Vom Dialog der Schattenkirche

Es folgt: „Catocon sah Tiere – Ernsthaftigkeit voller Ernst“

Erzbischof Zollitsch – der Leser weiß, was kommt, wenn auf diesem Blog der Name des freundlichen, liebenswürdigen, schwäbischen Märchenonkels aus dem heutigen Serbien genannt wird – kündet, wie kath.net zu berichten weiß, derzeit von den gar erbaulichen Ergebnissen des deutsch-katholischen Dialogprozesses, in dem hauptsächlich verbandskatholische Neo-Reformatoren über die weitere Protestantisierung der geschundenen Mutter Kirche zu beraten unternehmen.

Natürlich braucht man weder den Artikel auf kath.net noch irgendeinen anderen Bericht zum Thema zu lesen. Man weiß ohnehin schon, worin die angepriesenen Ergebnisse bestehen. Natürlich soll weiter beraten werden. Dialog ist ein Instrument zur Schaffung von Dialog, und jede Institution tendiert dazu, sich selbst immer neue Aufgabenfelder zu schaffen, um Fortbestand, Expansion und Finanzmittel zu sichern.

Doch es gibt immerhin eine atemberaubende neue Entwicklung im Gleichklang der revolutionären Graubärtinnen und Graubärte, die im Stuhlkreis tanzend das immergleiche Lied vom Aufbruch verkrusteter Strukturen in eine Neue Zukunft von Kirche singen. Es soll nun nicht mehr nur geredet und verhandelt und gesprochen und diskutiert – offen und ehrlich und ohne Denkverbote, versteht sich – sondern endlich auch gehandelt werden. Die verbandskatholische Armada bereitet sich vor, in See zu stechen. Der Stapellauf der neuen Reformagenda ist in vollem Gange. Bald wird das Schiff der Kirchenreform in gewohnter Manier den starren, überholten, mittelalterlichen, feudalistischen Strukturen den Kampf ansagen, die (durch ihr Festhalten an Zölibat und Sündhaftigkeit der Homosexualität) männliche Priester im Alleingang dazu gebracht haben, sich an vorwiegend männlichen Jugendlichen zu vergehen, indem sie ihre gleichgeschlechtlichen Neigungen frei und ohne falsche Hemmungen und Schuldgefühle ausleben. Und dann werden die Gewohnheitsreformatoren aller Geschlechter die längst überfällige Reform der verkrusteten Strukturen anpacken. Gehhilfen für alle! Sie werden die Flotte der Reaktionäre aufbringen und ihre Schiffe entern. Mit ihren Gehstöcken werden sie den Widerstand der dunklen Krustenkatholiken brechen und die offenen Türen der hinterwäldlerischen Kirchenhierarchie einreißen, und Licht von Freiheit wird in Kirche neue Funken schlagen, und ein Neuer Frühling des Aufbruchs bricht an und bricht aus und bricht mit Rom.

Die Dialoggespräche im verfahrenen Dialogprozess haben, wie gesagt, im immerwährenden Gleichklang des Fortschritts eine neue Dimension erreicht. Wie der Erzbischof Zollitsch verkündet, soll nun, wie schon angedeutet, nicht mehr nur gesprochen und geredet werden, sondern es soll einen Studientag geben, auf dem, wie der Name schon sagt, studiert werden soll. Gehhilfen für alle! Dies ist der Aufbruch des Aufbruchs, der Anfang vom Ende der muffigen Kirchenhierarchie, die sich unter seit Jahrzehnten nicht mehr getragenen Soutanen nicht länger verstecken kann.

Denn jetzt werden die Bleistifte gespitzt und es wird studiert. Was wird studiert? Die Rolle der Frauen in Kirche. Es soll auch mehr „Frauen in Führungspositionen“ in Kirche geben. So spricht und verspricht es zumindest der freundliche Erzbischof von Freiburg. Da „Führungspositionen“ in der katholischen Kirche priesterlicher Natur sind, ist wohl von der Befreiung des Diakonats und/oder Priestertums vom patriarchalischen Dunkelkatholizismus die Rede.

Ob Kristina Schröder und Ursula von der Leyen bereits damit beauftragt worden sind, für diese aufregende neue Idee die passende Frauenquote festzulegen? Gehhilfen für alle!

Immerhin kann wieder einmal konstatiert werden, dass der mutige Schritt der deutschen Schattenkirche unter Papst Dialogos I. so unerhört mutig und revolutionär und aufbrecherisch ist, dass er in seiner ganzen Unerhörtheit ungehört zu bleiben gezwungen ist, weil heimtückische Dunkelkatholiken, wie der radikale ultra-traditionalistische, beton-konservative Patriarchenpapst Pius XIII. Johannes Paul II., im Mittelalter, im vergangenen Jahrtausend, sich in ihrem längst veralteten Dogmatismus angemaßt haben, für alle Zeiten zu bestimmen, dass die Frau in demütigender Abhängigkeit und Minderwertigkeit zu halten ist, indem man ihr die gleiche Teilhabe am Priesteramt in derselben Form verwehrt, in der es schon der unverbesserliche Sexist Jesus von Nazareth zur dauerhaften Unterjochung der Frau bestimmt haben soll (wenn man einmal den nachträglich erfundenen Geschichten über Jesus glauben will, die eine patriarchalische Kirche in tyrannischer Weise diesem Wanderprediger in den Mund gelegt hat).

Diese Gesamtthematik soll nun, hoffentlich aus aufklärerisch-feministischer Sicht, studiert werden. Glücklicherweise steht das Ergebnis schon vorher fest und ist sicher in ideologische Worthülsen verpackt, so dass keine „rationale“ Beschäftigung mit dem Thema droht. Gehhilfen für alle! Diese wäre auch in hohem Maße desaströs, weil in dem treibhausartigen Klima der ängstlichen Unterdrückung, das besonders der bissige Schäferhund Ratzinger in Kirche wieder erzeugt hat, nur die übliche, sozial-konstruierte phallozentrische Perspektive zu Wort kommen könnte, bloß weil alle anderen Perspektiven sich von logozentrischen Betrachtungsweisen abgrenzen, um alternativen Stimmen Gehör zu verschaffen und der Kontamination durch fremdartige Partikel zu trotzen, die von traditionalistischen Hinterwäldlern als „Argumente“ bezeichnet werden.

Die Ergebnisse des Dialogprozesses werden in die Geschichte als der Tag eingehen, an dem der Aufbruch endlich angebrochen und die Kirche endlich abgebrochen wurde, wenn das energische Signal, das seit Jahren und Jahrzehnten um die Stühle kreist, nicht als Ende, sondern als Anfang einer beständigen Diskontinuität der Reform gesehen wird. Das ist an diesem historischen Wendepunkt, in dieser denkunwürdigen historischen Stunde, besonders bedeutsam. Gehhilfen für alle! Wir müssen im Geist des Konzils den Geist des Dialogprozesses suchen und finden, auf dass eine Neue Kirche werde, und das alte Modell, das nicht von aufgeklärten, modernen, emanzipierten Frauen aller Geschlechter, sondern von einem hinterwäldlerischen Zimmermann aus einem winzigen, rückständigen Dörfchen irgendwo in Palästina gegründet worden ist, und daher nicht mehr in unsere Zeit passt, endlich zu Grabe getragen wird, und seine verdiente ewige Ruhe auf dem Müllhaufen der Geschichte findet, nachdem es auf dem Altar der Politischen Korrektheit ohne Weihrauch (nach Empfehlung des Liturgieprofessors) geopfert worden ist.

Fühlt ihr auch den frischen Atem, den unsere Kirche ausströmt, wenn sie alles mutig nachbetet, was der Rest der Welt seit Jahrzehnten fordert, und dadurch ganz neue Akzente setzt, die allein den wahren Aufbruch verbürgen können? Und Gehhilfen für alle natürlich! Öffnet die Fenster und lasst die Frische Luft des Neuen Frühlings in unsere Kirche hinein und unterstützt enthusiastisch die neuen Ergebnisse und Forderungen des sechshundertsechsundsechzigsten Aufgusses des guten alten Dialogs und seiner Unheiligkeit, Papst Dialogos I. und seiner derzeitigen Lebensgefährtin und Mitpäpstin Julia I.

Ahoi, Genossinnen und Genossaußen!

Das pastorale Problem des Dialogprozesses

Eigentlich ist Dialog ja etwas Gutes. Wir kommen miteinander ins Gespräch, lernen uns besser kennen, tauschen Meinungen und Positionen aus, hören dem anderen in Respekt und mit menschlicher Achtung zu. Was kann man nur dagegen haben?

Wenn der Dialog überhaupt stattfinden soll, und als Ergebnis so etwas wie einen Plan erbringen soll, welcher der Kirche neuen Auftrieb in Deutschland und der westlichen Welt geben könnte, dann muss er ergebnisoffen sein. Stünde sein Ergebnis vorher fest, wäre der ganze Dialog nicht mehr nötig – oder wenn doch, dann nur als manipulatives Instrument zur Vermittlung der bereits längst beschlossenen Ergebnisse der Eliten.

Ist der Dialog nicht ergebnisoffen, so wird er entweder zwecklos oder Mittel der Manipulation.

Doch Ergebnisoffenheit setzt voraus, dass das, worüber man streitet, so oder so entschieden werden könnte, es dabei also kein objektives Richtig oder Falsch geben kann. Man kann also von einem ergebnisoffenen Dialog nur sprechen, wenn von vornherein vorausgesetzt wird, dass das Ergebnis, welches auch immer es sein mag, für sich keine objektive Wahrheit beanspruchen, sondern sich allein auf die Autorität des demokratischen Willensbildungsprozesses berufen wird. Mit anderen Worten: Wenn der Plan, welcher herauskommen soll, von vornherein durch alle Teilnehmer als Konstrukt des Dialogs und nicht als Konsequenz außermenschlicher Lehrsätze oder Erkenntnisse verstanden wird.

Ein ergebnisoffener Dialog – und das ist der einzig sinnvolle Dialog – ist immer, seiner Natur nach, relativistisch. Alle Teilnehmer akzeptieren durch ihre Teilnahme bereits den „herrschaftsfreien Raum“ als den Raum, in dem der Dialog situiert sein soll. Niemand entscheidet vorher oder während der Gespräche, was am Ende herauskommen soll – das wird durch den Dialog und mit ihm und in ihm als allein akzeptabler Entscheidungsform entschieden.

Ein ergebnisoffener Dialog, in dem die Teilnehmer am Ende keine Beschlüsse fassen, sondern nur unverbindliche Vorschläge äußern können, ist seinem Wesen nach ein Selbstwiderspruch. Die ganze Struktur eines Dialogs setzt voraus, dass durch den Dialog reale Sachentscheidungen getroffen werden, die dann auch alle Beteiligten binden. Das ist auch die Erwartung der Teilnehmer eines solchen Dialogs. Wird am Ende des Dialogs nicht das umgesetzt, was durch die breite Mehrheit der Dialogteilnehmer beschlossen oder gefordert worden ist, führt dies verständlicherweise zu einer massiven Unzufriedenheit seitens der Dialogteilnehmer.

Entweder führt also der ergebnisoffene Dialog in seinem herrschaftsfreien Raum zur Umsetzung des durch den Dialog entstandenden Programms durch die zuständigen Autoritäten, oder er führt zu Frustration, Unzufriedenheit und letztlich Wut auf Seiten der Mehrheit der Dialogteilnehmer, die trotz ihrer dominanten Stellung im Dialogprozess letztlich ihren Willen nicht haben durchsetzen können.

Der Dialog eignet sich, um Kompromisse in Bereichen zu finden, in denen Interessen oder entgegengesetzte menschliche Willen aufeinanderstoßen, zwischen denen ein Ausgleich gefunden werden soll, welcher keine unveränderlichen Prinzipien berührt. Auch dann ist er nicht perfekt, aber hat zumindest hier seine Berechtigung.

Kommen wir nun auf den Dialogprozess in der Katholischen Kirche. Hier soll ebenfalls „ergebnisoffen“ diskutiert werden. Mehrfach haben zuständige Bischöfe in Aussicht gestellt, die Ergebnisse des Dialogs – und die sind offen, man weiß also genau genommen gar nicht, worin sie bestehen werden – ernst nehmen zu wollen. Dies kann in den Augen der Dialogteilnehmer nur bedeuten, dass eine Erwartung entsteht, man werde sich seitens der Bischöfe den Anliegen, die im Dialog sich durchzusetzen vermögen, weitgehend Folge leisten.

Doch dies kann innerhalb der Kirche nicht geschehen, geht es doch bei vielen der Dialogthemen um Grundfragen des Glaubens, die nicht die Bischöfe, und auch nicht einmal der Papst ändern könnten. Deswegen kann das Ergebnis dieses Dialogprozesses nur eines von zweien sein:

Entweder entscheiden sich die Bischöfe, dem Ruf des Dialogs nicht zu folgen und seine Ergebnisse weithin zu ignorieren. In diesem Fall werden sich Frustration und Wut der an einer weiteren „Modernisierung“ und Verweltlichung innerhalb der Kirche interessierten Kreise – Verbandskatholiken und kirchenferne Taufscheinchristen – weiter verstärken.

Oder die Bischöfe kommen den Anliegen der Dialogteilnehmer – was auch immer sie am Ende Prozesses genau sein mögen – nach. In diesem Fall begäben sie sich ins offene Schisma mit der Weltkirche.

In beiden Fällen wäre eine weitere schwere Beschädigung der Kirche in Deutschland nicht abzuwenden.

Aus schwerwiegenden pastoralen Gründen ist also der derzeitige Dialogprozess, selbst unter Ausklammerung der immensen in Dialogistan gärenden dogmatisch-theologischen Häresien, abzulehnen. Er vermag der Kirche nicht zu helfen, wird ihr aber mit Sicherheit in pastoraler Hinsicht schwere Schäden zufügen.

Floskelpolizei: „Das Konzil anerkennen“

Immer wieder wird von diversen Seiten der kirchenpolitischen Debatten gefordert, irgend jemand möge doch bitte „das Konzil anerkennen“. Katholiken der Reformation rufen dieses Schlagwort der Piusbruderschaft und jedem Laien zu, der nicht bei drei am Altar steht. Konservative und traditionelle Katholiken rühmen sich zuweilen damit, dass sie „das Konzil anerkennen“ und grenzen sich damit von den Piusbrüdern ab, die diese Anerkennung bekanntlich und beharrlich verweigern. Manche Piusbrüder sprechen von der Konzilskirche, so als sei dies etwas anderes als die Kirche vor dem Konzil, und erheben damit die Ablehnung der „Anerkennung des Konzils“ fast zum ersten Glaubenssatz.

Nun leben wir in einer Zeit, die Emotionalität mehr schätzt als Rationalität und Komik mehr als Logik, doch selbst heute haben Worte noch Bedeutungen, wenn sie auch immer seltener als solche erkannt werden. Das gilt auch für das „Anerkennen eines Konzils“. Vor einiger Zeit schrieb ich bereits über die Frage, was es eigentlich bedeute, die „Neue Messe“ anzuerkennen. Dort zählte ich insgesamt sieben Möglichkeiten auf, wie man die geforderte Anerkennung verstehen könne – es ist also offenbar notwendig, exakt zu beschreiben, was man meint, und nicht auf vieldeutigen Leerfloskeln zu beharren.

Der freundliche Verbandskatholik an der Ecke, der seine Freizeit mit Werbung für „Demokratisierung“ und „Aufbrechen des Patriarchats“ in der Kirche verbringt, hat sicher ganz andere Vorstellungen von „Anerkennung des Konzils“ als der traditionell katholische Petrusbruder, obgleich beide diese Formulierung in der einen oder anderen Weise unterschreiben würden. Auch Erzbischof Zollitsch und der Heilige Vater sind sich einig: Man muss das Konzil anerkennen. Aber was heißt das?

Wenn wir diese Frage stellen, dann müssen wir die dicken Bretter bohren. Wir müssen fragen, ob und, wenn ja, wie das konziliare Verständnis von Religionsfreiheit, von Ökumene, von Kollegialität der Bischöfe, von der Reform der Liturgie, von der Beteiligung von Laien und dergleichen mehr vereinbar mit der traditionellen Lehre der Kirche ist. Zu diesem Zweck braucht man umfassende Studien des lehramtlichen Materials vor dem letzten Konzil, eine gründliche und möglichst umfassende Auswertung und Interpretation der Konzilstexte im Lichte dieses lehramtlichen Materials, und dann muss der Versuch unternommen werden, die verbliebenen Differenzen zusammenzufassen und lehramtlich verbindlich festzulegen, was denn nun zu glauben sei.

Doch damit noch nicht genug: Man muss fernerhin die unglaublich vielfältige nachkonziliare Praxis untersuchen und die Frage stellen, inwiefern diese Praxis – die ja von den Konzilsvätern nach dem Konzil zumindest geduldet, oft mit vorangetrieben worden ist – vereinbar ist mit den Texten des Konzils auf der einen und den lehramtlichen Proklamationen vor 1962 auf der anderen Seite. Diese massive Untersuchung sprengt natürlich sowohl den Rahmen meines Blogs als auch den Rahmen meiner Fachkenntnis und ist sicher etwas für ein ganzes Team wissenschaftlich hochstehender theologischer Experten mit einer Wagenladung „sentire cum ecclesia“.

(Die Frage, ob ein Konzil, das derartige Klarstellungen benötigt und dermaßen viel Unsicherheit unter den Gläubigen selbst fast fünfzig Jahre nach seiner Eröffnung hervorruft, wirklich „pastoral“ allzu hilfreich war, lassen wir einmal stillschweigend beiseite…)

Bevor wir also sagen können, was „das Konzil anerkennen“ bedeutet, müssen wir klären, welches Verständnis des Konzils zugrunde gelegt werden soll. Der Leitfaden ist dabei sicherlich die vom Heiligen Vater vorgeschlagene Hermeneutik der Reform in Kontinuität, wie er es in seiner berühmten Ansprache im Jahre 2005 formuliert hat. Doch muss dieser hermeneutische Rahmen mit Inhalt gefüllt werden. Bei etlichen Themen scheint der Rahmen zumindest auf den ersten Blick nicht zu passen. Wie kann man es vereinbaren, dass die Religionsfreiheit im liberalen Sinne immer von der Kirche verurteilt worden ist, und dann plötzlich die Religionsfreiheit nicht nur als praktische Notwendigkeit der gemischtreligiösen Gesellschaft geduldet, sondern als Naturrecht propagiert wird? Wie passen interreligiöse Gebetstreffen wie etwa in Assisi mit, zum Beispiel, der in Mortalium Animos dargelegten kirchlichen Lehre zu eben solchen interreligiösen Treffen zusammen? Diese und andere Fragen mögen sehr gute und zureichende Antworten haben, doch sie sind für den theologisch nicht geschulten Laien nicht unbedingt offensichtlich, um es einmal vorsichtig zu formulieren.

Solange es also nicht zu einer – lehramtlich verbindlichen – Klärung diverser scheinbarer Brüche zwischen vorkonziliarem und nachkonziliarem Lehramt kommt, ist es äußerst schwer zu sagen, man müsse das im Geiste der Hermeneutik der Kontinuität verstandene II. Vatikanum anerkennen. Ich bin jederzeit in der Lage, bestimmte Lehrsätze anzuerkennen, wenn die Kirche sie lehrt. „Extra ecclesiam nulla salus“ ist so ein Beispiel. Die Kirche lehrt es – das Thema ist damit durch. Man kann nun noch Argumente für den Satz anführen, und auch Gegenargumente finden, doch die richtige Lösung haben wir schon verraten bekommen. Hier haben wir es mit einem klaren, floskelfreien, verständlichen Satz zu tun. Er ist deutlich, selbst wenn er nicht deutsch ist.

Doch „das Konzil“? Welche konkreten Lehrsätze sind dem Gläubigen durch das Konzil zur Anerkennung vorgelegt worden? Wer kann überhaupt in einer floskelfreien Weise sagen, was „das Konzil“ uns, über einen vagen Geist des „Aggiornamento“ hinaus, sagen wollte? Die Texte kann man so oder so interpretieren. Als guter Katholik interpretiere ich sie im Sinne der Hermeneutik der Kontinuität im Lichte der Tradition. Ich stoße dabei auf Schwierigkeiten. Welche Lehrsätze soll ich glauben? Wo lehrt das Konzil solche Lehrsätze? Sie stehen nirgendwo. Die Päpste haben seit dem Konzil oft gesagt, es seien keine Dogmen definiert worden. Gut, aber es gibt zu glaubende Lehrsätze, die nicht im Rang eines Dogmas stehen. Was ist mit denen? Welche sind sie? Was soll ich überhaupt anerkennen?

„Das Konzil“ kann man nur als historische Tatsache anerkennen. Es hat unzweifelhaft ein gültiges ökumenisches Konzil der katholischen Kirche stattgefunden. Das kann ich anerkennen – es ist ein klarer Satz mit einer klaren Bedeutung. Deutlich, und in diesem Fall sogar deutsch. Doch was das Konzil bedeutet? Woher soll ich das wissen? Woher soll irgendjemand das wissen? Ist die Bedeutung des Konzils das, was die Mehrheit der Konzilsväter hat aussagen wollen? Das, was der Heilige Geist hat aussagen wollen? Oder irgendetwas anderes?

Ich erkenne alle Dogmen der Kirche an, weil es sich hier um klare Lehrsätze handelt, präzise formuliert und wohlabgewogen. Doch die schwurbelige Konzilsprosa? Abstrakt gesehen erkenne ich sie auch an. Es hat sie gegeben, und ich gehe davon aus, dass der Heilige Geist die Kirche nicht völlig in die Irre lenken wird. In diesem Sinne erkenne ich das Konzil an. In diesem Sinne tun es aber auch die Piusbrüder.

Doch nach den Aufforderungen des Konzils zu handeln? Das Konzil in dem Sinne anzuerkennen, dass man die spezifischen Dokumente, die das Konzil hervorgebracht hat, auch inhaltlich als sicheren Leitfaden im Glauben annimmt? Dazu müsste man erst einmal wissen, was überhaupt mit diesen spezifischen Texten gemeint ist.

Daher braucht man dringend theologisch-dogmatische Gespräche, wie sie in den letzten zwei Jahren zwischen der Piusbruderschaft und dem Vatikan stattgefunden haben. Wir brauchen mehr davon, wir brauchen sie auf allen Ebenen, die dazu inhaltlich befähigt sind, und sie stellen neben der Restauration einer würdigen Liturgie die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre dar. Am Ende muss eine Klarstellung des Konzils stehen – das muss keine Abkehr von den Aussagen des Konzils sein, nur damit man mich nicht falsch verstehe. Ich meine wirklich eine Klarstellung, in der in klaren, verständlichen Sätzen festgelegt wird, was das Konzil uns eigentlich zu sagen hatte, und in welchem Verhältnis es genau zu vorkonziliarem Lehramt und zur postkonziliaren Praxis stand.

Man kann jedem Kind mit etwas Aufwand erklären, was mit „extra ecclesiam nulla salus“ gemeint ist. Doch was genau steht in „Nostra aetate“ oder „Dignitatis humanae“?

Ich halte es also für sinnlos, die Forderung nach „Anerkennung des Konzils“ aufzustellen, wenn und insofern nach wie vor nicht autoritativ geklärt ist, wie das Konzil denn nun zu verstehen sei. Ja, erkennen wir das Konzil an – als ein gültiges ökumenisches Konzil, als historische Tatsache, und gestehen wir ihm durchaus zu, im strengen Sinne keine Irrtümer gelehrt zu haben. Doch die Frage bleibt: Welche Lehrsätze unterhalb des Ranges eines Dogmas wurden durch das Konzil hinzugefügt oder verändert? Und lasst uns diese dann anerkennen, wenn wir einmal wissen, welche es sind.

Bis dahin brauchen wir theologische Klarstellungen. Ich weiß nicht, ob die Piusbruderschaft genauso denkt. Abgesehen von der gelegentlichen Messe (mangels erreichbarer traditioneller Messen in meiner Umgebung) in einem ihrer Priorate habe ich keine Verbindungen dorthin. Ihre Forderung nach theologischen Klarstellungen lässt zumindest darauf schließen, dass es ähnliche Ansätze in diesen Kreisen gibt. Sollte das so sein, dann wäre das ein sehr gutes Zeichen. Denn in Anbetracht der verheerenden Ereignisse seit dem Konzil ist eine Neubestimmung des Umgangs der Kirche mit den Herausforderungen der Moderne offenbar dringend erforderlich.

Die Kirche braucht also mal wieder einen Dialogprozess. So ähnlich wie hier in Deutschland.

Nur anders.

Lobt-die-Hirten-Woche: Vermischter Overbeck (Teil 4/6)

Der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, ist im Rahmen der Lobt-die-Hirten-Woche auf Kreuzfährten heute sozusagen an der Reihe. Er hat sich wiederholt durch klare Worte zum Zölibat, zur moralischen Verwerflichkeit praktizierter Homosexualität und zu anderen Themen geäußert. Zudem ist er der erste deutsche Diözesanbischof seit ich weiß nicht wann, der an einer traditionellen Messe in seiner Domkirche teilgenommen hat und er arbeitet, zumindest nach der Aussage der Petrusbruderschaft, mit dieser gut zusammen. Pater Gerstle, FSSP, hört nach des Bischofs Aussage im Dom regelmäßig die Beichte.

Er ist für klare Worte im Geiste der Kirche bekannt.

Natürlich gibt es auch einige, sagen wir mal, Seltsamkeiten, darunter sicherlich sein absolut handzahmes Verhalten hinsichtlich des Dialogprozesses, aber die lassen wir jetzt mal unter den Tisch fallen.

Abschließend noch einige kurze Verweise auf frühere Artikel auf Kreuzfährten und anderswo zum Ruhrbischof, die zum Thema passen:

Ist Bischof Overbeck konservativ?

Solidarität mit Bischof Overbeck

Christen als „Fremde ohne Bürgerrecht“

Kleiner Hinweis: Morgen kommt als fünfter Teil ein Beitrag über Bischof Tebartz-van-Elst aus dem Bistum Limburg, und danach geht mir nach derzeitigem Kenntnisstand das „Lob“-Material unter den deutschen Hirten aus. Haben meine Leser da noch weitere Vorschläge?

Märchen Lebenswirklichkeit

Standig, kaum vergeht ein Tag, läuft mir wieder ein Märchen über die Füße: Die Kirche müsse sich doch an die Lebenswirklichkeit der Menschen von Heute anpassen – die Kirche sei weltfremd – die Kirche müsse sich für die Bedürfnisse der Menschen von Heute öffnen und immer so weiter im säuselnden Singsang der Sätze.

Um einmal einen bekannten Buchtitel des Philosophen Harry Frankfurter zu zitieren: Bullshit!

Die Kirche muss sich nicht der „Lebenswirklichkeit“ irgendwelcher Menschen anpassen, weil die sogenannte Lebenswirklichkeit der Menschen nicht maßgeblich für die Findung theologischer und sittlicher Wahrheit ist. Ebenso kann, nein muss, die Kirche immer und überall weltfremd sein – weil die Welt kirchenfremd ist. Wir sollen keine Schätze in dieser Welt anhäufen, weil unsere wahren Schätze in einer anderen Welt sind. Jede Kirche, die diesen Namen verdient, muss daher unbedingt und absolut „welt-fremd“ sein, also dieser Welt fremd. Sie darf niemals glauben, sie sei von dieser Welt.

Der Zweck der Kirche ist ebenso nicht die Erfüllung irgendwelcher empfundener Bedürfnisse der Menschen. Der Zweck der Kirche ist die Verkündigung des Wahren Glaubens und die Feier des Kreuzesopfers Christi durch die Eucharistie. Beide dienen letztlich dazu, die Menschen zu ihrem ewigen Heil zu führen. Das ist alles. Die Menschen ins ewige Heil, in den Himmel, in die ewige Schau Gottes, wie auch immer man es ausdrücken möchte, zu führen, das ist der Zweck der Kirche. Und das ist nicht einmal katholisches Sondergut, sondern allgemein christlich. Zitat des Protestanten C.S.Lewis aus Mere Christianity:

It is easy to get muddled about that. It is easy to think that the Church has a lot of different objects – education, building, missions, holding services. Just as it is easy to think the State has a lot of different objects – military, political, economic, and what not. But in a way things are much simpler than that. The State exists simply to promote and protect the ordinary happiness of human beings in this life. A husband and wife chatting over a fire, a couple of friends having a game of darts in a pub, a man reading a book in his own room or digging in his own garden – that is what the State is there for. And unless they are helping to increase and prolong and protect such moments, all the laws, parliaments, armies, courts, police, economics etc., are simply a waste of time. In the same way the Church exists for nothing else but to draw men into Christ, to make them little Christs. If they are not doing that, all the cathedrals, clergy, missions, sermons, even the Bible itself, are simply a waste of time. God became Man for no other purpose.

(Anmerkung: Wenn irgendein Leser die deutsche Übersetzung dieser Passage [4. Buch, 8. Kapitel: Is Christianity Hard or Easy?] verfügbar haben sollte, so wäre ich ihm sehr dankbar, wenn er sie in den Kommentaren hinzufügte!)

Die Erfüllung der Bedürfnisse von Menschen kommt erst später ins Bild. Natürlich hat Gott die Menschen aufgefordert, ihren Nächsten zu lieben. Wir sollen barmherzig sein. Das alles ist richtig und extrem wichtig. Doch solange wir nicht verstehen, worin die Wahrheit über Gott und die Wahrheit über das natürliche Sittengesetz besteht, solange wir uns nicht an Gott ausrichten, und damit auch an dem moralischen Gesetz, das er uns gegeben hat, solange wissen wir gar nicht, worin denn das Gute des Nächsten eigentlich besteht. Der heilige Thomas von Aquin schrieb, Liebe sei, das Gute des Anderen zu wollen. Das bedeutet: Es gibt keine Liebe, die nicht das wirklich wahre Gute des Anderen will, sondern nur seine subjektive Empfindung zufriedenzustellen wünscht.

Alle Menschen haben eine Vielzahl subjektiv empfundener Bedürfnisse. Darunter fällt auch die Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen. Ferner ist jedem Menschen das objektive moralische Gesetz gegeben. Wer sich an den subjektiv empfundenen Bedürfnissen und Wünschen des Anderen orientiert, wenn diese in Konflikt mit dem moralischen Gesetz geraten, der liebt den Anderen nicht, sondern empfindet höchstens emotionale Zuneigung. Liebe kann niemals weniger sein als das objektiv Gute des Nächsten zu wollen.

Und es gibt keine Barmherzigkeit ohne Liebe. Man ist nicht „barmherzig“, wenn man einfach den Wünschen eines Menschen nachgibt, sofern diese Wünsche dem entgegen stehen, was wahrhaft gut für ihn ist – nämlich Gemeinschaft mit Gott im Ewigen Leben zu finden.

Jede Sünde, und schwere Sünden (Todsünden) in besonderem Maße, schwächen bzw. trennen das Band, das den Menschen mit diesem wahrhaft Guten verbindet. Daher kann es niemals ein Akt der Barmherzigkeit sein, die Sünden anderer Menschen gutzuheißen, oder einfach zu ignorieren. Im Gegenteil: Es ist zweifelhaft, ob es irgendeinen Akt gibt, der weniger barmherzig ist, als die Sünden eines Menschen einfach zu ignorieren, ihn in seinen Sünden vegetieren zu lassen – und damit zu riskieren, dass der betroffene Mensch nicht das ewige Leben sondern nur das ewige Feuer findet.

Was fordert man also, wenn man der Kirche erklärt, sie müsse sich an die „Welt“ anpassen, an ihre „Lebenswirklichkeit“, sie dürfe dieser „Welt“ nicht fremd sein, sie müsse sich mehr an den (subjektiv empfundenen) Bedürfnissen der Menschen orientieren? Man fordert, dass sie das wahre Gut dieser Menschen schlicht ignoriert, um ihnen in diesem Leben gefällig zu sein. Dass sie sich nicht um das ewige Leben, das Seelenheil, die Erlösung ihrer Schäfchen kümmert, sondern nur darum, dass diese Schäfchen ein besonderes Gefühl der warmen Zuneigung zu „ihrer“ Kirche empfinden.

Ich vermag darin nichts anderes zu erkennen als die Aufforderung an die Kirche, ihre Mission zu verraten.

Wie „weltfremd“ muss die Kirche sein, wenn sie ihre Schäfchen wirklich mit mütterlicher Liebe überhäufen will, statt sie nur einfach unverbindlich „ganz nett“ zu behandeln und mit subjektiv-emotionaler Zuneigung zuzuschütten?

Sie muss weltfremd genug sein, um gegen die Tötung der Unschuldigen im Mutterleib zu kämpfen.

Sie muss weltfremd genug sein, um gegen den systematischen Missbrauch des Geschenks der Sexualität durch technizistische Anmaßungen wie Verhütung, künstliche Befruchtung usw. anzukämpfen.

Sie muss weltfremd genug sein, um das unauflösliche Bündnis eines Mannes mit einer Frau, und die je besondere Würde und Aufgabe der zwei unersetzlichen und einzigen Geschlechter gegen die Gleichmacher zu verteidigen, die sowohl Männer als auch Frauen durch ihre Machenschaften entwürdigen.

Sie muss weltfremd genug sein, um das Heilige Messopfer mit Ehrfurcht und Demut zu feiern, selbst wenn die „Welt“ das bloß für ein Gemeindemahl ohne Zusammenhang zum ewigen Heil der Menschen hält.

Sie muss weltfremd genug sein, um gegen Habgier, Neid und Geiz auch dort aufzubegehren, wo das ganze Wirtschaftssystem darauf basiert.

Sie muss weltfremd genug sein, um die Zerstörung der natürlichen Lebensumgebung durch profitorientierten Raubbau ebenso zu bekämpfen, wie den Versuch der sogenannten „Umweltschutzbewegung“ die Gesundheit des quasi-vergötterten Planeten Erde mit dem Blut der „überzähligen“ Menschen zu erkaufen, die das Pech hatten, in einer Welt zu leben, in der die Eliten von „Überbevölkerung“ schwafeln, statt die Menschen zum Zusammenrücken aufzurufen.

Sie muss weltfremd genug sein, um sich dem Fürsten dieser Welt zu widersetzen, welcher ansonsten kaum Widerstand in dieser seiner Domäne findet.

Kurzum: Sie muss so weltfremd und so fern der durchschnittlichen „Lebenswirklichkeit“ des Menschen sein wie nur möglich.

Und wenn sie das ist, wenn sie diese Einsicht ganz fest in sich verankert trägt, wenn ihre jegliche Handlung nur auf Gott, und damit auf Gottes Liebe zentriert ist, und damit auf die Dogmen und moralischen Wahrheiten, in denen sich Gottes Liebe in Form verbindlicher Handlungsanweisungen für uns verlorene Söhne manifestiert, wenn sie an nichts anderes denkt als gottgefällig zu sein, wenn sie sich alle Flausen gründlich aus dem Kopf geschlagen hat, den Menschen gefallen, ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechen zu wollen, ihre Lebenswirklichkeit annehmen zu wollen, dann geschieht etwas ganz Interessantes:

Diese Kirche, die ihre Augen fest auf das Himmelreich gerichtet hat, wird die Gebote des Herrn befolgen wollen. Sie wird tun wollen, was Christus getan, lieben wollen, wie Gott geliebt und helfen wollen wie der Herr geholfen hat – und also wird sie das wirklich und wahrhaft Gute aller Menschen wollen. Sie wird die Menschen wahrhaft lieben, nicht nur Zuneigung zu ihnen empfinden.

Doch wenn die Kirche das tut, dann findet sie begraben in den Dogmen und Wahrheiten ihrer Überlieferung den Schlüssel für die Lebenswirklichkeit der Menschen. Sie findet darin wahre Liebe und wahre Barmherzigkeit. Sie durchschaut die Ursachen der Probleme, die die Lebenswirklichkeit der Menschen heimsuchen, mit dem scharfen übernatürlichen Licht des göttlich Logos. Nur wer die Ursachen eines Problems durchschaut, der kann es lösen helfen. Die Menschen einfach nur zu bedauern, wenn ihnen doch geholfen werden kann, ist nicht bermherzig und auch nicht liebevoll, sondern kalt und verhärtet. Die Probleme, die die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit plagen, haben Ursachen, die allzu oft beseitigt werden können.

Frühere Sünden, die das Gewissen der Menschen plagen, können durch das Sakrament der Buße hinweggenommen werden. Geschlagene Wunden können durch das Geschenk der Vergebung geheilt werden. Feindschaften können bezwungen werden durch die Gnade Gottes und den festen Willen des Menschen, dieser Gnade sein Herz zu öffnen. Die Liste der möglichen Heilungen ist endlos. Doch diese Heilungen schlägt allesamt aus, wer nicht eingesteht, dass er der Heilung bedarf. Nur der Sünder wird beichten, nur der Kranke nimmt seine Medikamente.

Wenn die Kirche sich ganz auf Gott ausrichtet, nicht auf die Welt, wenn sie freiwillig der Welt fremd wird, dann erlangt sie überhaupt erst die Fähigkeit, die Probleme der Welt wirklich anzupacken und zu lösen. Erst wenn sie sich ganz Gott geschenkt und ergeben hat, vermag sie praktisch Tränen zu trocknen und menschliche Wunden zu heilen. Erst wenn sie sich ganz Gott unterwirft, kann sie ganz den Menschen dienen.

Liebe Gott mit allem was du hast, ohne etwas zurückzuhalten, und den Nächsten wie dich selbst. Nicht umgekehrt. Wir müssen zuerst nach dem Himmelreich streben. Zuerst Gott, dann die Menschen. Wir lieben Gott mit allem was wir haben und allem was wir sind. Und Gott sagt uns dann: „Wenn du mich wirklich liebst, Mensch, dann sei für deinen Nächsten da. Und ich gebe dir die Kraft das auch zu tun.“

Solange wir uns an der „Lebenswirklichkeit“ der Menschen und an dieser „Welt“ orientieren, werden wir zwar nicht weltfremd, aber gottfremd bleiben. Und da Gott die Welt geschaffen hat, ist der Gottfremde letztlich auch der wahrhaft Weltfremde. Denn er biedert sich permanent an die „Lebenswirklichkeit“ der Menschen und diese „Welt“ (und ihren Fürsten) an, aber er vermag sie nicht zu heilen in diesem Leben und erlösen wird er sie sicher auch nicht.

Kardinal Schönborn: Weder Ungehorsam noch Konsequenz

Seit Monaten schwelt in Österreich bereits das Schisma. Hunderte Priester haben sich in der sogenannten „Pfarrer-Initiative“ zusammengeschlossen, eine Erklärung geschrieben, die unter dem Namen „Aufruf zum Ungehorsam“ veröffentlicht wurde, und in der das ganze übliche „reformkatholische“ Gebräu wieder einmal aufgewärmt wurde. Oberschismatiker Schüller setzte letztens noch einen drauf, worüber ich auch schon geschrieben habe.

Es ist an dieser Stelle nicht nötig, schon wieder auf alle theologischen Irrtümer einzugehen, die die ungehorsamen Priester in Österreich zu verzapfen wünschen. Doch was ist zu der bisherigen Reaktion der österreichischen Bischöfe zu sagen? Kardinal Schönborn, der oberste österreichische Hirte, der als Erzbischof von Wien, soweit ich das sehe, auch für Herrn Pfarrer Schüller direkt zuständig ist, hat sich dazu hinreißen lassen, einen offenen Brief zu schreiben, in dem er erklärte, Ungehorsam sei schlecht – und die Pfarrerinitiative milde dazu aufforderte, sich von dem Anschein des Ungehorsams doch bitte zu distanzieren. Die Pfarrerinitiative reagierte nicht, außer indem sie ihre radikale Rhetorik noch weiter verschärfte und auf allen ihren Positionen beharrte.

Sogenannte „Priesterlose Eucharistiefeiern“ wurden gefordert, was auch immer das sein soll, wenn nicht ein Oxymoron (jede Eucharistiefeier braucht notwendig einen Priester, da selbst die oberste Vorsitzende des obersten Pfarrgemeindesowjets zur Konsekration von Hostien gänzlich unfähig ist. Vielleicht könnten sie ja „Hostiinnen und Hostien“ konsekrieren…) Schüller forderte zuletzt sogar die Möglichkeit einer „Päpstin“, was wohl die Folge zu viel feministischer und sonstiger Schundliteratur sein dürfte.

Wie reagiert nun der eminente Kardinal darauf? Er wendet sich wieder an die Öffentlichkeit. Auf kath.net heißt es:

Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn stellt im großen Interview in der morgen erscheinenden Ausgabe des Magzins „News“ zur Pfarrer-Initiative klar: „Wenn es in disziplinären Fragen wie etwa Zulassungsbedingungen zum Priesteramt Änderungen geben sollte, dann sicher nur in Gemeinschaft mit der Weltkirche.

Es gab ja in Österreich Versuche, dass sich etwa Frauen eine Priesterweihe organisiert haben. Das führt in eine Sackgasse. In der Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche geht das nicht! Ganz klar: Dafür stehe ich nicht zur Verfügung!“

Hochinteressant. Auf den ersten Blick erscheint dies doch tatsächlich wie ein Statement, das so von einem katholischen Hirten abgegeben werden könnte. In disziplinären Fragen sind Veränderungen auf weltkirchlicher Ebene möglich, aber lokale Alleingänge schädlich. Frauen zur Priesterweihe zuzulassen geht in eine Sackgasse – „in der katholischen Kirche geht das nicht!“ Das hört sich wie gesunde katholische Lehre an.

Und dafür ist Kardinal Schönborn auch zu danken. Seine Worte machen deutlich, wo er steht. Er ist gegen den theologischen Unsinn, der von den ungehorsamen Hirten verbreitet wird, und er steht auch dazu. Alles sehr schön.

Eine Frage hätte ich da schon noch:

Warum handelt der Kardinal denn eigentlich nicht? Wenn er doch so entschlossen und öffentlichkeitswirksam seine Treue zu Papst und Lehramt, die Notwendigkeit priesterlichen Gehorsams und der Befolgung katholischer Lehre in Theogie und pastoraler Praxis bekennen möchte, dann hätte er dazu doch eine exzellente Gelegenheit.

Doch Herr Schüller kann seine Häresien zusammen mit denjenigen seiner etwa 300 Freunde weiter verbreiten, weiter als katholischer Priester auftreten, ohne in irgendeiner Form disziplinarisch belangt zu werden. Kardinal Schönborn hat in seinem ursprünglichen offenen Brief betont, dass in jedem Unternehmen ein Angestellter der in grundsätzlichen Fragen öffentlich gegen die Linie der Führung agitiert, schlicht gefeuert würde. Warum nicht auch in der Kirche?

Wenn Kardinal Schönborn doch wirklich die Lehre der Kirche glaubt, und ihm an der Verteidigung derselben wirklich etwas liegt, warum geht er dann nicht wenigstens mit der gleichen Härte gegen die Agitation der Pfarrer-Initiative und ihres Revolutionsführers Che Schüller vor, wie jeder milde Unternehmer gegen vergleichbaren Widerstand in seinem Unternehmen?

Warum ist die Kluft zwischen Worten und Taten so groß?

Wenn ich mich recht entsinne, dann gab es einmal einen ziemlich unbedeutenden Wanderprediger im Nahen Osten, der vor etwa 2000 Jahren seinen Anhängern empfahl, man solle den Worten, nicht den Taten, der Pharisäer Folge leisten, eben weil diese Gruppe zwar gute Worte zu sprechen vermochte, das Gesetz in Worten verteidigte und einhielt, aber in der Praxis etwas ganz anderes tat. Nun möchte ich Kardinal Schönborn nicht als Pharisäer bezeichnen, aber eine gewisse Nähe kann schon konstatiert werden.

Kardinal Schönborn spricht gute Worte, aber tut er auch gute Werke? Wir sollen sie, auch unsere Hirten, an ihren Früchten messen. Sind die Früchte von Kardinal Schönborns milden Zurechtweisungstaktik erfolgreich? Hat Pfarrer Schüller seine Unterzeichner und sich selbst zurückgepfiffen, um frisch und fröhlich zu dialogisieren? Im Gegenteil. Je mehr Raum man den Schüllers dieser Welt gewährt, umso forscher treten sie auf, umso mehr glauben sie sich leisten zu können, umso weniger Respekt haben sie vor ihrem Hirten, und umso mehr Schaden fügen sie der Kirche zu. Außerdem fördern sie diejenigen Elemente in der Kirche, die nicht das geringste Interesse an Einheit mir Rom und dem Papst haben, sondern sich einfach ihre persönliche private Wohlfühlkirche schaffen wollen, die genau die Dogmen vertritt, die sie selbst für wichtig halten (Egalitarismus, „Gleichstellung“ von Frauen, Priesterinnen, Homo-Ideologie, Liturgie als Theateraufführung, Leib Christi als Gemeindemahl, religiöser Indifferentismus usw.).

Als Konvertit habe ich keine lange Erfahrung innerhalb der katholischen Kirche. Aber selbst ich habe schon erlebt, wie dieser die ganze Kirche zumindest in Europa durchwehende Geist des Ungehorsams und der Gleichgültigkeit gegenüber Wahrheit und Gott guten Hirten große Schwierigkeiten macht.

In jeder anderen Zeit wäre ein mir persönlich bekannter Gemeindepriester, nennen wir ihn einmal X, ein guter Hirte für seine Schäfchen gewesen. Er ist ein sanftmütiger, freundlicher, gläubiger Mann, der von seinem Gemeindesowjet, diversen Liturgie- und sonstigen Sowjets vor sich her getrieben wird. Er liebt die Kontroverse und den Streit überhaupt nicht. Man könnte sogar sagen, er kann sich nicht allzu gut durchsetzen gegen Widerspruch und Respektlosigkeit. In einer Atmosphäre des Respekts vor gläubigen Priestern wäre er ein exzellenter „pastor“, ein wundervoller Hirte, geworden. Doch heute? Die halbgläubigen Modernisten wissen genau, dass man sie mit allem durchkommen lässt, denn die katholischen Priester haben in ihrer Diözese keinen Rückhalt und Rom ist fern. Also tanzen die Mäuse auf den Tischen, und keiner kann sie stoppen. Sich gegen eine Meute Modernistenmäuse zur Wehr zu setzen, das überfordert den Gemeindepriester X, besonders wenn er sehr wahrscheinlich auf Diözesanebene den Kürzeren zöge, käme es zum offenen Streit.

Derweil wird weiter mit Häretikern dialogisiert, statt sie einer gründlichen öffentlichen und persönlichen Katechese zu unterziehen, derweil wird weiter der katholische Glaube kleingehackt und in vom modernen Menschen zu akzeptierende, geschmacklose und fade Platitüden zerlegt, derweil werden die noch vorhandenen gläubigen Priester skrupellos im Stich gelassen, wenn nicht direkt sabotiert, und derweil können die Schüllers dieser Welt weiterhin ihre Häresien plappern, ohne dass der Eindruck entstünde, jemand unternähme etwas gegen den Eindruck, sie sprächen in ihrer Funktion als Pfarrer doch im Namen der Kirche.

Aber wehe ein Priester ist wirklich gläubig und kämpft auch noch dafür. Dann ist er abgesägt, bevor er drei Ave Marias sagen kann.

Kardinal Schönborn spricht, wie gesagt, schöne und wahre Worte. Aber es folgen keine Taten, wie bei den allermeisten Hirten des postmodernen Zeitalters. Und dadurch fördern Kardinal Schönborn und die vielen Bischöfe und Kardinäle, die ähnlich mit ihren heimischen Modernisten umgehen, die weitere Verbreitung modernistischer Irrlehren, die Entkirchlichung der Kirche, die Eesakralisierung des Sakralen, die Entchristlichung des Christentums – was, auf eine Formel gebracht, das Resultat, wenn auch nicht die Absicht, der Modernisten ist.

Kardinal Schönborn spricht schöne Worte. Er zeigt mit seinem Bischofsstab zur Wahrheit und zur Kirche. Er ist nicht ungehorsam – und nicht konsequent. Aber er sollte sich ins Gedächtnis zurückrufen, dass sein Bischofsstab ein Hirtenstab ist. Er kann nicht nur zeigen, er kann auch noch mehr. Doch dazu müsste man ihn schwingen. Und dann klatscht es gewaltig, wie man mancherorts zu sagen pflegt.

Aber das wär‘ ja nicht modern!

P.S. Unterschreiben beim Aufruf zum Gehorsam nicht vergessen! Bisher sind es gut 2000 Unterschriften. Da muss noch mehr drin sein!!

Papst Benedikt kommt…

… nach Deutschland, aber nicht alle freuen sich darüber, wie der Leser sicher schon weiß.

Ein schöner englischsprachiger Artikel zum Papstbesuch und den Schwierigkeiten, mit denen Benedikt in seiner Heimat zu kämpfen haben wird, findet sich hier. Einige kurze Auszüge:

In one sense, the Church is extremely present in everyday German life. It is after all one of Germany’s biggest employers. Amply funded by a church tax levied on all Germans who identify themselves as Catholic, the Church runs thousands of educational institutions, hospitals, retirement homes, foreign aid programs, and so on.

It has, however, also become heavily bureaucratized — something to which Benedict alludes in his interview-book Light of the World. Nor is it clear what distinguishes many German Catholic institutions from those of a more secularist bent. Moreover, by no means do all the people working in the Church’s numerous agencies profess to be faithful Christians.

(…)

[B]ureaucratization is symptomatic of a deeper malaise in German Catholicism. And that problem boils down to one thing: a failure on the part of many German Catholics to teach the Catholic faith because of the distance they’ve put between themselves and the truth-claims of that faith.

Anyone who reads German theological journals will tell you that much of Germany’s Catholic theological establishment sits rather loosely towards orthodox Catholicism. Much of it seems more intent on deconstructing that faith than illuminating its principles.

It’s also true that they and many other German Catholics are now essentially liberal Protestants in the way they view Christianity and the world. And liberal Protestantism is, as the legal historian Harold J. Berman (himself a mild Baptist) once wrote, merely one step away from agnosticism.

Ein anderer kurzer Artikel bei Rorate Caeli befasst sich mit dem Boykott des Papstbesuches durch etwa 100 deutsche Bundestagsabgeordnete. Die These ist, dass die Protestler durch ihr Verhalten indirekt die Unfehlbarkeit der Bibel unterstreichen: So zitiert man dort:

„Amen, I say to you, that no prophet is accepted in his own country.“ (St. Luke iv, 24)

Auch eine interessante Perspektive auf Proteste, die in Deutschland auf eine sympathische Öffentlichkeit stoßen werden.

Beide Artikel weisen auf einen wesentlichen Defekt im deutschsprachigen Katholizismus hin: Es fehlt auf beiden Seiten der Debatte schlicht die Kenntnis des katholischen Glaubens. Wäre die Argumentation der Kirche in den verschiedenen umstrittenen Fragen allen Befürwortern und Gegnern bekannt, so könnte man sachliche und zielführende Streitgespräche erwarten. Doch solange die Kirche in Deutschland die Wahrheit bei jeder Gelegenheit verwässert und herunterspielt, werden weder die Befürworter noch die Gegner des Papstes zu intelligenten Diskussionen in der Lage sein. Solche Diskussionen werden weiter auf einige kleine Zirkel beschränkt bleiben, die in der öffentlichen Wahrnehmung praktisch nicht vorkommen.

Deswegen: KATECHESE STATT DIALOG!

Beten für Fellay

Heute ist es soweit: Das lange antizipierte Treffen zwischen hochrangigen Vertretern des Vatikan und der Piusbruderschaft im Rahmen eines wirklich bedeutsamen Dialogprozesses wird heute stattfinden. Was wurde nicht alles spekuliert! Der Vatikan wolle den Piusbrüdern eine Personalprälatur anbieten, nach dem Vorbild von Opus Dei. Andere wollten erfahren haben, ein Ordinariat nach dem Vorbild von Anglicanorum Coetibus stehe den Piusbrüdern ins Haus. Die Spekulationen über eventuelle Spaltungen innerhalb der Bruderschaft zwischen Fellay und Williamson, zwischen Anhängern einer Einigung und quasi-sedevakantistischen Gegnern wollten nicht abreißen.

Die Versuchung sich an diesen Spekulationen zu beteiligen war für viele sehr groß, und einige sind ihr erlegen. Gestern nun, am 13. September, fand ich diesen Text in englischer Sprache, der abermals zu wissen behauptete, was denn genau bei dem Treffen geschehen werde.

Im Gegensatz zu so mancher Spekulation erscheint mir diese Quelle schon eher vertrauenswürdig – Andrea Tornielli ist oft ganz gut informiert – doch ich bleibe bei meinem Aufruf: Beten statt spekulieren!

Und deswegen möchte ich an dieser Stelle alle Katholiken, ob sie Anhänger der neuen oder der alten Messform sind, ob sie bisher eher skeptisch gegenüber der Piusbruderschaft waren, oder schon lange die Regularisierung herbeigesehnt haben, darum bitten, am heutigen Tag für alle Beteiligten, besonders für Bischof Fellay, auf dem nun die Hauptlast zu liegen scheint, zu beten. Ich denke, dass wir uns in einer entscheidenen Phase befinden. Father Z spricht oft von einem Marshall-Plan, den Papst Benedikt für die Kirche hat, einen Plan, durch den die Kirche – besonders in Europa – wieder gestärkt werden kann.

In diesem Plan wäre dann die Rückkehr von fast 500 traditionellen katholischen Priestern, die alle Dogmen der Kirche anerkennen und vorbehaltlos auch in der Öffentlichkeit vertreten, in den Schoß der vollen Gemeinschaft mit der heiligen Mutter Kirche so etwas wie die Luftbrücke über Berlin. Die Kirche in Deutschland und im ganzen Westen befindet sich quasi in einem Belagerungszustand. Die Mächte der Weltlichkeit haben fast alle Bastionen eingenommen und selbst in der Kirche sind viele noch vor 50 Jahren uneinnehmbar geglaubte Festungen gefallen – in der Liturgie, in der Volksfrömmigkeit und im praktischen Glauben vieler einfacher Katholiken, Priester und teils sogar Bischöfe.

Wenn die Informationen aus dem oben verlinkten Artikel stimmen, dann wird Bischof Fellay heute ein zweiseitiges Dokument in die Hand bekommen, in dem sich die Zusammenfassung der vom Vatikan vertretenen Positionen zu den theologischen Streitfragen mit der Piusbruderschaft befinden. Die Zustimmung zu den dort beschriebenen Positionen sei, soweit Tornielli, Voraussetzung für eine Rückkehr in volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche.

Was allerdings auf diesen zwei Seiten steht, weiß er nicht, ich weiß es nicht, keiner weiß es im Moment.

Aus Torniellis Artikel geht ferner hervor, dass das Angebot wohl praktisch unverhandelbar ist. Fellay dürfe sich Bedenkzeit ausbitten, er dürfe auch um Klarstellungen einzelner Punkte ersuchen, aber die Piusbruderschaft werde schließlich dieses Papier so annehmen müssen, oder sich gegen eine Einigung mit Rom aussprechen.

Wie gesagt, ob das alles stimmt, weiß derzeit niemand außerhalb eines sehr engen Zirkels in Rom – und in dem Zirkel spricht derzeit niemand darüber.

Wir werden also einfach warten müssen – warten und beten, denn die Piusbruderschaft wäre aus so vielen wichtigen Gründen eine Bereicherung für die ganze Kirche.

Ich hoffe und bete, dass der Vatikan den Piusbrüdern ein annehmbares Angebot macht, das weiterhin die nötige schwere Kritik an einigen Passagen der Konzilstexte und erst recht ihrer gängigen Auslegungen ermöglicht, und das, ganz wichtig, die Bruderschaft nicht unter die Oberhoheit der Ortsbischöfe stellt, was hier in Deutschland ein Desaster wäre.

Ich hoffe und bete, dass Bischof Fellay und die anderen an einer Einigung interessierten Kräfte in der Piusbruderschaft sich gegen die Obstruktionisten durchsetzen können, und das oben erwähnte vernünftige Angebot des Vatikans ohne großes Zögern akzeptieren, ohne Wenn und Aber in den Schoß der Kirche zurückkehren, um ihre gedeihliche Arbeit der letzten Jahre und Jahrzehnte nunmehr ohne Zweifel an ihrem Status in der Kirche mit dem vollen Segen Petri fortzuführen.

Und mit einer kleinen Lachfalte im Mundwinkel hoffe und bete ich für den Fall einer Einigung zwischen der Bruderschaft und dem Vatikan, dass die lieben FreundInnen von Non Serviam Wir Sind Kirche das Erlebnis gut überstehen und sich mit den dann entstehenden neuen Verhältnissen gut arrangieren…

Außerdem hoffe ich, dass sich viele diesem Gebet anschließen werden, alle Beteiligten werden es brauchen.

Erzbischof Zollitsch zum Dritten…

Das inoffizielle Motto des Dialogprozesses...

Das inoffizielle Motto des Dialogprozesses...

[Bild auf Aliveandyoung.net gefunden.]

O hätte er doch geschwiegen – und hätten vor allem seine Verteidiger geschwiegen, so wären sie, nicht Philosophen, so doch gute Katholiken geblieben. Doch so, leider, ein drittes Interview des Erzbischofs, in dem er seine Position richtigzustellen versucht. Einige Zitate aus dem Kath.net-Artikel zum Thema:

Erzbischof Robert Zollitsch wehrt sich gegen den Vorwurf, er wolle die Unauflöslichkeit der Ehe infrage stellen. «Das tue ich ganz und gar nicht», sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof in einem Interview des «Mannheimer Morgen» (Montag).
(…)
In der Seelsorge stelle sich aber die Frage nach einem «theologisch verantwortungsvollen und pastoral angemessenen Umgang. Darüber gilt es offen und unaufgeregt zu beraten.»

Zuerst ist es natürlich zu begrüßen, dass Erzbischof Zollitsch die Unauflöslichkeit der Ehe nicht aufheben möchte – das könnte er auch gar nicht. Doch dann stößt er leider erneut in dieselbe Kerbe, die ich verschiedentlich (Links siehe unten) bereits kritisiert hatte. Man solle einen „theologisch verantwortungsvollen und pastoral angemessenen Umgang“ finden, über den man „offen beraten“ müsse. Das ist allerdings zunächst einmal eine Leerfloskel. Alle Seiten sind sich einig, dass eine Lösung nur theologisch verantwortungsvoll und pastoral angemessen sein dürfe. Hat jemals in der Geschichte der Kirche jemand behauptet, er wolle theologisch verantwortungslos und pastoral unangemessen handeln? Die ganze Frage besteht doch gerade darin, was denn theologisch verantwortungsvoll und pastoral angemessen sei. Da behaupten die einen, man müsse Wiederverheiratet-Geschiedene zur Kommunion zulassen, und andere lehnen dies ab.

Aus der Unauflöslichkeit der Ehe, zu der Zollisch sich anscheinend in dem neuen Interview bekennt, und dem katholischen Eucharistieverständnis folgt allerdings notwendig der Ausschluss von der Kommunion für Menschen, die nach einer zivilrechtlichen Scheidung in eine neue sexuelle Beziehung eintreten. Das ist keine Frage pastoralen Umgangs, sondern zuerst nur theologischer Wahrheit. Wie man diese Tatsache, diese nicht veränderbare Tatsache, pastoral vermittelt, mit wieviel Fingerspitzengefühl man vorgeht, das alles kann offen und unaufgeregt diskutiert werden. Doch die theologischen Tatsachen stehen nicht ständig offen zur Diskussion. Sie sind eben längst Tatsachen, an denen sich weitere Diskussionen zu orientieren haben.

Aber bei aller Kritik am Erzbischof, die hier in den letzten Wochen laut geworden ist, bleibt er weit unter dem was sein Stellvertreter, der Bischof von Aachen Heinrich Mussinghoff, erklärt. Während Erzbischof Zollitsch die Unauflöslichkeit der Ehe wenigstens noch formal unangetastet lassen möchte, strebt Mussinghoff eine vollständige Protestantisierung des Themas an. Kath.net schreibt:

[Bischof Mussinghoff] betonte, dass keine offizielle Zulassung zu den Sakramenten angestrebt werde. In Einzelfällen sollte aber beispielsweise die subjektive Gewissensentscheidung eines Katholiken toleriert werden, die Kommunion zu empfangen. Auch weil Kinder aus diesen Beziehungen nur schwer in den Glauben finden könnten, wenn ihre Eltern dauerhaft nicht zur Kommunion gehen dürften.

(Hervorhebungen von Catocon)

Das geht über die Worte des Erzbischofs von Freiburg deutlich hinaus. Die Zulassung zur Kommunion zur „individuellen Gewissensentscheidung“ zu machen, erkennt den Primat des Gewissens gegenüber der kirchlichen Lehre an. Wenn mein individuelles Gewissen mir sagt, es sei akzeptabel in Ehebruch zu leben und eine Konkubine zu haben, wer ist dann Gott mir Vorschriften zu machen!? Schließlich bin ich doch ein freier, aufgeklärter, moderner Mensch – ich bin emanzipiert von diesen ganzen verstaubten Autoritäten, die mir vorschreiben wollen, was ich zu tun und was zu lassen habe! Wenn ich Ehebruch begehen will, dann nenne ich das „Neue Erfahrungen machen“ und „mich umorientieren“, und das ist doch nichts Schlimmes! Kirche und Gott haben sich aus meinem Leben herauszuhalten! Außerdem gehe ICH zur Kommunion, wann ICH das WILL. NON SERVIAM!

In dem Moment, in dem die subjektive Gewissensentscheidung eines Katholiken bei einem Thema von öffentlicher Relevanz – etwa wenn ein Paar offen im Konkubinat oder in Ehebruch lebt, wie in diesen Fällen häufig – als ausschlaggebend gewertet wird, hat das Lehramt der Bischöfe offiziell abgedankt. Bischof Mussinghoff fordert nichts weniger als eine zweite Reformation – das Primat des Gewissens.

Damit wird abermals ratifiziert, was die Bischofskonferenz schon mit der Königssteiner Erklärung 1968 angedeutet hat. Wir verneigen uns vor dem Zeitgeist, wir sind ein Fähnchen im Wind, keine Kompassnadel, die immer zum Herrn zeigt. Wir lassen alles zu, solange ihr euer Gewissen zu Brezeln verknoten könnt, um euch selbst zu rechtfertigen. Wir glauben an die Rechtfertigung nicht durch Gnade, nicht durch den Glauben, nicht durch gute Werke, sondern durch den menschlichen Willen. Sünde ist keine Sünde, wenn ihr euer Gewissen vorher erstickt habt, und es jetzt alles mit sich machen lässt.

Der Zustand der katholischen Kirche in Deutschland ist allerdings inzwischen so schlecht, dass selbst die Worte von Bischof Mussinghoff noch gemäßigt und katholisch anmuten gegen das was scheinbar in den normalen deutschen Gemeinden alltägliche Praxis ist:

Unterstützung hatte Zollitsch auch von einzelnen Kirchenrechtlern und Moraltheologen erhalten: Der emeritierte Münsteraner [Münster: Das Große Häreticum für alle, ohne Numerus Clausus! – Anmerkung von Catocon] Kirchenrechtler Klaus Lüdicke sagte, schon heute sei es in Deutschland der Normalfall, Gläubigen, die in einer neuen Ehe lebten, die Kommunion nicht zu verweigern. Das solle die Kirche auch amtlich akzeptieren.

Ist das wirklich so? Ich kenne nur eine Gemeinde, und die erst seit kurzem. Wer dort geschieden ist und wer wiederverheiratet, ist mir vollkommen unbekannt. Wenn in Deutschland wirklich allwöchentlich der Leib unseres Herrn entweiht wird, wenn allwöchentlich mit priesterlichem Segen massenhaft bekanntermaßen in schwerer Sünde lebende Menschen zur Kommunion zugelassen werden, dann repräsentiert Bischof Mussinghoff wohl den traditionalistischen Flügel der Kirche. Man sagt, der Fisch stinkt vom Kopf her. Aber was ist, wenn der katholische Fisch gar nicht vom Kopf her stinkt, sondern von den Füßen?

Natürlich ändert sich an der Lehre der Kirche auch dann nichts, wenn 99,9% oder selbst 100% aller dem Namen nach katholischen Gemeinden gegen sie aufbegehrten. Auch ein spontanes Massenschisma der deutschen Gemeinden vermöchte nicht einen einzigen Buchstaben an der Wahrheit verändern, dass zivilrechtlich geschiedene Menschen, die eine neue Sexualbeziehung mit einem anderen Menschen eingehen, in schwerer Sünde leben. Daher ist es auch manifest falsch, was Eberhard Schockenhoff, einer der bekannteren Radikalhäretiker der Schimatischen Kirche Deutschlands, vertritt:

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sagte, Zollitsch habe die Unauflösbarkeit der Ehe nicht infrage gestellt. Er wolle nur einen barmherzigeren Weg des Umgangs mit Menschen, deren Ehe gescheitert sei [Von sich aus scheitern keine Ehen – das besorgen schon die Eheleute selbst! – Anmerkung von Catocon] . «Man kann von außen nicht jede Entscheidung für eine zivile Zweitehe als objektiv schwere Sünde qualifizieren», fügte der Theologe hinzu.

Doch, Herr Schockenhoff, OBJEKTIV ist es auf jeden Fall eine schwere Sünde. Inwiefern Menschen für dieses Verhalten die Schuld tragen, hängt natürlich von ihrem Kenntnisstand ab. Wer gar nicht über die Lehre der Kirche und die Wahrheit informiert ist, dessen individuelle Schuld ist anders zu bewerten als die Schuld des wissentlichen und willentlichen Überzeugungstäters. Objektive schwere Sünden liegen vor bei Sünden hinsichtlich einer schwerwiegenden Materie. Die Ehe ist als Sakrament der Kirche auf jeden Fall eine schwerwiegende Materie. Ferner muss die Sünde noch wissentlich und willentlich begangen werden, damit die schwere Sünde auch wirklich schuldhaft ist. Jeder Mensch, der in Deutschland eine Zivilehe eingeht, tut dies willentlich – sonst wäre die Ehe ungültig.

Nun kann es immer sein, dass jemand zum Zeitpunkt des Eheschlusses gar nicht über die objektiv schwere Sündhaftigkeit seines Verhaltes informiert war. In solchen Fällen ist die individuelle Schuld natürlich entsprechend zu reduzieren oder gar zu verneinen. Doch spätestens nachdem ein guter Pastor dem betroffenen Paar die Wahrheit ganz pastoral gesagt hat, liegt die Sache klar. Ein weiteres Persistieren in schwerer Sünde kann dann nicht mehr als „unwissentlich“ gewertet werden, sondern nur noch als „wissentlich“. Dasselbe gilt für einen Priester, der in vollem Wissen um die Situation einem solchen Paar die Kommunion spendet. Was mit Hirten geschieht, die zulassen, dass ihre Schäfchen sich „das Gericht essen“, wie Paulus das ausdrückt, die ihre Schäfchen in den Abgrund stoßen, kann man in der Bibel nachlesen. Jesus, soviel möchte ich verraten, hält nicht viel von schlechten Hirten.

Man kann fürchterlich komplizierte Einzelfälle konstruieren, meinetwegen ein Mensch, der nach einer zivilen Wiederheirat vom orthodoxen zum katholischen Glauben konvertiert, mit einer russisch-orthodoxen Frau verheiratet ist (hier wäre prinzipiell die Interkommunion möglich, wenn ich richtig informiert bin), vier kleine Kinder hat usw. Doch solche extrem seltenen Einzelfälle müssen nicht durch individuellen Gewissensprimat der Betroffenen (Mussinghoff), amtskirchliche Anpassung an gängige häretische Praxis (Lüdicke) oder theologische Diskussion im Dalogprozess (Zollitsch) gelöst werden, sondern durch individuelle pastorale Beratungsgespräche auf der Grundlage kompromisslos feststehender dogmatischer Wahrheit.

Ich hatte gehofft, nach den letzten beiden Wochen nicht jetzt schon wieder negativ über unsere deutschen Bischöfe schreiben zu müssen, aber es bleibt nicht aus. Der Papstbesuch scheint in der deutsch-katholischen Landschaft so einige in Unruhe zu versetzen. Da muss man sich dringend noch einmal von Rom absetzen, um nur ja nicht unter die Räder der rapide rollenden Medienmaschine zu geraten. Man will ja ankommen – um jeden Preis.

Links zu früheren Artikeln über die Zollitsch-Interviews:

Erzbischof Zollitsch und die Häresie

Erzbischof Zollitsch und die Häresie: Weitere Stimmen

„Herr Zollitsch und das Zirkuspferd“

Erzbischof Zollitsch legt nach

Links zur leidigen Zollitsch-Debatte

Kirsche in Häute senken, oder so

„Kirche im Heute denken“, so oder ähnlich geht eines der Reizwörter des aktuellen Dialogprozesses. Ich möchte an dieser Stelle allerdings nicht auf dessen inhaltliche Dimension eingehen – die versuchte Unterwanderung kirchlicher Strukturen durch etwas, das einer meiner Kommentatoren als „Fünfte Kolonne“ bezeichnet hat – sondern einen sprachlichen Aspekt beleuchten, der an dem oben genannten Satz sehr gut zu erkennen ist.

„Kirche im Heute denken“ – daran finde ich drei Phänomene bemerkenswert:

1. „Kirche“: Die Verwendung des Wortes ohne bestimmten, aber auch ohne unbestimmten Artikel lässt tief blicken. Selbst wenn die moderne philosophische Auffassung, das Denken werde ausschließlich von der Sprache bestimmt, nicht zutrifft, so bleibt es doch unbestreitbar, dass unser Denken wenigstens von der Art und Weise wie wir zu sprechen und was wir zu sagen gewohnt sind, stark beeinflusst wird. Was drückt jemand aus, der von „Kirche“ spricht? Zunächst einmal meint er nicht „eine Kirche“ – sonst könnte er es ja sagen. Es geht also schon um eine irgendwie näher bestimmte Kirche, nicht bloß um „eine“ oder gar „irgendeine“. Aber er meint auch nicht „die Kirche“ – das vermag man mittels der deutschen Sprache ebenfalls zu artikulieren. Er möchte also auch nicht von „der Kirche“, also der katholischen, sprechen. Was sagt also die Redensart von Kirche ohne jeden Artikel aus? Eine gewisse Unbestimmtheit, die selbst in ihrer Unbestimmtheit wieder unbestimmt ist – die sich nicht einmal soweit bestimmen lässt, dass man von „einer Kirche“ sprechen könnte, kurzum: eine undefinierbare Masse, ein amorpher Haufen Knetmasse, aus dem man machen kann was man will.

Es spielt keine Rolle, ob der Sprecher diesen Effekt intendiert oder nicht – der Eindruck wird durch die Formulierung erweckt, nicht durch die Absichten des Redners. Daher ein Appell an alle Leser: Sagen Sie, wann immer möglich, „die Kirche“, nicht bloß „Kirche“.

2. „Im Heute“: Abgesehen von der halsbrecherischen Ungeschicklichkeit einer solchen Formulierung, die Zweifel an der Sprachkompetenz desjenigen aufkommen lässt, „ob er im Heute Sprache überhaupt mächtig ist“, verbirgt sich hinter dem Wort ebenfalls wieder eine versteckte Grundannahme. „Im Heute“ ist etwas fundamental anderes als „im Gestern“ – was gestern war, soll und kann nicht mehr zählen, da die Kirche ja „im Heute“ gedacht werden soll. Oft wird noch das Wörtchen „neu“ hinzugefügt, was den Effekt weiter verstärkt.

3. „Denken“: Manchmal ersetzt durch „gestalten“, was den nun zu beschreibenden Effekt noch deutlicher macht. Hier wird dem Hörer nämlich ohne jedes Argument die Vorstellung untergejubelt, dass die Kirche etwas sei, das man irgendwie „denken“ oder „gestalten“ oder „machen“ müsse – was der katholischen Lehre von der Kirche Gottes diametral entgegensteht. Nach katholischem Verständnis müssen wir die Kirche nicht „denken“, sondern wir haben sie schon, Gott hat sie erdacht, nicht wir.

Der eine Teilsatz, „Kirche im Heute denken“, transportiert schon mindestens drei versteckte Aussagen: (1) „Kirche“ ist eine amorphe, also formbare Masse, nicht etwas Bestimmtes, (2) „im Heute“ ist etwas anderes als „im Gestern“, also sind fundamentale Reformen notwendig, um „im Heute“ ankommen zu können, und (3) „Kirche“ ist etwas, das WIR denken und machen können, wir können uns „unsere Kirche“ noch unserem Bilde erschaffen.

Das gefährliche an diesen Aussagen ist nun, dass sie eben nicht gesagt werden. Sie bleiben ungesagt, sie sickern unbemerkt in die Köpfe der Sprecher und der Hörer – sie verändern langsam und schleichend die Denkweise, wenn man sich dieser versteckten Aussagen nicht bewusst ist. Für sie wird nicht argumentiert – sie werden als unverrückbare Tatsachen vorausgesetzt und dann baut man mit solchen Formulierungen auf ihnen auf. Formulierten die Dialogisten derartige Sätze offen und ehrlich, so wäre das alles akzeptabel. Man müsste dan Argumente vorbringen, begründen, warum man an Formbarkeit der Kirche, Anpassung an den Zeitgeist, und eine bloß menschlich-erfundene Kirche glaubt, und sich gegebenenfalls mit Gegenargumenten auseinandersetzen. Doch Propagandabegriffe wie „Kirche im Heute denken“ ersparen uns derartige inhaltliche Debatten. Wir können einfach unsere Meinung als Wahrheit darstellen, und dann jeden höflichen Diskurs auf unsere Meinungen beschränken.

Das Perfide an politischer Korrektheit ist genau diese Auswirkung auf das Denken der Menschen: Unliebsame Positionen wurden früher verboten, dann kam eine Zeit, in der man sie mit Argumenten zu bekämpfen versuchte, doch heute werden die Menschen durch Sprache so konditioniert, dass sie unliebsame Positionen gar nicht mehr zu denken vermögen. Ihre Begriffe sind so beschränkt, und zugleich so inhaltsleer, dass damit ernsthaftes Denken gar nicht mehr möglich ist.

Ein ähnlicher Effekt tritt bei dem derzeitigen Dialogprozess in der katholischen Kirche auf. Die verwendeten Worte beschränken bereits den Raum der möglichen mit diesen Worten zu vertretenden Thesen. Von Anfang an ist damit sichergestellt, dass „konservative“ oder „traditionelle“ Stimmen sich gar nicht in der Diktion des Diskurses zu artikulieren vermögen, und dass Stück für Stück diese Mentalität auch in konservative, oder lehramtstreue Kreise einsickert – wie sich hervorragend an einem Gastkommentar von Herrn Püttmann bei kath.net ablesen lässt, über den ich vor einiger Zeit einmal geschrieben hatte. Die verwendeten Formulierungen lassen nur eine gewisse Breite an möglichen Meinungen zu. Diese Formulierungen wachsen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu einem Denkhorizont zusammen, der freies Nachdenken praktisch unmöglich macht.

Im Bereich der Politik haben wir das schon oft erlebt. Ein sachliches Gespräch über Feminismus, Abtreibung, „Soziale Gerechtigkeit“, Klimaveränderung, Einwanderung, Islam, Heimunterricht, privaten Waffenbesitz, Homosexualität und hundert weitere Themen ist gar nicht möglich, weil diese Themen durch bestimmte eingeschliffene Worte und Satzteile dermaßen ideologisch vorgeprägt sind, dass jede zur Ideologie konträre Äußerung sofort als „extremistisch“ eingestuft wird. Ob „Geschlechtergerechtigkeit“, „Wahlfreiheit der Frau“, „Schere zwischen Arm und Reich“, „Wissenschaftlicher Konsens“, „Fremdenfeindlichkeit“, „Islamophobie“, „Sozialisierung“, „Wildwest“ oder „Angeboren“ – ein sachliches Gespräch ist unmöglich. In der Kirche geschieht dasselbe momentan, so dass wir bald nur noch von „Kirche“ sprechen. Selbst konservative, oder lehramtstreue Katholiken, plappern oft unbewusst diese Floskeln nach, und beteiligen sich damit unabsichtlich an der Verbreitung der oben beschriebenen Irrlehren und der Zerstörung jeder echten Diskussionskultur.

Daher nochmal mein Aufruf: Seien Sie politisch inkorrekt, es ist „die Kirche“, es sind Brüder (fratres) nicht „Brüder und Schwestern“, und es ist auch nicht „unsere“ Kirche, sondern Gottes, daher brauchen wir sie auch nicht neu zu denken, weder „im Gestern“ noch „im Heute“ oder „im Morgen“.