte Tradition des Antisemitismus in der katholischen Kirche. (Ein taktisches Foul vom FC Christ und Welt 1968. Wissen die überhaupt, was Antisemitismus bedeutet? Wenn man von Williamson absieht, lehrt die Piusbruderschaft, dass die Juden sich bekehren sollen. Der Papst schwächt diese These derzeit gern etwas ab. In diese Debatte möchte ich hier gar nicht einsteigen. Unabhängig davon ist aber der Aufruf sich zu bekehren, definitiv kein Antisemitismus, sondern entstammt aus tiefer Freundschaft gegenüber den Juden: Außerhalb der Kirche ist kein Heil – wenn wir also die Juden wirklich lieben, dann werden wir sie zurück in die Kirche holen wollen, ihnen also den wahren Glauben an den Messias und Gottessohn Jesus Christus bringen. Was ist daran antisemitisch, außerhalb der fiebrigen Vorstellungskraft dogmatischer Katholikenhasser?)
Bolz: Und da darf es auch für den Papst keine Zugeständnisse geben. (Wenn es um wirklichen Antisemitismus geht, hat Bolz Recht. Wir sind keine Antisemiten und wollen auch keine haben. Das heißt: Williamsons Äußerungen sind unsinnig, historisch falsch und eine Distanzierung von ihnen ist erforderlich. Sie hat aber auch stattgefunden. Wo ist das Problem?) Auch in der katholischen Kirche muss ein Minimum an Pragmatismus und Realitätsgerechtigkeit gelten. Gerade beim Thema Antisemitismus dürfen rein dogmatische und theologische Überlegungen nicht ausschlaggebend sein. (Doch, das müssen sie sogar. Denn dogmatische und theologische Erwägungen sind es, die uns die besten Argumente gegen den wahren Antisemitismus in die Hand geben. Gegen Ende der 2. Halbzeit scheint Bolz zu schwächeln…)  Man kann hier die Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht ausklammern. (Der Historizismus, dass also der Glaube zeitabhängig sei, ist ein Kernelement der modernistischen Irrlehre. Der Glaube verändert sich nicht durch das eine oder andere historische Ereignis. Im Gegenteil: Auschwitz hat uns mehr als deutlich gezeigt, dass alle Menschen der Bekehrung bedürfen und sowohl die Erbsünde als auch die Existenz des übernatürlichen Bösen, des Satans, Erfahrungstatsachen sind. Den Glauben an die „historischen Ereignisse“ anzupassen kann nicht statthaft sein. Glücklicherweise ist die Forderung nach der Bekehrung der Juden genausowenig antisemitisch wie die Forderung nach der Bekehrung der Deutschen deutschenfeindlich, oder nach der Bekehrung der Japaner japanerfeindlich wäre. ) Insoweit war es notwendig, wenn auch etwas spät, dass sich der Papst wie die Piusbrüder von den Holocaust-Leugnungen des Pater Williamson öffentlich distanziert haben. (Spät? Die Kirche hat nie den Holocaust geleugnet. Niemand, der nicht mit einer hinterhältigen Boshaftigkeit an die ganze Affäre herangegangen ist, kann ernsthaft geglaubt haben, die Kirche leugne den Holocaust. Christ und Welt war unfähig ein Tor zu schießen, doch jetzt haut Bolz sich die Dinger schon selber rein.) Andernfalls hätte gerade für einen deutschen und dazu noch traditionalistischen Papst (Papst Benedikt mag viel sein, aber er ist kein Traditionalist. Er sympathisiert sicher mit vielen ihrer Anliegen, aber er ist kein Traditionalist.) die Gefahr bestanden, mit den Ansichten Williamsons identifiziert zu werden. (Natürlich doch! So ein gutes Interview – und jetzt das! Klar, jeder gerecht denkende Mensch hätte Benedikt für einen Holocaustleugner gehalten, weil er deutsch, katholisch, und nicht feindlich genug gegenüber der Piusbruderschaft ist. Diese widerliche Sippenhaft, von den Nazis eingeführt und von den Aposteln der Politischen Korrektheit wie so vieles direkt aus dieser dunklen Zeit übernommen, vergiftet jedes sinnvolle Gespräch.)

C & W: Aber er wurde es anfänglich durch sein Schweigen. Johannes Paul II. wäre dieser Fehler nicht passiert. (Nein. Er hätte sich einfach an den Zeitgeist angeschmiegt und die Piusbrüder wie einst die Leprakranken behandelt. Nie hätte er eine Exkommunikation aufgehoben oder die Tridentinische Messe freigegeben. Lieber sah er leicht bekleideten liturgischen Tänzerinnen bei ihrem Treiben zu und lächelte huldvoll. Er war nach allen Berichten ein Mann von großer persönlicher Heiligkeit, nicht mehr und nicht weniger. Aber sicher nicht der größte Papst des 20. Jahrhunderts.)
Bolz: Nein, Johannes Paul hatte ein glücklicheres, weil spielerisches Händchen im Umgang mit den Medien – vielleicht ein Nebeneffekt der Ausbildung zum Schauspieler in der Jugend. (In den Medien wird man auf jede klare Aussage im Widerspruch gegen den Zeitgeist sofort festgenagelt. Die wichtige Frage des Lebensrechts einmal ausgenommen, hat sich das Pontifikat Johannes Pauls II. nicht gerade durch eine energische Verkündigung der kontroversen Aspekte des Glaubens ausgzeichnet. Ein Medienpapst eben.) Wobei sich generell die Frage stellt, ob die katholische Kirche sich überhaupt den medialen Imperativen der Moderne anpassen muss. (Bolz hat sich wieder gefangen und einen Konter gesetzt. FC Christ und Welt 1968 liegt nun schon 1:6 zurück, siebenfacher Torschütze ist Norbert Bolz.)

C & W: Das wird so manchem Bistumspressesprecher aber die Schweißperlen auf die Stirn treiben.
Bolz: Es wird den Umgang mit Skandal in der katholischen Kirche jedenfalls nicht leichter machen. Aber eine Hoffnung gibt es für den schwitzenden Pressesprecher.

C & W: Und die wäre?
Bolz: Unter dem nächsten Papst könnte alles wieder ganz anders sein. (Ja, das wäre theoretisch möglich. Aber noch ein Pontifikat des Stillstands und des huldvoll in Kameras Lächelns bei gleichzeitigem systematischen Kampf gegen den Katholizismus auf Gemeindeebene würde die Kirche in Europa nicht überleben. Sehen wir es positiv: Der nächste Papst, Pius XIII., wird endlich systematisch gegen Häresien und Liturgiemissbräuche vorgehen, und am Tag nach seiner Inthronisierung die Tridentinische Messe im Petersdom zelebrieren. Auch dann wäre unter dem nächsten Papst alles anders als unter dem vorigen. Doch der Schweiß auf der Stirn der Verbandskatholiken würde sich wundersam vermehren.)

Norbert Bolz, ein Mann der Einsichten in die Strategie des Heiligen Vaters, ist relativ fair zu allen Seiten, was man wie erwartet von den Zeitgeistgläubigen bei Christ und Welt nicht sagen kann. Dennoch entpuppt Bolz sich in einigen seiner Antworten eher als Relativist – immerhin ist er als Religionswissenschaftler nach dem Selbstverständnis dieser Disziplin auch zur Neutralität gegenüber allen Religionen verpflichtet. An manchen Stellen, wie etwa dem Antisemitismus, erkennt man aber, dass selbst Bolz nicht fähig ist, sich von allen Zeitgeistklischees („Bekehrung der Juden“ = „Antisemitismus“) zu lösen.

Trotzdem: Ein sehr schönes Interview, und ein Kantersieg des FC Bolz gegen den FC Christ und Welt 1968.

Nachtrag: Eine Stellungnahme des Distriktoberen der Piusbruderschaft in Deutschland, Pater Schmidberger, zu der Antisemitismuskontroverse findet sich hier.

Wer hat das Kirchensteuer in der Hand?

Nach dem Papstbesuch geht nun die Schlacht um die korrekte Interpretation seiner Worte los. Erzbischof Zollitsch hat, laut kath.net, behauptet, der Papst habe nichts gegen die Kirchensteuer einzuwenden. Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich den Erzbischof von Freiburg schon früher öfters kritisiert habe. Und auch diesmal komme ich nicht umhin, dem Erzbischof mitzuteilen, dass der Papst ganz sicher nicht der Auffassung ist, das deutsche Kirchenfinanzierungsmodell sei wunderbar und nicht reformbedürftig.

Ob es uns gefällt oder nicht, die faktische Entscheidungsmacht trägt derjenige, der das Geld in der Hand hat. Fast 90% der Katholiken in Deutschland sind, gemessen am Kirchenbesuch schlicht kirchenfern, aber sie sind für die überwältigende Mehrheit der Kirchensteuersumme verantwortlich. Das bedeutet: In Deutschland lebt die Kirche größtenteils vom Geld derjenigen, die nicht viel von der Kirche halten, die sie lieber als Zeitgeistreligion neu erfinden möchten, die wollen, dass die Kirche ihnen nach dem Mund redet, statt sie mit der Wahrheit herauszufordern.

Entweder das, oder sie sind einfach apathisch und befassen sich mit dem Thema Kirche und Glaube überhaupt nicht mehr.

Doch wenn etwa 90% des Kirchensteueraufkommens von kirchenfernen Katholiken stammt, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass dieses Geld größtenteils fortfiele, wenn die Zwangssteuer abgeschafft wird. Die nun von der Kirchensteuer befreiten kirchenfernen Katholiken wären mehrheitlich nicht an freiwilligen Spenden interessiert, und selbst wenn, so wäre die Hauptbegünstigte sicher nicht die Kirche, sondern diverse säkulare Hilfsorganisationen, die in der Gunst der Mehrheit stehen.

Es ist also nicht zu übersehen, dass der Lebensstil der heutigen Hauptamtlichen (und auch der geweihten Priester) massiv bedroht wäre, sobald die Kirchensteuer abgeschafft würde. Ebenso müssten auch die ganzen „karitativen“ Gruppen (deren katholisches Profil entweder ziemlich blass ist oder ganz geleugnet wird) kürzer treten. Die Kirche müsste sich wieder auf ihr Kerngeschäft beschränken, überschüssiges Personal abbauen, das derzeit noch mit der endlosen Produktion von Dokumenten und Gremiensitzungen beschäftigt gehalten werden kann, sich radikal entbürokratisieren und verschlanken. Vielleicht wäre es sogar wieder möglich, eine Kirche zu erreichen, die sich weniger an Umfragen ausrichtet als am Evangelium (doch das wäre wohl arg utopisch).

Wenn der Papst von Ent-Weltlichung spricht, davon, dass die Kirche sich weniger weltlichen Besitztümern verpflichtet wissen müsse, dann hat er vollkommen Recht. In dieser Hinsicht können wir von den Katholiken anderer Kontinente sehr viel lernen. Doch nicht nur exzessive Besitztümer charakterisieren die Welt, sondern auch eine ganz gewisse Mentalität, die ich schon oft an dieser Stelle mit dem Begriff „Zeitgeist“ charakterisiert habe, eine Mentalität, der neuesten Mode hinterherzulaufen, weil sie neu ist, nicht weil sie wahr und gut ist. Sowohl Besitztümer, Reichtümer, die finanzielle Basis der Kirche, als auch ihre Verwurzelung im bequemen Chefsessel der höflichen Gesellschaft mit ihren kleinen politisch korrekten Dogmen und Orthodoxien müssen dringend erschüttert werden.

Dies ruft den Widerstand der Hüter des Status Quo auf den Plan – welche sich natürlich als „fortschrittlich“ sehen, während sie zugleich jede wirkliche Reform eifrig blockieren. Die Hüter des Jetztzustands sehen sich selbst immer als fortschrittlich, weil sie glauben, dass die Geschichte in ihre Richtung läuft. Wahre Revolutionäre sind immer unbeliebt, nicht respektabel, und werden von der Mehrheit und Elite immer belächelt, wenn nicht verachtet oder zuweilen gar verfolgt. Wahre Revolutionäre sind anfangs immer unpopulär und in der höflichen Gesellschaft inakzeptabel – bis ihre Ideen Verbreitung gefunden haben, bis sie sich durchgesetzt haben. Erst dann werden sie respektabel.

Das ist der Weg jeder friedlichen Revolution in der Weltgeschichte – erst unpopulär, belächelt, verfolgt, dann mehr und mehr akzeptabel, dann selbstverständlich. Nicht umgekehrt. Wer dem Zeitgeist hinterhereilt, der wird ihn niemals einholen, er wird immer hinter der Zeit sein, er wird immer unmodern bleiben. Nur wer unabhängig vom Zeitgeist und den Ansichten von Mehrheit und Elite mit Überzeugung die Wahrheit spricht, der kann vielleicht überzeugen. Und dann wird er (im nachhinein) als Reformer oder Revolutionär gesehen.

Heute halten die meisten Menschen die Ideen der Französischen Revolution für gut, richtig und selbstverständlich. Doch das war nur möglich, weil die Revolutionäre von 1789 eben NICHT sich dem herrschenden System von Adel, Privilegien, Königtum und Kirche angepasst haben. Sie sind nicht dem Zeitgeist hinterher gelaufen, also konnten sie einen neuen Zeitgeist schaffen, dem dann die ANDEREN hinterherzueilen unternahmen.

Dasselbe gilt auch für die 1968er. „Freie Liebe“ und all die anderen Parolen waren 1968 noch längst nicht akzeptabel. Sie richteten sich gegen den damaligen bürgerlichen Zeitgeist, und konnten so einen neuen Zeitgeist schaffen, hinter dem heute die Bürgerlichen herlaufen, ohne ihn jemals einzuholen.

Egal was man von den Zielen der Revolution oder ihren zuweilen unmoralischen Methoden halten mag – und ich halte nicht viel von beiden – sie konnten nur Erfolg haben, weil sie sich widerborstig dem Zeitgeist entgegengestellt haben, um einen neuen Zeitgeist zu schaffen.

Von dieser Methode kann man lernen.

Die Kirche kann nur dann wieder gesellschaftlich relevant werden, wenn sie der Gesellschaft eine Alternative zum derzeitigen besinnungslosen Wettlauf um Geld, Macht, Spaß und Sex entgegenstellt. Und dann werden die von den leeren Versprechen der Welt Enttäuschten einen Zufluchtsort haben, an dem sie eine Heimat finden können.

Um aber dieses Niveau an Unabhängigkeit gegenüber der Welt zu erreichen, darf die Kirche keinerlei Verquickungen mit einem Staat haben, der mehr und mehr zum Knecht der radikalen Elemente des Säkularismus wird. Ebenso darf sie nicht von den Bevölkerungsschichten abhängen, die letztlich keine Loyalität zur katholischen Kirche haben, sondern nur zu einem verweltlichten Idealbild ihrer medial angeheizten Vorstellungskraft. Nur eine unabhängige Kirche kann die Welt verändern, und nur eine entweltlichte Kirche kann unabhängig sein.

Doch wie soll sich die Kirche in Deutschland entweltlichen, solange sie finanziell am Tropf der vollkommen verweltlichten Mehrheit hängt?

Erzbischof Zollitsch realisiert das wahrscheinlich auch – dumm ist er ja nicht. Das lässt dann allerdings sein Verhalten in einem anderen, weniger positiven, Licht erscheinen.

Viel Glück – zuviel Glück

„Im Moment kommen die Spannungen in unserer Kirche vor allem daher, dass vor allem konservativ orientierte Strömungen und Gruppen glauben, im Hinblick auf die Sozialgestalt der Kirche, ihr Leben und ihre Ausformungen, bestimmen zu können, was katholisch ist, was kirchlich ist und was außerhalb steht und dann ausgegrenzt wird.“

Soweit der Vorsitzende des Zentralsowjets der deutschen Katholiken. Lassen Sie uns dies ein wenig genauer analysieren:

1. „Unsere Kirche“? Wer sind „wir“? Spricht Herr Glück von sich und Jesus? Von sich allein im majestätischen Plural? Von sich und den anderen Mitgliedern des obersten Sowjets des deutschen National- und Gremienkatholizismus? Es bleibt offen. Nicht sprechen tut er jedenfalls von der Kirche Christi, der katholischen Kirche. Denn sie ist nicht „unsere“ Kirche.

2. Herr Glück beklagt sich bitterlich, dass „konservativ orientierte Strömungen“ bestimmen was katholisch ist und was nicht. Aber „konservativ“ heißt auf Bewahrung ausgerichtet. Und natürlich werden in einer Gesellschaft, die nur das Neue als gut und richtig anzusehen befähigt ist, alle, die die Tradition bewahren wollen, als „konservativ“ gesehen. Doch im Falle der Kirche sind es nicht die üblicherweise dämonisierten „Konservativen“, die bestimmen was katholisch ist, sondern das Lehramt der Kirche, die Päpste über die vielen Jahrhunderte, mit einem Wort: die Überlieferung, die von Jesus über die Apostel bis heute in apostolischer Sukzession erhalten ist Und wer, wie Herrn Glücks Zentralsowjet, wesentliche Teile dieses Lehramtes dem herrschenden provinziell-deutschnationalen Korpsgeist der Gremieneliten opfern will, der ist halt der Natur der Sache nach nicht in Einheit mit Rom. Ubi Petrus, ibi ecclesia.

3. Und was das böse „ausgrenzen“ betrifft, wie seine kleine Schwester die „Diskriminierung“, nun pauschal „Ausgrenzen“ abzulehnen bedeutet die Notwendigkeit der Grenzen zu leugnen. Doch wenn es tatsächlich so etwas wie Wahrheit gibt, dann gibt es notwendig auch so etwas wie Irrtum (nämlich das der Wahrheit widersprechende) – Grundkurs Logik. Doch es liegt am Grunde jedes Christentums, von objektiver Wahrheit überzeugt zu sein – Jesus IST sogar die Wahrheit. Kein Christentum ohne objektive Wahrheit. Keine objektive Wahrheit ohne objektiven Irrtum. Und wenn es sowohl Wahrheit als auch Irrtum gibt, und, wie im Katholizismus, eine Instanz existiert, die Wahrheit von Irrtum scheidet, abgrenzt, dann gibt es nun einmal logisch unausweichlich auch Ausgrenzung – und zwar Ausgrenzung derjenigen, die sich nicht in der Wahrheit, sondern im Irrtum befinden. Dasselbe gilt für Diskriminierung – discriminare bedeutet unterscheiden. Die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum ist notwendig, also wird Irrtum diskriminiert, wann immer die Wahrheit auch nur gesagt wird (wie der Papst es zuweilen zu tun pflegt, und in seinem Gefolge die romtreuen Katholiken, die den werten Herrn Glück so nerven).

Herr Glück wettert hier also nicht gegen die bösen Ausgrenzer, sondern gegen die Lehre der Kirche, die die Ausgrenzer gegen den Widerstand einiger Neo-Reformatoren mit radikal säkularisierten Taufscheinchristen als williger, weil desinteressierter, Basis, ablehnen. Die Kirche wird eben immer ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.

Das ganze ist besonders ironisch, wenn man betrachtet, dass Herr Glück in der CSU ist, die sich selbst als christliche Partei versteht (auch wenn man das von ihrer Politik eigentlich nicht behaupten kann). Warum will Herr Glück durch radikale Anpassung an den Geist der Zeit die Kirche zu einem reinen überflüssigen Sozialverein degradieren, getrennt von Rom, getrennt von der Wahrheit, getrennt vom Papst, getrennt von der Tradition der Kirche, und damit letztlich auch getrennt von Gott? So etwas gibt es ja schon und nennt sich „evangelische Kirche“.

Die katholische Kirche in Deutschland hat derzeit einfach Glück – zuviel Glück. Im Geiste der Ökumene und des interreligiösen Dialogs möchte ich unseren FreundInnen und Freund/innen von der evangelisch-lutheranischen Schwester- und Brüdervolkskirche Herrn Alois Glück als Konvertiten empfehlen.

Catocon fordert daher: Weniger Glück – mehr Benedikt!