Tradi-Ökumene

Seit Monaten, wenn nicht gar Jahren, kündigt sich dieses Ereignis schon an. Jetzt ist es geschehen – Bischof Williamson ist aus der Piusbruderschaft ausgeschlossen worden, wie man in diesem Kommuniqué des Generalhauses der Bruderschaft nachlesen kann. Ein notorischer Quertreiber, der große Schwierigkeiten mit dem Gehorsam hat, der direkte Anordnungen seines legitimen Oberen nicht befolgt, selbst wenn diese überhaupt nicht im Widerspruch zu Glaube oder Sittenlehre stehen, ist ein großes Problem für jede kirchliche Vereinigung.

Für eine Gruppe wie die Piusbruderschaft, die unter Bischof Fellay den ernsthaften Versuch unternimmt, Widerstand bis zum Ungehorsam gegen die als grenzwertig modernistisch empfundenen Neuerungen des Konzils zu leisten, ohne dadurch einen Bruch mit Rom zu vollziehen, ist so jemand umso schlimmer. In diesem Sinne ist es gut, dass Williamson nun ausgeschlossen worden ist.

Was jetzt passieren wird, ist noch unklar. Williamson und einige (wenige) andere Fellay-Gegner werden vielleicht eine eigene Gruppe eröffnen, vielleicht auch als unabhängige Traditionalisten durch die Welt geistern, und den Abfall der Piusbruderschaft von der Tradition verkünden. Vermutlich wird die Piusbruderschaft sich in Zukunft stärker gegen „williamsonistische“ Strömungen abgrenzen. Ebenso haben sich andere traditionell-katholische Gruppen wie die Petrusbrüder lange von der Piusbruderschaft abgegrenzt, weil diesen – anders als jenen – die kirchenrechtliche Legitimation fehlt.

Trotz wachsender Priesterzahlen und steigender Tendenz bei den Messorten und Messzentren sind die verschiedenen traditionellen bis traditionalistischen Gruppierungen ineffektiv und zum langsamen Tod verurteilt, wenn sie sich immer weiter zersplittern. Wenn wirklich eine Aussicht bestehen soll, der Tradition in Messe, Spiritualität, Theologie usw. wahres Heimatrecht in der Kirche zu verschaffen, auch in der alltäglichen Gemeindepraxis, dann wird das nur funktionieren, wenn die Anhänger der katholischen Tradition entschlossen und einheitlich dafür kämpfen, oder doch zumindest „getrennt marschieren und vereint schlagen“.

Sicher gibt es entscheidende Differenzen zwischen WIlliamson, Fellay, der Petrusbruderschaft und Traditionstreuen, die anderen Gruppierungen angehören, oder innerhalb der diözesanen Strukturen ihren allzu oft vergessenen und einsamen Kampf gegen Banalisierung und Beliebigkeit führen. Williamsons absurde historische Theorie über den Holocaust, die kirchenrechtliche Stellung der FSSPX, die Tatsache, dass einige Petrusbrüder bereit sind, unter bestimmten Umständen den Novus Ordo zu zelebrieren, und die Tatsache, dass die in diözesanen Strukturen tätigen Traditionstreuen dies fast immer tun müssen – all diese Differenzen und viele mehr sollten wir nicht vergessen.

Doch haben wir nicht alle den gleichen Glauben? Gehören wir nicht alle zur gleichen Kirche (weder Williamson noch die FSSPX sind exkommuniziert)? Wäre es nicht besser, wenn alle traditionstreuen Kräfte koordiniert für ihre gemeinsamen Ziele streiten würden, statt ihre Kräfte darauf zu verschleudern, sich praktisch gegenseitig zu exkommunizieren? Die modernistische Strategie ist divide et impera – teile und herrsche. Bisher haben sie Erfolg, weil die Traditionalisten sich teilen, spalten lassen.

Traditionelle Katholiken legen zurecht großen Wert auf die Reinheit der kirchlichen Lehre und Überlieferung, und verweigern Kompromisse, um diese Reinheit nicht zu kompromittieren. Aber in welchen Glaubenssätzen, in welcher Theologie des Messopfers, um nur ein Beispiel zu nennen, unterscheiden sich die Pius- und Petrusbrüder? Ja, ich weiß, die Piusbrüder haben eine irreguläre kirchenrechtliche Stellung, und das ist ein Problem. Doch es ist kein unübersteigbares Problem. Niemand verlangt von den Petrusbrüdern, dass sie den Messbesuch in Pius-Kapellen empfehlen (und umgekehrt). Niemand verlangt von Williamson, dass er sich mit Fellay versöhnt und seine Differenzen inhaltlicher Natur vergisst. Niemand verlangt von den Piusbrüdern, dass sie so tun sollen, als hätte Bischof Williamson sich nicht absolut unerträglich verhalten, und die legitime Autorität des Generaloberen mit Füßen getreten.

Ich fürchte, dass diese Differenzen, diese internen Grabenkämpfe innerhalb der traditionellen katholischen Gemeinschaften, die volle Wiederverankerung der Tradition in lehramtlicher Theologie und pastoraler Praxis, im alltäglichen Leben der Gemeinden, verhindern werden. Ich fürchte, dass in Zukunft jede Äußerung von Williamson aus der FSSPX ebenso negativ kommentiert werden wird, wie es seit langem zwischen Pius- und Petrusbrüdern geschieht. Die einen sind Schismatiker und die anderen haben die Tradition an die Modernisten verkauft. Was für ein Unsinn! Sie alle sind Anhänger der einen, unteilbaren katholischen Tradition, und was sie auch trennen mag, es eint sie ein und derselbe Glaube, die Anhänglichkeit an denselben Papst, und die Feier derselben Sakramente.

Alle, die in Glaube, Papsttum und Sakramenten untereinander geeint sind, und für die Restituition der Tradition in der Kirche eintreten, sollten den Wert etwas ganz pragmatischer, ganz undogmatischer Ökumene lernen. Das mag für traditionalistische Ohren provokativ klingen und ist es vermutlich auch. Doch es geht nicht um dogmatische Kompromisse, sondern um pragmatische Zusammenarbeit.

Mit Zähnen und Klauen verteidigen die verschiedenen Gruppen die katholische Tradition und arbeiten unermüdlich an ihrer Wiederherstellung, wo immer sie beschädigt worden ist. Doch was wäre, wenn sie es schafften, zusammenzuarbeiten? Was wäre, wenn sie nicht mehr ihre Energien darauf verschwendeten, jedem haarklein darzulegen, warum der Traditionalist von Nebenan kein WAHRER Traditionalist ist – sondern ein Schismatiker, oder ein verborgener Modernist?

Vielleicht könnte die Verankerung der Tradition schon viel weiter sein, wenn wir das Feuer unserer Argumente und unserer Tatkraft allein auf die echten Feinde der Tradition – die Neoreformatoren und Modernisten – richten würden.

Wenn die Traditionalisten Erfolg haben wollen, dann müssen sie aufgrund unterschiedlicher Schwerpunkte und Überzeugungen in vielen Einzelfragen vermutlich getrennt marschieren, aber sie müssen auch (aufgrund fundamentaler Einigkeit im Glauben und in den Sakramenten) vereint schlagen. Und das bedeutet: Sie müssen etwas Tradi-Ökumene betreiben. Vielleicht einige inter-traditionalistische Gebetstreffen abhalten, wenn auch sicher nicht in Assisi…

Wahrscheinlich wird die FSSPX jetzt keine Gelegenheit versäumen, um sich von Williamsons Getreuen abzugrenzen – und umgekehrt – so wie es seit Jahren zwischen FSSPX und FSSP geht. Ich habe keine große Hoffnung, dass es diesmal anders laufen wird als sonst.

Während wir uns in internen Scheingefechten zerfleischen, brennt die Kirche, unsere Mutter. Wer würde nicht der Mutter helfen, wenn sie brennt, weil er sich lieber mit seinem Bruder über Details streitet? Nein, alle Brüder, die sich der Tradition verbunden fühlen, müssen mit Wassereimern herbeilaufen, um den Brand zu löschen, auch wenn es unterschiedliche Wassereimer sind. Jeder muss dazutun, was er eben geben kann, auch wenn sein Beitrag den anderen nicht gefällt. Wichtig ist nur, dass wir dabei helfen, den Brand zu löschen.

Aus aktuellem Anlass…

… hier einmal ein Gebet, das Katholiken dieser Tage oft beten sollten, da der Teufel, dessen Existenz seit einem halben Jahrhundert weitgehend verschwiegen wird, derzeit die Streitende Kirche arg zu bedrängen scheint.

Einen Feind, dessen Existenz man leugnet, kann man eben schlecht bekämpfen. Kein Wunder, dass die Kirche in einer Krise steckt.

„Das war früher so, heute ist das anders“

Manchmal gibt es gute Predigten, manchmal schlechte, und manchmal welche, die man schon vergessen hat, bevor sie vorbei sind. Dies ist leider der alltägliche Zustand, den man in katholischen Gemeinden erleben kann. Die schwierigen Glaubenswahrheiten werden regelmäßig ausgespart, weil die heutigen Menschen das nicht hören wollen. „Das kann man heute nicht mehr sagen“. „Die Menschen haben sich verändert, und die Kirche muss sie da abholen, wo sie sind.“

Und was die gesellschaftlichen Themen betrifft, zu denen eine auch zur sittlichen Leitung der Christen berufene Kirche nicht schweigen kann, wie Lebensrecht, die natürliche Familie und einige mehr, so hört man auch bloß den lauten Atem der Stille.

Ist das sein Leib und sein Blut? Wirklich und wahrhaftig? Ist die Bibel das Wort Gottes? Sind die Dogmen der heiligen Mutter Kirche wahr, heute, gestern und morgen? Ist Maria auch heute noch, auch im körperlichen Sinne, eine reine Jungfrau? Ist die Tötung der Unschuldigen grundsätzlich moralisch falsch? Was ist mit homosexuellen Akten? Was mit Scheidung, Verhütung, der Verehrung des Mammon? Diese Fragen werden nur selten klar beantwortet. Predigten, die auf diese Themen überhaupt zu sprechen kommen, so ist mein Eindruck, dienen hauptsächlich zur Verschleierung der katholischen Wahrheit, nicht zu ihrer Verkündigung.

Meistens beschäftigen sich die Predigten nicht einmal mit der Auslegung des in der Messe gelesenen Evangeliums, sondern bestehen größtenteils aus Luftblasen, die in einer krampfhaft infantilisierten Soziologenprosa nur die heiße Luft politisch korrekter Wohlfühlfloskeln transportieren.

Eigentlich sollte der katholische Laie in der Feier des Heiligen Messopfers nicht kritisch filtern, was der Hirte vorträgt. Eigentlich sollte er in kindlichem Vertrauen dem Wort des Hirten lauschen und sich darauf verlassen können, dass er aus seinem Mund die Worte des Herrn hört und dass sie ihm erklärt werden, so dass er sie in der Welt verkündigen und leben kann. Eigentlich sollte der Laie nicht als Kritiker agieren – doch manchmal geht es leider nicht anders.

Über unglückliche Predigten, über Floskeln und Leerformeln, kann man einfach hinweggehen. Ich bin sicher, schlechte Predigten dieser Art gab es immer und es wird sie immer geben.

Doch manchmal geht das nicht. Denn nicht selten kommt es vor, dass die Worte der Predigt schlicht missverständlich sind oder gar der Überlieferung der Kirche widersprechen. „Das war früher so; heute ist das anders“. Früher war die Kirche ja so freudlos, sie wusste nicht, dass die Messe eine Feier, ein Fest sein sollte. Sie war ja so humorlos und so unmodern und so unfreundlich und so wenig weltoffen. Früher hat die Kirche das Höllenfeuer gepredigt, heute redet sie von Versöhnung und sagt, dass alle Menschen sich lieb haben sollen.

Wenn etwa, wie ich kürzlich persönlich bezeugen durfte, ein katholischer Priester in einer Predigt erklärt, man habe ja hinsichtlich des sonntäglichen Messbesuchs früher von einer „Pflicht“ geredet, doch das sei einseitig und unangemessen gewesen, weil die Messe ja eigentlich ein Fest sein solle, und deshalb dürfe man heute nicht mehr von einer „Sonntagspflicht“ sprechen, dann kann der Laie nicht einfach in kindlichem Vertrauen annehmen, was der Hirte da lehrt.

Und da derartige Vorkommnisse nicht selten sind, muss der Laie filtern, was da eigentlich gesagt wird. Er muss zum Kritiker und zum Theologen werden, wenn er nicht von Irrlehren eingefangen werden will, die von der Kanzel (vom Ambo?) gepredigt werden. Er kann kein kindliches Vertrauen aufbringen, weil es zu oft enttäuscht worden ist. Zu oft hat man den Laien mit leeren Floskeln abgespeist, und zu selten hat man ihm die gesunde katholische Lehre gepredigt.

Ich habe an anderer Stelle bereits einige Vergleiche zwischen der „ordentlichen“ und der „außerordentlichen“ Form der Messe gezogen, doch es scheint mir angemessen, auf einen offensichtlichen Unterschied hinzuweisen:

Ist die Gebetsrichtung „ad Dominum“, die Liturgiesprache Latein, der Altarraum frei von geschäftigen Laien, so ist die Chance 99,5%, dass dort gesunde katholische Lehre gepredigt wird, der man in kindlichem Vertrauen lauschen kann. Beginnt die Messe zudem mit einem Stufengebet, und endet mit dem Schlussevangelium, so steigt die Chance auf 100%.

Wer das Glück hat, eine solche traditionelle Messe sonntags in erreichbarer Nähe zu haben, der sollte im Interesse der gesunden katholischen Lehre diese Chance nicht verstreichen lassen.

Im „Novus Ordo“ kann der ganze, wahre, katholische Glaube verkündigt werden. Im „Vetus Ordo“ wird er es.

Wer an einer solchen Messe interessiert ist, der kann hier schauen, ob es eine auch in seiner Nähe gibt. (Je nach Berührungsängsten mit den Piusbrüdern gibt es auch hier noch weitere Möglichkeiten. Die Erlaubtheit des Messbesuchs bei der FSSPX diskutiert etwa Father Z hier.)

Hermeneutik der Kontinuität – Ein praktisches Beispiel

Das Konzil ist für viele, wenn auch nicht für alle, ein ewiger Zankapfel.

Manche lehnen das Konzil mit Stumpf und Stiel ab, weil es modernistisch sei. Solche Ideen finden sich auf dem „Williamson-Flügel“ der Piusbruderschaft nicht selten. Ihnen ist entgegenzuhalten, dass 95% des Konzils nichts anderes tun, als bereits bekannte Lehren zu wiederholen, und sei es vielleicht auch in weniger prägnanter Form, so bleiben es doch dieselben Lehren. Warum sollten diese Lehren auf einmal modernistisch sein, bloß weil sie von anderen Textabschnitten umgeben sind, die ziemlich modernistisch klingen?

Andere lehnen das Konzil ebenso radikal mit Stumpf und Stiel ab, weil es ihnen nicht weit genug gegangen ist. Diese Gruppe hatte lange Zeit die praktische Interpretationshoheit über das Konzil und rechtfertigte ihr Unwesen mit dem „Geist“ des Konzils, der kein anderer war, als der Geist von „68“. Sie werten jede Kritik am Geist von 68 als Kritik am Konzil. Auch sie verunmöglichen eine rationale Rezeption der Texte.

Zwischen diesen Extrempositionen bewegt sich der Heilige Vater mit seiner Hermeneutik der Reform in Kontinuität mit der ganzen Tradition der Kirche. Ob sie tatsächlich für alle Konzilstexte vollkommen ausreichend ist, bedarf weiterer theologischer Klärung. Für die meisten Texte passt sie jedoch unzweifelhaft.

Father Z präsentiert auf seinem sehr lesenswerten Blog nunmehr einen Artikel, in dem er eine sehr traditionelle Interpretation der Texte aus Sacrosanctum Concilium über den Gregorianischen Choral vorlegt. Er demonstriert, dass es die Absicht des Konzils war, der Gregorianik einen absolut zentralen Platz in der Liturgie zuzuweisen. In der Praxis ist er aber fast völlig verdrängt worden. Father Z kommt zu der Schlussfolgerung:

„When we read SC 116 “latinly”, it says that, barring something out of the ordinary, Gregorian chant is the first type of sacred music that is to be used in the Roman liturgy, because the Church claims and acknolwedges and declares Gregorian chant to have the “first place” among all legitimate types of sacred music. Just as when a father recognized a first-born son that son became the principle heir, to be preferred over even all other legitimate children, so to the Church places Gregorian chant in the first place over all other types of sacred liturgical music. At the same time, there are rare occasions when something other than Gregorian chant can be used.“

[Wenn wir SC 116 „lateinisch“ lesen, besagt es, dass Gregorianischer Choral, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, die erste Art von heiliger Musik ist, die in der römischen Liturgie zu benutzen ist, weil die Kirche behauptet und anerkennt und erklärt, dass der Gregorianische Choral den „ersten Rang“ unter allen legitimen Arten heiliger Musik hat. Wenn der Vater einen erstgeborenen Sohn anerkannte, bekam dieser Sohn der vornehmliche Erbe, der selbst allen anderen legitimen Kindern vorzuziehen ist. Ebenso setzt die Kirche den Gregorianischen Choral an die erste Stelle, vor alle anderen Arten heiliger liturgischer Musik. Gleichzeitig gibt es seltene Gelegenheiten, zu denen etwas anderes als der Gregorianische Choral benutzt werden kann.]

Ein beeindruckendes Beispiel für die Tatsache, dass die Hermeneutik der Kontinuität das Konzil in ein Licht zu rücken vermag, in dem es bislang zu selten betrachtet worden ist.

Die Sammlung der Konzilstexte in einer Vielzahl von Sprachen findet sich übrigens auf der Vatikanseite, damit wir alle lesen können, was das Konzil wirklich gesagt hat.

Die Kirche der Zukunft…

… ist klein, aber traditionell katholisch. In der Erzdiözese von New York (2 Millionen Katholiken) wurde im letzten Jahr nur ein einziger Priester geweiht. Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht: Er feierte seine erste Messe natürlich als levitiertes Hochamt im traditionellen Ritus. Es ist nicht zu erwarten, dass dieser Priester allzu viel Verständnis für die üblicherweise geforderte Anpassungsarie an die moderne Welt aufbringen wird.

Einige Gedanken zur Zukunft der Kirche

Mehr und mehr scheint dies das Bild in der Kirche zu sein. Da sich das Lehramt auch nach dem Konzil gegen einen offenen theologischen Bruch gestellt und viele der besonders unpopulären moralischen Lehren, wie etwa zu Abtreibung, Homosexualität, Scheidung, Verhütung usw. verteidigt hat, ist die Attraktivität der Kirche für die überzeugten Modernisierer zurückgegangen. Die alten Vorkämpfer sterben langsam aus, oder werden irrelevant. Die junge Generation ist, allgemein gesprochen, keineswegs konservativ oder traditionell katholisch. Im Gegenteil, sie hat den Geist der Moderne voll internalisiert. Doch sie ist konsequent. Sie sieht keinen Grund darin, diese starrsinnigen Köpfe in der Kirche weiter ernstzunehmen. Sie will die Kirche nicht verändern – sie geht einfach irgendwohin, wo es ihr besser gefällt. Die Jugend ist pragmatisch. Sie haben die Lektion des Relativismus gelernt: Jeder soll doch machen, was er will. Und wenn es ihnen nicht passt, dann gehen sie halt und zucken mit den Schultern. Es ist ihnen einfach egal.

Die junge Generation verlässt massenhaft die katholische Kirche – es gibt keine Renaissance des Katholizismus in der jungen Generation. Aber weil diese jungen kirchenfernen Menschen gar keine Bindung an die Kirche besitzen, fühlen sie sich ihr gar nicht mehr zugehörig. Sie kümmern sich nicht um irgendwelche Laienräte, und nichts ist für sie langweiliger als Kirchenpolitik. Und sie treten mehr und mehr einfach aus.

Doch wenn die alte Generation der Modernisten ausstirbt, und die Junge austritt, wer bleibt dann noch übrig? Es ist die kleine Minderheit, alt und jung, die den Glauben bewahrt hat, und die ihn weitertragen wird.

Diese Minderheit sieht den liturgischen Schatz der „tridentinischen“ Messe sehr positiv, selbst wenn einige unter ihnen glauben, man könne den Novus Ordo ebenso ehrfürchtig und mit der korrekten katholischen Theologie des Messopfers zelebrieren. Sie alle sehen in der traditionellen Messe einen unermesslichen Schatz, dem heute und für immer ein würdiger Ehrenplatz in der katholischen Kirche zusteht.

Die zum Priesterstand berufenen Männer dieser Minderheit werden sehr oft in der „außerordentlichen Form“ zelebrieren wollen – manche ausschließlich, andere abwechselnd mit der „ordentlichen Form“. Sie teilen eine große Liebe zur wahren katholischen Theologie, selbst wenn viele von ihnen sie nicht als Teil ihrer Ausbildung präsentiert bekommen, und wollen den Glauben verkündigen und verbreiten.

Dies ist eine Minderheit, die sich längst damit abgefunden hat, dass die Volkskirche nicht mehr existiert, und man vor der Wahl steht, noch für einige Jahre weiterhin die Illusion zu präsentieren, indem man halsbrecherische Kompromisse mit der Welt eingeht, oder direkt wieder den unverkürzten katholischen Glauben zu bekennen und für ihn einzustehen, selbst wenn das zu einer kleineren, ärmeren Kirche führt, die ihre weltlichen Ambitionen vollständig einstellen muss.

Es ist dies eine kleine Schar von Katholiken, ein Rest, dessen fortdauernde Existenz uns zugesichert ist, aber auch eine Keimzelle, aus der vieles entspringen kann, wofür heute unsere Vorstellungskraft noch nicht reicht.

Sie lieben die Tradition nicht aus Nostalgie, sondern aus Überzeugung. Sehr viele von ihnen kennen die Tradition gar nicht mehr aus erster Hand, aber sie kennen die Theologie und sind fasziniert von ihr. Und weil sie wirklich von der Wahrheit des katholischen Glaubens überzeugt sind, und weil sie Christus wirklich lieben, werden sie auch seine Gebote halten, so gut sie können. Und sie werden in der Tugend wachsen, nach Heiligkeit streben, und sich nicht mit weltlichem Tand zufriedengeben, wenn sie Gott selbst in Ewigkeit haben können.

Es ist eine kleine Schar, doch das waren die Jünger auch. Darauf kann man aufbauen. Und da die modernen Abrissbirnen die Kirche bis auf die Grundfesten „aufgebrochen“ und „abgebrochen“ haben, ist dieses Aufbauen auch dringend nötig.

Bischof Bernard Fellay, FSSPX, hat in einem langen Vortrag in Wien (Hörempfehlung!) vom 20.5. die aktuelle Situation der Kirche mit einem Winter verglichen, dessen Ende wir absehen können, wenn wir die ersten Knospen blühen sehen. Es sei noch kalt, es friere, es werde womöglich auch noch viel kälter, aber wir wissen, am Ende kommt der Frühling.

Der Winter mag noch lang sein, doch die ersten Anzeichen des Frühlings sind nicht mehr zu übersehen. Eine kleine, schwache, zarte, doch quicklebendige Kirche erhebt sich zittrig und noch unsicher, mit tastenden Schritten, aus den Trümmern der Moderne, bereit ihr Kreuz zu tragen, bereit zu leiden, bereit zu sterben für die Person, die die Wahrheit ist, entschlossen auf ihren Bräutigam zu warten, und Ihm zu dienen, und Ihm zu Füßen zu fallen in Liebe, wenn Er kommt in Herrlichkeit.

Ein Lob für Bischof Müller

Klare Worte fand der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller für „Wyr Synd Kyrche“ und andere pseudokatholische Aufwiegler. Kath.net berichtet:

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur DPA scharfe Kritik an den verschiedenen antirömischen [antikatholischen] „Wir sind Kirche“-Gruppen geübt. Diese Gruppen bekämen nichts zustande [Wenn es doch so wäre! Sie bekommen noch viel zu viel zustande.] und hängten sich an große Veranstaltungen an. [Manche dieser Veranstaltungen machen es ihnen aber auch leicht…] Sie seien eine „parasitäre Existenzform“. [!! Ja, das hat der Bischof wirklich gesagt! Wenn jetzt noch Taten folgen – etwa die Nutzung kirchlicher Räumlichkeiten für solche Gruppen zu untersagen…] „Es kann nicht sein, dass Leute, die von sich aus nichts zustande bringen, sich an die großen Veranstaltungen dranhängen und eine parasitäre Existenzform bringen.“, erklärte Müller. Die Kirche dürfe nicht „gesellschaftskonform“ sondern müsse „evangeliumskonform“ sein.[Ein ganz wichtiger Satz. Bischof Müller ist an dieser Stelle ein großes Lob auszusprechen. Wie gesagt: Jetzt müssen noch Taten folgen.] Durch Applaus oder Phonstärke dürfe außerdem kein Druck ausgeübt werden.

Wenn alle deutschen Bischöfe so reden würden wie Bischof Müller in diesem Interview, dann wäre, sprichwörtlich formuliert, „die Hölle los“ im deutschen Katholizismus. Und wenn sie dann auch noch so handelten, wie Bischof Müller hier redet, ja dann könnten wir vielleicht sogar irgendwann mit der Neuevangelisierung anfangen.

Natürlich steht das nicht zu erwarten. Aber neben der ganzen Kritik, die leider immer wieder nötig ist, muss man dann auch loben, wenn das angemessen ist.

Also: Ein großes Lob und ein großer Dank an den Regensburger Bischof Müller!

Salus animarum suprema lex…

Das Heil der Seelen ist das höchste Gesetz der Kirche. Wenn also eine von der Kirche in ihrer Weisheit festgelegte Bestimmung in irgendeinem konkreten Fall dazu führt, dass das Heil menschlicher Seelen in Gefahr gerät, so gilt immer dieses höhere Gesetz. Das Seelenheil steht über allen partikularen rechtlichen Vorschriften. Wir sprechen hier nicht vom göttlichen, sondern vom menschlichen Gesetz, speziell vom kirchlichen Gesetz.

Es ist unbestritten, dass die Piusbruderschaft mindestens durch die Bischofsweihen von 1988 gegen den Buchstaben des Kirchenrechts verstoßen hat. Die Strafe, die sich dem Buchstaben des Gesetzes folgend die an der unerlaubten Weihe beteiligten Personen zugezogen haben, ist seit 2009 aufgehoben, doch das Faktum der unerlaubten Weihe bleibt bestehen. Nun wird, wie meine Leser sicher wissen, von seiten der Piusbruderschaft argumentiert, der Buchstabe des Gesetzes habe in diesem Fall jenem höheren Gesetz weichen müssen. Wie auch immer es damit aussehen mag – darum soll es mir gar nicht gehen. Aber festzuhalten ist, dass man bei der Piusbruderschaft absolut verlässlich die gesunde katholische Lehre zu hören bekommt, an einer zweifellos gültigen und ehrfürchtig zelebrierten Messe teilnehmen kann, die die unverfälschte katholische Theologie des Messopfers klar zum Ausdruck bringt. Und dass die dort zu empfangenden Sakramente derzeit unerlaubt gespendet werden, hat mit der irregulären kirchenrechtlichen Situation zu tun, die, wenn der Heilige Vater es wünscht, einfach dadurch gelöst werden kann, dass er die Bruderschaft ohne weitere Bedingungen regularisiert.

Entsprechend sind auch die Früchte, die die Bruderschaft hervorgebracht hat. Sie wächst, ihre Seminare sind voll, und der heftige Widerstand, der ihr in der „Welt“ entgegengebracht wird, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass hier tatsächlich der Heilige Geist am Werk ist. Die Piusbruderschaft ist ein einziges Zeichen des Widerspruchs in unserer Welt. Deswegen ist sie so unpopulär. Sie richtet sich nicht an der Welt aus, sondern einzig und allein an der katholischen Wahrheit.

Wie alles Menschenwerk ist sie nicht vollkommen, und oft genug stehen die menschlichen Schwächen, Sünden und Begrenzungen auch bei ihr einer größeren Effektivität in ihrer Mission im Wege. Das ist immer so. Nicht einmal die Heiligen sind hier auf Erden absolut perfekt, und die meisten Menschen sind eben keine Heiligen, selbst wenn sie Heiligkeit ernsthaft als Ziel anstreben. Über diese menschlichen Schwächen müssen wir also immer hinwegsehen. Tun wir das, dann finden wir bei der Piusbruderschaft die unverfälschte katholische Lehre vor, die aber immer noch keine reguläre kirchenrechtliche Stellung hat.

Was die Piusbruderschaft derzeit tut, widerspricht dem Buchstaben des Gesetzes.

Und was ist mit denen, die ganz offiziell anerkannt in voller Gemeinschaft mit Rom stehen? Viele von ihnen, darunter die Petrusbruderschaft, die anderen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, aber auch viele andere Priester und Bischöfe in der ganzen Welt, vollbringen ebenfalls wichtige Werke für das Heil der Seelen und folgen damit auch dem höchsten Gesetz der Kirche, das über dem bloßen Buchstaben steht.

Leider sehen wir auch vielfältige Beispiele für „buchstabentreue“ Kirchenmänner, die sehr wenig Interesse an den Seelen der Menschen zeigen, sondern die Kirche ganz neu aufbrechen wollen, damit eine rein menschliche, weltimmanente Mitmachreligion aus ihr werde, die zwar niemanden mehr erlösen, dafür aber auch keinen mehr aufregen kann. Sie kämpfen nur für die Bewahrung des katholischen Milieus und ihres säkularen Glaubensbekenntnisses, dessen fünf wichtigste Glaubensartikel Alexander Kissler sehr schön aufgeschlüsselt hat. Das Heil der Seelen ist da eher im Weg, verlangt es doch den wahren Glauben, die eine wahre Kirche und, besonders anstößig, auch das ernsthafte Befolgen des Sittengesetzes. Das stört einfach, also wird es ignoriert – oder „aufgebrochen“.

Diese Vorgänge sind alle konform mit dem Buchstaben des Gesetzes, oder falls nicht, stört es zumindest keinen so wirklich. Solange man nicht zu viel Staub aufwirbelt, wie die Ungehorsamsinitiative eines beträchtlichen Teils der österreichischen Pfarrer, passiert gar nichts. Und wenn doch, bekommt man einige milde Hinweise, man möge doch bitte gehorsam sein. Aber Sanktionen gibt es keine.

Das ist leider alltägliche Praxis in der Kirche, die von den Mächten der Unterwelt nicht überwältigt, aber doch zeitweise in arge Bedrängnis gebracht werden kann, wie schon öfters in ihrer langen Geschichte geschehen, und wie auch heute wieder.

Wir haben hier einen ganz interessanten und ganz tragischen Konflikt.

Auf der einen Seite über fünfhundert traditionelle Priester, hunderttausende traditionelle Gläubige weltweit, die den wahren Glauben haben, leben, verkünden, lieben, und für ihn sterben würden, die aber aus formaljuristischen Gründen nicht an der vollen Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater teilhaben, obwohl sie in Wort und Tat den wahren Glauben aufweisen.

Auf der anderen Seite sehr viele lauwarme, modernisierte, angepasste Katholiken, von denen die meisten gar nicht mehr in die Kirche gehen und sicher keinen katholischen Glauben mehr haben, geführt von hauptsächlich an der Bewahrung weltlichen Ansehens und des kulturellen Milieus interessierten Hirten, die aber aus formaljuristischen Gründen in voller Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater stehen, obwohl sie kaum weiter von ihm entfernt sein könnten. Und überall dazwischen einige Katholiken, unter ihnen Laien, Priester und Bischöfe, die sich gegen dieses drückende säkularisierte Milieu eines glaubensfreien, konventionellen Kulturchristentums wehren, aber mit ihren Mitstreitern im Geiste nicht vereint werden können, weil der Graben der formaljuristischen „vollen Gemeinschaft mit Rom“ sie trennt, obwohl der Glaube sie vereint.

Die einzige Lösung ist in dieser Situation, das Problem mit der „vollen Gemeinschaft“ aufzubrechen, indem die Kirche erklärt, dass mindestens jeder getaufte und gefirmte Christ, der den ganzen, unverkürzten, wahren katholischen Glauben hat, in dieser ominösen „vollen Gemeinschaft“ zu finden ist, und zwar unabhängig davon, ob er die pastoralen Richtlinien des Pastoralkonzils der 60er-Jahre für besonders zielführend hält.

Wenn wir erst einmal an diesem Punkt angekommen wären, dann wäre schon viel gewonnen.

Es ist eine sehr effektive Strategie, den Gegner erst aufzuspalten, und dann jede Kompanie einzeln zu besiegen. Das hat die Spaltung der traditionellen Katholiken entlang der Trennlinie der „vollen Gemeinschaft“ wieder einmal gezeigt. Die Modernisten tanzen auf den Tischen, weil die traditionstreuen Katholiken zu sehr mit unsinnigen Bruderkämpfen beschäftigt sind, um sich vereint dem wirklichen Gegner in den Weg zu stellen.

Das, so steht jedenfalls fest, ist für das Heil der Seelen sehr schlecht, und steht daher in eklatantem Widerspruch zum höchsten Gesetz der Kirche.

Bereits jetzt kursieren Gerüchte, dass Kardinal Ranjith sein Priesterseminar nach einer möglichen Einigung der Piusbruderschaft übergeben möchte, um die Qualität der Ausbildung zu steigern. In Deutschland wäre so etwas zwar noch nicht denkbar, aber wir sehen an diesem einen Beispiel, was alles möglich wäre, wenn die traditionell gesinnten Kräfte innerhalb der Kirche endlich an einem Strang ziehen würden.

Das wäre, so steht ebenfalls fest, für das Heil der Seelen sehr gut.

Zum internen Streit in der Piusbruderschaft

Angesichts der nahenden Entscheidung in den Verhandlungen zwischen der Piusbruderschaft und dem Vatikan über eine mögliche kirchenrechtliche Einigung brodelt es innerhalb der Bruderschaft. Auf der einen Seite stehen neben dem Generaloberen Bischof Fellay auch einige Distriktobere, darunter Pater Schmidberger. Sie haben in den letzten Wochen mehrfach versucht, die Piusbrüder auf sich womöglich wandelnde Umstände vorzubereiten, namentlich eine reguläre kirchenrechtliche Stellung mit allem was dazugehört.

Andererseits gibt es, wie erwartet, auch Widerstände innerhalb der Bruderschaft, und sie scheinen heftiger als ich zu hoffen gewagt hatte. Die in solchen Fragen immer gut informierte traditionell katholische Website Rorate Caeli hat ausführlich über die Thematik berichtet.

Katholisches.info spricht von „letzten Sabotageversuchen“ angesichts einer bevorstehenden Einigung mit Rom.

Anlass der erneuten Spekulationen um das Ausmaß des Widerstands gegen eine Einigung mit Rom war ein privater Briefwechsel zwischen den Bischöfen de Galarreta, Tissier de Mallerais und Williamson auf der einen Seite und dem Generalhaus der Bruderschaft auf der anderen Seite. Dieser Briefwechsel hatte auf bisher ungeklärten Kanälen den Weg in die Öffentlichkeit gefunden, obgleich er nicht für ihre Augen bestimmt war. Man kann Vermutungen über den Ursprung des Lecks anstellen, doch mangels handfester Beweise sehe ich keinen Sinn darin. Fellay wirbt seit einiger Zeit für die von ihm vorsichtig befürwortete Einigung, die drei anderen Bischöfe haben schwere Bedenken, die sie in dem vertraulichen Schreiben auch zum Ausdruck bringen.

Doch bevor man jetzt, je nach der persönlichen Meinung, die man von der FSSPX hat, entweder über ihre mögliche Spaltung jubiliert oder dieselbe bedauert, sollten weitere Aspekte Berücksichtigung finden, die zu einer anderen Einschätzung der Lage führen könnten:

1. Ich habe das höchst kritische Schreiben der drei anderen Bischöfe gelesen. (Ich werde es hier nicht zitieren, da es entweder vertraulich gedacht war, oder zur Sabotage der Einigungsbestrebungen diente – und daher in jedem Fall keine weitere Publikation verdient) Es ist zwar scharf in der Sache, bleibt aber sachlich. Dies muss man eingestehen, selbst wenn man Inhalt und Stoßrichtung nicht teilt. Dasselbe gilt auch für das Antwortschreiben von Bischof Fellay.

2. Sollten sich Piusbruderschaft und Rom tatsächlich auf ein praktisches Abkommen einigen, das der Bruderschaft Handlungsfreiheit hinsichtlich der Fortführung ihres bisherigen Werkes ohne inhaltliche Abstriche gewährt, wäre dies sowohl für manche Piusbrüder als auch – besonders – für die innerkirchlichen Modernisten ein schwerer Schlag. Für die einen ist Rom bloß modernistisch und daher unberührbar. Für die anderen – die innerkirchlichen Modernisten – sind die Piusbruder bloß traditionalistisch, aber ebenso unberührbar. Einig sind sie sich nur in ihrer fanatischen Ablehnung jeder Annäherung zwischen Rom und Ecône. Im Gegensatz zu dieser unwahrscheinlichen Allianz stehen sowohl Bischof Fellay als auch Papst Benedikt. Ihnen gebührt daher unsere Unterstützung und, abermals, unser Gebet in diesen entscheidenden Tagen und Wochen.

3. Die Piusbruderschaft leistet für die Kirche bereits heute einen unschätzbaren Dienst, und hat dies in den letzten Jahrzehnten immer getan. Man kann ihr sicher vieles vorwerfen, aber sie hat die traditionelle Messe immer hochgehalten, als sie praktisch in die Wüste geschickt worden war, und dasselbe gilt auch für den traditionellen Glauben, als er mindestens in der Praxis inakzeptabel geworden war. Diesen Dienst braucht die Kirche auch weiterhin. Mit einer schweigenden, ruhigen, stillen, nicht mehr provozierend die Irrtümer der Modernisten aufzeigenden Piusbruderschaft wäre niemandem geholfen, und sei sie auch noch so sehr in voller Einheit mit Rom. Doch wenn die Bruderschaft ihre berechtigte Kritik weiter äußern, ihren Dienst ungehindert fortsetzen kann, dann ist es für alle Beteiligten weitaus besser, wenn dies im Rahmen einer kirchenrechtlichen Struktur geschieht, die der Bruderschaft eine reguläre Stellung innerhalb der Kirche verleiht.

4. Das kirchenrechtliche Zwielicht, in dem die FSSPX seit langer Zeit steht, hat in einer schweren Zeit für die Gesamtkirche die Bewahrung großer katholischer Schätze ermöglicht, auf die man heute zurückgreifen kann. Angesichts der weit verbreitenden Apostasie kann man zumindest annehmen, dass die an den illegalen Bischofsweihen beteiligten Personen, allen voran Erzbischof Lefebvre, in gutem Glauben gehandelt haben, und dass es gute Gründe für die Annahme eines Notstands gab, und sie damit subjektiv gerechtfertigt oder zumindest entschuldigt waren. Doch wenn der Papst ihnen jetzt die Hand reicht, und sie wieder vollständig ins Boot holen möchte, und wenn er von ihnen nicht verlangt, in Zukunft von ihrer Konzilskritik abzusehen, wie könnte man diese ausgestreckte Hand dann zurückweisen? Deutet nicht der Widerstand dreier Bischöfe gegen eine mögliche Einigung darauf hin, dass sie mit Rom dauerhaft gebrochen und sich zumindest faktisch dem Sedisvakantismus zugewandt haben?

5. Es mag sein, dass das so ist, doch man muss auch ein gewisses Verständnis für die Haltung der drei skeptischen Bischöfe aufbringen. Sie haben sich, soweit wir wissen, in einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Schreiben geäußert. Selbst Bischof Williamson, sonst nicht nur für aberwitzige Konspirationstheorien, sondern auch für ein sehr loses Mundwerk bekannt, war in seinen öffentlichen Äußerungen bisher für seine Verhältnisse zurückhaltend. Bevor man einem wichtigen Abkommen seinen Segen erteilt, muss man es prüfen, und wenn man Bedenken hat, muss man sie klar, deutlich und ohne falsche Zurückhaltung intern diskutieren. Ob die drei skeptischen Bischöfe eine Einigung, so sie denn ausgehandelt wird, wirklich ablehnen werden, können wir vom heutigen Informationsstand gar nicht wissen. Sie sehen sie sehr skeptisch – das ist richtig. Sie haben intern schwere Bedenken geäußert, die dann an die Öffentlichkeit gelangt sind. Es ist nicht auszuschließen, dass der veröffentlichte Briefwechsel Teil eines internen Meinungsfindungsprozesses ist, an dessen Ende eine Einigung mit Rom zu den ausgehandelten Bedingungen steht.

6. Aus Sicht der katholischen Tradition wäre die Spaltung der Piusbruderschaft eine schwere Tragödie. Eine einige Piusbruderschaft mit fast 600 traditionellen katholischen Priestern, die unermüdlich für die ganze, unverkürzte Lehre in Glauben, Moral und Disziplin kämpfen, wäre eine wertvolle Verstärkung für die konservativen und traditionalistischen Kräfte, die bereits heute von innen gegen den „Geist des Konzils“ und die Verirrungen des Modernismus ankämpfen. Alle vier Bischöfe der FSSPX sollten gründlich über ihre Verantwortung vor der ganzen Kirche und ihrem göttlichen Haupt nachdenken, bevor sie eine Entscheidung in dieser Frage treffen, und sie sollten den Willen Gottes tun, und nicht ihren eigenen, selbst wenn dies bedeutet, über seinen Schatten zu springen, und ein Risiko einzugehen.

Rom-FSSPX: Beten für die Einigung

Die Gespräche zwischen Rom und der Piusbruderschaft ziehen sich ja jetzt schon seit Jahren hin, doch in den letzten Wochen und Monaten haben sich die Ereignisse überschlagen. Schien noch im März eine Einigung aussichtslos, bewarf Rom die Bruderschaft mit einem Ultimatum, das sich nach letzter Abfahrt vor der Exkommunikation anhörte, und hatte man sich schon damit abgefunden, dass auch dieser Einigungsversuch wohl wieder an den theologischen Differenzen scheitern würde, so kam im April plötzlich die Wende. Bischof Fellay habe die immer noch geheime Präambel unterzeichnet, hieß es. Doch in Wahrheit war alles etwas komplizierter, und die Geheimdiplomatie hielt relativ dicht.

Im Mai, so hieß es dann, solle der Papst über den erneut modifizierten Vorschlag der Piusbruderschaft entscheiden. Doch was steht drin? Offiziell ist immer noch alles geheim, doch vor einigen Tagen äußerte sich etwas überraschend Pater Niklaus Pfluger (FSSPX) bei einer Tagung sehr ausführlich zur Lage der Verhandlungen, und deckte dabei sogar einige Karten auf. Ich zitiere nur einen kurzen Absatz aus dem verlinkten Bericht (die ganze Rede des Paters kann hier als Audiodatei heruntergeladen werden):

„Kein praktisches Abkommen ohne eine lehrmäßige Einigung“ – so lautete das Prinzip, mit dem die Piusbruderschaft in die Gespräche mit dem Heiligen Stuhl gegangen war. Doch die Verhandlungen der vergangenen beiden Jahren haben offenkundig werden lassen, daß die unterschiedlichen Standpunkte in zentralen Fragen der Kirchenlehre nicht überbrückt werden können. Hervorhebungen von Catocon.

„In den vergangenen Wochen wurde nun deutlich, daß Papst Benedikt XVI. so sehr an einer kanonischen Lösung für die Bruderschaft interessiert ist, daß er bereit ist, mit ihr ein Abkommen zu schließen, auch wenn diese die strittigen Texte des II. Vatikanischen Konzils und die Neue Messe nicht anerkennt. Sollte sich die Bruderschaft aber unter diesen Umständen immer noch einer Vereinbarung verweigern, wurde ihr eine mögliche erneute Exkommunikation in Aussicht gestellt.

Unter diesen Umständen hält es der Generalobere, Bischof Bernard Fellay, nicht für möglich, das Angebot des Papstes zurückzuweisen. Es käme einem Abgleiten in den Sedisvakantismus gleich, sollte man sich dem Wunsch des Heiligen Vaters auch dann noch verschließen, wenn dies mit keinerlei Anerkennung falscher Glaubenslehren verbunden sei.“

Ebenfalls in den ersten Maitagen war im Mitteilungsblatt des deutschen Distrikts der Bruderschaft ein Text von Pater Schmidberger zu lesen, in dem er die Gläubigen auf eine mögliche Anerkennung durch Rom vorbereitete. Ähnlich äußerten sich auch die Oberen anderer Distrikte. (USA und Benelux).

Wird es nun also zu einer Einigung zwischen Rom und der Piusbruderschaft kommen? Wir wissen es noch nicht, und jetzt liegt alles in der Hand des Heiligen Vaters, der sicher auf den Rat des Heiligen Geistes vertrauen wird.

Es bleibt damit also nur das intensive, beharrliche Gebet, zu dem ich hiermit auch aufrufen möchte.

Rationaler Glaube

In seinem zu empfehlenden Kommentar zur Summa contra Gentiles nähert sich Johannes der Thematik der Gottesbeweise, die ja heute ziemlich diskreditiert sind. Seine These scheint zu lauten, dass man die Vernunft früher für fähig hielt, religiöse Wahrheiten zu erkennen, während man sie heute in eine enge Beziehung zu reinen Gefühlsäußerungen setzt, und dass diese Verschiebung Ausdruck einer breiteren Tendenz in derselben Richtung ist.

Bei Thomas von Aquin und der ganzen klassischen philosophischen Tradition findet sich in der Tat die feste Überzeugung, dass die menschliche Vernunft nicht auf bloß materielle, empirische Zusammenhänge beschränkt werden dürfe, sondern ihre wahre Würde darin bestehe, im Ausgang von elementaren Sinneserkenntnissen und den Gesetzen der Logik auch Aussagen über nichtmaterielle, jenseits der menschlichen Vorstellungskraft liegende Dinge machen zu können. Dass dabei zuweilen übertrieben worden sein mag, möchte ich gar nicht bestreiten. Die menschliche Vernunft ist nicht allmächtig und nicht unfehlbar. Sie kann nicht alle Wahrheiten des christlichen Glaubens aus eigener Kraft erkennen. Doch sie ist auch nicht ganz so machtlos, wie die Moderne sie seit der erkenntnistheoretischen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts darzustellen versucht. Die paradigmatische Wissenschaft ist für die rationalistische Seite der modernen Debatte die Mathematik bzw. die Logik und für die empiristische Seite die empirische Naturwissenschaft. Was sich nicht messen lässt – und daher mit den Mitteln der Naturwissenschaft und der Mathematik nicht verarbeitet werden kann – gibt es für diesen Typus der Wissenschaftlichkeit objektiv gesehen gar nicht.

Philosophie und Religion werden dadurch in der Moderne zu rein subjektiven Angelegenheiten. (Oder man versucht sie zu rationalisieren – nach dem modernen Begriff von Rationalität – was sie ihres spezifischen Charakters beraubt.) Sie verlieren ihre Wahrheitsfähigkeit, weil sie nicht mehr als Aussagen über eine externe, erkennbare Realität betrachtet werden. Diese charakteristische Verschiebung des Wissens- und Wissenschaftsverständnisses stellt Papst Benedikt in seiner hervorragenden „Regensburger Rede“ in beeindruckend klarer Form dar.

Auf der Basis der modernen, naturwissenschaftlichen Vernunft kann die Religion nicht wahr oder falsch sein, weil sie weder in formaler Logik, noch in Mathematik oder Experiment verifiziert oder falsifiziert werden kann. Doch die gesellschaftliche Sphäre soll rational sein – der Religion bleibt einzig der Rückzug ins Private, der dann durch den Liberalismus auch folgerichtig angestrebt wurde. Über dieses Private, so argumentiert man dann ebenfalls folgerichtig, sind verschiedene Ansichten möglich, weil es keine objektiv feststellbare Wahrheit gibt. Damit sind wir beim Pluralismus bzw. religiösen und ethischen Relativismus angelangt.

Man könnte diese geistesgeschichtlichen Entwicklungen weiter verfolgen, und das wäre sicher sehr fruchtbar, doch bereits aus dem Gesagten wird deutlich, dass die Abkehr vom „klassischen“ Vernunftsbegriff weite, die ganze Gesellschaft erschütternde Kreise zieht. Durch die Exklusion von Religion, Philosophie und besonders auch der Sittenlehre aus dem Reich des objektiven Wissens wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die bis heute andauert, und die Grundlagen, auf denen auch die Moderne ruht, nämlich die Möglichkeit rationaler naturwissenschaftlicher Erkenntnis, vollständig auflöst. Wie dies philosophisch genau vor sich geht, zeichnet in englischer Sprache und polemischer Form ganz hervorragend Ed Feser in seinem Buch „The Last Superstition“ nach, wobei er sich mit verständlichen Worten trotz wissenschaftlichen Anspruchs auch an philosophische Laien wendet.

Doch die wichtigste Frage ist, wie meistens, die nach der Wahrheit. Stimmt es tatsächlich, dass der Mensch über Religion durch seine Vernunft nichts herausfinden kann? Ist er wirklich vor die Wahl gestellt, ob er seinen Glauben irgendeiner Offenbarung schenken will, deren Irrationalität er einsehen müsste, wenn er sich mir ihr beschäftigte (ein typisches Kennzeichen des Fundamentalismus), oder Religion zum bloßen Gefühl ohne bestimmten Inhalt werden zu lassen (wie in dem „Christentum“, das in Deutschland Mehrheitsreligion ist)?

Die katholische Kirche hat der menschlichen Vernunft das größtmögliche Kompliment gemacht, indem sie dogmatisch erklärt hat, die Existenz Gottes sei mit den bloßen Mitteln der menschlichen Vernunft nachweisbar. Doch ist dieses Kompliment gerechtfertigt? Für den Katholiken reicht es, dass die Kirche es unfehlbar erklärt hat – „Roma locuta – causa finita“ – doch wird diese Antwort den Nichtgläubigen kaum befriedigen.

Der Hl. Thomas geht noch weiter. Nicht nur die Existenz Gottes kann von der menschlichen Vernunft erkannt werden, sondern auch noch einige weitere Informationen über ihn, etwa seine Güte, dass er weder räumlich noch zeitlich beschränkt ist usw. Er behauptet das jedoch nicht einfach nur, sondern bringt ausführliche Argumente für seine Thesen, antwortet jeweils auf viele mögliche Einwände und bemüht sich nach bestem Wissen darum, fair zu allen Seiten zu sein. Es geht dem Hl. Thomas darum, die Wahrheit zu finden, egal wo sie liegt. Er möchte zeigen, dass er Recht hat, nicht bloß Recht bekommen. Er ist wie Sokrates, nicht wie die Sophisten.

Die Argumente des Hl. Thomas sind bis heute nicht widerlegt, sondern einfach ignoriert worden. Sie stellen auch heute noch die beste Grundlage für den katholischen Glauben dar, gerade weil sie so rational, so durchdacht, so logisch sind. Sie führen den Leser bis an die Grenzen der menschlichen Vernunft, zeigen die Rationalität des Glaubens auf, leugnen jedoch nicht, dass die endliche Vernunft die unendliche Vernunft niemals ganz wird begreifen können, dass es immer Glaubensgeheimnisse geben wird, deren Durchdringen trotz der Fruchtbarkeit unserer Meditationen nie ganz gelingen kann.

Wer sich nicht ernsthaft mit den Argumenten des Hl. Thomas und seinen geistigen Nachfolgern auseinandergesetzt hat, kann wohl kaum für sich in Anspruch nehmen, er habe die Irrationalität des Glaubens erkannt.

Wer wirklich daran interessiert ist, ob die Religion vernunftgemäß ist, kommt an Thomas nicht vorbei. Auf der Basis des traditionellen Vernunftbegriffs kann sich die Religion rational behaupten. Das zeigt Thomas eindeutig. Auf der Basis des modernen Vernunftbegriffs bleiben Glaube und Vernunft unversöhnliche Gegensätze. Wenn man den Hl. Thomas in seinen Grundzügen ablehnt, dann nicht weil seine Argumente schwach oder widerlegt wären, sondern weil man seinen weiten, offenen Vernunftbegriff nicht teilt.

Weil der moderne Vernunftbegriff an der Wurzel der Krise der Moderne liegt, besteht der erste Schritt zur Überwindung dieser Krise in einer Ausweitung der Vernunft über ihre modernen Schranken hinaus, also in einer Rückkehr zum traditionellen Vernunftbegriff, und damit zur klassischen philosophischen Tradition, in deren Zentrum sich der Hl. Thomas befindet.

Und weil die Krise der Moderne an der Wurzel der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts liegt, ist die Rückkehr zum traditionellen Vernunftbegriff – und damit zu Thomas – kein Akt philosophischer Elfenbeinturm-Mentalität, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Lösung der Hauptfragen unserer Zeit.