Vor dem Konklave hat der damalige Kardinal Bergoglio offenbar eine programmatische Rede vor der Kardinalsversammlung gehalten, die von nicht wenigen Beobachtern als mindestens teilweise ausschlaggebend für den späteren Verlauf des Konklaves gesehen wird. Sie lässt sich in deutscher Übersetzung auf kath.net nachlesen. Ich möchte sie an dieser Stelle (wie üblich) in roter Schrift kommentieren. Hervorhebungen von Catocon.
Ich habe Bezug genommen auf die Evangelisierung. (Mission?) Sie ist der Daseinsgrund der Kirche. Es ist die «süße, tröstende Freude, das Evangelium zu verkünden» (Paul VI.). Es ist Jesus Christus selbst, der uns von innen her dazu antreibt.
1. Evangelisierung setzt apostolischen Eifer voraus. Sie setzt in der Kirche kühne Redefreiheit (was ist damit gemeint? Dass jeder sagen soll, was er gerade so denkt, ohne Rücksicht auf die überlieferten Wahrheiten? Der Begriff ist leider katastrophal vieldeutig.) voraus, damit sie aus sich selbst herausgeht. Sie ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends. (Was soll das bedeuten? Es klingt ganz schön. Was bringen aber die Luftblasen, die man sonst hauptsächlich aus den Einlassungen deutscher Bischöfe kennt?)
2. Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht (was auch immer das heißen soll…) , um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank (vgl. die gekrümmte Frau im Evangelium). Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln (als da wären? Von welchen Übeln spricht Kardinal Bergoglio? Jeder kann darin seine Lieblingsübel sehen.), haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit. Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus. (Was auch immer das nun schon wieder bedeuten soll. Die Stoßrichtung, solange man aus den unscharfen Worten so etwas überhaupt ersehen kann, deutet auf mehr „Aggiornamento“ hin – die Kirche verlässt sich selbst, um der modernen Welt entgegenzukommen.)
In der Offenbarung sagt Jesus, dass er an der Tür steht und anklopft. In dem Bibeltext geht es offensichtlich darum, dass er von außen klopft, um hereinzukommen … Aber ich denke an die Male, wenn Jesus von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen. Die egozentrische Kirche (was ist das? Man merkt, dass Bergoglio seine Theologie aus Deutschland hat und Kardinal Kaspers theologisches Denken bewundert. Es fehlt an klaren Worten.) beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten. (Worin besteht der Vorwurf an die ach so egozentrische Kirche? Bergoglio wird jetzt ein wenig deutlicher. Das Problem ist, dass die Kirche „Jesus für sich beansprucht“. Nun ja, immerhin hat Jesus die Kirche eingesetzt, und außerhalb ihrer ist kein Heil. Oder glaubt der Kardinal das am Ende überhaupt nicht mehr?)
3. Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt – ohne dass es ihr bewusst wäre (Kardinal Bergoglio hat tiefenpsychologische Einsichten in den Geist des diffus-unscharfen Phantoms, das er als Feindbild aufbaut, ohne zu sagen, gegen wen und was er sich eigentlich richten möchte) – dass sie eigenes Licht hat. (Wer behauptet das? Das Licht der Kirche kommt von Christus, doch es ist in Fülle allein der Kirche gegeben, und eben nicht den von Bergoglio in Buenos Aires so bewunderten schismatischen und häretischen Gruppen im Gefolge der protestantischen Revolte.) Die Kirche Sie hört auf, das «Geheimnis des Lichts» zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der «geistlichen Mondänität» Raum (nach Worten de Lubacs (eines Neomodernisten) das schlimmste Übel, was der Kirche passieren kann). Diese (Kirche) lebt, damit die einen die anderen beweihräuchern. Vereinfacht gesagt: Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende Kirche, die aus sich selbst hinausgeht, die das «Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet»; und die mondäne Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt.
Dies muss ein Licht auf die möglichen Veränderungen und Reformen werfen, die notwendig sind für die Rettung der Seelen.
Was sagt uns diese programmatische Rede?
Erstens, dass der neue Papst die Fortführung des Aggiornamento nach Stil und Inhalt uneingeschränkt wünscht, denn seine Worte sind ja nichts anderes, als was die Aggiornamento-Fanatiker der letzten 50 Jahre ständig gebetsmühlenartig wiederholen, zweitens, dass er mindestens dem Wort nach noch von „getreuer“ Verkündigung spricht, doch ohne zu sagen, wem diese Verkündigung treu bleiben soll, drittens, dass er den wesentlichen Konflikt nicht zwischen der Verkündung der wahren Lehre aus Schrift und Überlieferung und den Häretikern sieht, sondern zwischen den Verstockten, die immer noch wollen, dass die Kirche „Jesus für sich beansprucht“ und denen, die solche Ansprüche nicht mehr erheben, sondern stattdessen mit unklaren Zielen in die Welt hinausgehen wollen.
Viertens, dass Kardinal Bergoglio seine Worte mit Bedacht gewählt hat, so dass sie neben der sich aufdrängenden modernistischen Interpretation mit etwas Phantasie auch orthodox-katholisch gelesen werden können, dass er also die Nebelkerzendiktion des II: Vatikanums kritiklos übernimmt.
Fünftens, dass Kardinal Bergoglios Rede keinerlei brauchbare Ansätze für eine wirkliche Rückkehr zur Missions- oder (meinetwegen) Evangelisierungsarbeit bietet, sondern allein den üblichen vieldeutigen Singsang postkonziliarer Bruchhermeneutiker nachbetet, wie man es auch nicht anders hätte erwarten können, wenn man sein Werk als Erzbischof von Buenos Aires betrachtet.
Sechstens, dass er die Fortführung der praktisch umgesetzten Revolution nach dem Konzil nicht nur befürwortet, sondern für die „Rettung der Seelen“ wörtlich als „notwendig“ bezeichnet.
Siebtens, dass es gerade unter Papst Franziskus wichtig ist, die Treue zum Papstamt und zur Kirche nicht mit der Zustimmung zu den Wortmeldungen des Papstes zu verwechseln.
Achtens, dass Papst Franziskus ein sehr intelligenter, zielstrebiger Mann ist, der nun wie erwartet ganz genau die Ideen umzusetzen beginnt, die er schon vor dem Konklave gegenüber den Kardinälen in diffusen, aber doch der Tendenz nach verständlichen Worten mitgeteilt hat, und die sein Wirken als Erzbischof von Buenos Aires charakterisiert haben.
Neuntens, dass es offenbar für die anti-benediktinische Bruchhermeneutik, die in der Praxis bisher immer zu Modernismus im Glauben, Indifferentismus in der Sittenlehre und Missbrauch der Liturgie geführt hat, wobei die Erzdiözese von Buenos Aires keine Ausnahme darstellt, eine erdrutschartige Mehrheit im Konklave gegeben hat.