Man kann derzeit den deutschen Medien entnehmen, dass US-Präsident Barack Obama seine Meinung zur „Homo-Ehe“ geändert habe und diese nun unterstütze. Dies trifft auch auf die offizielle Position des Präsidenten zu – bisher hatte er immer die Auffassung vertreten, die Ehe sei zwischen Mann und Frau zu belassen. Doch ist die Rede von Obamas Gesinnungswandel hinsichtlich seines realen Verhaltens vollkommen irreführend. Schon 2008 hatte Obama sich gegen ein Referendum im Staate Kalifornien ausgesprochen, durch das die angeblich auch von Obama geteilte Haltung zur Frage der Homo-Ehe, in der Verfassung verankert werden sollte. Später, während seiner Amtszeit als Präsident, setzte er sich immer wieder für die Förderung der Anliegen der Homolobby ein. Noch vor wenigen Wochen sprach er sich gegen ein weiteres Referendum aus, diesmal im Bundesstaat North Carolina, das den Schutz der Ehe in der Verfassung verankert hätte.
Jetzt hat er also auch offiziell bestätigt, was jeder vorher schon wusste. Obama befürwortet den Abbau, nein sogar die Zerstörung, des christlichen Glaubens und aller Spuren christlicher Ethik. Er befürwortet nicht nur ein unbegrenztes Recht auf die Tötung von Kindern im Mutterleib, sondern geht noch weiter. Selbst das Verbot der Tötung geborener Kinder infolge fehlgeschlagener Abtreibungen, das in vielen US-Bundesstaaten vor einigen Jahren verabschiedet wurde, fand nicht die Zustimmung jenes antichristlichsten Präsidenten, den die USA jemals hatten. Zu seiner Zeit im Senat von Illinois stimmte er nicht nur gegen den „Born Alive Infants Protection Act“, sondern sprach vehement gegen dieses Gesetz im Senat von Illinois. Ein ähnliches Gesetz verabschiedete der US-Senat mit Zustimmung selbst der radikalsten anderen Abtreibungsbefürworter einstimmig. Doch Obama – damals noch in der Landespolitik – war vehement dagegen.
Obama befürwortet die staatliche Förderung von Abtreibungen – sie sind, wenn auch auf der politischen Opportunität geschuldeten Umwegen, in Obamas Krankenversicherungsgesetz inbegriffen. Obamas Kampf gegen die Freiheit der Kirche ist zwar in Deutschland weitgehend medial ignoriert worden, doch deswegen nicht weniger intensiv.
Die Liste könnte noch lange weitergeführt werden, doch Obamas gesellschaftspolitisches Streben ist von scharfer Feindschaft gegen die katholische Kirche und die anderen christlichen Gemeinschaften geprägt, selbst wenn er sich selbst als Christen bezeichnet. Doch was Obama unter Christentum versteht, kann jeder für sich herausfinden, wenn er sich die vom unheiligen Geist erleuchtete rassistische Hetzpropaganda eines Jeremiah Wright anhört. Obamas Familie lauschte über Jahre andächtig diesen Predigten. Erst als das im Jahr 2008 politisch problematisch für Obamas Wahlchancen wurde, distanzierte er sich in einem polittaktischen Manöver von Wright.
Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass ein Präsident, der sich in einem heftigen Kulturkampf gegen jegliche Form des authentisch Christlichen befindet, auch die sogenannte Homo-Ehe unterstützt.
Zugleich hat sich das Volk von North Carolina mit etwa 61% der Stimmen zugunsten der vorgeschlagenen Verfassungsänderung ausgesprochen, durch die die Ehe als Institution zwischen Mann und Frau definiert wird. Sie haben den progressistischen Sozialingenieuren damit erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Doch bei einem staatlichen oder staatlich kontrollierten Schulwesen, wie es auch in den USA mehr und mehr üblich wird, ist die Umerziehung der nächsten Generation ja immer möglich. In zehn bis zwanzig Jahren wird Kritik an der „Homo-Ehe“ genauso unmöglich erscheinen wie heute Kritik an der Verhütungsmentalität, die ja selbst Konservative längst als wunderbaren Fortschritt akzeptiert haben. Die Zerstörer des christlichen Glaubens und die Streiter gegen das natürliche Sittengesetz gehen immer in Etappen vor. Zu jeder beliebigen Einzelfrage – ob Abtreibung, Homo-Ehe, Scheidung, Verhütung und was auch immer – äußern sie sich zuerst sehr negativ, dann zurückhaltend, dann abwartend, dann als ob es selbstverständlich wäre, und am Ende wird die Äußerung der „traditionellen“ Position gesellschaftlich oder gar strafrechtlich sanktioniert. Dieser Verlauf wird hier sehr treffend beschrieben:
Stage 1: “Oh please. Only a far-right-wing nutjob would make such a paranoid and ridiculous accusation – I suppose next you’ll accuse us of wanting to poison your precious bodily fluids!” [Bitte. Nur ein rechtsextremistischer Spinner würde mir einen solch paranoiden und lächerlichen Vorwurf machen – ich vermute, Sie werden uns als nächstes beschuldigen, dass wir Ihre Körperflüssigkeiten trinken wollen!]
Stage 2: “Well, I wouldn’t go as far as X. All the same, it’s good to be open-minded about these things. I mean, people used to think ending slavery was a crazy idea too…”
[„Nun ja, ich würde nicht so weit gehen wie X. Dennoch sollte man für diese Dinge offen sein. Ich meine, die Leute dachten ja auch, die Abschaffung der Sklaverei sei eine verrückte Idee…“]
Stage 3: “Hey, the Europeans have had X for years and the sky hasn’t fallen. But no, I admit that this backward country probably isn’t ready for X yet.”
[„Hey, die Europäer haben X schon seit Jahren und die Welt ist nicht untergegangen. Aber nein, ich gebe zu, dieses rückständige Land ist für X noch nicht bereit.“]
Stage 4: “Of course I’m in favor of X – it’s in the Constitution! Only a far-right-wing nutjob could possibly oppose it.”
[„Natürlich bin ich für X – es steht in der Verfassung! Nur ein rechtsextremistischer Spinner könnte überhaupt dagegen sein.“]
Stage 5: “You have the right to remain silent. Anything you say can be used against you in a court of law…”
[Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden…]
Ebenso sind heute die amerikanischen Konservativen gegen die Homo-Ehe. Doch auch hier kann man dieselben fünf Stufen beobachten. Sie verlaufen meist so – ebenfalls in dem oben verlinkten Artikel beschrieben.
Stage 1: “Mark my words: if the extreme left had its way, they’d foist X upon us! These nutjobs must be opposed at all costs.”
(„Merken Sie sich das: Wenn die extreme Linke sich durchsetzte, würden sie uns X aufzwingen. Diese Verrückten müssen um jeden Preis bekämpft werden.“)
Stage 2: “Omigosh, now even thoughtful, mainstream liberals favor X! Fortunately, it’s political suicide.”
(„Oh mein Gott, inzwischen sind selbst nachdenkliche, angesehene Liberale [in den USA gleichbedeutend mit „Linke, Anm. von Catocon] für X. Glücklicherweise ist das politischer Selbstmord.)
Stage 3: “X now exists in 45 out of 50 states. Fellow conservatives, we need to learn how to adjust to this grim new reality.”
(„X gibt es jetzt in 45 von 50 Staaten. Meine konservativen Freunde, wir müssen lernen, wie wir mit dieser harten neuen Realität umzugehen.“)
Stage 4: “X isn’t so bad, really, when you think about it. And you know, sometimes change is good. Consider slavery…”
(„X ist wirklich nicht so schlimm, wenn man darüber nachdenkt. Und, wissen Sie, manchmal ist Veränderung gut, wie bei der Sklaverei…“)
Stage 5: “Hey, I was always in favor of X! You must have me confused with a [paleocon, theocon, Bible thumper, etc.]. But everyone knows that mainstream conservatism has nothing to do with those nutjobs…”
(Hey, ich war immer für X! Sie müssen mich mit einem [Traditionalisten, Anhänger eines Gottesstaates, radikalen Bibelklopfer usw.] verwechseln. Aber jeder weiß, dass angesehen Konservative mit diesen Verrückten nichts zu tun haben…“)
Diese zwei Fünfstufenprogramme klappen immer. Graduell verwandeln sich die beiden akzeptablen gesellschaftlichen Positionen und sie verschieben sich immer weiter nach Links, hin zur Auflösung traditioneller, gewachsener Strukturen, besonders wenn es sich um christliche Strukturen handelt. Die Säure der Moderne frisst sich durch das gesellschaftliche Gewebe immer weiter durch, bis nichts mehr übrig ist, oder das halb aufgelöste Gewebe reißt. Und „Konservative“ können und wollen nichts dagegen tun, weil sie bloß bewahren.
Die Progressiven machen Fehler, und die Konservativen verhindern, dass sie korrigiert werden. Diese Einsicht hatte schon Chesterton.
Im November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Obama hat sich als entschlossener Gegner des Christentums und des Naturrechts längst etabliert. Sein wahrscheinlicher Herausforderer, der Mormone Mitt Romney, steht den Finanzkapitalisten sehr nahe und gilt ansonsten als inhaltlich unendlich flexibel. Bis vor wenigen Jahren erklärte Romney öffentlich, er sei für das Recht auf Abtreibung, und er unterstützte auch sonst jede progressivistische Haltung, die man nur haben kann. Seit er republikanischer Präsidentschaftskandidat geworden ist, gibt er sich plötzlich als Konservativer aus.
Natürlich ist Romney nicht konservativ, sondern bloß ein Freund des Großkapitals. Deshalb wird er auch große Schwierigkeiten haben, die republikanische Basis, besonders in entscheidenden Bundesstaaten wie Ohio, Pennsylvania, Florida, Virginia und North Carolina, die allesamt gesellschaftspolitisch eher konservativ ausgerichtet sind, obwohl sie 2008 für Obama gestimmt haben, zu mobilisieren. Und die politische Mitte wird ein uncharismatischer Managertyp mit großer Affinität zu den Finanzhaien von der Wall Street sicher nicht anziehen.
Vier weitere Jahre für Obama sind also der derzeit wahrscheinlichste Ausgang. Und wenn Obama sich nicht mehr um die Wiederwahl sorgen muss, wird es mit der Hatz auf die christliche Sittlichkeit und den christlichen Glauben erst so richtig losgehen.
Es bleibt zu hoffen, dass die amerikanischen Christen sich nicht in vorauseilendem Gehorsam selbst zum Schweigen bringen werden, wie es ihre europäischen Glaubensgenossen weitgehend getan haben.