Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 7 von 7)

7. Luzifer und das Paradies auf Erden

Es ist ein bleibendes Kennzeichen aller modernen politischen Ideologien, dass sie immer nach dem letztlich „wissenschaftlich“ zu planenden utopischen, perfekten Gemeinwesen Ausschau halten. Sie streben nach dem Paradies auf Erden. Was heißt es, nach dem Paradies auf Erden zu streben? Es bedeutet, sich entschlossen von jenem anderen Paradies loszusagen. Das Paradies, oder der Himmel, soll hier und jetzt verwirklicht werden, nicht erst im nächsten Leben, sondern in diesem Leben, mit den Mitteln der modernen Wissenschaft und der Technik. Das ist das oberste und wichtigste Ziel, das um jeden Preis erreicht werden soll. An die Stelle kindlichen Vertrauens auf Gott und seine Vorsehung tritt (bei der breiten Masse) der kindliche Glaube an den Wissenschaftler und seine Technokratie, und (beim „Wissenschaftler“) die Hybris, die den Menschen dazu verführt, sich für Gott zu halten.

Denn darum geht es in letzter Konsequenz: Der Mensch möchte das Paradies, den Himmel, die Erlösung, die ewige Seligkeit, die der Herr ihm anbietet, nicht annehmen. Er will etwas Eigenes schaffen; er will unabhängig, selbständig, frei von Gott, frei von der Ordnung seiner Schöpfung, frei von moralischen Beschränkungen sein. Er will tun was er will. Er will hier auf Erden auf ewig in Frieden leben und glaubt, das würde ihn glücklich machen. Kurzum: Er verweigert Gott die Gefolgschaft, den Gehorsam. Er rebelliert.

Damit schließt er sich faktisch dem ultimativen Rebellen an, der bereits vor langer Zeit gegen Gott und seine Schöpfungsordnung rebelliert hat, weil er den Gehorsam, den er Gott schuldig war, nicht leisten wollte. Er wollte doch nur frei, autonom, selbstbestimmt sein und sich nichts vorschreiben lassen. Er wollte sich emanzipieren. Der Name dieses Engels, der alle diese Ideale der Moderne verkörpert, ist Luzifer.

Saul Alinsky hat sein bekanntestes Buch, Rules for Radicals, genau diesem Luzifer aus genau diesem Grund gewidmet. Alinsky, dessen Ideen prägend für den „Community Organizer“ und heutigen US-Präsidenten Barack Obama waren, schrieb dort:

Lest we forget at least an over-the-shoulder acknowledgment to the very first radical: from all our legends, mythology, and history (and who is to know where mythology leaves off and history begins — or which is which), the first radical known to man who rebelled against the establishment and did it so effectively that he at least won his own kingdom — Lucifer“ („Bevor wir es vergessen zumindest eine beiläufige Anerkennung des allerersten Radikalen: Aus allen unseren Legenden, Mythen und der Geschichte (und wer weiß, wo Mythologie endet und Geschichte beginnt, oder was was ist), ist der erste dem Menschen bekannte Radikale, der gegen das Establishment rebelliert hat, und so effektiv war, dass er zumindest sein eigenes Königreich bekommen hat – Luzifer“)

Luzifer steht, wie keine zweite Gestalt der christlichen Geschichte authentisch für Emanzipation, Befreiung, Rebellion, Autonomie und Selbstbestimmung gegenüber den von Gott gesetzten Schöpfungsordnungen und gegenüber Gott selbst. Er ist damit der „Schutz-Unheilige“ der Moderne und ihrer technokratischen Planer ebenso wie der ihnen nur scheinbar entgegengesetzten selbsternannten linken Rebellen, die bloß eine andere Utopie wollen.

Da der Mensch keine natürliche Allmacht besitzt, muss er, der sich gegen Gott erhoben hat, künstliche Mittel verwenden, um seine paradiesische Utopie hier auf dieser Erde errichten zu können. Sein Hilfsmittel ist die wissenschaftlich fundierte Technik. (Bacon, einer der geistigen Gründerväter der Moderne, vertrat die Ansicht, dass der Zweck der Wissenschaft einfach Macht über die Natur sei. Der Spruch „Wissen ist Macht“ stammt aus dieser Denktradition, auch wenn er sich, soweit ich weiß, nicht wörtlich bei Bacon findet.) In diesem Sinne spielt auch die Naturwissenschaft bei dem Werk der Rebellion gegen Gott eine wichtige Rolle, nämlich als Werkzeug bei der Errichtung des Paradieses auf Erden. Sie liefert das Wissen, das Macht ist.

Mit Naturwissenschaft und Technik als Mittel geht die globale Elite mit der utopischen Agenda diverser nur scheinbar entgegengesetzter Ideologien als Zielvorstellung an die Errichtung eines irdischen Paradieses, dessen Werte sich zeitbedingt in gewissem Maße ändern können, dessen fundamentale Opposition zur Schöpfungsordnung und zum Schöpfer aber immer gleichermaßen prägend bleibt. Das Mittel der scheinbar „wissenschaftlichen“ Studien und Erkenntnisse wird dabei zur Überzeugung oder Beruhigung der breiten Mehrheit, deren mindestens widerwillige Duldung derzeit erforderlich ist, solange Demokratie noch formal existiert, verwendet.

Und die globale Elite hat Erfolg. Ich glaube nicht, dass es eine große Konspiration gibt. Das ist auch gar nicht notwendig. Die gemeinsame Ablehnung des Schöpfers und seiner Schöpfungsordnung, sowie die daraus resultierende Anhänglichkeit an denselben ersten Rebellen, von dem Alinsky sprach, garantieren, dass die Aktivitäten der Elite letztlich zusammenpassen werden, um das gewünschte Paradies auf Erden herbeizuführen. (Es wird freilich kein Paradies sein, sondern eine Hölle.) Der Erste Rebell, das erklärte oder unerklärte Vorbild der Moderne, Luzifer, versteht sich auf die Durchführung komplexer Pläne so gut wie keine zweite geschaffene Intelligenz. Es wird dafür Sorge getragen, dass allein die rationale Verfolgung ihrer ökonomischen Interessen und ein vager gesellschaftlicher Konformitätsdruck innerhalb der globalen Elite in fast allen Individuen, die der Elite angehören, dort die notwendigen Haltungen und Handlungen herbeiführen wird.

So hat der Götzendienst der „Wissenschaft“ letztlich auch wieder seine Rolle in einem größeren Ganzen, nämlich der Umsetzung des Wunschtraums der Moderne, der schon der Wunschtraum Luzifers und der Grund für den Sündenfall des Menschen war: Die Schaffung eines Paradieses, in dem der Mensch wie Gott ist, in dem er der Schöpfer ist, autonom, selbstbestimmt, absolut frei, und niemandem mehr zum Gehorsam verpflichtet.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 6 von 7)

6. „Wissenschaftler“ als Priester des modernen Götzenkultes

Die Sozialisten wollten die Gesellschaft rational planen, zentral und ganz wissenschaftlich, um das zu erreichen, was sie unter Gerechtigkeit verstanden. Auch heute gibt es diese Bestrebungen in abgewandelter Form. Durch globale Maßnahmen und eine globale Autorität mit echter politischer Macht sollen Armut und Elend, Krankheit und Hunger, Klimawandel und Katastrophen bekämpft werden. Es ist erschreckend, dass selbst weite Teile der Kirche auf diesen tausendmal versprochenen utopistischen Irrsinn hereinfallen, und selbst die Schaffung solcher Autoritäten fordern, statt sich auf das wahre Gebot christlicher Nächstenliebe zu besinnen, wie es in der traditionellen Soziallehre der Kirche zum Ausdruck kommt.

Die oben beschriebene „Wissenschaft“ nimmt bei allen zentralen Planungsversuchen immer eine entscheidende Stellung ein. Die Wissenschaftler, die technokratischen Experten, sind zugleich Avantgarde und künftige Machtelite – nur sie haben das Wissen, die diffizilen Steuerungsmechanismen in Gang zu setzen, die für den optimierten Ausgang des Weltgeschehens erforderlich sind. Wer sich ihnen entgegenstellt, ist von Gestern, irrational und steht dem Fortschritt der Wissenschaft im Wege.

Die Aufgabe der breiten Masse besteht nur darin, bedächtig oder begeistert zu nicken, um nicht rückständig oder unmodern zu wirken, während die „Wissenschaftler“ und ihre Technokraten daran gehen, die Utopie zu verwirklichen, deren Verwirklichung sie gerade anstreben. Die Masse ist nur für den Götzendienst an dieser „Wissenschaft“ da, und als Stimmvieh, solange die Technokratie noch pro forma der Legitimation durch die Überreste der Demokratie bedarf. Ansonsten ist ihre participatio actuosa an dem neuen Götzenkult nicht sonderlich gefragt. (Man sollte sich keine Illusionen über die Bedeutung „freier Wahlen“ machen. Jede Diktatur kann zehn Oppositionsparteien zulassen, solange die Opposition in allen wesentlichen Fragen dasselbe vertritt wie die Regierung. Das ist das „Blockflötenprinzip“, das die DDR ziemlich infantil umgesetzt hat, das aber seitdem im Westen hervorragend perfektioniert worden ist, ohne etwas am Prinzip zu ändern. Welcher Flügel der wissenschaftlichen Technokratie gerade regiert, hat vielleicht einen minimalen Einfluss auf den Inhalt der angestrebten Utopie, doch das ist auch alles. Vielleicht können wir mitentscheiden, ob die durchgeplante, optimierte Welt mehr im Dienst des Ökologismus oder des Sozialismus stehen soll – aber gegen die durchgeplante, optimierte Welt können wir an der Wahlurne nicht sein, weil es keine Parteien gibt, die dieser Opposition Ausdruck verleihen könnten. Und sobald solche Parteien entstehen, ist das inhaltsleere Gerede von „Freiheit“ und „Pluralismus“ und „Toleranz“ auch ganz schnell vergessen.)

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 4 und 5 von 7)

4. „Credo in unam Scientiam“

In den letzten Jahrhunderten ist der Kult der Gottesanbetung durch den Kult der Wissenschaftsanbetung ersetzt worden. Vielleicht konnte man früher, so beeilt sich jeder gute, moderne Christ zu versichern, den Menschen erzählen, die Kirche lehre dies und jenes, weil Gott das offenbart habe, und die Menschen waren vielleicht zufrieden. Doch heute, so geht diese Geschichte, sei das nicht mehr möglich. Die Menschen hätten sich verändert; sie seien nicht mehr so leichtgläubig, sondern vielmehr skeptisch. Doch das ist nicht wahr. Die Menschen sind immer noch so leichtgläubig wie immer, auch wenn sie nicht mehr so leicht gläubig werden. Das Objekt ihres Glaubens ist allerdings heute nicht mehr Gott, und nicht mehr die Kirche. Der Glaube richtet sich stattdessen auf diverse Götzen, von denen einer der prominentesten die moderne Wissenschaft ist. „Das sind ja die Experten, die es wissen müssen“.

Manchmal wissen es die Experten wirklich besser, nämlich wenn es um ihr Fachgebiet geht, in dem sie ein besonderes Wissen haben. Der Atomphysiker weiß ganz gut, was physikalisch in einem Atomkraftwerk passiert. Das kann er uns vermitteln, und dabei sollten wir ihm glauben. Aber wenn er uns erklärt, ob wir Atomkraftwerke abschalten sollen, oder ob die Risiken vertretbar sind, dann sollten wir skeptisch sein. Denn die ethischen Überlegungen, die dabei eine Rolle spielen, sind nicht sein Fachgebiet, und auch nicht das Fachgebiet professioneller Ethiker, sondern das Fachgebiet eines jeden Menschen, der sein Gewissen zu gebrauchen versteht (und das bedeutet auch, dass er sich zuerst ein informiertes Gewissen verschafft, statt aus dem Bauch heraus nach Gefühl zu entscheiden).

5. Tradition statt Technokratie!

Meistens wissen es die „Experten“ aus den Elfenbeintürmen aber nicht besser. Wenn es um den Menschen und die Gesellschaft geht, dann gibt es kein privilegiertes „wissenschaftliches“ Wissen. Jeder Mensch kennt Menschen und lebt in einer Gesellschaft. Daher hat auch jeder Mensch Zugang zu den grundsätzlichen Daten, die er braucht, um sich eine fundierte Meinung zur Gesellschaft und zum Menschen zu bilden. Natürlich haben die meisten Menschen weder Zeit noch Lust, sich fundierte Gedanken zur Gesellschaft zu machen, weshalb es allein schon zur Entlastung rational ist, dass sie sich an Traditionen und der Weisheit ihrer Vorfahren orientieren. Diese mögen nicht immer richtig sein, aber sie sind mindestens erprobt, und hätten sich nicht durchgehalten, wenn sie nicht wenigstens halbwegs und in den meisten Fällen funktioniert hätten. Manchmal sind sie auch in schwerwiegendem Widerspruch zum moralischen Gesetz, das die Menschen in ihren Herzen finden; dann sollte man sie so schonend wie möglich ändern. Doch im Normalfall sind sie halbwegs brauchbar und helfen uns weitaus mehr, als die Studien von Pseudowissenschaftlern, deren Handlungsanweisungen nicht das Resultat jahrhundertelanger Erfahrung sind, sondern bloß aus einer Mischung ideologischer Vorurteile und der typischen utopistischen Naivität des Elfenbeinturms entsprungen sind.

Es ist rational, der traditionellen Weisheit unserer Väter mehr zu vertrauen als dem smarten Gesellschaftswissenschaftler aus dem Elfenbeinturm. Lassen wir noch einmal C.S. Lewis in „That Hideous Strength“ zu Wort kommen. Der Chemiker Hingest verteidigt traditionelle, gewachsene Gesellschaftsstrukturen gegen den modernen Soziologen Mark Stoddard, der für eine umfassende „wissenschaftliche“ Planung der Gesellschaft eintritt. Die folgende Passage liefert den Kontext zu der bereits früher zitierten Aussage, man können Menschen nicht studieren, sondern nur kennenlernen.

Stoddard: „I think I do understand the sentiment that still attaches to the small man, but when you come to study the reality as I have to do…“

Hingest: „I should want to pull it to bits and put something else in its place. Of course. That’s what happens when you study men: you find mare’s nests. I happen to believe that you can’t study men; you can only get to know them, which is quite a different thing. Because you study them, you want to make the lower orders govern the country and listen to classical music, which is balderdash. You also want to take away from them everything which makes life worth living and not only from them but from everyone except a parcel of prigs and professors.“

Immer wieder haben sich Pseudowissenschaftler des Schlags, den Stoddard verkörpert, an der rationalen oder wissenschaftlichen Planung der Gesellschaft versucht. Vor hundert Jahren war es Mode unter den progressiven Eliten, nach der Beschränkung der Vermehrung „minderwertiger Rassen“ zu rufen. Vielerorts wurden gar Zwangssterilisierungen legalisiert, um diese „minderwertigen Rassen“ an der Vermehrung zu hindern. Das war alles wissenschaftlich belegt und untermauert. Es gab eine „reale“ Gefahr, die uns die „Wissenschaft“ präsentierte, und bequemerweise lieferten die „Wissenschaftler“ gleich die Lösung mit. Nach Hitler wurde die Idee für eine Weile aufs Eis gelegt; Eugenik verschwand in der Versenkung. Heute ist sie wieder progressiv und in Mode. Das ist nur ein Beispiel; viele weitere ließen sich nennen. Gegner der Eugenik waren hauptsächlich die Ewiggestrigen, die an ihren Traditionen festhielten, die hier im Westen größtenteils christlich geprägt waren. Sie verteidigten den Menschen gegen den technokratischen Planer.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 3 von 7)

3. Opium des Volkes

Die breite Mehrheit, die gesellschaftswissenschaftliche Studien selbst gar nicht liest, und erst recht nicht verfasst, rezipiert ihre Ergebnisse in den Medien, und glaubt an diese Studien mit einer verblüffenden Naivität. Wenn die „Wissenschaft“ das sagt, dann kann das ja nicht falsch sein. Es wäre in der Tat so vermessen wie schädlich, wenn man die Existenz der DNA leugnen würde, weil man nicht selbst beweisen kann, dass es sie wirklich gibt. Wir können uns darauf verlassen, dass die Aussagen der „Wissenschaft“ hier korrekt sind, oder zumindest die brauchbarste Hypothese darstellen, die wir haben. Doch dieses Vertrauen ist hinsichtlich gesellschaftlicher Zusammenhänge völlig unangemessen, weil besagte Gesellschaftswissenschaften gar nicht über die nötigen Methoden verfügen, um den Menschen adäquat ganzheitlich zu untersuchen.

Ein solches Vertrauen ist noch aus einem weiteren Grund vollkommen unangemessen: Die Struktur der Gesellschaft ist Gegenstand strittiger Diskussion über das Sollen, nicht nur über das Sein. Allenfalls kann die materielle Wissenschaft uns etwas über das Sein erzählen. Sie kann uns sagen, wie die Dinge sind, aber nicht, wie sie sein sollen. Doch man kann nicht rein deskriptiv über die Gesellschaft sprechen, weil selbst die Worte, in denen wir sprechen, politisch-kulturell beladen sind. Jede Aussage über die Gesellschaft trägt bereits den Keim einer Wertung in sich, so dass „wissenschaftliche“ Aussagen über den Menschen und seine Gesellschaft nicht nur ohne Kenntnis des Gegenstandes getroffen werden (weil die materielle Wissenschaft über den Menschen ihren Gegenstand überhaupt nicht zureichend erfassen kann, da der Mensch eine Leib-Seele-Ganzheit darstellt), sondern für die fehlende Kenntnis des Gegenstandes eine ideologische Wertung (bewusst oder unbewusst) substituieren.

Fassen wir zusammen: Die Wissenschaft über den Menschen, die mehr will, als diesen nur rein physikalisch zu beschreiben, ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie sich als moderne, materielle Wissenschaft versteht, da ihren Gegenstand, den Menschen, gar nicht zur Gänze, und nicht in seinem wichtigsten Teil, zu erfassen vermag. Als Ersatz für die aus diesem Grund fehlenden fundierten Kenntnisse seines Forschungsgegenstandes verwendet der Forscher, bewusst oder unbewusst, Versatzstücke aus seiner eigenen gesellschaftlichen, politischen oder religiösen Weltanschauung, durch die die unvermeidlichen Lücken geschlossen und das Ergebnis als „Wissenschaft“ verkauft werden kann.

Dieser Art „Wissenschaft“ brauchen wir keinen Glauben zu schenken, weil sie weder die beeindruckende logisch-empirische Fundierung moderner Naturwissenschaft besitzt, noch über ein solides philosophisches Fundament verfügt, das eine Reflektion über den Menschen als Menschen im Sinne des traditionellen Wissenschaftsbegriffs ermöglichen würde. Es handelt sich letztlich nur um verbrämte Ideologie, gemischt mit obsessiv gesammelten Faktenversatzstücken, die zur Rechtfertigung der Ideologie herangezogen werden. Man könnte sagen: Sie ist Opium des Volkes.

Leider können wir nicht übersehen, dass diese Art pseudowissenschaftlicher Erkenntnisse den politisch-gesellschaftlichen Diskurs in unserem Kulturkreis weitgehend dominieren. Wenn irgendein Wissenschaftler Studien zu zitieren beginnt, die seinen Standpunkt belegen, dann schenkt man ihm einen blinden, naiven, kindlichen Glauben, der, richtete er sich auf Gott und nicht auf den Wissenschaftler und seine Studien, eines Heiligen würdig wäre. Dies gilt umso mehr, je besser die Studien dem gesellschaftlichen Mainstream auf den Leib geschneidert sind, und jegliche politische Inkorrektheit mit religiöser Sorgfalt vermeiden. Im Laufe der Jahre „lernen“ die Menschen in der Gesellschaft ganz viele „neue“ Erkenntnisse, die dann jeder wie aus der Pistole geschossen abspulen kann, wenn man ihn auf das richtige Thema anspricht.

Doch auch der Verteidiger traditioneller, christlicher Gesellschaftsstrukturen argumentiert meist mit Studien, die sich auf dieselben methodischen Prinzipien stützen, und daher ebenfalls hauptsächlich seine eigenen, in diesem Falle christlichen Vorurteile stützen. Auch diesen Studien braucht man keinen Glauben schenken, wenn man nicht bereits die entsprechende Weltanschauung des Wissenschaftlers teilt, die unvermeidlich in seine Voraussetzungen einfließt, wenn er seine Forschungen durchführt.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 2 von 7)

2. „Sozialwissenschaft“ als Ideologie

Den Menschen kann man nur als Ganzheit von Leib und Seele verstehen. Wenn die modernen Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaften, Psychologie, aber auch die Ökonomie (außerhalb streng ökonometrischer Erfassung wirtschaftlicher Daten), uns die Ergebnisse ihrer Studien als „Erkenntnisse“ oder „Wissen“ verkaufen, dann können sie diesen Anspruch nur selten erfüllen. Alasdair MacIntyre schreibt darüber, geradezu am Rande, aber dennoch sehr instruktiv, in seinem hauptsächlich moralphilosophischen Werk „After Virtue“, besonders im 7. und 8. Kapitel, wobei er sich auf die empirisch feststellbare Abwesenheit verlässlicher Ergebnisse im Felde der Sozialwissenschaften konzentriert, ohne den grundsätzlicheren Einwand zu erheben, den ich hier formuliert habe.

Weil es an einer Methode mangelt, mit der der Mensch als Leib-Seele-Ganzheit auch nur wahrgenommen wird, sind die Ergebnisse dieser Wissenschaften notwendigerweise nicht allzu ergiebig. So wie jemand, der versucht, mit einer Gabel Suppe zu essen, sich nicht zu wundern braucht, wenn das nicht richtig funktioniert. Es landet vielleicht etwas Suppe auf der Gabel, so wie auch der Sozialwissenschaftlicher manchmal auf richtige Ergebnisse stößt. Doch zumeist findet er entweder triviale Wahrheiten (wie dass Mann und Frau verschieden sind), für deren Erkenntnis man seine Studien nicht gebraucht hätte, oder absurde Unwahrheiten (wie dass Mann und Frau gleich wären), die auch durch seine Studien nicht wahrer werden.

Die wichtige Einsicht ist, dass man diesen Studien überhaupt kein Vertrauen zu schenken braucht, weil dahinter zwar ausgefeilte Methoden stehen, die jedoch, so ausgefeilt sie auch sein mögen, schon prinzipiell nicht geeignet sind, den Menschen als Leib-Seele-Ganzheit auch nur wahrzunehmen. Wer Mikroorganismen mit bloßem Auge untersucht, wird keine finden. Er braucht ein Mikroskop. Wenn besagter Biologe uns nun erklärte, seine Untersuchungen hätten gezeigt, es gäbe keine Mikroorganismen, wäre ein Lachanfall gerechtfertigt, wenn auch vielleicht nicht gerade höflich. Wir würden niemandem glauben, der uns erklärt, er habe tausend Menschen angeschaut und viele erbauliche Gespräche mit ihnen geführt, und nie eine Lunge gesehen, und dies als Indiz dafür anführte, dass Menschen keine Lunge hätten. So ist es auch mit den Studien der Sozialwissenschaftler. Sie untersuchen den Menschen und die Gesellschaft (also viele Menschen, die strukturiert zusammenleben) mit einem Instrumentarium, das den Menschen in seinem wesentlichen Merkmal gar nicht erfassen kann. Da sie den Untersuchungsgegenstand nicht wirklich untersuchen können, hängen die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Studien hauptsächlich von den Vorurteilen der Wissenschaftler ab, die sie produzieren, und von den Geldgebern, die sie bezahlen.

„Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“, lautet ein etwas plumper Satz, der eine verwandte Aussage macht, nämlich dass man die meisten sozialen Tatbestände statistisch so darstellen kann, dass sie beim Leser ideologisch richtig gefiltert ankommen. Meist handelt es sich dabei gar nicht um bewusste Fälschungen; es geschieht ganz unbewusst, aufgrund der natürlichen Tendenz von Menschen, zu sehen was sie sehen wollen.

Ein feministischer Soziologe wird also „herausfinden“, dass Mann und Frau gleich sind, und die linksliberalen Medien werden sich über die Ergebnisse stürzen als „Beweis“ für die Richtigkeit ihres Egalitarismus. Er wird auch „wissenschaftlich“ bestätigen können, dass Frauen glücklicher sind, wenn sie sich in Lohnsklaverei verdingen, und dass es Kindern in Krippen weit besser geht als bei ihren eigenen Eltern. Er kann ein langes Lied davon singen, alles „wissenschaftlich“ untermauert, mit mehr als 834 unabhängigen Studien, dass Kinder in homosexuellen Lebensgemeinschaften genauso gut aufwachsen wie in traditionellen Familien. Sein ebenso feministischer Kollege aus der Psychologie wird bestätigen, dass die traditionelle Familie für den autoritären Charakter verantwortlich ist, und deshalb zu Hitler und Ausschwitz geführt habe, und dass, wie Freud das ausdrückte, das Christentum eine Art Geisteskrankheit ist. Und alle diese Aussagen sind „wissenschaftlich oftmals bestätigt“.

Ein christlicher Soziologe und sein ebenso christlicher Psychologenkollege können sich ebenfalls „wissenschaftlich“ mit den genannten Themen auseinandersetzen. Sie werden herausfinden, dass Kinder am besten bei ihren Eltern aufwachsen, dass Frauen eigentlich doch ziemlich traditionelle Ansichten haben, dass Kinder, die in homosexuellen Beziehungen, bei Alleinerziehenden oder in vergleichbaren Verhältnissen aufwachsen, überdurchschnittlich oft Opfer sexuellen und anderen Missbrauchs werden, weitaus schlechtere Bildungschancen haben und vieles mehr, als vergleichbare Kinder aus traditionellen Familien. Sie können feststellen, dass christliche Menschen länger leben, einen ausgeglicheneren Charakter und viele andere Vorzüge haben, die ganz sicher das nächste Ausschwitz verhindern würden, so wie sie das letzte nicht verhindert haben.

Soziologen, Psychologen, Erziehungswissenschaftler mit noch anderen Ansichten werden zu noch anderen Ergebnissen kommen. Das funktioniert ja sogar in der noch relativ empirisch-naturwissenschaftlichen Klimatologie (wo die Studien der Umweltschützer und an globaler Macht interessierten Regierungen behaupten, der Klimawandel sei vom Menschen gemacht, während die Interessengruppen der anderen Seite ebenso wissenschaftlich herauszufinden glauben, der Klimawandel sei auf natürliche Faktoren zurückzufügen und in der Summe gar kein großes Problem). Es funktioniert erst recht in den „weichen“ Wissenschaften vom Menschen.

Aufgrund der Studienschwemme kann man nicht sagen, welche Position richtig ist. Der Feminist wird sich durch einen riesigen Haufen Studien und Untersuchungen aller Fachrichtungen bestätigt fühlen; der traditionelle Christ wird auch genug Studien finden, an denen er sich hochziehen kann, wenn ihm danach ist. Es gibt mehr pro-feministische Studien, weil es mehr pro-feministische Wissenschaftler an der säkularen Hochschule gibt, und weil sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberverbände ebenso wie die Regierung und alle wesentlichen Oppositionsgruppen die feministische Position unterstützen – manche aus Ideologie, andere aus einfacher ökonomischer Kalkulation. Doch Wahrheit und Mehrheit sind, das sagt schon der Untertitel des Blogs Kreuzfährten, von dem ausnahmslos alle Leser dieser Zeilen schon mindestens einmal gehört haben dürften, zwei völlig verschiedene und oft entgegengesetzte Dinge.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 1 von 7)

1. Von den verschiedenen Wissenschaften

Oft wird gesagt, man müsse dieses oder jenes ändern oder abschaffen, weil die Wissenschaft dies so empfehle. Wir sollen unsere Kinder jetzt anders erziehen, weil irgendwelche meist kinderlosen Sozialpädagogen bedeutungsschwangere Studien durchgeführt haben, nach denen Kinder angeblich besser aufwachsen, wenn die Erziehung sich zufälligerweise am gerade herrschenden Paradigma orientiert. Welches Paradigma das ist, hängt von der Zeit ab, in der die Studie verfasst wird, und dem gesellschaftlichen Klima, in dem der die Studie verfassende „Wissenschaftler“ lebt.

Ebenso funktioniert das in jeder „Sozialwissenschaft“, oder, genauer gesagt, in jeder Wissenschaft, die als Gegenstand den Menschen als Menschen (nicht als bloßes materielles Ding, sondern in seiner Eigenschaft als Mensch) hat. Sobald man nicht mehr nur betrachtet, wie bestimmte physikalische Teilchen miteinander interagieren, sondern die Betrachtung auf Menschen ausdehnt, hat man es nicht mehr mit Wissenschaft im strengen Sinne zu tun. Physikalische Experimente können wiederholt werden. Sie laufen unter streng kontrollierten Bedingungen ab, die jederzeit in entsprechenden Laboren reproduziert werden können. Es gelten bestimmte mathematische Gesetze bei der Bildung physikalischer Theorien. Wissenschaften, die nach diesem Paradigma funktionieren, können uns Erkenntnisse liefern, die nicht (oder nur in sehr geringem Maße) von den Vorurteilen des Wissenschaftlers abhängen. (Obwohl die Neutralität selbst der Naturwissenschaften wissenschaftstheoretisch sehr umstritten ist.)

Doch die Sozialwissenschaften sind in diesem strengen Sinn keine Wissenschaften. Ihr Gegenstand ist der Mensch oder der Mensch in Gesellschaft, was aufgrund der Sozialnatur des Menschen letztlich dasselbe ist, nur unter einem anderen Gesichtspunkt.  Doch der Mensch hat freien Willen. Er trifft Entscheidungen, die weder physikalisch determiniert sind, noch ausschließlich ansozialisiert wurden. In ihm gibt es komplexe Wechselwirkungen zwischen natürlichen Voraussetzungen, gesellschaftlichen Erwartungen, internalisierten Vorstellungen und dem letztlich freien Willen. Diese Wechselwirkungen sind sozialwissenschaftlicher Erkenntnis prinzipiell nicht zugänglich. In „That Hideous Strength“ lässt C.S. Lewis den Chemiker Hingest sagen: „You can’t study men; you can only get to know them, which is quite a different thing.“ („Man kann Menschen nicht studieren, man kann sie nur kennenlernen, was etwas völlig anderes ist.“)

Lewis hat hier, wie meistens, eine tiefe Einsicht auf den Punkt gebracht. Das, was im modernen Sinn des Wortes als Wissenschaft gelten kann, vermag den Menschen als Menschen nicht zu studieren, weil ihr das Wesentliche entgeht. Materielle Wissenschaft kann den Menschen nicht erfassen, weil der Mensch nicht nur Materie ist, sondern auch Geist; weil im Menschen Materie und Geist eng und untrennbar zusammenwirken. Der Mensch ist beseelt, anders als das Elementarteilchen. Die Seele, aristotelisch gesprochen die Form des Körpers, kann nicht vom Menschen getrennt werden (außer durch den Tod). Doch die materielle Wissenschaft kann die Seele nicht sehen, weil sie nur Materie untersuchen kann.

Um den Menschen mit wissenschaftlichem Anspruch zu untersuchen, benötigt man ein anderes, nämlich ein geistiges Instrumentarium. Und damit kommen wir zu den sogenannten Geisteswissenschaften. Im Kontext der säkularen Hochschule sind sie weitgehend deformiert und kaum noch als solche zu erkennen, weil sie sich dem modernen wissenschaftlichen Paradigma ihren Wesensgehalt aufgebend auf der Jagd nach wirtschaftlichem Nutzwert angepasst haben, um überhaupt überleben zu können. Sie führen ein erbärmliches Schattendasein. Die faktische Apostasie eines guten Teils der universitären Theologie ist nur Teil eines breiteren Phänomens, das den Niedergang aller Geisteswissenschaften umfasst. Diese Wissenschaften haben das Instrumentarium, nämlich vornehmlich den menschlichen Geist, um etwas über den Menschen als beseeltes Lebewesen herausfinden zu können. Doch sie sind im modernen Sinn keine Wissenschaften, da sie weder empirisch noch formal mathematisch oder formal logisch vorgehen. Sie sind „nur“ in einem älteren Sinne „Wissenschaft“. Sie stellen einen geordneten Korpus von Wissen dar, doch er wurde nicht nach der modernen wissenschaftlichen Methode gewonnen, sondern durch die Verwendung des menschlichen Geistes etwa in Form philosophischer Reflektion.

Abtreibung: Das grundlegende Argument

Einleitung

Abtreibung ist ein meist totgeschwiegenes Thema, das, wenn es überhaupt einmal zur Diskussion steht, zudem noch mit Vorurteilen aufgeladen ist. Wenn man mit Abtreibungsbefürwortern spricht, erschöpft sich das allgemeine Niveau meist in „mein Bauch gehört mir“ und „du bist gegen Frauen“ oder „gegen Entscheidungsfreiheit“. Nur selten hat man die Chance zur sachlichen Entgegnung, aus der dann vielleicht ein freundschaftliches Gespräch entsteht.

Doch aus verschiedenen Diskussionen über das Abtreibungsthema, an denen ich aktiv oder passiv (als Zuhörer) teilgenommen habe, weiß ich auch, wie schwer es Lebensschützern oft fällt, ihre Position auf verständliche, nicht-religiöse Weise zu artikulieren. Natürlich ist das religiöse Argument für ernsthafte Christen so zwingend wie kein anderes. Doch nichts schreckt einen Abtreibungsbefüworter mehr ab als ein „religiöser Fundamentalist“, der „wieder diesen Gott ins Spiel bringt“. Wenn man mit Abtreibungsbefürwortern sprechen will, muss man sie dort „packen“, wo ihre Überzeugung angreifbar ist, und wo eine gemeinsame Basis besteht.

Das fällt vielen christlichen Lebensschützern schwer. Daher erlebe ich immer wieder (hauptsächlich in Internetdebatten, aber auch sonst) einen von zwei Effekten: Entweder der Lebensschützer argumentiert religiös, und der Abtreibungsbefürworter antwortet, die „alten Kerle in der Kirche, diese Kinderf….“ und den Rest kann man sich denken. Oder der Abtreibungsgegner geht auf die Befindlichkeiten des Gegenübers ein, und argumentiert gegen besonders barbarische Formen der Abtreibung, oder gegen Väter, die die von ihnen geschwängerten Frauen zur Abtreibung zwingen, oder gegen Spätabtreibung, oder gegen Abtreibung zur Geschlechterselektion, oder andere Fälle, in denen vielleicht ein Konsens zu erzielen wäre.

Selbst wenn der Lebensschützer mit dieser Strategie Erfolg hat, ist noch nicht viel gewonnen. Die meisten Abtreibungen geschehen nun einmal nicht aufgrund solcher Extremsituationen, sondern einfach, weil das Kind gerade nicht passt, oder die Finanzlage knapp ist, oder die Partnerschaft „einfach kein Kind aushält“ usw. Der Abtreibungsbefürworter wird weiterhin alle diese „normalen“ Abtreibungen befürworten.

Der einzige Weg, einen Abtreibungsbefürworter vom Gegenteil zu überzeugen, ist, in ihm die Erkenntnis reifen zu lassen, dass das ungeborene Leben ein menschliches Leben ist, das wie jedes menschliche Leben unter dem besonderen Schutz der Gesellschaft und des Staates zu stehen hat. Glücklicherweise ist das nicht nur ein Argument, das Abtreibung gleich grundsätzlich als falsch erscheinen lässt, sondern auch noch ganz ohne Zuhilfenahme religiöser Botschaften vermittelbar.

Das grundlegende Argument

Jedes gute Lehrbuch der Biologie oder Embryologie wird bestätigen, dass das menschliche Leben, das heißt das Leben eines Organismus unserer Spezies, mit der Befruchtung der Eizelle beginnt, und zu keinem späteren Zeitpunkt. Alle späteren Vorgänge sind Reifungsprozesse eines bereits bestehenden, existierenden, menschlichen Wesens, eines ganz, ganz kleinen Kindes. Da haben wir schon einen kleinen Menschen, der dann langsam seine Anlagen ausbildet, die ihm genetisch mit auf den Weg gegeben sind. Durch die Ausbildung dieser Anlagen verändert sich dieser Mensch sehr stark. Es kommt zur Diversifikation der Körperfunktionen; „Stammzellen“ differenzieren sich aus, Organe werden geformt, ein kleines Herz fängt nach wenigen Wochen bereits an zu schlagen. Doch das sind alles Veränderungen, die an dem schon existierenden Menschen geschehen.

Und dass das so ist, das lehrt nicht die Kirche, sondern die Wissenschaft. Es ist keine religiöse These, dass das menschliche Leben mit der Zeugung beginnt, sondern eine biologisch sehr gut bestätigte, und wissenschaftlich nicht umstrittee Tatsache. Das menschliche Leben beginnt mit der Zeugung, mit der Befruchtung der Eizelle. Nicht mit der Implantation, nicht nach drei Monaten, nicht wenn das Kind überlebensfähig außerhalb des Mutterleibs wäre, nicht bei der Geburt, sondern im Moment der Befruchtung.

Wollen wir uns wirklich gegen den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt im Interesse überkommener feministischer Dogmen stellen? Wollen wir der rationalen Wissenschaft folgen, oder der Päpstin Alice Schwarzer dienen?

Und wenn wir einmal anerkennen, dass das, was da in „meinem Bauch“ ist, der „mir gehört“, eben nicht bloß „ein Zellhaufen“ ist, sondern ein individuelles, genetisch einzigartiges, unverwechselbares Lebewesen, nämlich ein kleines Menschenkind, dann können wir nicht mehr sagen: „Mein Bauch gehört mir“. Denn selbst wenn mein Bauch mir gehört – der Mensch in meinem Bauch gehört nicht mir. Und wenn man diesem Menschen keine vorübergehende Heimstatt im „Bauch“ bietet, dann stirbt dieser Mensch. Dann töten wir diesen Menschen.

Also ist Abtreibung die Tötung eines kleinen, unschuldigen, schutzbedürftigen Etwas, das nach eindeutigen wissenschaftlichen – nicht religiösen – Erkenntnissen ein Mitglied der menschlichen Spezies ist.

Und man darf keine Menschen töten. Das erkennt wohl auch der Abtreibungsbefürworter normalerweise abstrakt an.

Doch wenn

(1) Abtreibung die Tötung eines Menschen ist,
und
(2) Tötung eines Menschen moralisch falsch ist und gesetzlich bestraft gehört,
dann gilt:
(3) Abtreibung ist moralisch falsch und muss gesetzlich bestraft werden.

Wissenschaft und Logik führen also zum Abtrebungsverbot – das Festhalten an der legalisierten Abtreibung ist also nur faktenresistentes rückständiges Festklammern an überkommenen Dogmen längst gescheiterter politischer Ideologien.

Natürlich gibt es dagegen auch wieder Einwände von seiten einiger Abtreibungsbefürworter, die nicht mit Stammtischparolen wie „Mein Bauch gehört mir“ argumentieren, doch dazu später mehr.

Der Papst: Ein Fremder in der Heimat

Deutschland, und besonders Ostdeutschland, ist eine immense Wüste des Glaubens. Selbst verglichen mit unseren Nachbarstaaten sind die verbliebenen christlichen Reserven schwach. Dechristianisierung ist in Deutschland kaum noch ein Thema – weil selbst die überwältigende Mehrheit der getauften Christen kein Interesse an einem Leben nach den Geboten Gottes mehr zeigt. Erlaubt ist, was gefällt, und verboten ist nur erwischt zu werden.

Moral beschränkt sich auf die derzeitigen Modethemen, hauptsächlich Umweltschutz und Zwangsenteignung Wohlfahrtsstaat. Am Rande spielen noch diverse unreflektierte Vorstellungen von Wirtschaft, Europa und Moslems eine Rolle, vor dem Hintergrund generellen Ressentiments gegen alles und nichts. Eine hoffnungslose Gesellschaft, d.h. eine Gesellschaft, die selbst keine Hoffnung mehr hat, und diese Hoffnungs- und Sinnlosigkeit in immer groteskeren Formen des „Entertainments“ zu ersticken sucht.

Das ist das Land, in dem sich der Heilige Vater momentan aufhält. Das ist auch die Mentalität, die zu vielen Christen in Deutschland innewohnt. Es ist ein Land, in dem 99% der Menschen die Worte des Papstes nicht reflektieren können oder wollen, in dem ein offenes Herz so selten ist wie Gold.

Diese Symptome wiegen in Ostdeutschland wesentlich stärker als im Westen, in Städten mehr als auf dem Land, im Norden generell mehr als im Süden, doch selbst in den besten Regionen ist die Tendenz klar.

Der Deutsche hat heute so viel „Spaß“, dass er die Fähigkeit zur tieferen „Freude“ verloren hat. Er kann lustig sein, aber er ist nicht froh. Er mag zufrieden sein (auch wenn das sicher nicht auf die Mehrheit zutrifft), aber er ist nicht glücklich. Denn Glück geht tiefer als Zufriedenheit, genauso wie Liebe tiefer geht als Zuneigung. Der Zufriedene, der Zuneigung empfindende Mensch lebt an der Oberfläche, der glückliche, liebende Mensch kennt eine tiefere Dimension. Glück und Liebe sind eben nicht gefühlsmäßige Eindrücke oder Emotionen, sondern objektive Wirklichkeiten. Glück kann, so Aristoteles, nicht ganz ohne materielle Güter gedacht werden – um glücklich zu sein müsse man wenigstens ein Mindestmaß an „Glücksgütern“ haben, so dachte er. Doch selbst für den Heiden Aristoteles geht wahres Glück über emotionales Glücklichsein hinaus – es findet sich auf der Ebene praktischen Handelns in der Tugend und in besonderem Maße in der Theorie, der Kontemplation des Wahren. Für den Christen ist dies in noch größerem Maße bedeutsam. Denn die Tugend ist die Gewohnheit, im Einklang mit den Gesetzen und dem Willen Gottes sowie zugleich im Einklang mit der Natur, die Gott geschaffen hat, zu leben. Im Widerstand zu Gott zu leben führt niemals zum Glück, sondern wenn überhaupt zur Zufriedenheit.

Genauso ist es auch mit der Kontemplation. Schon Aristoteles sieht sie als die höchste irdische Haltung an, doch für den Christen nimmt sie eine noch größere Bedeutung ein. Der Christ erkennt in dem Wahren, dem Guten und dem Schönen, das das Objekt der Kontemplation ist, zugleich Gott, den Schöpfer derselben Natur, deren Ordnung wir durch Einhaltung des moralischen Gesetzes zu respektieren haben. Sowohl die Bedeutung der Sittlichkeit als auch die der Kontemplation sind höher für den Christen als für den Heiden Aristoteles. Doch mehr noch: sie gehören stärker zusammen. Dem Christen erschließt sich aus der Erkenntnis des einen Gottes in drei Personen als Schöpfer der Natur die Einsicht, dass die Gewohnheit im Einklang mit der menschlichen Natur zu leben, letztlich nichts anderes ist als Dienst am Schöpfer – der diese Natur wie auch die Natur der Umwelt schließlich erschaffen hat. Tugendhaft zu leben ist zugleich Leben nach Gottes Geboten, also für sich genommen schon eine Art Kontemplation der Wahren, Guten und Schönen, nur eben, wenn es so etwas gibt, eine „praktische Kontemplation“, eine „praktische Betrachtung“.

„Ora et labora“ – „bete und arbeite“. Das sind nicht zwei verschiedene Dinge, so als ob wir manchmal beteten und manchmal arbeiteten, sondern letztlich identisch. Zu beten ist zu arbeiten und zu arbeiten ist zu beten – wenn die Arbeit im EInklang mit Gottes Willen steht. Jedes gute Werk ist ein Gebet und Gebete sind gute Werke. Praxis und Theorie kommen für den Christen zu einer Einheit, wie sie selbst für die weisesten Heiden niemals denkbar gewesen wären. Praxis und Theorie sind für den Christen keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille, zwei Seiten des Dienstes an Gott, zwei Seiten der Hingabe des Selbstwillens an den Willen Gottes. Man könnte sagen: Nur wer sich selbst aufgibt, kann sich finden.

Wenn Aristoteles zwischen Glück in der praktischen Sphäre (Tugend) und in der theoretischen Sphäre (Kontemplation) unterscheidet, dann ist diese Unterscheidung natürlich richtig. Und sie ist auch im Christentum erhalten geblieben, etwa im Gegensatz Welt – Kloster. Das Christentum kennt diese Unterscheidung, aber sie ist nicht mehr unüberbrückbar. Moral und Religion haben auf eine Weise zusammengefunden wie es im Heidentum nicht denkbar war – bereits im Judentum war dies der Fall. Dort ist Gott der moralische Gesetzgeber und der Schöpfer der Natur – sowohl der materiellen als auch der menschlichen Natur.

Die Verbindung der durch Christus vervollständigten jüdischen Offenbarungswahrheit mit den scharfsinnigen Erkenntnissen der griechischen Philosophie blieb jedoch dem Christentum vorbehalten. Die Synthese zwischen der menschlichen Vernunft der Griechen und der göttlichen Offenbarung war jedoch keine der gegenseitigen Kompromisse. Vielmehr verwendete man die Einsichten der Offenbarung zur Perfektion der philosophischen Vernunft und die geschäfte philosophische Vernunft wiederum zum besseren Verständnis und zur theologischen Erfassung der Offenbarung. So ergänzen sich für den Christen Offenbarung und Vernunft in einem harmonischen Gleichgewichtsverhältnis der Befruchtung – es liegt nahe, die von außerhalb kommende göttliche Offenbarung des Vaters und die dem Menschen innerliche Vernunftweisheit („sophia“) mit dem Bild der geschlechtlichen Einheit zu vergleichen. Auf sich gestellt ist Sophia unfruchtbar – sie braucht den transzendeten Gott und die mit ihm verbundene Rationalitätsgarantie der Welt, um zur vollen Blüte ihrer Kraft zu gelangen.

So ist die Einheit von Vernunft und Glaube eben keine des gegenseitigen Kompromisses, sondern eine wirkliche Einheit, die ein wenig an die Einheit von Mann und Frau in der Ehe erinnert. Die Tragik der Neuzeit scheint mir nun die Scheidung dieses unzertrennlichen Paares zu sein. Frömmelnde Fundamentalisten leugnen selbst die offenkundigsten wissenschaftlichen Erkennisse (es gibt sogar Leugner der Kugelgestalt der Erde – die Erde ist eine Schallplatte…). Ihnen gegenüber stehen ebenso unfähige Ungläubige, die den Versuch einer wissenschaftlichen Durchdringung der Welt mit bloß materiellen Mitteln unternehmen.

Es verwundert nicht, dass beide Seiten scheitern mussten. Der frömmelnde Fundamentalist glaubt weil er glaubt, dreht sich im Kreis und kann sich nicht mehr rechtfertigen. Er macht sich selbst lächerlich und kann niemanden überzeugen, weil er das rationale Argument aufgrund seines Glaubens ablehnt. Ebenso ist die rationalistische Wissenschaft längst gescheitert. Immer verzweifeltere und vergebliche Versuche einer Rechtfertigung der Verlässlichkeit unserer Vernunfterkenntnisse stehen dort der sich mehr und mehr durchsetzenden Erkenntnis gegenüber, dass wir, unter der Annahme des Materialismus, nichts, absolut nichts, sicher wissen können, und daher Wissenschaft als Ganzes eine gewisse Willkürlichkeit und Beliebigkeit gewinnt. Der Versuch der Neuzeit, Glaube und Vernunft gegeneinander auszuspielen, endet mit der totalen Niederlage der Vernunft, die inzwischen mehr und mehr vor einem amoralischen Irrationalismus kapituliert, demzufolge der Mensch gar nicht wissen kann, sondern nur meinen. Doch wenn alles Meinung ist, dann gibt es gar keine Wahrheit, und ohne Wahrheit keine objektiv gültigen moralischen Standards. Der Versuch, den angeblich „irrationalen“ Glauben aus dem menschlichen Denken zu entfernen, führt nicht zum Tod des Glaubens, sondern zum Tod der Vernunft.

Doch auch der Glaube erleidet eine totale Niederlage. Er wird zwar nicht gänzlich besiegt, aber er wird seines wesentlichen Kerns beraubt. Der Glaube, der sich von der rationalen, menschlichen Vernunft „befreit“ hat, ist substanzlos. Er ist noch da, aber er verliert jeden bestimmten Inhalt – er gleitet in die Beliebigkeit, ebenso wie auch der Vernunft durch ihre Selbstaufopferung beliebig geworden ist.

Wenn es keine Wahrheit gibt, nur Meinung, dann kann nicht ein Glaube richtiger sein als ein anderer. Jeder Glaube ist dann bloß noch subjektives Gefühl – religiöse Erfahrung ersetzt religiöse Erkenntnis. Man nennt diese Häresie sehr treffend „Modernismus“, und es ist die Mutter aller Häresien. Denn sie ermöglicht ihrem Anhänger aus allen Definitionen und Dogmen auszubrechen, wenn nur seine persönliche religiöse Erfahrung (die nicht einmal unbedingt authentisch ist, aber selbst wenn nur einen winzigen Teil der Wahrheit repräsentieren kann) dies von ihm verlangt. Solcherlei Auffassung ist damit die Grundlage aller modernen Häresien, doch das nur am Rande.

So kommen die beiden am Beginn der Neuzeit getrennten Pfade heute wieder zusammen. Aus dem Vernunftglauben der modernen Philosophie und der positivistischen Wissenschaft des 19. Jahrhunderts ist ein Irrationalismus geworden, der selbst wissenschaftlichen Erkenntnissen konsequenterweise den Status des Wissens abzusprechen verpflichtet ist. Aus dem vernunftfreien Glauben ist entweder ein bloßes Frömmlertum geworden (in seltenen Fällen), oder (meistens) ein Glaube, der nur noch einige Floskeln und Plattitüden glaubt, und nichts mehr mit der Offenbarung zu tun hat. So wird die Vernunft unvernünftig und der Glaube ungläubig.

Doch kehren wir zu der früheren Konzeption zurück, wonach Glaube und Vernunft einander gegenseitig befruchten, wo der Glaube der Funke ist, der der Vernunft immer tiefere Einsichten ermöglicht, die wiederum ein immer besseres Verständnis der dem göttlichen Logos entsprechend geordneten Welt aber auch der Offenbarung ermöglichen, welche wieder in einem immer weiter sich aufschaukelnden Zirkel der Einsicht und der Weisheit ein tieferes Durchdringen sowohl der Offenbarungswahrheit als auch der Schöpfungsordnung (wissenschaftlich wie moralisch) erreichbar machen, dann haben wir keines dieser Probleme. Sophia ist, wie oben schon gesagt, ohne göttlichen Logos unfruchtbar. Und ohne die Verwendung der von Gott gegebenen natürlichen menschlichen Einsichtskraft bleiben alle Offenbarungseinsichten letztlich fruchtlos – da niemand sie zu durchdringen vermag. Sophia ohne Logos – Logos ohne Sophia: Beides ist eine Art geistige Selbstbefriedigung, und, wie ihre körperliche Variante, letztlich steril, fruchtlos, freudlos, nutzlos, ziellos, sinnlos.

So wie Maria erst das Jawort geben musste, damit Gott in der Welt sein Erlösungswerk vollbringen konnte, muss die menschliche Weisheit erst ihr Jawort zur göttlichen Offenbarung geben, bevor diese ihr fruchtbares Werk verrichten kann. Neues Leben kommt nur durch die natürliche Vereinigung von Mann und Frau in die Welt. Beide müssen die Bedeutung des Anderen anerkennen und sich der natürlichen Anlagen und Fähigkeiten des Anderen zum gemeinsamen Zweck – in diesem Fall Fortpflanzung – bedienen. Ebenso müssen auch Glaube und Vernunft die Bedeutung des Anderen anerkennen, sich der natürlichen Fähigkeiten und Anlagen des Anderen zum gemeinsamen Zweck – in diesem Fall fruchtbare Erkenntnis – bedienen.

Um das Gute tun zu können, bedarf der Mensch der Einsicht in das natürliche moralische Gesetz, das ihm ins Herz geschrieben ist. Dafür muss er nicht intelligent sein. Aber er muss weise sein, da die Erkenntnis des Guten dem gefallenen, zerbrochenen Meisterwerk Mensch nicht leicht fällt. Um das Wahre finden zu können, muss er sich sowohl des Verstandes als auch des Glaubens bedienen können. Und selbst der Genuss des Schönen verblasst, wenn alles nur hübsch oder „sexy“  ist, aber nichts im vollen Sinne schön. Denn auch Schönheit ist, in gewissem Sinne, etwas Wirkliches, Objektives, nicht bloße Emotion oder subjektives Gefallen. Schönheit ist mehr als Gefälligkeit.

Wenn, wie nach Auffassung der Neuzeit, das Wahre, Gute und Schöne bloß relativ sind, dann ist die Welt eintönig grau, steril, langweilig, öde, sinnlos, zwecklos, und liegt im Sterben.

Wenn ich „meine Wahrheit“ und jemand anders „seine Wahrheit“ haben kann, dann erlischt der menschliche Wissensdrang, denn wir finden bloß immer nur noch mehr Ansichten, Meinungen, Gefühle, Überzeugungen, Ideologien, aber niemals die Wahrheit. Wenn es da doch gar nichts zu finden gibt, warum dann suchen? Schon Bacon gab im 17. Jahrhundert die einzig denkbare Antwort: Macht.

Wenn Moral bloß das Produkt gesellschaftlicher Konditionierung ist, dann ist es plötzlich legitim, die Grundfesten der Moral zu bezweifeln, weil sie ja auch wieder nur die Manifestationen der gesellschaftlichen Machtverhältnisse sind. (Die, die uns konditionieren, beherrschen uns dann über internalisierte Hemmungen, die abzustreifen somit zum Akt der Befreiung wird). Warum dann noch ein wirklich „guter“ Mensch werden, wenn doch „gut“ nur das Produkt des Willens der Mächtigen ist, wenn „gut“ nur noch bedeutet, „den Mächtigen gefällig“? Die einzige Antwort gibt uns der „Marsch durch die Institutionen“: Die Macht erlangen, um die Moral zu ändern.

Wenn Schönheit bloß darin besteht, dass ich meine persönlichen psychischen Empfindungen und Vorlieben in die Außenwelt projiziere, dann ist in Wirklichkeit gar nichts schön, sondern alles gleichermaßen grau. Und auf manche Grautöne spreche ich persönlich dann eben stärker an. Doch wenn ich glaube, dass das alles nur in meinem Kopf sich abspielt, wie kann ich mich dann noch an dem Schönen erfreuen? Schönheit verliert also seinen Reiz – übrig bleiben biologische Triebe, psychologische Konditionierung und die schiere Macht der Gewohnheit. Warum dann noch den Versuch unternehmen, einen feinen Geschmack für das Schöne zu entwickeln, statt einfach gefällig herunterzuwürgen alles was mir so in die Quere kommt? Die einzige Antwort gibt uns der moderne Mensch zwischen zwei triebgesteuerten, doch lieblosen Orgien: Eroberung, also Macht.

Getrennt enden sowohl Glaube als auch Vernunft im absoluten Relativismus, für den es weder Wahrheit, noch Güte, noch Schönheit geben kann. Doch ohne die feste Überzeugung, dass das Wahre wirklich wahr, das Gute wirklich gut, und das Schöne wirklich schön ist, verblasst das ganze Leben vor der endlosen Abfolge rein materieller, gesellschaftlich konditionierter, von Trieben und Macht gesteuerter, mechanischer Akte.

Der Papst ist nun in Deutschland, und da ich dies schreibe gerade in Ostdeutschland, wo die Probleme noch weitaus schlimmer sind als im Westen, und er trifft auf ein apathisches Land voller Sinnlosigkeit, voller Überdruss, voller derzeit nur sporadisch sich entladender Unzufriedenheit – das heißt: er trifft auf ein modernes Land. Ein Land, wie es dem christlichen Glauben mit seiner Vereinigung scheinbarer Gegensätze zu einem in sich schlüssigen, sinnvollen, fruchtbaren Ganzen nicht fremder sein könnte.

Ein Land, das, ganz im Einklang mit seinen faktischen Grundwerten, selbst in Bezug auf die Kirche nur noch in Machtkategorien denken kann. Und als Folge ganz klein ist – klein an Werten, klein im Geiste und klein im Herzen. So klein, dass selbst seine Sünden kleinkariert und öde sind. So klein, dass es selbst einen alten, schwachen Mann als Bedrohung empfindet, die mit journalistischem Napalm behandelt werden muss. So klein wie die graue Stadt, die C.S.Lewis in „The Great Divorce“ als Sinnbild der Hölle gebraucht.