Von der „relativen“ Armut Deutschlands

Als ich mir am vergangenen Sonntag eine SPD-Parteitagsrede Predigt zum Thema Caritas und Soziale Gerechtigkeit anhören durfte, ertappte ich mich dabei, wie mir die Melodie der „Internationalen“ durch den Kopf ging. Irgendwie passte die Melodie ganz gut zur Predigt.

Soziale Gerechtigkeit, so nahm der Laie an diesem Sonntag mit nach Hause, ist hauptsächlich über real existierende statistische Gleichheit hinsichtlich ökonomischer Maßzahlen zu definieren. Diese statistische, ökonomische Gleichheit soll durch staatliche Umverteilung erreicht werden, und wer dagegen aufbegehrt, ist unsozial und unchristlich. Natürlich kann und soll auch nach Auffassung des Diakons, der die Predigt gehalten hat, zusätzlich zur staatlichen Umverteilung noch so etwas wie nachbarschaftliche Hilfe stattfinden, aber selbst diese wurde nahezu ausschließlich im Kontext institutionalisierter katholischer Sozialverbände gesehen.

Von einem einzigen Satz abgesehen wurde nicht-institutionelle, unbürokratische Hilfe überhaupt nicht angesprochen.

Das Problem „soziale Gerechtigkeit“ kam im Kontext der Armutsdiskussion auf. Ein schrecklich hoher Prozentsatz der Deutschen gilt ja bekanntlich als arm. Und Armut macht krank, Armut tötet, reduziert die Partizipation am Bildungswesen usw. Die Armut, so die Aussage der Predigt, müsse unbedingt bekämpft werden. Der Diakon schilderte freundlicherweise, wie schrecklich Armut sein kann. Wenn die Menschen nicht genug zu essen haben, wenn sie kein Obdach haben und im Winter erfrieren müssen, und wenn der Zugang zu ganz elementarer medizinischer Versorgung fehlt.

Dass diesen Menschen unbedingt geholfen werden muss, und dass dies in einer weitgehend heidnischen Gesellschaft wohl nur durch staatliche Hilfe funktionieren wird, dürfte unstrittig sein.

Nur sollte man nicht vergessen – wie es in der Predigt leider geschah – dass diese Form existenzieller Armut etwas ganz anderes ist, als die „Armut“, von der in Deutschland über 15% der Menschen betroffen sind.

Das ist der Unterschied zwischen „absoluter“ und „relativer“ Armut. Absolute Armut liegt vor, wenn jemand nicht satt wird, kein Obdach hat oder an einfach heilbaren Krankheiten stirbt, weil er sich die Behandlung nicht leisten kann. Solche absolute Armut ist in der Welt extrem verbreitet, aber in Deutschland, dieser Insel des ökonomischen Reichtums, ist sie glücklicherweise sehr selten. Relative Armut ist eine statistische Maßzahl, die am Durchschnittseinkommen gemessen wird. Wer weniger als z.B. 60% des Durchschnittseinkommens (Medianeinkommens) verdient, der gilt als arm. Und zwar unabhängig davon, ob das Durchschnittseinkommen in einem Land bei 50 oder 5000 Euro im Monat liegt.

Wer in Deutschland in den Armutsstatistiken auftaucht, der hat weniger als einen bestimmten Prozentsatz des Durchschnittseinkommens. Die Armut, die von den Armutsstatistiken gemessen wird, wäre in fast allen nicht-westlichen Ländern gar keine Armut, sondern Reichtum (und zwar auch hinsichtlich der realen Kaufkraft), weil in diesen Ländern das Durchschnittseinkommen weitaus niedriger ist.

Es gebe in Deutschland immer mehr Armut, hört man ständig in den Medien. Immer mehr Menschen seien arm. Doch wenn der normale Mensch das Wort „Armut“ hört, dann hat er existenzielle Armut vor Augen, dann sieht er hungernde Kinder vor sich.

Doch das ist nicht das reale Bild der Armut in Deutschland. Arme Kinder leiden überdurchschnittlich häufig an Überernährung, nicht Unterernährung, haben in der Regel ein Telefon, einen Fernseher, und mehrheitlich auch einen Computer zu Hause. Die Eltern haben ein Auto, wenn auch vielleicht ein älteres. Sie haben eine Wohnung, die ihren Großeltern luxuriös vorgekommen wäre. Diese Menschen gelten in Deutschland aber als arm, weil der Rest der Gesellschaft eben noch reicher ist. Sie sind „relativ“ zu ihren Mitbürgern arm, aber absolut gesehen, sowohl im geographischen als auch historischen Vergleich, sind sie eher wohlhabend. (Aus christlicher Perspektive könnte man auch kritisieren, dass die Gesellschaft einen solchen Zustand materieller Überversorgung noch als Armut begreift, und dadurch ihre eigene Anhänglichkeit an den Mammon-Kult offenbart.)

Diese Art „relativer“ Armut, auch das sollte nicht unterschlagen werden, ist tatsächlich eher die Folge des Wohlfahrtsstaates. Wenn er halbwegs funktioniert, wird der Wohlfahrtsstaat in einem reichen Land existenzielle Armut so weit reduzieren, dass sie zu einem Randphänomen wird, das nur wenige Menschen betrifft, und statistisch gar nicht mehr erfasst werden kann. Was übrigbleibt, sind die Menschen, die zwar absolut gesehen nicht arm sind, die aber vergleichen mit ihren Mitbürgern einen unterdurchschnittlichen Verdienst aufweisen.

Diese Art Armut kann man nur bekämpfen, indem man dafür sorgt, dass sich reale Leistungsunterschiede nicht mehr in realen Einkommensunterschieden niederschlagen dürfen. Denn ansonsten wird es immer Menschen geben, die vergleichen mit ihren Mitmenschen schlechter abschneiden und daher einfach nicht so viel Geld verdienen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass Menschen nicht gleich sind, sondern äußerst verschieden, und das gilt auch hinsichtlich aller Faktoren, die für ökonomischen Erfolg entscheidend sind: Glück, Fleiß, Talent, Leistungsbereitschaft, die richtigen Kontakte… Alle diese Güter sind unterschiedlich verteilt, und kein noch so „sozial gerechter“ Staat kann das ändern, weil er die Menschen nicht ändern kann. (Und was passiert, wenn der Staat den Menschen doch zu verändern versucht, kann man in allen totalitären Diktaturen sehen. Ich hoffe, dass unsere wohlmeinenden „sozial gerechten“ Umverteilungsapostel in Staat und Kirche vor der Aufrichtung eines solchen Systems zurückschrecken werden, selbst wenn das die Aufgabe ihres Gleichmachungsziels bedeutet.)

„Relative Armut“ ist in jeder Gesellschaft gegeben. Und es kann sogar sein, dass relative Armut steigt, wenn alle Menschen reicher werden. Wenn nämlich das Durchschnittseinkommen um 10% steigt, und sich zugleich das Einkommen in unteren sozialen Schichten nur um 5% erhöht, dann sind zwar alle „absolut“ reicher geworden, aber „relativ“ hat sich die Armut erhöht, und die Druckerpressen können wieder anlaufen und apodiktisch verkündigen, dass „die Armen ärmer und die Reichen reicher“ werden und die „Schere zwischen Arm und Reich“ immer weiter anwächst.

Ja, natürlich. Aber trotzdem sind alle reicher geworden, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Das, was der heutige Hartz-IV-Empfänger (kaufkraftäquivalent) zur Verfügung hat, kann sich verglichen mit dem Lohn eines einfachen kleinbürgerlichen Arbeitnehmers aus den 50er und 60er-Jahren durchaus sehen lassen. Der kleinbürgerliche, abgesicherte Arbeitnehmer aus der Generation meines Großvaters hatte nicht mehr als der heutige Hartz-IV-Empfänger.

Der entscheidende Unterschied ist: Er wusste damit besser umzugehen.

Worin bestehen diese Unterschiede? Er wusste sparsam zu wirtschaften. Er hatte in der Regel eine Ehefrau (und nur eine!) zu versorgen, und im Schnitt drei Kinder. Er hat fünf Personen von diesem einen Einkommen ernährt, weil er sparsam war. Er hatte keine unrealistischen Erwartungen; er wusste, dass jemand, der einen einfachen Job hatte, keine großen Sprünge erwarten durfte. Er versagte sich und seiner Familie daher jeglichen überflüssigen Luxus, nicht als Asket, sondern als rationaler Hedonist. Er war sparsam, um sich dann später, kalkuliert, wenn es Sinn machte, etwas leisten zu können.

Wenn unsere heutigen Deutschen nach einem Krieg alles wieder aufbauen müssten, würde ihnen nichts besseres einfallen, als Transparente zu greifen und für mehr staatliche Hilfen zu demonstrieren. Und in vollkommener Frustration irgendetwas von der „Schere zwischen Arm und Reich“ zu schwafeln, wenn der Staat ihnen ihre zerbombten Häuser  nicht innerhalb von sechs Monaten größer und besser wieder aufbaut.

Die „relative Armut“ in Deutschland mag größer sein als vor 50 Jahren. Doch das bedeutet nur, dass das Durchschnittseinkommen, an dem „relative Armut“ gemessen wird, gestiegen ist.

Wenn diese Armut für viele Betroffene heute stärker fühlbar ist, als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war, dann hat das nichts mit ökonomischen Maßzahlen zu tun, sondern damit, dass die Stützpfeiler einer Gesellschaft (Familie, Nachbarschaftlichkeit, Gemeindesolidarität, freiwillige „mittlere“ Institutionen aller Art usw.) durch eine gezielte, als „Fortschritt“ verkaufte politisch-kulturelle Revolution, systematisch gesprengt worden sind; mit allen Auswirkungen auf die soziale Sicherheit, aber auch die Charakterbildung, die so eine Revolution hat.

Als Folge davon haben wir heute eine wachsende Anzahl Bürger, die ganz einfach unfähig sind, ein sparsames, kleinbürgerliches Leben an dem sozialen Ort, den manche Sozialforscher untere Mittelschicht nennen möchten, zu führen, weil ihnen schlicht die Tugenden – ja, Tugenden! – fehlen, um aus wenigen Ressourcen und einer nicht idealen sozialen Position das beste zu machen.

Es sind die bekannten, viel kritisierten bürgerlichen Tugenden wie Disziplin, Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Bescheidenheit und Aufrichtigkeit, die aus „bitterer, relativer Armut“ eine anständige, respektable Existenz zu machen fähig sind. Und diese Tugenden lernt man eben nur durch Übung, indem man sie immer wieder nachahmt. Normalerweise geschieht dies in der Familie.

So kann es nicht verwundern, dass selbst die „relative“ Kinderarmut unter Kindern, die einen Vater und eine Mutter haben, die verheiratet sind, und von denen mindestens einer berufstätig ist, etwa bei 2% liegt, während fast die Hälfte der Kinder von „Alleinerziehenden“ unterhalb der ominösen „Armutsschwelle“ liegen.

Doch darüber herrscht auf den Kanzeln das große Schweigen, denn man will ja niemandem auf die Füße treten. Am Ende tritt so jemand noch aus der Kirche aus und verkleinert dadurch die steuerlichen Pfründe, auf denen sich die säkularisierte, modernistische Schattenkirche ausruht.

Dabei hat die Kirche doch eine so große Soziallehre, die leider immer mehr in Vergessenheit gerät, weil die offiziellen Vertreter der Kirche sie durch weichgespülten Sozialismus ersetzen.

„Soziale Gerechtigkeit“ als Irrweg

Alexander Kissler schreibt in gewohnt hoher Qualität im Vatican-Magazin über die „Innere Verzwergung“ des modernen Westmenschen. Der Artikel ist online einsehbar, und es lohnt sich wirklich ihn in Gänze zu lesen. Hier wie üblich einige (längere) Auszüge mit eingestreuten Kommentaren in roter Schrift von Catocon:

Manchmal ist alles furchtbar leicht, wollen alle das Beste, das wunderbarerweise Dasselbe ist (es ist dies die gutmenschliche Ursuppe), planetarische Glückseligkeit (die gefährlichste Idee seit der Schlange) breitet sich aus: Wer ist denn nicht für Nächstenliebe und Solidarität und gegen soziale Ungleichheit? Sahra Wagenknecht mag da ebenso wenig abseits stehen wie geschätzte 95 Prozent der hiesigen Bevölkerung. Weil dem so ist, warb die atheistische Kommunistin auf dem „Katholikentag“ des Zentralkomitees für eine engere Zusammenarbeit von Kirche und „Linkspartei“. Jeder, der die gesellschaftliche Gerechtigkeit stärken will, sei herzlich eingeladen, sich bei der „Linkspartei“ zu engagieren. (Aber was ist diese „gesellschaftliche“ oder „soziale“ Gerechtigkeit? Kissler zerlegt diesen Gedanken gleich.)
Jesus aber war nicht nur, wie das Buch eines evangelischen Theologen klarstellt, „kein Vegetarier“. Er war ebenso gewiss kein Kommunist. (Das könnte man aber aus der durchschnittlichen Verkündigung im evangelischen und selbst im katholischen Bereich nicht ersehen. Ich kann nur immer wieder bis zum Erbrechen auf Divini Redemptoris für das perfekte Gegenbeispiel verweisen.) Gerade wurde eine Streitschrift mit dem Titel „Jesus, der Kapitalist“ angekündigt. (Ein Kapitalist war Jesus aber auch nicht. Diese Kategorie existierte zur Zeiten des irdischen Lebens Jesu überhaupt gar nicht.) Der Unterschied zwischen den sozialistischen Gerechtigkeitsphantasien und dem christlichen Gerechtigkeitsimperativ ist gravierend. (Das ist richtig. Ebenso ist der Unterschied zwischen den kapitalistischen Effizienzphantasien und dem christlichen Gerechtigkeitsimperativ gravierend. Keine der einfachen, typisch modernen Ideologien vermag die Tiefe christlichen Denkens darzustellen. Deswegen ist die katholische Soziallehre auch weder kapitalistisch noch sozialistisch. Sowohl Kapitalismus als auch Sozialismus sind innerweltliche Ideologien.) Er passt in kein Weihrauchgefäß. Wenn Sozialisten und die vereinigte Sozialdemokratie aus SPD, CDU, Grünen von Gerechtigkeit reden und Solidarität, dann denken sie an den Staat. Er soll weiter wachsen, damit er Gerechtigkeit zuteile und Solidarität verwalte. Der feiste Hegemon – ein Garfield in Bürokratengestalt – soll den Bürger der Sorge um den Mitbürger entheben, indem er allen die Taschen leert. Vor Gott und dem Staat soll jedes Menschenwesen gleich bedürftig erscheinen. (Nicht „vor Gott und dem Staat“. Da unterstellt man eine Dualität, die so im wesentlich atheistischen Sozialdemokratismus nicht existiert. Gott wird geleugnet und deswegen rückt der Staat bei den Sozialisten an seine Stelle. Dasselbe machen Kapitalisten der Tendenz nach mit dem „Markt“.)
Biblisch ist das nicht, christlich nicht, katholisch nicht; wenngleich vom allgemeinen Staatstaumel längst führende Kreise der Kirche infiziert sind – die Diözese Rottenburg-Stuttgart (unter Bischof Fürst, dem Fürsten des Modernismus) und ihr Caritasverband etwa, die beide ins selbe Horn blasen, wenn sie das Betreuungsgeld ablehnen (sie sind halt modern. Heute kann man es von der Mutter nicht mehr verlangen, dass sie sich um ihre Kinder kümmert. Und vom Vater nicht mehr, dass er sich um seine Familie – inklusive Mutter und Kindern – kümmert. Schließlich herrscht die individuelle Autonomie, auch bekannt als „imperialer Egoismus“. Das Problem des Betreuungsgeldes ist, dass nur scheinbar Abhilfe schafft, solange es mit einer weit höheren staatlichen Förderung von Kinderverwahranstalten kombiniert wird.), die staatliche „Kleinkindbetreuung“ preisen, die „Kita“ selig sprechen und das elterliche Erziehungsrecht gering achten. (Genau das ist die christliche Alternative. Die ELTERN, nicht der STAAT, haben das erste und ursprüngliche Erziehungsrecht für ihre Kinder. Solange sie ihnen keinen schweren, nachweisbaren körperlichen Schaden zufügen, ist es die Sache der ELTERN, nicht des STAATES, für die Kinder zu sorgen.) „Der Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige ist ohne Alternative“ , ließen Bistum und Caritas verlauten. (Falsch. Die Alternative wäre die christliche Soziallehre mit ihrer bei allen Modernisten unpopulären Lehre von der natürlichen Familie. Doch die verträgt sich leider nicht mit dem Karrierefetischismus des Feministen und der raubtierhaften Gier, die das Verhältnis des modernen Menschen zum Konsum so treffend beschreibt.) So redet, wer dem Staat neue Untertanen zutreiben will und der Gottesebenbildlichkeit des Menschen nicht so recht über den Weg traut. (Weil es nach Ansicht der Ideologie keinen Gott gibt. Und die „katholischen“ FunktionärInnen übernehmen die wesentlichen Teile dieser Ideologie unhinterfragt. Wo ist die Ideologiekritik, wenn wir sie brauchen?)
Was nämlich kam durch das Christentum einst in die Welt? Der Soziologe Franz Kromka erinnert an eine fast vergessene Wahrheit: „Im Gegensatz zu anderen Religionen rückt das Christentum das Individuum mit seiner unsterblichen und nach ihrem Heil strebenden Seele in den Mittelpunkt. (In gewisser Weise meint der Soziologe das Richtige. Das ist bei Soziologen schon selten genug. Doch eigentlich ist nicht das Individuum, das heißt der Einzelne, sofern er Einzelner ist, sondern die Person, das heißt der Einzelne, sofern er in Gemeinschaft mit anderen Personen ist, Zentrum der christlichen Lehre vom Menschen in der Gesellschaft. Die Heilsperspektive ist individuell, aber sie ist nicht, wie der moderne Individualist es vielleicht verstehen würde, unabhängig von anderen. Wir gehen in der kirchlichen Gemeinschaft als Einzelne auf das Heil zu, Doch vielleicht langweilen diese Distinktionen meine Leser – ich halte sie für wichtig, weil eine individualistische Lesart des Christentums ebenso falsch wäre wie die heute verbreitete kollektivistische Interpretation.) Die Person (genau. Die Person. Also der Einzelne insofern er in Gemeinschaft ist oder zumindest sein kann.) existiert vor dem Staat und der universale Gott mit seiner Gerechtigkeit und vor allem Barmherzigkeit über dem Staat.“ Die Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft sahen genau aus diesem Grund Christentum, Freiheit und Markt schicksalshaft aufeinander bezogen. Für Wilhelm Röpke (ein selten vernünftiger Ökonom. Normalerweise ist Ökonomie keine Wissenschaft, sondern eine Plage. Doch Röpke ist eine seltene Ausnahme.) war bekanntlich der Mensch das Maß der Wirtschaft, das Maß des Menschen aber sein Verhältnis zu Gott. Wo diese Letztverankerung schwindet, so Röpke 1958, entstehe „die geistig-moralische Zwergwuchsrasse, die sich willig, ja freudig, weil erlöst, zum Rohstoff des modernen kollektivistisch-totalitären Massenstaats gebrauchen lässt.“(Dies ist die Schlüsseleinsicht zum Verständnis des modernen politisch-ökonomischen Systems.)
Totalitär wird man unsere bräsige Bundesrepublik nicht nennen wollen. (Was bedeutet denn „totalitär“? Es gibt sicher viele geistreiche Definitionen. Doch in meiner Erfahrung gibt es ein absolut sicheres Kriterium, an dem man freie von totalitären Gesellschaften unterscheiden kann: Totalitär ist eine Gesellschaft dann, wenn alles auf den Staat bezogen ist. Totalitarismus bedeutet in der Praxis: „Alles ist politisch.“ Egal was passiert, immer ist der Staat zuständig, immer handelt er, immer wird er als Retter in allen Lebenslagen behandelt. Totalitarismus bedeutet, dass der Staat als Gottersatz fungiert. Nach diesem Kriterium ist die BRD vielleicht noch nicht totalitär, aber in jedem Fall rapide auf dem Weg dahin. Ein Beispiel ist die Politisierung sportlicher Großereignisse. Ein anderes die Tendenz, dass alle Probleme durch staatliche Eingriffe gelöst werden sollen.) Die Freiheitsräume jedoch des Denkens und Entscheidens schwinden. (Was wohl auch an einem strukturell totalitären Bildungssystem liegt. Die staatlichen Schulen dienen faktisch eher der Indoktrination bzw. Initiation in eine antichristliche Kulturganzheit als der Bildung im eigentlichen Sinn des Wortes.) Die innere Verzwergung (der Individualist steht hilflos vor den komplexen Problemen der Welt und wird dadurch ganz klein. Die Person, eingebunden in die Bindungen von Familie, Gemeinde, Heimat, Vaterland und Kirche, vermag auf ein stärkendes Netzwerk zurückzugreifen, das dem Zugriff des modernen Wohlstandsnomaden aufgrund seiner hochgelobten Flexibilität – zu deutsch: Bindungsunfähigkeit – entzogen ist.) schreitet voran. Das Individuum gilt als Problem, weil es das reibungslose Funktionieren technischer oder staatlicher „Prozesse“ behindere. (Ich weise noch einmal auf die oben getroffene haarspalterische Unterscheidung zwischen Individuum und Person hin. Kissler meint das Richtige, doch er ist missverständlich. Viele werden dies lesen und sich denken, der Individualist sei die richtige Alternative zum Kollektivisten. Doch das ist nicht wahr. Der Individualist ist eine moderne Erfindung und hat mehr zum Entstehen des heutigen Kollektivismus beigetragen als jeder andere historische Charakter. Was den Individualisten fehlt ist die Rückbindung des Einzelnen an die schützenden und stützenden Gemeinschaften von Familie, Gemeinde, Heimat, Vaterland und Kirche, diese konzentrischen Kreise der charakterlichen Ausbildung.) Der Staat soll alles richten und richtet über den Menschen.Das Leben wird zum fortwährenden Tribunal. (Hier sieht man wieder die Vergötterung des Staates. Nicht mehr Gott ist der Richter, sondern der Staat.) Das freiwillige Geben hingegen, die konkrete Hilfe von Aug‘ zu Aug‘ schärfte Jesus seinen Jüngern ein. (In der katholischen Soziallehre ist Solidarität immer freiwillig. Solidarität hat nichts mit staatlicher Zwangsgewalt zu tun. Wenn man jemanden zwingt, dem Armen zu geben, dann übt er keine Solidarität, sondern bestenfalls Gehorsam gegen die legitime staatliche Autorität.)
Der Samariter beugte sich herab und wurde so zum Nächsten. Wäre er ein Deutscher unserer Tage, er hielte eine mitleidige Rede und gäbe dem Überfallenen den Ratschlag, sich doch an das nächste Staatskrankenhaus zu wenden. Auf dem Weg dorthin aber wäre er verblutet. (Aber er hätte wenigstens eine Krankenversicherung gehabt…!)

Alexander Kissler zerlegt den Mythos von der angeblichen Kompatibilität moderner Vorstellungen von „sozialer Gerechtigkeit“ mit der christlichen Soziallehre wie gewohnt gründlich und überzeugend. Das bedeutet nun nicht, dass jegliches staatliches Sozialsystem grundsätzlich abzulehnen wäre. Aber es bedeutet, dass die Moralkeule von Links nicht funktioniert. Man ist kein schlechter Christ, wenn man gegen mehr staatliche Einmischung im Sozialsystem ist.

Einen Schwachpunkt hat Kisslers Darstellung allerdings: Sie lobt immer wieder das Individuum als Alternative zum staatlichen Kollektiv. Im Laufe des Artikels wies ich immer wieder auf den Unterschied zwischen dem Menschen als Individuum und dem Menschen als Person hin. Spaemann macht diese Unterschiede an sehr vielen Stellen seiner Schriften sehr deutlich. Die Person ist immer schon Teil einer Gemeinschaft, in der sie ihnen bestimmten eigenen Platz hat. Die Person hat Wurzeln in der Vergangenheit, Bindungen in der Gegenwart und einen Platz in der Erinnerung seiner Nachkommen in der Zukunft. Der Mensch ist als Person Teil einer Gemeinschaft, die kein Kollektiv ist. Ein Kollektiv zeichnet sich durch die Anonymität seiner Mitglieder und ihre Austauschbarkeit aus. Da kein Mensch ganz allein durch die Welt geht, der Individualist aber die Bindungen der Person als „Fesseln“ abzustreifen wünscht, wird er Teil eines Kollektivs, das keine Gemeinschaft mehr ist.

Kissler meint vermutlich dasselbe wie ich, doch in seinem Beitrag kommt der Eindruck an, als ob der Individualist mit seinem kapitalistischen Markt die gewünschte Alternative zum Kollektivisten sei. In Wirklichkeit sind Individualismus und Kollektivismus nur scheinbar Gegensätze – sie bedingen einander. Der Individualist ist Teil eines Kollektivs und ein Kollektiv besteht aus unterdrückten, ins System eingezwängten Individualisten.

Frei ist der Mensch allein als Person, das heißt als Ebenbild Gottes in einer Gemeinschaft mit anderen Personen.

Piratenpartei: Die radikaleren Grünen

Angesichts der Tatsache, dass in NRW am Sonntag Landtagswahlen anstehen und sich scheinbar auch einige Christen mit dem Gedanken tragen, der Piratenpartei ihre Stimme zu geben, möchte ich mich an dieser Stelle einigen Auszügen aus einem Interview von kath.net mit Frank Mazny, einem katholischen „Piraten“, widmen. Das ganze Interview sei zur Lektüre empfohlen. Die Fragen von kath.net sind fettgedruckt, Hervorhebungen durch Unterstreichung und rote Kommentare von Catocon.

Mir gefällt in erster Linie das Mitmach-Prinzip (ja, das ist für den modernen Menschen immer sehr wichtig. Man sieht das an der Messe, die von dieser Art Katholizismus im Wortsinne „fabriziert“ wird.) und die Idee, dass wir Bürgerinnen und Bürger unsere Vorstellungen von Politik selbst in die Hand nehmen, und die Partei vom Ideal der Basisdemokratie (Partizipation für alle!! Gleichheit jetzt und per Dekret!) getragen wird. So können alle, die bereit sind sich zu engagieren, neue Ideen in das Programm der Partei einbringen. Das scheint mir ein guter Weg zu sein.

 

kath.net: Was ist der Zusammenschluss „Christen in der Piratenpartei“? (Dem Mazny angehört) Welche Ziele verfolgt er?

Frank Mazny: Wir sind ein ökumenischer (natürlich!) Zusammen-schluss von Christinnen und Christen (man beachte die fanatische Anhänglichkeit an die Dogmen der Politischen Korrektheit!) innerhalb der Piratenpartei Deutschland. Was unsere genauen Ziele angeht muss ich gestehen, dass wir die noch nicht bis ins Detail besprochen haben. (Das scheint ein universelles Kennzeichen der Piraten zu sein.) Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass wir uns und die jeweilige Denomination der anderen besser kennenlernen wollen, auch um vielleicht gar nicht als solche wahrgenommene Vorurteile abzubauen. (Die Stuhlkreismentalität als Partei) Auch innerparteilich könnte der Abbau von Vorurteilen oder schlichtweg Unwissenheit ein Thema sein. Genaues ist aber noch nicht geplant. (Nein, natürlich nicht. Sie sind ja Piraten.)

Ebenso würde ich es als unsere Aufgabe ansehen, explizit unter Christen außerhalb der Partei für unsere Ziele zu werben und Aufklärungsarbeit zu leisten. (Bekanntlich wählen die Kälber ihren Metzger selber…) Zumindest weiß ich von vielen Christen, die den Piraten grundsätzlich positiv gegenüberstehen, aber bei einigen Themen Vorbehalte haben. (Ja, zum Beispiel bei der reflexhaften Christenfeindlichkeit, der Verachtung der christlichen Sittenlehre, dem totalen Laizismus, d.h. dem Atheismus als Staatsreligion usw.)  Ich denke durch die gemeinsame Ebene des Glaubens (welchen Glauben kann ein Pirat mit einem Christen gemeinsam haben? Immerhin ist die Piratenpartei den Zielen wie dem Wählerreservoir nach weitgehend die Partei derer, denen die Grünen zu gemäßigt, und nicht progressivistisch genug sind…) , haben wir dafür bessere Grundvoraussetzungen als andere Piratinnen und Piraten. (Man beachte, wie gesagt, die Selbstversklavung unter den Götzen der „Gendergerechtigkeit“) Alles weitere wird sich zeigen.

(…)

kath.net: Viele Christen haben mit einigen Punkten des Parteiprogrammes große Schwierigkeiten. (Ein perfektes Beispiel höflichen Unterstatements, das man früher den Briten zuschrieb.) Das betrifft zum Beispiel die Familienpolitik. Hier setzt sich die Piratenpartei für Gender-Mainstreaming (!) und eine Gleichstellung eingetragener Partnerschaften mit der Ehe ein. Eingetragene Partnerschaften sollen auch für mehr als zwei Personen möglich sein. (Die Piraten sind für die staatliche Förderung der Polyamorie, d.h. der geschlechtsneutralen Form der Polygamie. Und, was hier nicht gesagt wird, auch für die staatliche Anerkennung von „freiwilligem“ Inzest. Wie lange noch, bis ich Sex mit meinem Haushund haben darf, lieber „christlicher“ Pirat?) Wie ist das mit einem christlichen Verständnis von Mann und Frau, von Ehe und Familie vereinbar?(Ähm… gar nicht? Die Frage ist: Pirat oder Christ – eins von beiden.)

Frank Mazny: Die Beantwortung dieser Fragen in ihrer Gesamtheit würde für eine abendfüllende Diskussion ausreichen, deshalb will ich mich auf ein paar grund-legende Gedanken dazu beschränken. (Ausweichmanöver.)  Der Staat muss zwar eine unbedingte (unbedingte!) Religionsfreiheit garantieren und sie schützen (vor wem? Vor demjenigen, dessen moralische Auffassungen christlich motiviert sind. Der Christ als Staatsfeind.), er ist aber nicht dazu da, das Lebensmodell einer bestimmten Religion zu bevorzugen. (Herr Mazny sollte sich vielleicht statt mit linksradikaler Propaganda einmal mit der Naturrechtslehre befassen. Es handelt sich nicht um eine christliche Sondermoral!) Aus dieser Perspektive heraus muss (muss! Selbst für die christlich gewendete und abgemilderte Version der Neopiraterie ist die Bekämpfung des Naturrechts Staatsaufgabe!) der Staat zum Beispiel, wenn er den eingetragenen Lebenspartnerschaften (die er selbst erfunden hat) die gleichen Pflichten wie Eheleuten auferlegt, auch dafür Sorge tragen, dass sie die gleichen Rechte haben.

Dadurch wird das Ansehen der Ehe nicht geschmälert (nein, weil durch die von den Piraten enthusiastisch begrüßten Anschläge auf die Ehe längst praktisch kein Ansehen der Ehe mehr vorhanden ist), und sie wird auch weiterhin das gängigste Modell für die Lebensführung bleiben. (…) Eine Entscheidung für ein Leben mit Jesus (aber gegen Seine Gebote, versteht sich, denn wir sind ja so modern piratig!) und die Beachtung der christlichen Werte (noch eine leere Worthülse, denn wie kann ein Befürworter von Inzest, Polygamie und Homo-„Ehe“ ernsthaft das Wort christliche Werte in den Mund nehmen, ohne auch nur rot zu werden?), auch für Ehe und Familie, ergeben sich aus einer individuellen Entscheidung. Das kann man nicht durch Gesetze, Verordnungen oder gar durch ein Parteiprogramm vorschreiben. (Ach so. Und deswegen muss der Staat aktiv gegen die christliche Sittenlehre kämpfen, indem er die Förderung der Sünde mit Steuergeldern finanziert, wie dies durch die Homo-„Ehe“ geschähe?)

kath.net: Im Grundsatzprogramm kommt Religion nur unter dem Titel „Trennung von Staat und Kirche“  im Bereich „Vielfalt in der Gesellschaft“ vor. In den drei Absätzen, die dem Thema gewidmet sind, wird vor allem die Aufhebung bestehender Privilegien der christlichen Kirchen gefordert. (Das macht die Piraten fast noch sympathisch – in demselben Sinne, indem Kaiser Nero durch seine Verfolgungen sympathisch wird, nämlich indem er, ganz im Gegensatz zu seinen Intentionen, der Kirche unwissentlich geholfen hat…) Auch die Übertragung von Aufgaben in staatlichen Einrichtungen und beim Betrieb von sozialen Einrichtungen an Kirchen soll abgeschafft werden. (Und wer übernimmt die sozialen Funktionen der Kirche dann? Vermutlich nicht die Piraten, für die Nächstenliebe ja bloß in der Unterdrückung der christlichen Sittlichkeit und der Umverteilung rechtmäßig verdienten Einkommes zu bestehen scheint.) Nun bekennen sich derzeit ca. 60 Prozent der Deutschen zu den christlichen Kirchen. Das Christentum hat die Kultur Deutschlands in fast allen Bereichen maßgeblich geprägt und zum Beispiel die ersten Schulen und sozialen Einrichtungen gegründet. Das alles sieht danach aus, als wolle die Piratenpartei die Kirchen aus dem öffentlichen Leben möglichst zurückdrängen. (Ja, natürlich. Denn solange die Kirche nicht zu Staub zerfallen oder vollkommen an diese Welt und ihren Fürsten angepasst ist, kann ein moderner Pirat nicht ruhen…) Eine positive Wertschätzung der Religion ist nicht zu finden. Wie stehst Du dazu?

Frank Mazny: Leistungen, die auf Grund des verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips erfolgen, können nicht insgesamt einfach so abgeschafft werden. Das wäre auch nicht sinnvoll, da der Staat ja aus gutem Grund bestimmte Aufgaben an kirchliche Träger abgeben hat. Die Piratenpartei hält insbesondere das Grundgesetz hoch, deshalb wird sie sich auch daran halten. (In Verantwortung vor Gott, wie die Präambel schreibt? Oder doch eher in Verantwortung vor dem Fürsten, hinter dem sich die Piraten sonst versammeln?) Sollte unser Grundsatzprogramm in diesem Punkt zu ungenau sein, oder tatsächlich im Widerspruch zum Grundgesetz stehen, muss das natürlich nachgebessert werden. (Man sieht übrigens, wie selbst der Katholik Mazny in der Frage nach der Rolle der Religion darüber nachdenkt, ob man denn beim allgemeinen Ausschluss der Kirche aus der Öffentlichkeit noch formaljuristisch die Verfassung einhalten kann…) Trotzdem sollten Zahlungen des Staates an Kirchen und auch der Einzug der Kirchensteuer kritisch überprüft werden, da meiner Meinung nach auch die Kirchen selbst davon profitieren können. (Ja, das kann passieren. Wie gesagt: Der Kulturkampf der Piraten gegen die wahre Religion könnte seltsame Auswirkungen haben. Am Ende zerstört sich das Böse immer selbst. Aber deswegen darf man es trotzdem nicht unterstützen, wie sowohl Nero als auch Judas erfahren haben dürften.)

An dieser Stelle will ich aus der Rede von Papst Benedikt XVI. in Freiburg zitieren (ein geschickter Schachzug. So kann Mazny vorspiegeln, das Programm der antichristlichen Piraten sei tatsächlich papstkonform…) : „Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedes Mal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich ja dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößte und wieder ganz ihre weltliche Armut annahm. [ … ] Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben.“ (Quelle)

Der von der Piratenpartei geforderte Abbau von Zahlungen ist also keine Aussage über eine Wert- oder Geringschätzung einer Religion, sondern ergibt sich schlicht aus unserem Verständnis dessen, welche Aufgaben ein säkularer Staat haben sollte. (Eben. Eine vollständige Trennung von Staat und Kirche setzt die beiden Institutionen angesichts der vielen Felder, in denen beide legitime Aufgaben zu erfüllen haben, automatisch in einen Gegensatz. Und wer wird da wohl siegen? Ein kirchenfeindlicher Staat mag ja vielleicht der Kirche helfen, indem sie den Sumpf der – übrigens wie gleich deutlich werden wird auch von Mazny sehr gelobten – Verbandskatholiken trockenlegt, doch er bleibt immer noch kirchenfeindlich, wie auch die ganze Piratenpartei.) Ich selbst würde eine größtmögliche Entflechtung von Kirche und Staat begrüßen, weil ich als Katholik der Meinung bin, dass die deutsche Kirche viel zu bürokratisiert ist und sich dadurch selbst vieler Möglichkeiten beraubt. (Und die bestehen worin genau, angesichts Ihrer sonstigen unchristlichen Haltungen, etwa zur natürlichen Familie?) Oder auch anders gefragt: muss ein Bischof wirklich 6.000 Euro oder mehr im Monat bekommen? (Écrasez l’Infâme!) Ich würde mir wünschen, dass sich durch die radikalen Forderungen der Piratenpartei auch eine innerkirchliche Diskussion darüber ergibt, welche Zahlungen des Staates notwendig sind, und welche vielleicht nur ein finanzielles Kissen zum Ausruhen darstellen. (Genau. Dass die Bischöfe anständig bezahlt werden, das ist schrecklich. Aber Inzest ist okay. Und Polygamie. Und Gender-Mainstreaming. Was für ein Christ kann eine Partei unterstützen, die so eine antichristliche Haltung vertritt?)

kath.net: Die Piratenpartei fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Steht das nicht im Widerspruch zum Prinzip der Subsidiarität, d.h. dass jeder zunächst für sich selbst verantwortlich ist und erst in zweiter Linie die Gemeinschaft?(Natürlich tut es das. Doch die Piratenpartei ist ja auch nicht kompatibel mit dem Christentum, sondern nur mit einem neosozialistischen Gesellschaftsmodell, indem der Staat die Rolle eines allgütigen Götzen spielt, der Manna über seine Untertanen ausrieselt.)

Frank Mazny: Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zum Sozialstaat, dazu zähle ich im weitesten Sinne auch den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt. (Was aber nicht die Frage war.) Hauptsächlich ist aber mit dem Sozialstaat unser soziales Netz verbunden, das es auch Menschen ohne Arbeit ermöglichen soll, ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Soweit die Theorie, in der Realität sind Menschen ohne Arbeit jedoch einer oftmals entwürdigenden Maschinerie ausgesetzt, die mit dem 1. Artikel im Grundgesetz nicht vereinbar ist. (Das ist so absurd, dass es nicht einmal mehr ein Argument verdient, sondern bloß Gelächter. Es ist also menschenunwürdig, wenn man Hartz IV beantragen und sich an die Gesetze halten muss?) Einige der größten Fehler im System (Nieder mit dem System! Wir brauchen den Systemwechsel!!) sind der Anspruch und das Versprechen auf Vollarbeit, die in der heutigen Zeit einfach nicht mehr zu erfüllen sind. (…)

Deshalb fordert die Piratenpartei, übrigens im Einklang mit katholische Gewerkschaften und Sozialverbänden wie der KAB, BDKJ oder die CAJ ein bedingungsloses Grundeinkommen. (Daran sieht man, dass die unkatholischen Verbände dringend weniger Marx und mehr Leo lesen müssen. Das Manna für alle vom Götzen Staat hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.) Aus christlicher Sicht ist der Wert eines Menschen nicht von seinem Stand und der Position in einer Erwerbsarbeitsgesellschaft abhängig, sondern allein von seiner Würde vor Gott. (Ach so. Und die Würde des Menschen ist davon abhängig, wie viel Geld er hat? Oder ob er arbeitet?) Ein Grundeinkommen schafft die Grundlage für jeden Menschen, eine Arbeit seiner Wahl im Sinne des befreiten Tätigwerdens (frei nach Marx, ganz ohne Leo) aufzunehmen. Insofern würde ein BGE auch für die Kirchen und ihre Arbeit mit Ehrenamtlichen von Vorteil sein, denn jemand der sozial abgesichert ist wird eher eine gering bezahlte oder unbezahlte Aufgabe in der Gemeinde übernehmen. (Wieso sollte ein mir dem staatlichen Manna für alle betäubter Mensch sich noch für die christliche Botschaft interessieren?) Ich sehe das BGE deshalb als wichtigen Baustein für die Umsetzung eines christlichen Menschenbildes in unserer Gesellschaft.

Was soll man zu diesem Interview noch sagen? Hier haben wir einen Menschen, der für sich in Anspruch nimmt, ein Christ und gar ein Katholik zu sein, der aber einer Partei angehört, die für Abtreibung, die Homo-„Ehe“, Polygamie und Inzest ist, die die traditionelle Familie als Auslaufmodell scharf bekämpft, die der Kirche durch ihr Parteiprogramm praktisch den Krieg erklärt, die der Auffassung ist, es sei eine gute Idee, absichtsvoll die Karfreitagsruhe zu stören, in der ernsthaft diskutiert wird, ob nicht eine Erziehung, in der die Existenz der Hölle vermittelt wird, den Tatbestand der Kindesmisshandlung erfülle, kurzum, einer Partei, die auf ganzer Linie gegen jeglichen christlichen Wert zu Felde zu ziehen wünscht, den es in diesem Lande noch geben mag. Doch mehr noch: Dieser Mensch, Herr Mazny, möchte den Leser auf den Arm nehmen und für dumm verkaufen, indem er dieses antichristliche Machwerk auch noch aus scheinbar christlichen Motiven heraus lobt.

Und als ob das noch nicht alles wäre, legt er zum Schluss noch einen drauf: Er fordert, im Einklang mit der totalitären Volksbeglückungsideologie, die die Piraten auch sonst so auszeichnet, ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ und etikettiert dies zu einem Baustein des christlichen Menschenbildes um, weil einige häretische, verweltlichte Gruppen dies auch so sehen, und weil Armut ja entwürdigend sei.

Nun, Christus hätte das anders gesehen. Für ihn waren die Armen selig. Und er war immerhin Gott, also sollte er das wissen…

Doch der Wunschtraum der Neopiraterie ist eine Welt, in der alle Menschen vom ewigen Segen des Staates abhängig sind, der ihnen den Wohlstand schenkt, den sie, unter Führung der staatlichen Indoktrination in verdummenden „Schulen“, als einzig wahren Wert erkannt haben.

Hier haben wir das piratische Menschenbild in Reinkultur, und wir stellen fest, es ist bis auf Details identisch mit dem Menschenbild der Grünen und, im Wesentlichen, dem der anderen Hauptparteien.

Nur, dass die Grünen für diese Piraten nicht radikal genug sind.

Meine Wahlempfehlung für die Landtagswahlen lautet also: Ehrt am Tag des Herrn den Herrn, und keine der Parteien, verbringt mehr Zeit mit der Familie, statt in der Wahlkabine.

Und wenn ihr unbedingt eine Kabine aufsuchen müsst, dann geht beichten.

Freiheit oder Sozialismus?

Die Ausspruch der Grünenpolitikerin Claudia Roth, zu dem ich hier bereits geschrieben habe, hat auch auf anderen Blogs Resonanz und Diskussion gefunden. In einer dieser Diskussionen wurde die recht grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob und inwiefern Demokratie überhaupt etwas Gutes sei, oder ob ihre Auswirkungen nicht auch sehr negativ interpretiert werden könnten.

Es ist wichtig, hierbei einige Unterscheidungen zu treffen, die bei einer flüchtigen Debatte nur allzu gern unberücksichtigt bleiben, um die Teilnehmer wechselnd als „Faschisten“, „Totalitaristen“, „Reaktionäre“, „Monarchisten“, „Demokratisten“ usw. zu bezeichnen, oder eigentlich eher zu beschimpfen. Wir müssen erst einmal klären, was wir mit dem Wort „Demokratie“ überhaupt meinen. Grob gesagt lassen sich mindestens drei verschiedene Bedeutungen unterscheiden.

1. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes und besteht darin, dass das Volk entweder direkt oder durch seine gewählten Vertreter die der politischen Sphäre zugehörigen Entscheidungen trifft. In diesem Sinn ist Demokratie einfach eine von vielen Möglichkeiten, zu solchen politischen Entscheidungen zu kommen, und ebenso legitim wie andere Formen der Entscheidungsfindung, etwa durch einen König, oder eine ungewählte Ratsversammlung. Schon Aristoteles und Platon wussten aber, dass eine so verstandene Demokratie dazu tendiert, unweise, von der Leidenschaft der Massen beeinflusste Entscheidungen zu treffen, die nur selten mit dem tatsächlichen Gemeinwohl übereinstimmen. Direkte Demokratien tendieren zusätzlich noch zur Instabilität, repräsentative Demokratien sind generell etwas stabiler, und haben durch die Wahl von Repräsentanten auch eine weitere Sicherung gegen die Ochlokratie. Demokratien dieser Art möchte ich Demokratien im eigentlichen Sinne oder einfach nur Demokratien nennen.

2. Demokratie bedeutet eine Herrschaft des Volkes im obigen Sinne, bei der das Volk jedoch durch eine sorgfältig formulierte (und selbst nicht wieder vom Volk veränderbare) Verfassung in der Ausübung seiner Macht begrenzt ist, indem legislative, exekutive und judikative Gewalt getrennt und auf unterschiedlichen Wegen legitimiert werden, um die vorhandene Macht auf möglichst viele Teilnehmer zu verteilen, und dadurch die Gefahr der Regierung durch Leidenschaften zu vermeiden. Zudem stellt eine so verstandene Demokratie durch die Verfassung bestimmte Grundrechte für ihre Bürger fest, durch die der Bürger vor dem Zugriff durch das Kollektiv / den Staat geschützt werden soll. Und schließlich wird die Machtbefugnis des so begründeten demokratischen Staates auf eine streng begrenzte Kompetenzsphäre beschränkt, so dass totalitäre Gesamtzugriffe auf das Volk, auf Minderheiten usw. nicht möglich sind. Eine Demokratie in diesem Sinne nenne ich in Anlehnung an die amerikanischen Gründerväter eine „Republik“.

3. Demokratie kann aber auch noch in einem dritten Sinn verstanden werden, nämlich dass das Volk als Ganzes, als Kollektiv, alle Entscheidungen selbst trifft. Dann stünde Demokratie nicht mehr im Gegensatz zur Monarchie, sondern im Gegensatz zur individuellen Freiheit – Herrschaft des Volkes, soweit es als Kollektiv Volk ist, gegen Herrschaft des Einzelnen. Die eigentliche Macht liegt beim Kollektiv, nicht beim Individuum oder irgendeiner kleineren Gruppe innerhalb des Volkes (wie Familie, Kirche, Unternehmen…) Diese Form der Demokratie ist generell unverträglich mit Beschränkungen der Macht des Kollektivs, weil das Kollektiv diese jederzeit zurücknehmen würde. Es handelt sich um die „totale Demokratie“, um eine radikale, ideologische Übersteigerung der Demokratie im eigentlichen Sinne. Eine solche Demokratie könnte man treffend Kollektivismus nennen, entspricht aber auch dem Demokratieverständnis der Sozialisten und Kommunisten.

Die Demokratie im eigentlichen Sinn ist moralisch neutral – ihre Bewertung hängt von den Ergebnissen, den Resultaten ab. Macht eine solche Demokratie gute Politik, ist sie gut, macht sie schlechte Politik, ist sie schlecht. Meist machen Demokratien dieses Typs aufgrund der erwähnten Probleme jedoch schlechte Politik, bringen Instabilität, Chaos und Korruption hervor, und führen entweder zum Sturz der Demokratie, oder zu ihrer faktischem Umwandlung zur Ochlokratie.

Die Republik vermeidet die Schwierigkeiten der Demokratie und ist generell sehr stabil. Machtwechsel finden durch Wahlen statt, aber es gibt auch nicht aus dem Volk stammende Legitimationen, wie etwa die Verfassung, die generell sogar über dem Willen des Volkes steht. Das Volk wird an einer totalen Herrschaft gehindert. Das beste Beispiel für eine Republik waren die frühen USA, jedoch zeigt die Geschichte auch hier, dass die Republik auf lange Sicht zu einer Demokratie im eigentlichen Sinn wird, weil Verfassungen letztlich nur Worte auf Papier sind, und Papier geduldig ist. Der Damm gegen die ochlokratischen Leidenschaften kann nicht dauerhaft halten. Somit ist die Republik, so positiv sie auch sonst zu bewerten ist, nicht ohne Schwierigkeiten und auch keine endgültige Staatsform für die Ewigkeit, wie manche zu glauben scheinen.

Der Kollektivismus oder Sozialismus ist als Staatsform vollkommen ungeeignet, weil er unfähig ist, individuelle Freiheiten und die Rechte gewachsener vermittelnder Körperschaften wie Familie, Privatunternehmen und alle anderen freiwilligen Zusammenschlüsse und ganz besonders der Kirche zu respektieren. Alle Macht geht vom Volke aus. Und zwar vom Volk als Volk, als Kollektiv. Dies ist das Demokratieverständnis einer Person, die sich zu der Aussage versteigt, es dürfe keine demokratiefreien Räume geben, wie Frau Roth dies gegenüber Bischof Zdarsa im speziellen und gegen die Kirche im allgemeinen getan hat. Wo immer noch etwas ist, das nicht nach dem Willen des Kollektivs, vertreten durch seine intellektuelle Avantgarde, geregelt und geordnet ist, kann der Kollektivist nicht ruhen, er muss kämpfen, unterwandern, zerstören, bis alles eine Wüste gleich großer, staatlich zertifizierter Käfige für alle ist.

In diesem kollektivistischen Sinn ist die Demokratie sogar der Inbegriff des Totalitarismus. Totalitarismus bedeutet totale Staatsherrschaft und ist daher durchaus kein Sondermerkmal der „rechten“ Nationalsozialisten. Das Wörtchen „Sozialisten“ ist übrigens auch hier verräterisch, denn es sagt aus, wofür diese Bewegung hinsichtlich der Demokratie stand. Für ein kollektivistisches System, in dem das Volk, vertreten durch seinen per Akklamation bestätigten Führer, alles regulierte und alles gleichschaltete. Dass ein solches System meist zu schrecklichen Verbrechen wie dem Holocaust, oder auf der anderen Seite des politischen Spektrums zu den Massenmorden Stalins und Maos führt, ist bekannt. Doch selbst wenn solche Mordtaten in dem einen oder anderen totalitaristischen System ausbleiben, ändert dies nichts an der fundamentalen Verwerflichkeit dieses Systems.

Die Soziallehre der Kirche hat immer daran festgehalten, dass die Freiheit der vermittelnden Gemeinschaften, besonders der Kirche, und direkt danach der Familie, aber auch die Freiheit von Eigentümern und Unternehmern, ganz wichtig für eine gerechte Ordnung der staatlichen Gemeinschaft ist. Diese Ordnung war in der Vergangenheit in christlichen Staaten meist monarchistisch, wobei das Wort irreführend ist, denn es herrscht im Staate zwar nur einer, aber dieser eine muss sich trotzdem mit einem oft widerspenstigen Adel auseinandersetzen, und seine Machtmittel waren historisch gesehen meist so gering, dass er wenig bewirken konnte. Ein Totalitarismus ist das jedenfalls nicht.

Doch auch wenn in der Vergangenheit meist monarchisch regiert wurde, ist eine demokratische Staatsform jederzeit legitim und akzeptabel, solange es sich um eine Republik im oben definierten Sinne handelt. Auch eine eigentliche Demokratie wäre akzeptabel, aber aufgrund ihrer Instabilität meist nicht wünschenswert. Grundsätzlich muss die kirchliche Soziallehre aber den Kollektivismus ablehnen, und hat dies immer wieder ausdrücklich getan. Diese Ablehnung ist eine Ablehnung aus Prinzip, eine Ablehnung, die völlig unabhängig von den Umständen ist. Dass das Volk durch Wahlen einige Dinge selbst entscheidet, ist akzeptabel und durchaus sinnvoll. Dass das Volk als Kollektiv alle Macht haben soll, oder doch zumindest alle Macht ohne Beschränkungen von ihm ausgehen soll, ist nicht nur sinnlos, sondern auch inakzeptabel.

Das Problem an Frau Roths Äußerung ist nicht ihr Einsatz für Demokratie, sondern ihr Einsatz für eine kollektivistische oder sozialistische Demokratie, in der das Volk, vertreten durch seine Führer, über alle Macht verfügt, und daher individuelle Personen, kleinere Gebietskörperschaften wie Städte, Landkreise, Bundesstaaten, und gebietslose unabhängige Körperschaften wie Kirche, Familien, Privatunternehmen, letztlich auch Gewerkschaften, vollkommen entmachtet und unter die Knute des Kollektivs gezwungen werden. Eine solche Demokratie ist nicht nur antichristlich, antikatholisch und antikirchlich, sondern auch noch antiliberal und antifreiheitlich.

Es lohnt sich daher, einen alten Slogan wieder hervorzukramen. Wir wissen, dass Frau Roth kein Interesse am Wohlergehen der Kirche hat und mit christlichen Argumenten hinsichtlich der monarchischen Führung der Kirche nicht wird überzeugen lassen. Doch sie bekennt sich immer wieder zur Freiheit. Frau Roth muss sich fragen lassen, was sie denn nun will: Freiheit oder Sozialismus.

Gift und Gegengift – Über den atheistischen Kommunismus (Teil 2)

Im ersten Teil dieser Artikelserie hatte ich einige einleitende Bemerkungen zur Aktualität des atheistischen Kommunismus auch in der heutigen Gesellschaftssituation gemacht.

Hier nun eine hervorragende päpstliche Diagnose, worum es sich beim Kommunismus eigentlich handelt, und was die Absicht dieser Ideologie ist, aus der schon erwähnten Enzyklika „Divini Redemptoris“: Ergänzend dazu werde ich einige Abschnitte hervorheben und an manchen Stellen einen roten Kommentar einfügen, wie der Leser dies vermutlich schon gewohnt ist:

Zunächst betrachten wir einige Grundcharakteristika des Kommunismus und seine Weltsicht des materialistischen Evolutionismus, wie sie der Papst in Divini Redemptoris darstellt.

Lehren

Ein falsches Ideal

8. Der heutige Kommunismus birgt in einem höheren Maße, als es bei anderen ähnlichen Bewegungen der Vergangenheit der Fall war, eine falsche Erlösungsidee in sich. Ein falsches Ideal von Gerechtigkeit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Arbeit durchglüht seine gesamte Lehre und Tätigkeit mit einem gewissen Mystizismus(wenn der atheistische Kommunismus wirklich dem wahren Glauben entgegen gesetzt ist, was sich kaum bezweifeln lässt, dann muss auf lange Sicht ein alternativer, direkt gotteslästerlicher Kult etabliert werden, der bewusst oder unbewusst die Verehrung des Teufels beinhaltet. Okkultismus, Satanismus, Esoterik usw. sind in diesem Licht zu sehen), der die mit trügerischen Versprechungen gewonnenen Massen in den suggestiv um sich greifenden Enthusiasmus einer mitreißenden Bewegung versetzt. Das konnte in unserer Zeit um so leichter geschehen, da sie infolge einer fehlerhaften Verteilungder Güter (es ist die wahre Ungerechtigkeit, die wahre Gier, das wahre Elend der Menschen, das wahre Leid, das den Ideologen ihren Nährboden verschafft.) dieser Welt von einem außergewöhnlichen Elend heimgesucht wird. Es rühmt sich auch dieses falsche Ideal, der Anreger eines gewissen wirtschaftlichen Fortschritts gewesen zu sein, der sich in Wahrheit, soweit er echt ist, aus ganz anderen Ursachen herleiten läßt, wie zum Beispiel aus der Steigerung der industriellen Produktion in Ländern, die in dieser Hinsicht wenig entwickelt waren, oder aus der Ausbeutung eines ungeheuren Reichtums an Bodenschätzen, oder auch aus der Anwendung von brutalen Arbeitsmethoden zur Erreichung von Riesenleistungen bei herabgedrückten Löhnen.

Der evolutionistische Materialismus von Karl Marx (Anmerkung: Die wissenschaftliche Evolutionstheorie mag richtig oder falsch sein, sie ist in jedem Fall mit dem katholischen Glauben vereinbar. Dies gilt nicht für die unwissenschaftliche Ideologie des Evolutionismus, welcher das Prinzip der allmählichen Fortentwicklung unter rein materiellen Außenwelteinflüssen zum Erklärungsmaßstab für die Welt erhebt.)

9. Die Lehre, die der Kommunismus oft genug unter täuschenden Hüllen verbirgt, steht im wesentlichen noch heute auf den von Marx verkündeten Grundsätzen des sogenannten dialektischen Materialismus und des historischen Materialismus, dessen allein richtige Auslegung die Theoretiker des Bolschewismus (sie nennen sich heute anders, der Bolschewismus ist wirklich tot. Aber wenn selbst die CDU die Familienpolitik der DDR als vorbildlich ansieht, dann kann die dahinter stehende Lehre nicht tot sein.) zu vertreten glauben. Nach dieser Lehre gibt es nur eine einzige ursprüngliche Wirklichkeit, nämlich die Materie mit ihren blinden Kräften, aus denen sich Pflanze, Tier und Mensch entwickelt haben. Auch die menschliche Gesellschaft ist darnach nichts anderes als eine Erscheinungsform dieser Materie, die sich in der angedeuteten Weise entwickelt und mit unausweichlicher Notwendigkeit in einem ständigen Kampf der Kräfte dem endgültigen Ausgleich zustrebt: der klassenlosen Gesellschaft. (Diesen Satz bitte nochmal lesen, bis er wirklich in all seiner Tiefe verinnerlicht ist. Auf dieser Lehre, die der Heilige Vater hier als kennzeichnend für den Kommunismus herausstellt, basieren alle heute dominierenden gesellschaftlichen Denkmuster. Wenn man nur das angebliche Endziel der Geschichte austauscht, dann passt der Satz sowohl auf Hitlers Rassentheorie, als auch auf den Marxismus, die Ideen der Sozialdemokraten und Liberalen und auf vieles, was heute angeblich christlich motiviert in der evangelischen und teilweise sogar in der katholischen Kirche gesagt wird.) Es leuchtet ein, dass in einem solchen System kein Platz mehr für die Idee Gottes, dass kein Unterschied mehr besteht zwischen Geist und Stoff, zwischen Leib und Seele, dass es kein Fortleben der Seele nach dem Tode mehr gibt, und darum auch keine Hoffnung auf ein anderes Leben. Unter Berufung auf die dialektische Seite ihres Materialismus behaupten die Kommunisten, dass der Kampf, der die Welt zum letzten Ausgleich führt (ein ganz zentraler Gedanke: Der Kampf führt die Welt zum letzten Ausgleich – und darum ist in diesem Kampf jedes Mittel gerechtfertigt. „Wollt ihr den totalen Krieg?“, schallt es aus den Lautsprechern nicht nur der nationalen Sozialisten. Das Konzept der „latenten Gewalt“ der sogenannten Friedensforscher stößt in das gleiche Horn: Wenn stets ein Zustand latenter Gewalt herrscht, dann ist es nicht mehr nötig, den Übergang zu realer Gewalt durch Terrorismus zu rechtfertigen, da es sich dann nur um Gegengewalt, Notwehr, handelt), durch den Menschen beschleunigt werden kann. Darum bemühen sie sich, die Klassengegensätze in der Gesellschaft zu verschärfen, und so wird der Klassenkampf mit all seiner Gehässigkeit und seiner Zerstörungswut zu einer Art Kreuzzug im Dienste des Fortschrittes der Menschheit. Alle Mächte aber, wer immer sie seien, die sich diesen systematisch geübten Gewalttätigkeiten widersetzen, müssen vernichtet werden als Feinde des Menschengeschlechtes.

(Fortsetzung folgt…)

Gift und Gegengift – Über den atheistischen Kommunismus (Teil 1)

Eine der besten und wichtigsten Enzykliken des 20. Jahrhunderts ist aus meiner Sicht „Divini Redemptoris“ von Pius XI. über den atheistischen Kommunismus. Nun mag der eine oder andere Leser denken, seit dem Fall der Mauer 1989 und der Auflösung des sogenannten Eisernen Vorhangs sei der atheistische Kommunismus tot und überhaupt heute kein Problem mehr. Aus zwei Gründen stimmt dies allerdings nicht. Erstens ist das fundamentale Prinzip des Kommunismus in mehr oder minder unveränderter Form auch das fundamentale Prinzip des sogenannten Sozialdemokratismus, welcher nichts ist als der Versuch der Herbeiführung einer klassenlosen Gesellschaft ohne das Mittel einer gewaltsamen Revolution des Proletariats. Und zweitens beruht die sogenannte sexuelle Revolution auf kommunistischen Prinzipien in Reinform. Es führt ein direkter Weg von Marx und Engels über die Frankfurter Schule nach 1968, und von dort in die Parteizentrale der Merkel-CDU und erst recht der anderen Parteien der Bundesrepublik.

Wenn überhaupt, ist der atheistische Kommunismus heute weiter verbreitet als je zuvor. Er kann dies ohne Aufsehen schaffen, weil man ihn nicht mehr als Kommunismus erkennt. Ist Kommunismus nur dann gegeben, wenn jemand die Enteignung der Grundbesitzer fordert und das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufheben will? Oder ist es auch Kommunismus, wenn jemand nach dem Ziel der klassenlosen Gesellschaft strebt, ohne diese konkreten Schritte in erster Linie anzustreben? Denn was ist eine „klassenlose“ Gesellschaft? Es ist eine Gesellschaft ohne soziale Hierarchien, ohne Autorität des Höheren über das Niedrigere, in erster Linie eine vaterlose Gesellschaft, wobei ich hier das Wort Vater in seiner größtmöglichen Bedeutungsweite verwende. Eine vaterlose Gesellschaft ist eine Gesellschaft ohne Väter, also ohne Familienväter, ohne starke Priester, die als geistliche Väter für die ihnen anvertrauten Seelen handeln, und ganz besonders eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich nicht der gerechten Herrschaft und Autorität des himmlischen Vaters unterstellt sehen wollen.

Eine klassenlose Gesellschaft ist immer auch eine vaterlose Gesellschaft, weil die Existenz von Vätern bereits eine soziale Hierarchie bedeutet, indem Väter von Müttern und anderen Nicht-Vätern unterschieden (lat. discriminare = unterscheiden) werden, und wie im 20. Jahrhundert eine Anzahl marxistischer Denker im Umfeld der psychoanalytischen Ideologie und der Frankfurter Schule erkannt haben, ist die vaterlose Gesellschaft die notwendige Voraussetzung für die Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft. Der Arbeiter, so sagten die Kommunisten früher, habe kein Vaterland, doch als der 1. Weltkrieg ausbrach, da hatte er plötzlich doch ein Vaterland, nämlich das Land seines Vaters. Die „Internationale“ war ihm egal. So schloss man messerscharf: Solange der Arbeiter an Gott-Vater, am Heiligen Vater, an seinem biologischen Vater (sprich: an seiner Familie) und am Land seiner Väter hing, würde er dies alles der klassenlosen Gesellschaft des kommunistischen Ameisenhaufens vorziehen. Also musste das alles radikal weg, bevor der Weg in die klassenlose Gesellschaft frei war.

Die Gefahr des atheistischen Kommunismus ist heute nicht mehr so sehr ein gesellschaftlicher Umsturz in Form einer gewaltsamen Revolution. Es ist vielmehr, dass viele der wesentlichen Ziele des Kommunismus, teils in abgewandelter Form, heute unhinterfragbarer gesellschaftlicher Mainstream ist. Ob in der Familie, in der Bildungspolitik, in Steuerfragen, in der faktischen Allzuständigkeit des „demokratischen“ Staates, in der ausschließlichen Fixierung auf bloß materielle Umstände, und ganz besonders und in höchstem Maße in der  in allen westlichen Gesellschaftennahezu universellen Gottvergessenheit – überall sind die einzig akzeptablen Alternativpositionen heute die des gemäßigten und des radikalen Sozialismus. Sollen die Kinder sofort dem Staat übertragen werden, oder soll dies vorerst noch in den ersten Lebensjahren den Eltern freigestellt werden? Ist es gerade noch als Auslaufmodell akzeptabel, wenn eine Mutter sich um ihre Kinder kümmert und Hausfrau ist, oder ist das Verrat an der Gesellschaft, die so-und-soviel Euro in ihre Bildung investiert hat? Ist man offen atheistisch, oder hält man irrational an einem sentimentalen Gottglauben fest, dem man natürlich keine praktische Relevanz für sein Leben einräumt? Darf man private und kirchliche Schulen noch tolerieren, sofern sie sich dem staatlichen Schuldiktat unterwerfen, oder gehören alle Schulen und Universitäten in die Hand der Ersatzgottheit Staat? Ist alles bloß beliebig vom Menschen manipulierbare Materie, oder gibt es bestimmte Dinge, bei denen man noch ein wenig vorsichtig sein muss, weil vielleicht Gefahren drohen könnten, die die technische Vernunft des Menschen noch nicht zu beherrschen gelernt hat?

Die fundamentale Alternative, die in der klassischen objektiven Vernunft des Menschengeschlechts und in der christlichen Offenbarung inklusive ihrer kirchlichen Überlieferung durch das Lehramt besteht, ist faktisch nicht mehr diskutabel. Selbst kirchliche Würdenträger ignorieren diese Alternative in vielen Fällen zugunsten der gerade am wenigsten radikalen Geschmacksrichtung der sozial-materialistischen Einheitsgesinnung.

Im Angesicht dieser Tatsachen erscheint es mir geboten, ja dringlich, die alte Enzyklika „Divini Redemptoris“ wieder hervorzukramen und sie gründlich zu lesen, da das Lehramt zu den Gefahren des Kommunismus, oder wie man die neue Ideologie auch nennen mag, die wesentliche Elemente des Kommunismus auf überraschende Weise mit einer zumindest in Teilen noch marktlichen Organisationsform der Wirtschaft zu verbinden versteht, seit der Wende um 1990 herum weitgehend geschwiegen hat.

(Fortsetzung folgt…)

Der Irrweg der Experten und die Soziallehre

Von Ideologien ist heute nicht mehr viel die Rede. Alle politischen Parteien verkaufen sich als technische Problemlöser ohne feste Grundüberzeugungen, wir leben in einer Zeit der Macher, die eben nicht viel übrig haben für rigide Theoriegebäude, wie sie von überzeugten Liberalen und Sozialisten vertreten werden. Zumindest ist das die Selbstdarstellung der Politiker und Medienleute. Es geht mehr um Sachverstand als um Grundsätze. Politik will sich heute mehr denn je „wissenschaftlich“ geben und die daraus erwachsende Verschränkung des politischen, medialen und universitären Raums zu einer einheitlichen „Expertokratie“ wird eher als Fortschritt denn als Problem gesehen.

Doch schon der Durchschnittsbürger, der sich wenig mit Politik beschäftigt und nicht viel über die fachlichen Fragen weiß, mit denen sie sich heute herumschlägt, ahnt dunkel etwas davon, dass es um den Sachverstand der Politiker und ihrer weithin unbekannten Vordenker und Hintermänner nicht allzu gut bestellt ist. So erkennt eine große Mehrheit der Deutschen intuitiv die Phrasenhaftigkeit und geistige Leere, die hinter dem großen Expertenkult steckt. Verantwortung für große Grundsatzentscheidungen wird abwechselnd auf die Meinung der Experten oder auf unmittelbaren Sachzwang abgeschoben. Sachverstand wird ersetzt durch den Anschein desselben.

Ist diese Intuition des einfachen Bürgers falsch? Gibt es inzwischen wirklich eine sachverständige Elite, welche die Geschicke des Staates und der Gesellschaft besser zu lenken versteht, als die einfachen Bürger? Wenn unter Berufung auf das Urteil der Ökonomen – ob einheillig oder nicht – die weitgehende Abtretung nationaler Souveränität und sogar des hart von den Königen und Kaisern erkämpften Budgetrechts an eine weder demokratisch noch anderweitig legitimierte kleine Gruppe von Menschen gerechtfertigt wird, dann liegt dieser Schluss nahe. Ebenso wenn unter Berufung auf das Urteil der Pädagogen und Kinderpsychologen immer mehr Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht vorgenommen werden, um etwa „Kinder aus bildungsfernen Schichten“ vor dem drohenden Unheil materieller und geistiger Rückständigkeiten zu bewahren. Den größten Sieg des Expertenkultes finden wir jedoch bei der Debatte um den sogenannten Klimawandel. Ein internationales Wissenschaftlergremium, das International Panel on Climate Change (IPCC), spricht unter Berufung auf eine Vielzahl von Klimaforschern von einer gefährlichen Erwärmung des Klimas auf der Erde. Und unter Berufung auf das Urteil der Experten soll nach dem Willen der Befürworter dieser Entwicklungen eine radikale Reform der Weltwirtschaft geschehen, durch die die Gefahr für das Weltklima so weit wie möglich minimiert werde.

Diese drei Beispiele mögen genügen, doch viele weitere ließen sich anführen. In jedem Falle wird unter Berufung auf den überlegenen Sachverstand der Experten eine Entdemokratisierung angestrebt. Man handelt schließlich aufgrund von Sachzwängen und ist ausgestattet mit wissenschaftlich bewiesenen Vorstellungen.

Lassen wir die eindeutige Tatsache, dass es in der Naturwissenschaft gar keine „Beweise“ geben kann, sondern nur Wahrscheinlichkeiten, und dass deshalb jede Theorie falsifizierbar sein muss, damit sie überhaupt als eine naturwissenschaftliche Theorie gelten darf, einmal beiseite und konzentrieren uns nur auf die verwandte Frage, ob eine solche Expertenherrschaft wirklich einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Dies ist der Fall, wenn der Experte wirklich über einen einschlägigen größeren Sachverstand verfügt. Ist der Experte wirklich einer, der es besser weiß, dann wäre es nur vulgärer Antiintellektualismus, begehrte man gegen seine weisen Worte und Empfehlungen auf. Doch weiß „es“ der Experte in der heutigen politischen Diskussion wirklich besser?

Die naheliegende Antwort ist: Es kommt auf das Thema und den Experten an. Manche wissen wirklich bescheid, andere nicht, und in manchen Fragen weiß der Experte mehr, nämlich wenn es um sein Fachgebiet geht, und in anderen wiederum womöglich nicht. Diese Antwort ist natürlich nicht falsch. Aber sie ist auch nicht vollständig. Denn wenn wir spezifisch nach „politischen“ Diskussionen fragen, dann müssen wir hinzufügen, worin denn die Natur spezifisch politischer Diskussionen besteht.

Um die Frage nach der Rechtfertigung von Politik unter Berufung auf Experten und Sachzwänge beantworten zu können, ist daher eine Antwort auf die Frage nach der Natur des politischen Diskurses notwendig. Was ist überhaupt Politik? Die Natur einer Sache läßt sich aus ihrem Zweck erkennen. Wofür ist also Politik da? Dem Leser fallen hier sicherlich ziemlich viele Aufgaben ein: Landesverteidigung, Rechtssprechung, je nach politischer Ausrichtung auch die Bereitstellung von Schulen oder allgemein wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen. Doch das sind nur nachgeordnete Zwecke der Politik. Sie rechtfertigen sich wieder durch innerpolitische Argumente. Auch sie sind wieder „für etwas da“, haben einen Zweck. Bereitstellung von Landesverteidigung und einer verlässlichen Rechtssprechung sind einzelne Aufgaben des Staates, aber nicht der Zweck des Staates. Sie sind die Mittel und Wege, durch die Staaten ihren eigentlichen Zweck zu erfüllen versuchen. Manche dieser Mittel und Wege sind unstrittig, wie die Landesverteidigung, andere sind strittig, wie bestimmte sozialpolitische Maßnahmen, aber sie alle werden von ihren Befürwortern gerechtfertigt unter Berufung auf etwas, das in der Regel „Gemeinwohl“ genannt wird. Dieser abstrakte Begriff ist von vielen politischen Theoretikern und Praktikern bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden, so dass er heute einen negativen Beiklang besitzt. Was ist nicht alles im Namen des Gemeinwohls gerechtfertigt worden! Es scheint, als ob die Gemeinschaft ohne Gemeinwohl besser dran wäre. Doch der Missbrauch einer Sache schließt nicht den korrekten Gebrauch aus. Wir sollten nicht „das Kind mit dem Bade“ ausschütten.

Gemeinwohl bezieht sich auf das (irdische) Wohl der Gemeinschaft. In der christlich geprägten Tradition des Westens gab es immer schon eine klare Unterscheidung zwischen dem Staat, dessen Zweck ein rein Diesseitiger ist, und der Kirche, welche auch und vor allem für das Heil der Seelen verantwortlich ist. Natürlich spielt die Sorge um das Heil der Seelen in mancher Frage – nämlich in Glaube und Sittenlehre – in weltliche Angelegenheiten herein, und umgekehrt sind die weltlichen Dinge nicht unbedeutend für das Seelenheil der Menschen, so dass diese Trennung keine strikte und absolute sein kann. Sprechen wir im politischen Sinne von Gemeinwohl, so kann nur das irdische Wohl der Menschen, der Individuen und ihrer Familien gemeint sein. Doch etwas gereicht einem Menschen zum Wohl, wenn es gut für ihn ist. Die Frage nach dem Guten, und zwar dem Guten in einem spezifisch ethischen Sinne, kommt über das Gemeinwohl unweigerlich in die Politik. Denn es reicht für das Gemeinwohl eben nicht, wenn etwas nur „gut für mich“ oder „gut für dich“ ist – das ist purer Egoismus. Ebenso ist es nicht ausreichend, wenn etwas „gut für die Mehrheit“ ist, denn es kann aus der Sicht der Mehrheit durchaus gut sein, andere Menschen auszurotten oder ihnen das Leben schwerer als nötig zu machen. Und dass etwas „gut für alle“ sein könnte, dass also alle Menschen einer Gesellschaft eine bestimmte Handlung zugleich als für sie selbst gut einstufen könnten, ist vollkommen utopisch. Wir benötigen also für die Frage nach dem Gemeinwohl eine Begrifflichkeit des „objektiv Guten“ – dessen, was nicht für irgendjemanden oder irgendetwas gut ist, sondern gut als Solches, oder gut an sich. Etwas also, dass für den Menschen gut ist, insofern er nicht irgendetwas anderes ist, sondern eben ein Mensch. Diesen Begriff des Guten nennen wir aber einen „ethischen“ Begriff.

Dies schließt freilich nicht aus, dass im Gemeinwohl auch einige nichtethische Zusammenhänge ihre Rolle und ihren angemessenen Platz haben könnten. Aber ohne einen Begriff vom moralisch Guten können wir das Gemeinwohl nicht definieren. Ohne Moral kein Gemeinwohl, und ohne Gemeinwohl keine Politik. Moral ist die Voraussetzung des Gemeinwohls und Gemeinwohl ist der Zweck der Politik. Daraus folgt streng logisch: Ohne Moral ist Politik zwecklos. Moral ist entscheidender Bestandteil der Politik. Politik befasst sich mit der Verwirklichung des moralisch Guten im menschlichen Zusammenleben nach irdischem Maß.

Nun zeichnet sich aber die Moral gerade dadurch aus, dass es in ihr keine Experten gibt, die sich diesen Expertenstatus durch irgendein intellektuelles Wissen erworben hätten. Kein Diplom und kein Abschluss macht einen Menschen zu einem besseren Menschen, sondern höchstens zu einem gebildeteren Menschen, was etwas ganz anderes ist, wie uns spätestens die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte gelehrt haben müsste. Der Experte ist derjenige, der den Gegenstand besser kennt als der Nicht-Experte. Der einzige Experte in der Moral ist also der tugendhafte moralische Mensch, dem das moralische Gesetz zur zweiten Natur geworden ist. So ein Mensch dürfte selten genug sein, und er ist an Universitäten gewiss nicht häufiger als woanders.

In der Moral können alle Menschen mitreden, weil jedem Menschen das moralische Gesetz ins Herz geschrieben ist, und jeder Mensch gleichermaßen dazu fähig ist, den Antreiben des Gewissens zu folgen oder sie im Laufe der Jahre immer schwächer wetrden zu lassen, bis die Stimme des Gewissens letztlich von dem wilden Kreischen der niederen Gelüste und Antriebe übertönt und damit unhörbar geworden ist. Alle Menschen sind ihren Fähigkeiten und Anlagen nach gleichermaßen moralfähig. Kurz können wir sagen: Der Mensch ist seiner Natur nach moralfähig.

Der Professor und der Bauer mögen unterschiedliches Vokabular verwenden, wenn sie über Moral sprechen. Der Ethiker mag ein scharfes philosophisches Verständnis diverser ethischer Ansätze entwickelt haben, das dem Bauern vollkommen fehlt. Aber wenn der Ethiker die Tötung der Unschuldigen rechtfertigt, und der Bauer sagt, „man tut das nicht“, dann ist der Bauer der ethische Experte und der Ethiker der Dumme.

Wenn es aber in der Moral keine Experten gibt, die sich durch formale Qualifikationen auszeichnen, dann gilt das auch für das Gemeinwohl, das der moralischen Fundierung bedarf, wenn es nicht zu einem reinen Kampf um den größtmöglichen selbstbezogenen Vorteil werden soll, bei dem die Stärkeren immer gewinnen. Doch wenn das Gemeinwohl ebenfalls keine diplombewehrten Experten kennt, dann gilt dasselbe auch für die spezifisch politischen Fragen.

Natürlich weiß der Ökonom wahrscheinlich mehr über Ökonomie als der Bauer. Er kann uns aber nur sagen, zu welchen Folgen bestimmte Handlungen seiner Theorie nach führen werden. Im Idealfall, wenn er wirklich bescheid weiß, dann werden diese Prognosen auch eintreffen. Davon sind wir natürlich weit entfernt. Doch selbst unter Annahme absoluten Expertenwissens wäre der Ökonom keine Hilfe bei der Frage nach dem Ziel.

Vielleicht könnte der perfekte Klimaforscher ausrechnen, dass „x“ Emissionen zu einem Temperaturanstieg von „y“ führen. Doch ob wir bereit sind, diesen Temperaturanstieg hinzunehmen, ob wir ihn als etwas Gutes sehen, und die negativen Folgen zu lindern versuchen, oder ob wir ihn als etwas Schlechtes sehen, und die guten Folgen als eher geringfügig betrachten, das ist keine Frage der Klimaforschung, sondern eine der Politik. Denn es ist die Frage nach dem Ziel, die Frage danach, was dem Gemeinwohl am besten dient, und damit letztlich eine moralische Frage.

Die Expertokratie ist daher ein Irrweg. Experten, die sich durch den einen oder anderen Abschluss auszeichnen, und mit genug Diplomen wedeln können, um als Alleinverantwortliche für die Abholzung der Regenwälder zu erscheinen, wissen vielleicht in ihrem Fachgebiet viel, doch sagt dies nicht das Geringste über den Zustand ihres Gewissens aus.

Kein Bildungszertifikat kann jemals so viel Weisheit vermitteln wie eine dieser zeitlosen Banalitäten, die sich schon die Bauern vor tausenden von Jahren erzählt haben.

Eine andere Folge dieser ganzen Überlegung ist aber, dass die Experten, wenn sie ihre politischen Meinungen gar nicht aus ihrem Expertenstatus schöpfen können, an ihre politischen Positionen ebenso herankommen wie die Nicht-Experten. Vielleicht können sie sie geschliffener formulieren, doch das konnten die Sophisten auch. Vielleicht sind die Sophisten sogar heute mal wieder wortgewandter als die Nachfolger des Sokrates, was womöglich daran liegt, dass die Nachfolger des Sokrates sich weithin den Sophisten angeschlossen haben. Die Experten haben kein privilegiertes Wissen in Fragen von Moral und Politik – daher sind diejenigen, die sich auf Experten für ihre politischen und moralischen Ansichten berufen, entweder einfach einer Täuschung erlegen, oder maskieren durch die Berufung auf die angeblich wissensbedingte Autorität der Experten nur eine bestimmte politisch-moralische Ideologie.

Da die Expertenlüge eigentlich sehr leicht zu durchschauen ist, zumal die Experten ja nicht einmal in ihren Fachgebieten wirklich fähig sind – ein Beispiel: welcher Ökonom hat die Krise von 2008 vorhergesagt? – trifft die Hypothese der Maskierung einer politischen Ideologie vermutlich auf die meisten Personen des öffentlichen Lebens zu, die sich, quer durch alle Parteien und Medien, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, auf die scheinbare Autorität der Experten berufen.

In diesem Sinne erscheint gerade die repetitive Vehemenz, mit der immer wieder vorgetragen wird, es handle sich nicht um ideologische Ziele, sondern um Sachzwänge, die etwa die Zentralisierung politischer und wirtschaftlicher Macht in den Händen der Wenigen, die sogenannte „Globalisierung“, die Reaktion auf den Klimawandel, die Abtretung nationalstaatlicher Budgetsouveränität und dergleichen mehr erforderlich machten, als indirekter Beweis für die ideologische Absicht, die hinter den gegenteiligen Beteuerungen steckt.

Man sagt uns immer wieder, es gebe keine Alternative. Ist das wirklich so? Gibt es keine Alternative? Die generell vorgeschlagenen Alternativen sind die bekannten politischen Ideologien, die längst alle gescheitert sind, und deren Scheitern ihre Anhänger der Selbstdarstellung folgend auf wundersame Weise zu nüchternen, sachlichen, technokratische „Lösungen“ vorschlagenden Experten gemacht hat. Doch ansonsten? Wenn wir keine Liberalisten, Sozialisten oder Nationalisten sein wollen, wenn wir weder dem Markt noch dem Staat über den Weg trauen, bleibt uns denn dann etwas anderes übrig, als uns auf den puren Sachverstand der Experten zu verlassen, selbst wenn er nur ein schöner Schein ist, hinter dem sich eine seltsame Mischung von Egozentrismus und politischer Ideologie verbirgt?

Und ob. Denn der gemeinsame Punkt aller gescheiterten Ideologien und der heutigen Schein-Expertokratie ist eben dieser: Dass sie sich alle in der einen oder anderen Weise auf die zeitlosen Banalitäten der Moral berufen, von denen beiläufig schon die Rede war. Dass sie alle aber ein bestimmtes an sich richtiges moralisches Prinzip herausgreifen und es so weit unter Ausschluss aller anderen Prinzipien radikalisieren, bis es über den Status der Richtigkeit hinaus zum Irrtum aufgestiegen ist.

Dem gegenüber steht einsam die katholische Soziallehre, die peinlich die Übersteigerung eines einzelnen moralischen Prinzips meidet, indem sie das ganze moralische Gesetz berücksichtigt. Hier haben wir ein Ideal, das, Chesterton zufolge, nicht versucht und für schlecht befunden, sondern für schwer befunden, und deswegen nicht versucht worden ist. Wäre es nicht eine gute Idee, dieser Idee eine Chance zu geben, nachdem alle anderen Ideen heillos gescheitert sind, und bevor wir uns in den radikalen Nihilismus stürzen, der die Folge des Scheiterns sinngebender Ideologien zu sein pflegt?

Bischof Tebartz-van Elst zu Ehe und Familie (Teil 2 von 2)

Wir hatten gestern den ersten Teil eines Interviews der WELT mit dem Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst kommentiert. Hier folgt nun der zweite Teil, in dem es unter anderem um das Lebensrecht, künstliche Befruchtung, PID, die „Homo-Ehe“, und den Begriff der „christlichen Leitkultur“ geht.

Welt Online: Was die Weitergabe des Lebens betrifft, so will die Bundesfamilienministerin die künstliche Befruchtung wieder stärker bezuschussen. (Kinder für die Rente, wie schon beim Krippenwahn)

Tebartz-van Elst: Es ist schon erstaunlich, dass Formen des medizinisch-technischen Eingriffs in die Weitergabe des Lebens relativ schnell und unbedenklich seitens des Staates unterstützt werden sollen. (Erstaunlich? Eigentlich ist es, gegeben die derzeit mit stillschweigender Unterstützung der Bischöfe herrschende Ideologie der Kultur des Todes, ganz logisch.)  Statt den vielen Familien zu helfen, im Alltag Familie zu leben und ihre Kinder zu verantwortlichen und selbstständigen Menschen zu erziehen, werden spektakuläre Einzelmaßnahmen (keine moralische Bewertung dieser spektakulären Einzelmaßnahmen?) als Familienförderung angepriesen.

Bei der Initiative wird allerdings nur von den Kosten der medizinischen Durchführung gesprochen und nicht von der medizinisch-psychologischen Betreuung von Familien, die den seelisch und körperlich belastenden Weg einer künstlichen Befruchtung einschlagen. Die Schwere des Eingriffs wird bagatellisiert. (Der Einwand gegen die regelmäßig Menschen im embryonalen Lebensstadium tötende künstliche Befruchtung ist also mal wieder einer angeblich fehlender „psychologischer Betreuung“. Auch auf diese Art von „Unterstützung“ der Kultur des Lebens kann man gern verzichten. Wer solche Freunde hat….)

Wie bei der Entscheidung für die Präimplantationsdiagnostik, die PID, wird eines deutlich: Es geht nicht um den absoluten Wert des Lebens (richtig. Darum ging es Ihnen die ganze Zeit auch nicht gerade, Exzellenz. Immerhin kommen Sie am Ende noch kurz auf diesen absolut zentralen Punkt.) oder um einen würdevollen Umgang auch mit den eigenen Grenzen, sondern um Interessen und Präferenzen. Der Gesamtzusammenhang des menschlichen Lebens, die, wie Papst Benedikt XVI. es ausdrückt, „Ökologie des Menschen“, gerät dabei aus dem Blick. (Ja, das tut er. Selbst bei Bischöfen.)

Welt Online: Wie bewerten Sie die Bundestagsabstimmung über die PID? (Vermutlich war sie irgendwie psychologisch belastend für irgendjemanden oder so…)

Tebartz-van Elst: Ich bin erschrocken (erschrocken!) darüber, wie sie ausgegangen ist. Leben ist immer ein absoluter Wert. (Jetzt plötzlich? Schön zu hören. Wo sind die Taten?) Wenn man anfängt, diesen zu relativieren, gerät man in Widersprüche – das haben wir bei der Abtreibungsproblematik bitter erkennen müssen. (Haben wir? Hat sich die Kirche je wirklich gegen den oft staatlich finanzierten Mord an Millionen unschuldiger Kinder gewehrt? Hat sie ihn nicht durch die schändliche Ausstellung von Darf-Scheinen über viele Jahre praktisch gefördert?)

Welt Online: Apropos Abtreibung. Das Bundesverfassungsgericht trug Mitte der 90er-Jahre dem Gesetzgeber auf, die Praxis des Paragrafen 218 nach einiger Zeit zu überprüfen. Das ist bis heute nicht geschehen – warum? (Jetzt kommt einmal eine schöne Antwort:)

Tebartz-van Elst: Dass das Gericht sein Urteil bisher nicht wieder in Erinnerung gebracht hat und es politisch bislang nicht wieder aufgegriffen wurde, ist ein Indikator. Es zeigt sich, und das sehen wir nicht nur in diesem Zusammenhang, dass sich auch in der Rechtsprechung gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln. (Genau. Es ist eine Illusion zu glauben, das Recht sei das Recht. Gesetze werden immer so angewendet und ausgelegt, wie es den Machthabern gefällt. Es gibt keine wirklichen „unveräußerlichen“ Grundrechte im Grundgesetz, weil Texte eben geduldig sind. Sie ertragen jede Auslegung. Was übrigens den Protestantismus mit seiner sola scriptura-Lehre restlos widerlegt, aber das nur am Rande…)

Wo es noch vor wenigen Jahren einen offensichtlichen Wertekonsens gab (wo war er? Blicken wir zurück, so sehen wir im 20. Jahrhundert bis 1945 eine massenmörderische Gesellschaft und spätestens ab 1970 wieder. Die Zeit dazwischen käme womöglich in Frage, war aber nur eine kurze Übergangsphase zwischen zwei mörderischen Generationen, die in Gänze den Sinn der Moderne verstanden haben), stellt sich die Situation heute disparater dar . Das bereitet mir Sorge. Gerade, wenn es um den Lebensschutz geht. (nein, sie ist heute uniform, nicht disparat. Es gibt keine gesellschaftlich wahrnehmbaren Lebensschützer mehr.)

Welt Online: Ist das nicht ein Indiz für eine nachlassende Prägekraft des Christlichen? (Ja, das ist es. Die deutsche Gesellschaft als christlich zu bezeichnen ist Etikettenschwindel. Wir haben eine stark von okkulten und esoterischen Praktiken geprägte neuheidnische, selbstvergötternde Gesellschaft, kurz eine moderne Gesellschaft)

Tebartz-van Elst: Dass manches kontrastierend zu dieser Welt erscheint, hat stets zur Verkündigung des Glaubens gehört. (Hat es? Bisher war eher die haltlose Anpassung an die Welt und ihren Fürsten charakteristisch für die Arbeit der Bischöfe. Es wäre schön, wenn sich das mit Ihnen änderte, Exzellenz!) Es ist meine Aufgabe als Familienbischof, dafür Sorge zu tragen, dass wir unser Verständnis von Ehe und Familie deutlicher herausstellen. (Da können wir ja vielleicht noch einige klare Worte in Zukunft erwarten. Aber bitte klarer als dieses Interview, sonst ist das alles ziemlich sinnlos.)

Unsere Aufgabe besteht darin, all jenen eine größere Unterstützung und Lobby zu geben, die sich für dieses Verständnis entscheiden und damit die ausdrückliche Bereitschaft, Kindern das Leben zu schenken, leben. (Werden wir ja sehen.)

Welt Online: Bedrückt es Sie, dass heute offener als noch vor zehn Jahren von Homo-Ehe gesprochen wird? (Mich nicht. So wird die Absicht der Ideologen besser sichtbar für die extrem wenigen, die es sehen wollen.)

Tebartz-van Elst: Der Begriff ist sehr problematisch. Als katholische Kirche (wieder eine Sonderlehre? Oder wieder der Versuch, sich vor dem barbarischen Wutanfall der Homo-Ideologen zu schützen, der immer kommt, wenn jemand einen Wahrheitsanspruch in dieser Frage erhebt, wie Bischof Overbeck zu seinem Leidwesen vor einigen Jahren hat erfahren müssen?) können wir nicht teilen, was damit gemeint ist. Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen, aus ihrer lebenslangen Verbindung in Liebe und Treue erwächst Nachkommenschaft. An dieser Schöpfungswirklichkeit können und dürfen wir nicht vorbeigehen. (Richtig. Aber wer ist mit „wir“ gemeint? Die katholische Kirche? Die deutsche Gesellschaft vertreten durch die staatliche Rechtsordnung? Etwas mehr Klarheit wäre hier vonnöten.)

So sehr jedem homosexuell veranlagten Menschen persönlicher Respekt gebührt, so wenig darf das christliche Verständnis von Ehe und Familie dadurch relativiert werden. (Korrekt. Aber es bleibt dabei: Ehe und Familie sind keine christlichen Sonderlehren. Es sind aus der natürlichen Vernunft ableitbare ethische Wahrheiten, die hinter dem christlichen Verständnis von Ehe und Familie stehen.)

Welt Online: Damit finden Sie wenig Gehör.

Tebartz-van Elst: Es entspricht der Schöpfungswirklichkeit, dass Kinder ihre Eltern als Mutter und Vater erleben. Für eine gesunde psychische Entwicklung und Orientierung brauchen Kinder die Begegnung mit Frau und Mann als Mutter und Vater. (Das Wesen der Frau ist Mutterschaft; das Wesen des Mannes Vaterschaft. Mutter und Vater sind nicht „Rollen“, die manche Menschen eben annehmen, und manche nicht, sondern sie sind das, was Frau und Mann ausmacht, was sie zu einem erforderlichen Teil der Schöpfungsordnung macht. Natürlich gibt es auch zu geistlicher Mutter- oder Vaterschaft berufene Menschen, etwa Priester, Ordensleute, aber auch Menschen, die geistliche Mutter- oder Vaterschaft außerhalb dieser Stände leben. Beides ist möglich, legitim und sogar großartig. Aber Mutterschaft gehört zu jeder Frau und ist keine Option. Vaterschaft gehört zu jedem Mann und ist keine Option. Auflehnung gegen Mutterschaft als solche oder Vaterschaft als solche ist zugleich Auflehnung gegen die natürliche Schöpfungsordnung und das natürliche moralische Gesetz, das aus ihr entspringt – und damit Auflehnung gegen den Herrn und Schöpfer selbst, sprich das Bekenntnis „non serviam“.) Wenn diese natürliche Verbindung nicht mehr erlebt, garantiert und akzeptiert wird, hat dies gravierende Auswirkungen auf die seelische Entwicklung eines Menschen. (Seelische Entwicklung? Geht es hier wieder um psychologische Betreuung, wie weiter oben, oder hat der Bischof einen christlichen Seelenbegriff im Kopf, und spricht hier durch die Hintertür von der ewigen Verdammnis, die ja in gewissem Sinn auch eine „seelische“ Entwicklung ist.)

Welt Online: Hat die Kirche in der Auseinandersetzung über die Homo-Ehe einen Kampf verloren? (Nein. Sie hat ihn nicht geführt.)

Tebartz-van Elst: Ich bin überzeugt, dass die Gesellschaft unser Zeugnis braucht, weil wir darauf aufmerksam machen, was verloren geht, wenn Ehe und Familie nicht mehr so geschützt werden, wie es die Mütter und Väter des Grundgesetzes festgelegt haben. (Man gewinnt den Eindruck, der Bischof von Limburg sei Jurist und kein Theologe. Seine ständigen Berufungen auf das Grundgesetz sind schön und gut – aus den genannten Gründen praktisch nostalgischer Natur, aber immerhin war das Grundgesetz, solange es noch praktische Bedeutung besaß, ein gutes Verfassungswerk.) Mit großem Erfolg für unser Gemeinwesen sahen sie die Familie als Keimzelle der Gesellschaft.

Deshalb (nein, nicht deshalb – das wäre auch so, wenn es nicht im Grundgesetz stünde…) ist der Ehe von Mann und Frau eine unverwechselbare Priorität zu geben, um es noch deutlicher zu sagen: ihr Alleinstellungsmerkmal zu stärken. (So weit, so gut. Wie wollen wir das „Alleinstellungsmerkmal stärken“? Ist das eine Forderung nach der Abschaffung der ebenso eheähnlichen wie unmoralischen „Eingetragenen Partnerschaft“? Es wäre an der Zeit.)

Welt Online: Vor einem Jahr zeigten Sie sich skeptisch gegenüber der Einschätzung des Bundespräsidenten, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Sehen Sie aber in ethischen Fragen nicht Übereinstimmungen zwischen Christen und Muslimen?

Tebartz-van Elst: Durchaus. Denken Sie an die Stellung von Ehe und Familie (etwa bei der Polygamie, bei der Verstoßung der Frau durch den Mann usw. Eindeutige Gemeinsamkeiten…) , die Bewahrung der Schöpfung, den Schutz des Lebens (etwa Ehrenmorde, Selbstmordattentate…) . Da sind wir nahe beieinander. (Eindeutig. Das haben wir gesehen.) Das hat sich beispielsweise in der Diskussion um die PID gezeigt. (Ja, es gibt wirklich Gemeinsamkeiten. Man verstehe mich nicht falsch. Ich bin auch der Meinung, die Gemeinsamkeiten sollten herausgestellt werden – aber nicht ohne auch auf die Unterschiede in ethischer Hinsicht zu verweisen.)

Welt Online: Wo sind die Differenzen?

Tebartz-van Elst: Eindeutig dort, wo es um Glaubensfragen geht. Wo wir als Christen in Jesus Christus die unüberbietbare Selbstmitteilung Gottes (ich hatte gedacht, er sei „der Sohn Gottes“, nicht die „unüberbietbare Selbstmitteilung“ – ich habe jedenfalls bei meinem Übertritt das Credo bekannt und dort war vom Sohn und nicht von der Selbstmitteilung die Rede. Ich kann mich aber auch verhört haben…) begreifen und bekennen, kommen der Zuspruch und der Anspruch des Evangeliums zur Geltung. Europa ist ein Kontinent, der wesentlich geprägt ist von der Botschaft des Evangeliums. (Jetzt muss der Bischof noch die Vergangenheitsform meistern. Der Kontinent WAR geprägt vom Christentum. Diese längst verblichene Religion hat heute keinen wahrnehmbaren Einfluss mehr auf den Kontinent, zumal ihre offiziellen Vertreter sich mehrheitlich nicht mehr offen und klar zu ihren Lehren bekennen, sondern sich hinter Zeitgeistfloskeln verstecken – von Ausnahmen wie dem Bischof von Limburg mal abgesehen.)

Welt Online: Sie haben von einer christlichen Leitkultur gesprochen …

Tebartz-van Elst: …was nicht heißen soll, dass andere Kulturen bei uns keinen Platz haben. (Natürlich nicht. Der Multikulturalismus ist schließlich Teil der Ersatzreligion, die wir alle angenommen haben! Das bloß noch als kulturelles Bindemittel verstandene Christentum, das Breivik-Christentum, ist eher Problem als Lösung. Das weiß der Bischof auch – für ihn ist das Christentum nicht bloß ein kulturelles Phänomen. Aber es wird trotzdem reflexartig suggeriert.) Es geht mir um etwas anderes. Ich möchte daran erinnern, was in unserer Gesellschaft vom Geist des Christentums geprägt worden ist. (Hier ist die Vergangenheitsform. Sie IST GEPRÄGT WORDEN. Sie wird es nicht mehr.) Werte und Haltungen kommen aus dem Gottes- und Menschenbild des Evangeliums und sind durch die christliche Prägung des Kontinents so sehr zum Allgemeingut unseres Denkens geworden, dass wir sie nicht mehr ausdrücklich als christlich identifizieren. (Wenn der Bischof sich auf Konzepte bezieht, die durch die protestantische Häresie und die selbsternannte „Aufklärung“ aus ihrem angemessenen Kontext gerissen und dadurch pervertiert wurden, dann hat er zwar Recht, aber an solchen ideologisierten und aus ihrem Kontext gerissenen Ideen ist wenig Bewahrenswertes zu finden. Was für Ideen meint er also?)

Welt Online: Zum Beispiel?

Tebartz-van Elst: Rechtsprechung, Rechtsstaatlichkeit und Rechtsauffassung verdanken sich dem christlichen Menschenbild. Unser Grundgesetz beruft sich ausdrücklich auf dieses Fundament und lässt sich nicht anders verstehen. (Ja, das ist ganz schön. Vermutlich werden Konzepte wie Rechtsstaatlichkeit auch wieder verschwinden, wenn noch einige Generationen aggressiver Entchristlichung durch Wirtschaft, Politik, Medien und Bildungsestablishment vergangen sind. Oder wenn man, um etwas scherzhaft zu schließen, im allumfassenden „Kampf gegen Rechts“ auch diese drei „Rechts“-Konzepte bald als Gefahr für die Demokratie ansieht.)

Zusammenfassend ist nicht zu leugnen, dass es zuweilen eine Wohltat sein kann, einen Bischof zu hören, der tatsächlich nicht vor der Lehre der Kirche wegläuft. Nirgendwo leugnet Bischof Tebartz-van Elst ein Dogma oder agitiert gegen Rom und den Heiligen Vater. Dafür ist ihm zu danken. Doch was er sagt, ist dermaßen vorsichtig und brav im gemäßigt-konservativen Bürgertum zu verorten, es ist so zögerlich, so zaudernd. Es ist alles weitgehend richtig, aber es fehlt die Konsequenz, die Klarheit und Deutlichkeit, die die Päpste in den unten Enzykliken immer an den Tag gelegt haben, weshalb ich nicht umhin kann, sie dem Leser erneut anzuempfehlen.

Wir Katholiken sind heute die Gegenkultur, wir sind heute die Rebellen gegen das Establishment – die Lage ist dieselbe wie in den 50er-Jahren, nur genau umgekehrt. Damals gab es eine Rebellion gegen eine zumindest teilweise noch christlich geprägte Gesellschaft. Heute kann es nur noch eine Rebellion geben: Und das ist die Rebellion des wahren Glaubens. Alles andere ist langweilig, abgestanden, öde. Das sollte sich auch an unserem Verhalten zeigen. Wir stehen aktiv gegen die heutige Mehrheitskultur der Moderne, wir stehen gegen alle ihre Verirrungen und Verwirrungen. Eine Verständigung wünschen wir dringend – in Form einer Kapitulation der Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft vor ihrem Erlöser Jesus Christus.Nicht aber in Form eines faulen Kompromisses.

Was sagen die Päpste zu dem Thema? Eine Auswahl wesentlicher Enzykliken zu den Themen Ehe, Familie, Sexualität, Kinder und Jugend, sowie zum grundlegenden Gedankengut der katholischen Soziallehre:

Rerum Novarum (Soziallehre allgemein, Leo XIII.) – Generell zur Lektüre zu empfehlen, besonders jenen, die sich öffentlich zu Äußerungen zur katholischen Soziallehre berufen fühlen, darunter Kardinal Marx.

Arcanum Divinum Sapientiae (Christliche Ehe, Leo XIII.)

Divini Illius Magistri (Erziehung der Jugend, Pius XI.)

Casti Connubii (Christliche Ehe, Pius XI. – Absolut wesentliche Grundlagenenzyklika, die jeder Katholik kennen und verinnerlichen sollte, bevor er sich zu diesem Thema öffentlich vorwagt!)

Humanae Vitae (Sexualität und Fortpflanzung, Paul VI. – Ebenfalls wesentlich und grundlegend.)

Bischof Tebartz-van Elst zu Ehe und Familie (Teil 1 von 2)

Die katholische Kirche in Deutschland hat in den letzten gut 40 Jahren gesellschaftspolitisch weitgehend stillgehalten. Ob Verhütung, Abtreibung, Zerstörung der traditionellen Familie, Feminismus und Gender Mainstreaming, Homo-Ehe, Künstliche Befruchtung, PID und zunehmend auch Euthanasie – die Revolution der letzten gut 40 Jahre ist selten anders als mit Schulterzucken, Gleichgültigkeit und einzelne, selbst innerhalb der Kirche marginalisierte unerschrockene Wortmeldungen begleitet worden. Durch die stillschweigende Duldung, die mit der Reaktion auf Humanae Vitae und in der Frage der zur Tötung der Unschuldigen berechtigenden Beratungsscheine teilweise gar in direkte Unterstützung der vom Seligen Papst Johannes Paul II. so benannten „Kultur des Todes“ ausgeartet ist, war hierzulande die einzige ernstzunehmende Opposition verstummt. In Deutschland wurde die Kirche wie in den meisten anderen westlichen Ländern natürlich immer noch diffus als Hüterin des Lebensrechts, der natürlichen Familie und des natürlichen Todes wahrgenommen und entsprechend diffamiert – doch die Bischöfe taten sehr wenig, um diesen diffusen Ruf mit Leben, Inhalt und vor allem Argumenten zu füllen. Eine Situation, die auf Gemeindeebene, von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, wenn überhaupt noch schlimmer aussah.

Und mehr noch, eine Situation, die sich bis heute nicht geändert hat, auch wenn mit Bischof Tebartz-van Elst aus Limburg als Familienbischof mal wieder ein Hirte den Mund zu solchen Fragen öffnet, und vor der Lehre der Kirche nicht davonläuft. Im Folgenden das WELT-Interview mit dem Bischof von Limburg vom 5. Dezember präsentiert und wie üblich in rot kommentiert.

Welt Online: Der Streit über das Betreuungsgeld für Eltern gleicht einem Glaubenskampf. Wie steht der katholische Familienbischof dazu? (Schon dass man diese Frage überhaupt stellen muss, sagt uns viel über das angstvolle Schweigen seitens des deutschen Episkopats.)

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst: Aus Sicht der Kirche begrüße ich alle Initiativen, die den Erziehungsauftrag der Eltern unterstützen. Wo Eltern in der Lage sind, ihren Kindern in den ersten drei Lebensjahren (warum nur in den ersten drei Jahren? Warum die Anpassung an die Kindergartenmentalität? Ist die „Selbstverwirklichung“ der Eltern danach erste Priorität für den „Familienbischof“? Warum nutzt man nicht die Gelegenheit zu deutlichen Aussagen über Grundsatzfragen?) all das zu geben, was der seelischen und leiblichen Entwicklung des Kindes dient, sollte der Staat dies unbedingt fördern – auch um das Bewusstsein wachzuhalten, dass eine verlässliche Mutter-Kind- und Eltern-Kind-Beziehung nicht adäquat durch andere Einrichtungen ersetzt werden kann. (Das ist soweit richtig. Aber das trifft auf das vierte, fünfte, sechste… Lebensjahr genauso zu. Auch dass Eltern ihre Kinder in Kindergärten abladen, um nicht mehr von ihnen behindert zu werden, während sie ihren erlauchten Selbstverwirklichungsträumen nachhechten, ist nicht gerade eine löbliche Entwicklung. Zumal Kinder in Kindergärten heutzutage generell nicht gerade im christlichen Geiste erzogen werden, selbst in sogenannten katholischen Kindergärten.)

Welt Online: Daraus spricht Skepsis gegenüber Kinderkrippen. (Maria hätte ihren Sohn niemals weggegeben, und Joseph auch nicht. Die heutigen Ablagehalden für Kinder sollten nicht denselben Namen tragen, wie die Krippe, in der das Jesuskind liegt… Ich schlage vor: Kind-Zentralisationslager)

Tebartz-van Elst: Der Erziehungsauftrag der Eltern hat auch nach unserem Grundgesetz unbedingte Priorität. (Ja, nach unserem Grundgesetz ist das so. Welche kindliche Naivität veranlasst den Bischof zu glauben, das Grundgesetz spiele in der heutigen Republik noch irgendeine nicht-antiquarische Rolle? Im Grundgesetz steht auch das Recht auf Leben, das seit Jahrzehnten von allen relevanten politischen Kräften rituell mit Füßen getreten wird. Und spätestens seit dem Knebelvertrag von Lissabon ist die Bundesrepublik ohnehin nur noch von historischem Interesse und faktisch längst eine Sowjetrepublik der EU)

Welt Online: Und wenn Eltern nicht in der Lage sind, diesen Auftrag zu erfüllen?

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Tebartz-van Elst: Wo Eltern dieser Verantwortung nicht angemessen nachkommen können, sind Kinderkrippen immer die zweitbeste Lösung. (Nein. Das wären Großeltern und andere Verwandte. Alternativ könnte ein solches Kind auch per Adoption Eltern gegeben werden, welche tatsächlich ein Interesse an dem Kind entwickeln, und es nicht bloß als Konsumgut sehen. Ein Kind in eine so genannte „Krippe“ zu geben, gerade wenn man bedenkt, was das vorherrschende ideologische Gedankengut ist, das hinter der Krippenidee steht, ist nichts als eine besonders subtile und daher besonders perfide Form der Kindesmisshandlung. Ja, es mag Ausnahmen geben. Doch Krippen apodiktisch als „zweitbeste Lösung“ darzustellen, ist schlicht falsch.)  Zielrichtung aller Bemühungen um das Wohl des Kindes muss deshalb für die Politik die Stärkung der Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung sein.

Welt Online: Was „Familie“ ist, darüber scheint es heute in der Gesellschaft keinen Konsens mehr zu geben. Hat es der Bischof und Theologe leichter mit einer Definition?

Tebartz-van Elst: Theologisch gesehen ist Familie „Kirche im Kleinen“, ecclesiola, Abbild des Bildes Gottes mit den Menschen und Zeichen seiner unwiderruflichen Treue. (Schöne Worte. Teilt das noch ein anderer Bischof so?) Gesellschaftspolitisch betrachtet ist Familie das, was das Grundgesetz definiert: die Keimzelle unseres Gemeinwesens. Beides beschreibt, was Familie bedeutet. (Ja, doch da gibt es noch die Soziallehre der Kirche, die ebenfalls etwas zur Familie sagt, was Bischof Marx, der sich scheinbar zum obersten Soziallehrer der Bischofskonferenz berufen fühlt, gern verschweigt. Ich empfehle die Enzykliken der Päpste zu diesem Thema – Links siehe auf der Seite „Lehre der Kirche“ auf diesem Blog, oder am Ende dieses Artikels.)

Welt Online: Das Begriffspaar Ehe und Familie ist für die Kirche nicht aufzulösen, aber offensichtlich für die Gesellschaft … (Die Säure des Modernismus zerfrisst alles. Sie löst alles auf, selbst die grundlegenden Bausteine der Gesellschaft. Doch damit sägt sich die Gesellschaft den Ast ab, auf dem sie sitzt, solange es ihr nicht gelingt, den fortpflanzungsprozess in Laboratorien zu synthetisieren und damit auch praktisch von der Sexualität zu trennen. Welche Folgen das haben wird, werden wir, falls das System lange genug durchhält, womöglich noch sehen. Ich empfehle Huxleys Brave New World zu dem Thema. Er war zwar Atheist, aber dennoch zuweilen prophetisch.)

Tebartz-van Elst: …und das halte ich für äußerst problematisch. (Problematisch ist eine schwache Formulierung für „absolut katastrophal“) Denn wo, wenn nicht in der Familie, lassen sich die Ausprägung von Personalität, das Erlernen von Solidarität und das Praktizieren von Subsidiarität besser erfahren? (Solidarität und Subsidiarität: Zwei wesentliche Grundsätze der Soziallehre) Zu diesem unverwechselbaren Lebensentwurf von Ehe und Familie kann es deshalb aus christlicher Sicht keine Alternative geben. (Aus christlicher Sicht? Handelt es sich bei Ehe und Familie also um eine Art christliche Sonderlehre, die sich speziell aus der christlichen Offenbarung ergibt? Seltsam, ergibt sich doch nach der naturrechtlichen Ethik das Verständnis von Ehe und Familie, welches auch die Kirche teilt, bereits durch die natürliche Vernunft.)

Welt Online: Sie meinen, mit ihrem Familienbild sei die Kirche up to date. In politischen Debatten sieht sie eher alt aus. (Welche politischen Debatten? Die Kirche schweigt sich weitgehend aus.)

Tebartz-van Elst: Wir sind mit unserem Verständnis von Ehe und Familie up to date, weil junge Menschen sie nach wie vor in ihrer Lebensplanung als erstrebenswert erachten und sie an die erste Stelle setzen. (Sachlich falsch. Sie mögen das in Umfragen behaupten – kostet ja nichts. Aber praktisch haben Ehe und Familie keine normative Bedeutung mehr in der heutigen Gesellschaft der jungen Leute. Klar sagen sie, „Familie“ sei ihnen wichtig – doch Familie ist dann das unverbindliche Zusammenleben einiger Sexualpartner und vielleicht noch die Zeugung von Kindern mit sofortiger Weitergabe an die Krippe, den Kindergarten usw., also ohne Verantwortung und Bindung.) Zahlreiche Umfragen bestätigen diesen Wert. Wer in den persönlichen Beziehungen Zuverlässigkeit und Treue erlebt, der geht mit Veränderung und Brüchen in unserer Gesellschaft zuversichtlicher um. (Ach so, jetzt reduziert der Bischof den Wert der Familie auf das subjektive Erleben von Zuverlässigkeit und Treue, die den Menschen dazu befähigten, mit „Brüchen“ besser umzugehen. Traurig, aber wahr. An solchen Äußerungen, die ja nicht falsch sind, aber unvollständig, sieht man wie sehr selbst die besseren unter den deutschen Hirten dem Zeitgeist des Modernismus anheim gefallen sind. Die natürliche Vernunft wird gar nicht bemüht, religiöse Argumente fehlen ebenfalls, es bleibt ein psychologischer Appell, die Familie sei nötig, um die Brüche der Moderne verarbeiten zu helfen. Sorry, auf ein solches klinisch von christlichen Elementen gereinigtes Familienbild kann ich verzichten.)

Wer sich persönlich gehalten weiß, kann Fragilität im Leben besser ertragen.

Welt Online: Dennoch beginnt sich ein anderes Bild durchzusetzen: Familie ist da, wo Kinder sind. (Ja, zum Beispiel in der Schule, auf Kinderfriedhöfen oder in Krippen…)

Tebartz-van Elst: Dieser Vorstellung von Familie muss ich widersprechen. (Und warum?) Diese Umschreibung bringt nicht zum Ausdruck, was wir als Christen (wieder eine christliche Sonderlehre? Oder versucht der Bischof nur den vielen gleichberechtigten Alternativreligionen nicht auf die Füße zu treten?) unter Ehe und Familie verstehen. Denn mit Ehe und Familie ist wesenhaft (ist das als Äußerung eines Wesensbegriffs im Geiste der traditionellen Philosophie zu verstehen? Wenn ja, sollte man das dann nicht erläutern, um auch die 99,999% der Leser mit einzubeziehen, die den Hl. Thomas nicht gelesen haben? Und wenn nicht, dann ist es bloß eine Leerfloskel.) die Bereitschaft verbunden, Nachkommen das Leben zu schenken und sie auf dem Fundament lebenslanger Treue (wann hat sich die Kirche in Deutschland zuletzt ernsthaft gegen die Scheidung ausgesprochen? Vermag mich nicht daran zu erinnern.) ins Leben zu begleiten. Im christlichen Verständnis sind Kinder ein Geschenk, denn in ihnen nimmt die Liebe der Partner neue Gestalt an.

Die Weitergabe des Lebens gehört für Christen existenziell zum Schöpfungsverständnis. (Für die Bischofskonferenz nach dem Verrat an Humanae Vitae durch die Königssteiner Erklärung gehört die Weitergabe des Lebens wohl eher ins Museum überalterter, fundamentalistischer Irrwege. Wenn Sie das anders sehen, Exzellenz, wo ist dann ihr Einsatz gegen die widernatürliche Verhütungsmentalität?) Ich halte es für außerordentlich problematisch (nur problematisch? Dann ist’s ja nicht so schlimm. Probleme haben wir viele, braucht man sich ja nicht gleich darüber aufzuregen, oder?), wenn sich immer stärker Vorbehalte gegenüber der Weitergabe des Lebens zeigen. (Seit Jahrzehnten dominieren diese Vorbehalte, genährt von wohlwollender Neutralität seitens der deutschen Bischöfe. Es grenzt an Volksverdummung, davon zu sprechen, derartige Vorbehalte „zeigten“ sich derzeit „immer stärker“. Sie sind längst seit Jahrzehnten dominant.)

Wie sehr das christliche Verständnis von Ehe und Familie und die demografische Entwicklung zusammenhängen, macht schon eine Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2004 deutlich: Menschen gaben hier an, deshalb keine Kinder zu bekommen, weil ihnen der richtige, verlässliche Partner fehle, obwohl sie es prinzipiell wollen. (Menschen wollen prinzipiell Kinder – als Konsumgüter. Sie denken an sich und erkennen, dass sie gern Nachwuchs hätten. Das ist der Unterschied zwischen haben und sein. Sie wollen Kinder HABEN, aber nicht Eltern SEIN. Denn Verantwortung? Abstriche von der besinnungslosen Akkumulation lebloser Konsumgegenstände zur Betäubung der inneren seelischen Leere? Nein, danke.)

Soweit der erste Teil des Interviews, samt Kommentar. Der zweite Teil folgt wahrscheinlich morgen.

Kardinal Marx wird seinem Namen gerecht

Via kath.net, aber auch über das Domradio bin ich mal wieder auf Äußerungen von Kardinal Marx gestoßen. Ich möchte diese etwas ausführlicher kommentieren, indem ich mich auf Auszüge des Artikels auf kath.net im gewohnten Stil beziehe (Kommentare in rot, obwohl diese Farbe des Kardinals Ansichten eigentlich ganz gut widerspiegeln könnte):

München (kath.net/pem) In einem Beitrag für die Freitagsausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 11. November befürwortet Reinhard Kardinal Marx die Einführung einer Lohnuntergrenze (Die Bischöfe haben ein Lehramt in Fragen des Glaubens und der Sittenlehre. Sie können daher die ethische Richtung der Wirtschaftspolitik angeben. Doch die konkrete Umsetzung dieser ethischen Richtlinien erfordert einen ökonomischen Sachverstand, über den Bischöfe nicht unbedingt verfügen. Kardinal Marx könnte daher einen fairen Lohn fordern, durch den die Existenzsicherung einer Familie sichergestellt werden kann, wie es die Soziallehre der Kirche fordert. Stattdessen pocht er auch eine ganz bestimmte planwirtschaftliche Strategie der Preiskontrollen für Arbeit, was zumindest hochkontrovers ist.), fordert aber zugleich weitere Schritte in der Familien- und Bildungspolitik, „um allen Menschen gemäß ihren Möglichkeiten und Begabungen Teilhabe zu eröffnen“ („Teilhabe“ ist wieder so ein Wischi-Waschi-Wort, das heute nur allzu populär ist. Solange der Kardinal nicht sagt, was er genau damit meint, ist nicht einmal ungefähr zu beurteilen, ob er im Recht ist, oder nicht.) . Einer christlich inspirierten Politik müsse es um „Armutsüberwindung (einer christlichen Politik geht es um „Armutsüberwindung“? Sind nicht die Armen immer unter uns, wie es ein nicht ganz unbedeutender Wanderprediger aus Nahost einmal ausgedrückt hat? Seit wann versteht sich das Christentum als sozialrevolutionäre Bewegung zur Errichtung des Paradieses auf Erden?)  und Chancengerechtigkeit (Noch ein Wischi-Waschi-Wort. Man hört das Beamtentum richtig heraus. Natürlich sollen Chancen gerecht verteilt werden. Aber worin besteht diese gerechte Chancenverteilung? Man kann damit durchaus etwas Christliches meinen – aber im heutigen politischen Diskurs wird Chancengerechtigkeit als Kampfbegriff für eine sozialistische Gleichmacherei verstanden, die der katholischen Soziallehre unendlich fern liegt.) gehen“, schreibt Marx mit Blick auf den am Sonntag beginnenden CDU-Bundesparteitag in Leipzig, bei dem die Einführung einer allgemein verbindlichen Lohnuntergrenze diskutiert wird. (Dass die CDU sich dem Sozialismus anschließen möchte, den die Päpste immer verurteilt haben, ist seit längerer Zeit keine Neuigkeit mehr. Muss Kardinal Marx diese Hinwendung auch noch als Triumph der katholischen Soziallehre darstellen?)

Eine Lohnuntergrenze sei „zu begrüßen, weil sie dazu beitragen kann, prekäre Arbeitsverhältnisse zu verhindern und die Würde der menschlichen Arbeit deutlich zu machen“ (oder sie führt zu mehr Arbeitslosen, mehr Armut, Abwanderung von Beschäftigungsverhältnissen und bürokratischer Verkrustung, wie planwirtschaftliche Preiskontrollen es regelmäßig tun.), erklärt der Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Kommission für Gesellschaftliche und Soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz in dem Zeitungsbeitrag (Allein der Titel sagt schon alles. Bürokratie fördert Bürokratie). Sollte in Leipzig in diesem Sinn ein politisches Signal gesetzt werden, sei das „aus der Sicht der Katholischen Soziallehre zu befürworten“. Im Sinne der Tarifautonomie solle eine staatliche Festsetzung wie in den bisherigen branchenspezifischen Mindestlöhnen „nur dort erfolgen, wo die Tarifpartner nicht in der Lage sind, Entgelte zu finden, die das Existenzminimum garantieren“.(Hier finden sich Spurenelemente christlicher Soziallehre. Der Staat wird in seinem Eingriff auf Bereiche beschränkt, in denen das Gemeinwohl nicht von selbst erreicht wird. Hört sich ganz gesund an. Das Problem ist aber auch hier, dass spezifische politisch-ökonomische Maßnahmen gefordert werden, über die ein Bischof keinerlei privilegiertes Wissen hat. Ob Mindestlöhne in der Realität wirklich die erwünschten Wirkungen haben, ist zumindest fraglich.)

Eine Lohnuntergrenze dürfe aber nicht dazu führen, „dass ganze soziale Schichten mit einem Mindestlohn ,abgespeist‘“ (Achtung, Klassenkampf. Wir lassen uns nicht mehr abspeisen! Wir gehen jetzt gegen die Unterdrücker vor! Der Kardinal möge nicht vergessen, dass Armut auch segensreich sein kann und die Kamele durch Nadelöhre marschieren, bevor Reiche in den Himmel kommen. Was sagt uns dieser Spruch über die Erlösungschancen einer Gesellschaft, in der das Ziel des Kardinals, die Abschaffung von Armut, erfolgreich umgesetzt worden ist?) werden: „Die Verwirklichung von Armutsüberwindung sowie Beteiligungs- und Chancengerechtigkeit braucht weitere Anstrengungen“ (reines Soziologendeutsch ohne Substanz. Es stellt sich abermals die Frage, ob der Kardinal die mit derartig schön klingenden Floskeln regelmäßig bedeckten sozialrevolutionären Absichten teilt, oder einfach zu naiv ist um sie zu durchschauen.), betont Marx. Der Mindestlohn sei schließlich „kein Allheilmittel, das eine weitergehende sozial- und arbeitsmarktpolitische Diskussion überflüssig macht“. Zugleich warnt Kardinal Marx vor möglichen „negativen Folgen“ einer Lohnuntergrenze: „Wird der Mindestlohn zu hoch festgelegt, verdrängt er bestehende Arbeitsverhältnisse. Denn dann kosten die Beschäftigten das Unternehmen mehr als sie erwirtschaften. Ist er zu niedrig, dann verfehlt er sein Ziel. Entscheidendes Kriterium für einen Mindestlohn ist also seine Höhe.“  (Und die Effektivität planwirtschaftlicher Preiskontrollen, was der Kardinal aber nicht wahrnimmt, da er sein notwendiges ethisches Lehramt arg überstrapaziert, um spezifische ökonomische Theorien mit der Autorität des Hirten zu verbrämen)

Kardinal Marx gibt zu bedenken, „dass ein Mindestlohn nur das Auskommen eines Arbeitnehmers, aber unter den heute gegebenen Umständen nicht einer gesamten Familie sicherstellen kann“. (Das ist richtig. Zumindest wenn man die Vorstellungen der „Welt“ von „Auskommen“ anlegt. Da die Kirche seit 40 Jahren in Deutschland passiven Widerstand gegen die katholische Sexualmoral leistet, gibt es allerdings nur wenige Familien, die durch viele Kinder „behindert“ sind, weshalb die vollständige Erwerbsmobilisierung der Männer und Frauen mehr und mehr gelingt. Die Entsorgung von Kindern in Krippen ist ja bald auch kostenlos, so dass man sich um diesen Punkt keine Sorgen mehr machen muss. Der Kardinal schweigt wie immer beharrlich zu allen zeitgeistwidrigen Fragen. Kein Wunder, wenn man sieht, wie die deutschen Hirten, nicht zuletzt auch der Kardinal Marx, Bischof Mixa behandelt haben.) Deshalb müsse zur Vermeidung von Armut „der Blick auf ein Mindesteinkommen gerichtet werden, das auch soziale Transferleistungen beinhaltet, die insbesondere die Situation von Familien berücksichtigen“. („Mindesteinkommen“? Der Staat stellt allen ein bedingungsloses Grundeinkommen zur Verfügung? Habe ich richtig gehört?) Vordringliches Ziel müsse bleiben, „die Aufnahme eines sozialversicherungspflichtigen Normalarbeitsverhältnisses zu ermöglichen“ (Antwort: Vordringliches Ziel müsse bleiben, die katholische Soziallehre zu vertreten, was leider etwas zu kurz gekommen ist in diesem Interview.). Für gering Qualifizierte oder vielfältig Beeinträchtige „kann es dabei zielführend sein, durch Zuschüsse zu den Lohnkosten, also durch Kombilöhne, Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen“. (Jetzt haben wir alles durch. Mindestlohn, Mindesteinkommen, Kombilöhne. Vielleicht kommen wir jetzt mal zu einem Vorschlag aus der katholischen Soziallehre? Zu ethischen Grundlagen, die darzulegen die genuine Amtspflicht des Kardinals wäre?)

Gleichzeitig müssten Staat und Gesellschaft allen Menschen „Chancen zum Ein- und Aufstieg eröffnen“. (Chancen? Noch so ein Wischi-Waschi-Wort. Chancen zum Ein- und Aufstieg wohin, wozu, wofür? Wir bekommen keine Antworten. Der totale Fokus auf rein diesseitige Wohlstandsvermehrung lässt auch nicht gerade auf einen katholischen Geist schließen.) Die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik müsse „heute bei der Familien- und Bildungspolitik ansetzen“. (Volle Zustimmung. Doch was tun? Welche ethischen Bedingungen und Grundvoraussetzungen gibt es für eine christliche Familien- und Bildungspolitik?) Die Verwirklichung von Armutsüberwindung (= es kommen soviele Menschen in den Himmel wie Kamele durchs Nadelöhr) wie Chancengerechtigkeit (was soll das noch einmal sein?) beginne früh. (Die ideologisierte „frühkindliche Betreuung“ also. Kardinal von der Leyen am Werk.) Wer „Kinder zur Selbständigkeit und zur Übernahme von Verantwortung befähigen“ wolle, müsse ihre Erziehung und Bildung frühzeitig gewährleisten (ja, und wer tut das? Der Staat? Die Kirche? Die Eltern?): „Dies ist zwar zuerst die Aufgabe der Eltern; und die meisten Eltern meistern diese Aufgabe mit Bravour. (Tun sie das? Die meisten Eltern haben sich dieser Aufgabe weitgehend durch Abschieben der Kinder an Zentrallager wie Krippen und Kindergärten spätestens seit dem Dritten Reich entledigt.) Die Politik darf aber nicht die Augen davor verschließen, dass zu viele Eltern die Bedeutung von früher Förderung nicht erkennen. (Ja. Nicht alle Eltern sind der Meinung, ihre Kinder sollten in das heutige modernistische Gesellschaftssystem schon im Alter zarter Unschuld indoktriniert werden. Und das soll etwas schlechtes sein, Eminenz?) Daher ist sie gefragt, tatsächlich hilfreiche Unterstützungsangebote zu machen.“ (Ja, da ist die Kaderpartei der Verbandskatholiken, die CDU, wohl genau auf dem richtigen Weg. Ob allerdings die „frühkindliche Bildung“, die sich die totalitären Bildungspolitiker auf ihre Fahnen geschrieben haben, und denen der Kardinal mit keinem Wort widerspricht, und sogar verklausuliert selbst propagiert, etwas anderes ist als eine besonders perfide Form von Kindesmisshandlung, steht auf einem anderen Blatt.)

Zusammenfassung: Kardinal Marx befasst sich mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit ausschließlich aus der Perspektive rein weltlicher Wohlstandsvermehrung, und kommt, diesen Ansatz logisch ans Ende denkend, zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie die heutige politische Elite aller Parteien. Kinder müssen so früh wie möglich zu guten Wohlstands- und Wachstumsrobotern verbildet werden, die zentrale Aufgaben des Staates sind die Beseitigung der Armut, die Gewährleistung von „Chancengerechtigkeit“ (was immer das sein soll) und „Beteiligungsgerechtigkeit“ (was immer das sein soll) durch Preiskontrollen und ein radikales Programm der enteignenden Umverteilung. Alles normale Thesen in der heutigen politischen Elite, um deren Anerkennung der Kardinal bei seinem Weg die Karriereleiter hoch zu buhlen scheint.

Was aber sagt die katholische Soziallehre dazu? Nun, zuerst einmal ist alles bei ihr auf das Heil der Seelen, nicht den Kontostand, hingeordnet. Armut ist für sie nicht notwendigerweise schlecht, sondern kann den Menschen viele Tugenden lehren, weswegen viele Menschen in der Geschichte der Kirche freiwillig den Weg der Armut gegangen sind, was sich natürlich ein moderner Kirchenbeamter nicht mehr vorstellen kann.

Eine weitere Voraussetzung der Soziallehre ist nun die Ansicht von der Zentralität der Familie, und nicht nur irgendeiner Familie, sondern der natürlichen, von Gott geschaffenen Familie, auf der Grundlage der natürlichen, dauerhaften Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, mit je spezifischen von Gott gegebenen natürlichen Stärken und Schwächen, die sich gegenseitig zu einem Ganzen ergänzen. Papst Leo XIII. spricht in seiner Enzyklika Rerum Novarum hinsichtlich des Verhältnisses von Familie und Staat einige Worte, die ihn in den Augen der heutigen katholischen Bischöfe wohl als Anarchisten brandmarken würden:

Wie der Staat, so ist auch die Familie, wie schon gesagt, im eigentlichen Sinne eine Gesellschaft, und es regiert selbständige Gewalt in ihr, nämlich die väterliche. Innerhalb der von ihrem nächsten Zwecke bestimmten Grenzen besitzt demgemäß die Familie zum wenigstendie gleichen Rechte wie der Staat in Wahl und Anwendung jener Mittel, die zu ihrer Erhaltung und ihrer berechtigten freien Bewegung unerläßlich sind. Wir sagen, zum wenigsten die gleichen Rechte. Denn da das häusliche Zusammenleben sowohl der Idee als der Sache nach früher ist als die bürgerliche Gemeinschaft, so haben auch seine Rechte und seine Pflichten den Vortritt, weil sie der Natur nahestehen. Wenn Individuum und Familie, nachdem sie im Verbande der staatlichen Gesellschaft sind, seitens der letzteren nur Schädigung fänden statt Nutzen, nur Verletzung des ureigenen Rechtes statt Schutz, so würde der Staatsverband eher als Gegenstand der Abneigung und des Hasses erscheinen müssen denn als ein begehrenswertes Gut.

(Hervorhebungen von Catocon)

Täusche ich mich, oder ist die zentrale Dimension Gottes, und direkt dahinter, die zentrale Dimension der natürlichen Familie, in Kardinal Marxens Stellungsnahme zum Thema Mindestlohn völlig untergegangen?

Schließlich noch die zwei zentralen Leitsätze der Soziallehre, Solidarität und Subsidiarität. Jeder gesellschaftlichen Ebene kommen bestimmte Aufgaben zu, die von den anderen gesellschaftlichen Ebenen nicht übernommen werden dürfen. Es soll auf einer möglichst niedrigen Ebene entschieden werden, was sehr viele Gründe hat, nicht zuletzt eine Nähe zu den realen Gegebenheiten, deren Abwesenheit aus dem Soziologen- und Politikerjargon des Kardinals hervorscheint. Die Starken sollen den Schwachen helfen, soviel ist in jedem Falle richtig. Doch inwieweit kann eine entpersönlichte, bürokratisierte, zentral gelenkte „Hilfe“ noch mit dem Helfen des guten Samariters verglichen werden? Reduziert der moderne Wohlfahrtsstaat, der letztlich nun auch noch für die Regelung der Löhne verantwortlich sein soll, die menschliche Person nicht auf eine Aktennummer, eine Ziffer, einen Gegenstand möglichst effizienter materieller Hilfeleistung? Diese Fragen kommen im sozialen Horizont des Kardinals nicht vor, oder haben zumindest keine praktischen Auswirkungen.

Stattdessen präsentiert er eine weitere Version der üblichen politischen Stellungnahmen, die zwar an manchen Stellen einen entfernten Anklang an die Soziallehre findet, aber nirgendwo wirklich auf ihr beruht.

Ein aus Erfahrung nicht mehr enttäuschendes Interview von Kardinal Marx, der mit diesem Interview wie eine Mischung aus Karl Marx, Ursula von der Leyen und Papst Leo XIII. wirkt, wobei die spezifisch katholischen Teile sorgfältig abgeschliffen und weichgespült sind, um dem modernen Menschen nicht mit grundsätzlichen theologischen und ethischen Überlegungen zu kommen, durch die die Frage nach dem rechten Umfang staatlicher Preiskontrollen auf dem Arbeitsmarkt vielleicht besser beleuchtet werden könnte, die aber zu unpopulär sind, als dass ein auf sein Ansehen achtender Kirchenmann sie eingehend diskutieren könnte.

Der Versuch, die Politik der sozialdemokratisierten Kaderpartei CDU als christlich darstehen zu lassen, ist jedenfalls gescheitert.