Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 7 von 7)

7. Luzifer und das Paradies auf Erden

Es ist ein bleibendes Kennzeichen aller modernen politischen Ideologien, dass sie immer nach dem letztlich „wissenschaftlich“ zu planenden utopischen, perfekten Gemeinwesen Ausschau halten. Sie streben nach dem Paradies auf Erden. Was heißt es, nach dem Paradies auf Erden zu streben? Es bedeutet, sich entschlossen von jenem anderen Paradies loszusagen. Das Paradies, oder der Himmel, soll hier und jetzt verwirklicht werden, nicht erst im nächsten Leben, sondern in diesem Leben, mit den Mitteln der modernen Wissenschaft und der Technik. Das ist das oberste und wichtigste Ziel, das um jeden Preis erreicht werden soll. An die Stelle kindlichen Vertrauens auf Gott und seine Vorsehung tritt (bei der breiten Masse) der kindliche Glaube an den Wissenschaftler und seine Technokratie, und (beim „Wissenschaftler“) die Hybris, die den Menschen dazu verführt, sich für Gott zu halten.

Denn darum geht es in letzter Konsequenz: Der Mensch möchte das Paradies, den Himmel, die Erlösung, die ewige Seligkeit, die der Herr ihm anbietet, nicht annehmen. Er will etwas Eigenes schaffen; er will unabhängig, selbständig, frei von Gott, frei von der Ordnung seiner Schöpfung, frei von moralischen Beschränkungen sein. Er will tun was er will. Er will hier auf Erden auf ewig in Frieden leben und glaubt, das würde ihn glücklich machen. Kurzum: Er verweigert Gott die Gefolgschaft, den Gehorsam. Er rebelliert.

Damit schließt er sich faktisch dem ultimativen Rebellen an, der bereits vor langer Zeit gegen Gott und seine Schöpfungsordnung rebelliert hat, weil er den Gehorsam, den er Gott schuldig war, nicht leisten wollte. Er wollte doch nur frei, autonom, selbstbestimmt sein und sich nichts vorschreiben lassen. Er wollte sich emanzipieren. Der Name dieses Engels, der alle diese Ideale der Moderne verkörpert, ist Luzifer.

Saul Alinsky hat sein bekanntestes Buch, Rules for Radicals, genau diesem Luzifer aus genau diesem Grund gewidmet. Alinsky, dessen Ideen prägend für den „Community Organizer“ und heutigen US-Präsidenten Barack Obama waren, schrieb dort:

Lest we forget at least an over-the-shoulder acknowledgment to the very first radical: from all our legends, mythology, and history (and who is to know where mythology leaves off and history begins — or which is which), the first radical known to man who rebelled against the establishment and did it so effectively that he at least won his own kingdom — Lucifer“ („Bevor wir es vergessen zumindest eine beiläufige Anerkennung des allerersten Radikalen: Aus allen unseren Legenden, Mythen und der Geschichte (und wer weiß, wo Mythologie endet und Geschichte beginnt, oder was was ist), ist der erste dem Menschen bekannte Radikale, der gegen das Establishment rebelliert hat, und so effektiv war, dass er zumindest sein eigenes Königreich bekommen hat – Luzifer“)

Luzifer steht, wie keine zweite Gestalt der christlichen Geschichte authentisch für Emanzipation, Befreiung, Rebellion, Autonomie und Selbstbestimmung gegenüber den von Gott gesetzten Schöpfungsordnungen und gegenüber Gott selbst. Er ist damit der „Schutz-Unheilige“ der Moderne und ihrer technokratischen Planer ebenso wie der ihnen nur scheinbar entgegengesetzten selbsternannten linken Rebellen, die bloß eine andere Utopie wollen.

Da der Mensch keine natürliche Allmacht besitzt, muss er, der sich gegen Gott erhoben hat, künstliche Mittel verwenden, um seine paradiesische Utopie hier auf dieser Erde errichten zu können. Sein Hilfsmittel ist die wissenschaftlich fundierte Technik. (Bacon, einer der geistigen Gründerväter der Moderne, vertrat die Ansicht, dass der Zweck der Wissenschaft einfach Macht über die Natur sei. Der Spruch „Wissen ist Macht“ stammt aus dieser Denktradition, auch wenn er sich, soweit ich weiß, nicht wörtlich bei Bacon findet.) In diesem Sinne spielt auch die Naturwissenschaft bei dem Werk der Rebellion gegen Gott eine wichtige Rolle, nämlich als Werkzeug bei der Errichtung des Paradieses auf Erden. Sie liefert das Wissen, das Macht ist.

Mit Naturwissenschaft und Technik als Mittel geht die globale Elite mit der utopischen Agenda diverser nur scheinbar entgegengesetzter Ideologien als Zielvorstellung an die Errichtung eines irdischen Paradieses, dessen Werte sich zeitbedingt in gewissem Maße ändern können, dessen fundamentale Opposition zur Schöpfungsordnung und zum Schöpfer aber immer gleichermaßen prägend bleibt. Das Mittel der scheinbar „wissenschaftlichen“ Studien und Erkenntnisse wird dabei zur Überzeugung oder Beruhigung der breiten Mehrheit, deren mindestens widerwillige Duldung derzeit erforderlich ist, solange Demokratie noch formal existiert, verwendet.

Und die globale Elite hat Erfolg. Ich glaube nicht, dass es eine große Konspiration gibt. Das ist auch gar nicht notwendig. Die gemeinsame Ablehnung des Schöpfers und seiner Schöpfungsordnung, sowie die daraus resultierende Anhänglichkeit an denselben ersten Rebellen, von dem Alinsky sprach, garantieren, dass die Aktivitäten der Elite letztlich zusammenpassen werden, um das gewünschte Paradies auf Erden herbeizuführen. (Es wird freilich kein Paradies sein, sondern eine Hölle.) Der Erste Rebell, das erklärte oder unerklärte Vorbild der Moderne, Luzifer, versteht sich auf die Durchführung komplexer Pläne so gut wie keine zweite geschaffene Intelligenz. Es wird dafür Sorge getragen, dass allein die rationale Verfolgung ihrer ökonomischen Interessen und ein vager gesellschaftlicher Konformitätsdruck innerhalb der globalen Elite in fast allen Individuen, die der Elite angehören, dort die notwendigen Haltungen und Handlungen herbeiführen wird.

So hat der Götzendienst der „Wissenschaft“ letztlich auch wieder seine Rolle in einem größeren Ganzen, nämlich der Umsetzung des Wunschtraums der Moderne, der schon der Wunschtraum Luzifers und der Grund für den Sündenfall des Menschen war: Die Schaffung eines Paradieses, in dem der Mensch wie Gott ist, in dem er der Schöpfer ist, autonom, selbstbestimmt, absolut frei, und niemandem mehr zum Gehorsam verpflichtet.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 6 von 7)

6. „Wissenschaftler“ als Priester des modernen Götzenkultes

Die Sozialisten wollten die Gesellschaft rational planen, zentral und ganz wissenschaftlich, um das zu erreichen, was sie unter Gerechtigkeit verstanden. Auch heute gibt es diese Bestrebungen in abgewandelter Form. Durch globale Maßnahmen und eine globale Autorität mit echter politischer Macht sollen Armut und Elend, Krankheit und Hunger, Klimawandel und Katastrophen bekämpft werden. Es ist erschreckend, dass selbst weite Teile der Kirche auf diesen tausendmal versprochenen utopistischen Irrsinn hereinfallen, und selbst die Schaffung solcher Autoritäten fordern, statt sich auf das wahre Gebot christlicher Nächstenliebe zu besinnen, wie es in der traditionellen Soziallehre der Kirche zum Ausdruck kommt.

Die oben beschriebene „Wissenschaft“ nimmt bei allen zentralen Planungsversuchen immer eine entscheidende Stellung ein. Die Wissenschaftler, die technokratischen Experten, sind zugleich Avantgarde und künftige Machtelite – nur sie haben das Wissen, die diffizilen Steuerungsmechanismen in Gang zu setzen, die für den optimierten Ausgang des Weltgeschehens erforderlich sind. Wer sich ihnen entgegenstellt, ist von Gestern, irrational und steht dem Fortschritt der Wissenschaft im Wege.

Die Aufgabe der breiten Masse besteht nur darin, bedächtig oder begeistert zu nicken, um nicht rückständig oder unmodern zu wirken, während die „Wissenschaftler“ und ihre Technokraten daran gehen, die Utopie zu verwirklichen, deren Verwirklichung sie gerade anstreben. Die Masse ist nur für den Götzendienst an dieser „Wissenschaft“ da, und als Stimmvieh, solange die Technokratie noch pro forma der Legitimation durch die Überreste der Demokratie bedarf. Ansonsten ist ihre participatio actuosa an dem neuen Götzenkult nicht sonderlich gefragt. (Man sollte sich keine Illusionen über die Bedeutung „freier Wahlen“ machen. Jede Diktatur kann zehn Oppositionsparteien zulassen, solange die Opposition in allen wesentlichen Fragen dasselbe vertritt wie die Regierung. Das ist das „Blockflötenprinzip“, das die DDR ziemlich infantil umgesetzt hat, das aber seitdem im Westen hervorragend perfektioniert worden ist, ohne etwas am Prinzip zu ändern. Welcher Flügel der wissenschaftlichen Technokratie gerade regiert, hat vielleicht einen minimalen Einfluss auf den Inhalt der angestrebten Utopie, doch das ist auch alles. Vielleicht können wir mitentscheiden, ob die durchgeplante, optimierte Welt mehr im Dienst des Ökologismus oder des Sozialismus stehen soll – aber gegen die durchgeplante, optimierte Welt können wir an der Wahlurne nicht sein, weil es keine Parteien gibt, die dieser Opposition Ausdruck verleihen könnten. Und sobald solche Parteien entstehen, ist das inhaltsleere Gerede von „Freiheit“ und „Pluralismus“ und „Toleranz“ auch ganz schnell vergessen.)

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 4 und 5 von 7)

4. „Credo in unam Scientiam“

In den letzten Jahrhunderten ist der Kult der Gottesanbetung durch den Kult der Wissenschaftsanbetung ersetzt worden. Vielleicht konnte man früher, so beeilt sich jeder gute, moderne Christ zu versichern, den Menschen erzählen, die Kirche lehre dies und jenes, weil Gott das offenbart habe, und die Menschen waren vielleicht zufrieden. Doch heute, so geht diese Geschichte, sei das nicht mehr möglich. Die Menschen hätten sich verändert; sie seien nicht mehr so leichtgläubig, sondern vielmehr skeptisch. Doch das ist nicht wahr. Die Menschen sind immer noch so leichtgläubig wie immer, auch wenn sie nicht mehr so leicht gläubig werden. Das Objekt ihres Glaubens ist allerdings heute nicht mehr Gott, und nicht mehr die Kirche. Der Glaube richtet sich stattdessen auf diverse Götzen, von denen einer der prominentesten die moderne Wissenschaft ist. „Das sind ja die Experten, die es wissen müssen“.

Manchmal wissen es die Experten wirklich besser, nämlich wenn es um ihr Fachgebiet geht, in dem sie ein besonderes Wissen haben. Der Atomphysiker weiß ganz gut, was physikalisch in einem Atomkraftwerk passiert. Das kann er uns vermitteln, und dabei sollten wir ihm glauben. Aber wenn er uns erklärt, ob wir Atomkraftwerke abschalten sollen, oder ob die Risiken vertretbar sind, dann sollten wir skeptisch sein. Denn die ethischen Überlegungen, die dabei eine Rolle spielen, sind nicht sein Fachgebiet, und auch nicht das Fachgebiet professioneller Ethiker, sondern das Fachgebiet eines jeden Menschen, der sein Gewissen zu gebrauchen versteht (und das bedeutet auch, dass er sich zuerst ein informiertes Gewissen verschafft, statt aus dem Bauch heraus nach Gefühl zu entscheiden).

5. Tradition statt Technokratie!

Meistens wissen es die „Experten“ aus den Elfenbeintürmen aber nicht besser. Wenn es um den Menschen und die Gesellschaft geht, dann gibt es kein privilegiertes „wissenschaftliches“ Wissen. Jeder Mensch kennt Menschen und lebt in einer Gesellschaft. Daher hat auch jeder Mensch Zugang zu den grundsätzlichen Daten, die er braucht, um sich eine fundierte Meinung zur Gesellschaft und zum Menschen zu bilden. Natürlich haben die meisten Menschen weder Zeit noch Lust, sich fundierte Gedanken zur Gesellschaft zu machen, weshalb es allein schon zur Entlastung rational ist, dass sie sich an Traditionen und der Weisheit ihrer Vorfahren orientieren. Diese mögen nicht immer richtig sein, aber sie sind mindestens erprobt, und hätten sich nicht durchgehalten, wenn sie nicht wenigstens halbwegs und in den meisten Fällen funktioniert hätten. Manchmal sind sie auch in schwerwiegendem Widerspruch zum moralischen Gesetz, das die Menschen in ihren Herzen finden; dann sollte man sie so schonend wie möglich ändern. Doch im Normalfall sind sie halbwegs brauchbar und helfen uns weitaus mehr, als die Studien von Pseudowissenschaftlern, deren Handlungsanweisungen nicht das Resultat jahrhundertelanger Erfahrung sind, sondern bloß aus einer Mischung ideologischer Vorurteile und der typischen utopistischen Naivität des Elfenbeinturms entsprungen sind.

Es ist rational, der traditionellen Weisheit unserer Väter mehr zu vertrauen als dem smarten Gesellschaftswissenschaftler aus dem Elfenbeinturm. Lassen wir noch einmal C.S. Lewis in „That Hideous Strength“ zu Wort kommen. Der Chemiker Hingest verteidigt traditionelle, gewachsene Gesellschaftsstrukturen gegen den modernen Soziologen Mark Stoddard, der für eine umfassende „wissenschaftliche“ Planung der Gesellschaft eintritt. Die folgende Passage liefert den Kontext zu der bereits früher zitierten Aussage, man können Menschen nicht studieren, sondern nur kennenlernen.

Stoddard: „I think I do understand the sentiment that still attaches to the small man, but when you come to study the reality as I have to do…“

Hingest: „I should want to pull it to bits and put something else in its place. Of course. That’s what happens when you study men: you find mare’s nests. I happen to believe that you can’t study men; you can only get to know them, which is quite a different thing. Because you study them, you want to make the lower orders govern the country and listen to classical music, which is balderdash. You also want to take away from them everything which makes life worth living and not only from them but from everyone except a parcel of prigs and professors.“

Immer wieder haben sich Pseudowissenschaftler des Schlags, den Stoddard verkörpert, an der rationalen oder wissenschaftlichen Planung der Gesellschaft versucht. Vor hundert Jahren war es Mode unter den progressiven Eliten, nach der Beschränkung der Vermehrung „minderwertiger Rassen“ zu rufen. Vielerorts wurden gar Zwangssterilisierungen legalisiert, um diese „minderwertigen Rassen“ an der Vermehrung zu hindern. Das war alles wissenschaftlich belegt und untermauert. Es gab eine „reale“ Gefahr, die uns die „Wissenschaft“ präsentierte, und bequemerweise lieferten die „Wissenschaftler“ gleich die Lösung mit. Nach Hitler wurde die Idee für eine Weile aufs Eis gelegt; Eugenik verschwand in der Versenkung. Heute ist sie wieder progressiv und in Mode. Das ist nur ein Beispiel; viele weitere ließen sich nennen. Gegner der Eugenik waren hauptsächlich die Ewiggestrigen, die an ihren Traditionen festhielten, die hier im Westen größtenteils christlich geprägt waren. Sie verteidigten den Menschen gegen den technokratischen Planer.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 3 von 7)

3. Opium des Volkes

Die breite Mehrheit, die gesellschaftswissenschaftliche Studien selbst gar nicht liest, und erst recht nicht verfasst, rezipiert ihre Ergebnisse in den Medien, und glaubt an diese Studien mit einer verblüffenden Naivität. Wenn die „Wissenschaft“ das sagt, dann kann das ja nicht falsch sein. Es wäre in der Tat so vermessen wie schädlich, wenn man die Existenz der DNA leugnen würde, weil man nicht selbst beweisen kann, dass es sie wirklich gibt. Wir können uns darauf verlassen, dass die Aussagen der „Wissenschaft“ hier korrekt sind, oder zumindest die brauchbarste Hypothese darstellen, die wir haben. Doch dieses Vertrauen ist hinsichtlich gesellschaftlicher Zusammenhänge völlig unangemessen, weil besagte Gesellschaftswissenschaften gar nicht über die nötigen Methoden verfügen, um den Menschen adäquat ganzheitlich zu untersuchen.

Ein solches Vertrauen ist noch aus einem weiteren Grund vollkommen unangemessen: Die Struktur der Gesellschaft ist Gegenstand strittiger Diskussion über das Sollen, nicht nur über das Sein. Allenfalls kann die materielle Wissenschaft uns etwas über das Sein erzählen. Sie kann uns sagen, wie die Dinge sind, aber nicht, wie sie sein sollen. Doch man kann nicht rein deskriptiv über die Gesellschaft sprechen, weil selbst die Worte, in denen wir sprechen, politisch-kulturell beladen sind. Jede Aussage über die Gesellschaft trägt bereits den Keim einer Wertung in sich, so dass „wissenschaftliche“ Aussagen über den Menschen und seine Gesellschaft nicht nur ohne Kenntnis des Gegenstandes getroffen werden (weil die materielle Wissenschaft über den Menschen ihren Gegenstand überhaupt nicht zureichend erfassen kann, da der Mensch eine Leib-Seele-Ganzheit darstellt), sondern für die fehlende Kenntnis des Gegenstandes eine ideologische Wertung (bewusst oder unbewusst) substituieren.

Fassen wir zusammen: Die Wissenschaft über den Menschen, die mehr will, als diesen nur rein physikalisch zu beschreiben, ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie sich als moderne, materielle Wissenschaft versteht, da ihren Gegenstand, den Menschen, gar nicht zur Gänze, und nicht in seinem wichtigsten Teil, zu erfassen vermag. Als Ersatz für die aus diesem Grund fehlenden fundierten Kenntnisse seines Forschungsgegenstandes verwendet der Forscher, bewusst oder unbewusst, Versatzstücke aus seiner eigenen gesellschaftlichen, politischen oder religiösen Weltanschauung, durch die die unvermeidlichen Lücken geschlossen und das Ergebnis als „Wissenschaft“ verkauft werden kann.

Dieser Art „Wissenschaft“ brauchen wir keinen Glauben zu schenken, weil sie weder die beeindruckende logisch-empirische Fundierung moderner Naturwissenschaft besitzt, noch über ein solides philosophisches Fundament verfügt, das eine Reflektion über den Menschen als Menschen im Sinne des traditionellen Wissenschaftsbegriffs ermöglichen würde. Es handelt sich letztlich nur um verbrämte Ideologie, gemischt mit obsessiv gesammelten Faktenversatzstücken, die zur Rechtfertigung der Ideologie herangezogen werden. Man könnte sagen: Sie ist Opium des Volkes.

Leider können wir nicht übersehen, dass diese Art pseudowissenschaftlicher Erkenntnisse den politisch-gesellschaftlichen Diskurs in unserem Kulturkreis weitgehend dominieren. Wenn irgendein Wissenschaftler Studien zu zitieren beginnt, die seinen Standpunkt belegen, dann schenkt man ihm einen blinden, naiven, kindlichen Glauben, der, richtete er sich auf Gott und nicht auf den Wissenschaftler und seine Studien, eines Heiligen würdig wäre. Dies gilt umso mehr, je besser die Studien dem gesellschaftlichen Mainstream auf den Leib geschneidert sind, und jegliche politische Inkorrektheit mit religiöser Sorgfalt vermeiden. Im Laufe der Jahre „lernen“ die Menschen in der Gesellschaft ganz viele „neue“ Erkenntnisse, die dann jeder wie aus der Pistole geschossen abspulen kann, wenn man ihn auf das richtige Thema anspricht.

Doch auch der Verteidiger traditioneller, christlicher Gesellschaftsstrukturen argumentiert meist mit Studien, die sich auf dieselben methodischen Prinzipien stützen, und daher ebenfalls hauptsächlich seine eigenen, in diesem Falle christlichen Vorurteile stützen. Auch diesen Studien braucht man keinen Glauben schenken, wenn man nicht bereits die entsprechende Weltanschauung des Wissenschaftlers teilt, die unvermeidlich in seine Voraussetzungen einfließt, wenn er seine Forschungen durchführt.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 2 von 7)

2. „Sozialwissenschaft“ als Ideologie

Den Menschen kann man nur als Ganzheit von Leib und Seele verstehen. Wenn die modernen Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaften, Psychologie, aber auch die Ökonomie (außerhalb streng ökonometrischer Erfassung wirtschaftlicher Daten), uns die Ergebnisse ihrer Studien als „Erkenntnisse“ oder „Wissen“ verkaufen, dann können sie diesen Anspruch nur selten erfüllen. Alasdair MacIntyre schreibt darüber, geradezu am Rande, aber dennoch sehr instruktiv, in seinem hauptsächlich moralphilosophischen Werk „After Virtue“, besonders im 7. und 8. Kapitel, wobei er sich auf die empirisch feststellbare Abwesenheit verlässlicher Ergebnisse im Felde der Sozialwissenschaften konzentriert, ohne den grundsätzlicheren Einwand zu erheben, den ich hier formuliert habe.

Weil es an einer Methode mangelt, mit der der Mensch als Leib-Seele-Ganzheit auch nur wahrgenommen wird, sind die Ergebnisse dieser Wissenschaften notwendigerweise nicht allzu ergiebig. So wie jemand, der versucht, mit einer Gabel Suppe zu essen, sich nicht zu wundern braucht, wenn das nicht richtig funktioniert. Es landet vielleicht etwas Suppe auf der Gabel, so wie auch der Sozialwissenschaftlicher manchmal auf richtige Ergebnisse stößt. Doch zumeist findet er entweder triviale Wahrheiten (wie dass Mann und Frau verschieden sind), für deren Erkenntnis man seine Studien nicht gebraucht hätte, oder absurde Unwahrheiten (wie dass Mann und Frau gleich wären), die auch durch seine Studien nicht wahrer werden.

Die wichtige Einsicht ist, dass man diesen Studien überhaupt kein Vertrauen zu schenken braucht, weil dahinter zwar ausgefeilte Methoden stehen, die jedoch, so ausgefeilt sie auch sein mögen, schon prinzipiell nicht geeignet sind, den Menschen als Leib-Seele-Ganzheit auch nur wahrzunehmen. Wer Mikroorganismen mit bloßem Auge untersucht, wird keine finden. Er braucht ein Mikroskop. Wenn besagter Biologe uns nun erklärte, seine Untersuchungen hätten gezeigt, es gäbe keine Mikroorganismen, wäre ein Lachanfall gerechtfertigt, wenn auch vielleicht nicht gerade höflich. Wir würden niemandem glauben, der uns erklärt, er habe tausend Menschen angeschaut und viele erbauliche Gespräche mit ihnen geführt, und nie eine Lunge gesehen, und dies als Indiz dafür anführte, dass Menschen keine Lunge hätten. So ist es auch mit den Studien der Sozialwissenschaftler. Sie untersuchen den Menschen und die Gesellschaft (also viele Menschen, die strukturiert zusammenleben) mit einem Instrumentarium, das den Menschen in seinem wesentlichen Merkmal gar nicht erfassen kann. Da sie den Untersuchungsgegenstand nicht wirklich untersuchen können, hängen die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Studien hauptsächlich von den Vorurteilen der Wissenschaftler ab, die sie produzieren, und von den Geldgebern, die sie bezahlen.

„Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“, lautet ein etwas plumper Satz, der eine verwandte Aussage macht, nämlich dass man die meisten sozialen Tatbestände statistisch so darstellen kann, dass sie beim Leser ideologisch richtig gefiltert ankommen. Meist handelt es sich dabei gar nicht um bewusste Fälschungen; es geschieht ganz unbewusst, aufgrund der natürlichen Tendenz von Menschen, zu sehen was sie sehen wollen.

Ein feministischer Soziologe wird also „herausfinden“, dass Mann und Frau gleich sind, und die linksliberalen Medien werden sich über die Ergebnisse stürzen als „Beweis“ für die Richtigkeit ihres Egalitarismus. Er wird auch „wissenschaftlich“ bestätigen können, dass Frauen glücklicher sind, wenn sie sich in Lohnsklaverei verdingen, und dass es Kindern in Krippen weit besser geht als bei ihren eigenen Eltern. Er kann ein langes Lied davon singen, alles „wissenschaftlich“ untermauert, mit mehr als 834 unabhängigen Studien, dass Kinder in homosexuellen Lebensgemeinschaften genauso gut aufwachsen wie in traditionellen Familien. Sein ebenso feministischer Kollege aus der Psychologie wird bestätigen, dass die traditionelle Familie für den autoritären Charakter verantwortlich ist, und deshalb zu Hitler und Ausschwitz geführt habe, und dass, wie Freud das ausdrückte, das Christentum eine Art Geisteskrankheit ist. Und alle diese Aussagen sind „wissenschaftlich oftmals bestätigt“.

Ein christlicher Soziologe und sein ebenso christlicher Psychologenkollege können sich ebenfalls „wissenschaftlich“ mit den genannten Themen auseinandersetzen. Sie werden herausfinden, dass Kinder am besten bei ihren Eltern aufwachsen, dass Frauen eigentlich doch ziemlich traditionelle Ansichten haben, dass Kinder, die in homosexuellen Beziehungen, bei Alleinerziehenden oder in vergleichbaren Verhältnissen aufwachsen, überdurchschnittlich oft Opfer sexuellen und anderen Missbrauchs werden, weitaus schlechtere Bildungschancen haben und vieles mehr, als vergleichbare Kinder aus traditionellen Familien. Sie können feststellen, dass christliche Menschen länger leben, einen ausgeglicheneren Charakter und viele andere Vorzüge haben, die ganz sicher das nächste Ausschwitz verhindern würden, so wie sie das letzte nicht verhindert haben.

Soziologen, Psychologen, Erziehungswissenschaftler mit noch anderen Ansichten werden zu noch anderen Ergebnissen kommen. Das funktioniert ja sogar in der noch relativ empirisch-naturwissenschaftlichen Klimatologie (wo die Studien der Umweltschützer und an globaler Macht interessierten Regierungen behaupten, der Klimawandel sei vom Menschen gemacht, während die Interessengruppen der anderen Seite ebenso wissenschaftlich herauszufinden glauben, der Klimawandel sei auf natürliche Faktoren zurückzufügen und in der Summe gar kein großes Problem). Es funktioniert erst recht in den „weichen“ Wissenschaften vom Menschen.

Aufgrund der Studienschwemme kann man nicht sagen, welche Position richtig ist. Der Feminist wird sich durch einen riesigen Haufen Studien und Untersuchungen aller Fachrichtungen bestätigt fühlen; der traditionelle Christ wird auch genug Studien finden, an denen er sich hochziehen kann, wenn ihm danach ist. Es gibt mehr pro-feministische Studien, weil es mehr pro-feministische Wissenschaftler an der säkularen Hochschule gibt, und weil sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberverbände ebenso wie die Regierung und alle wesentlichen Oppositionsgruppen die feministische Position unterstützen – manche aus Ideologie, andere aus einfacher ökonomischer Kalkulation. Doch Wahrheit und Mehrheit sind, das sagt schon der Untertitel des Blogs Kreuzfährten, von dem ausnahmslos alle Leser dieser Zeilen schon mindestens einmal gehört haben dürften, zwei völlig verschiedene und oft entgegengesetzte Dinge.

Der Götzendienst der Wissenschaft (Teil 1 von 7)

1. Von den verschiedenen Wissenschaften

Oft wird gesagt, man müsse dieses oder jenes ändern oder abschaffen, weil die Wissenschaft dies so empfehle. Wir sollen unsere Kinder jetzt anders erziehen, weil irgendwelche meist kinderlosen Sozialpädagogen bedeutungsschwangere Studien durchgeführt haben, nach denen Kinder angeblich besser aufwachsen, wenn die Erziehung sich zufälligerweise am gerade herrschenden Paradigma orientiert. Welches Paradigma das ist, hängt von der Zeit ab, in der die Studie verfasst wird, und dem gesellschaftlichen Klima, in dem der die Studie verfassende „Wissenschaftler“ lebt.

Ebenso funktioniert das in jeder „Sozialwissenschaft“, oder, genauer gesagt, in jeder Wissenschaft, die als Gegenstand den Menschen als Menschen (nicht als bloßes materielles Ding, sondern in seiner Eigenschaft als Mensch) hat. Sobald man nicht mehr nur betrachtet, wie bestimmte physikalische Teilchen miteinander interagieren, sondern die Betrachtung auf Menschen ausdehnt, hat man es nicht mehr mit Wissenschaft im strengen Sinne zu tun. Physikalische Experimente können wiederholt werden. Sie laufen unter streng kontrollierten Bedingungen ab, die jederzeit in entsprechenden Laboren reproduziert werden können. Es gelten bestimmte mathematische Gesetze bei der Bildung physikalischer Theorien. Wissenschaften, die nach diesem Paradigma funktionieren, können uns Erkenntnisse liefern, die nicht (oder nur in sehr geringem Maße) von den Vorurteilen des Wissenschaftlers abhängen. (Obwohl die Neutralität selbst der Naturwissenschaften wissenschaftstheoretisch sehr umstritten ist.)

Doch die Sozialwissenschaften sind in diesem strengen Sinn keine Wissenschaften. Ihr Gegenstand ist der Mensch oder der Mensch in Gesellschaft, was aufgrund der Sozialnatur des Menschen letztlich dasselbe ist, nur unter einem anderen Gesichtspunkt.  Doch der Mensch hat freien Willen. Er trifft Entscheidungen, die weder physikalisch determiniert sind, noch ausschließlich ansozialisiert wurden. In ihm gibt es komplexe Wechselwirkungen zwischen natürlichen Voraussetzungen, gesellschaftlichen Erwartungen, internalisierten Vorstellungen und dem letztlich freien Willen. Diese Wechselwirkungen sind sozialwissenschaftlicher Erkenntnis prinzipiell nicht zugänglich. In „That Hideous Strength“ lässt C.S. Lewis den Chemiker Hingest sagen: „You can’t study men; you can only get to know them, which is quite a different thing.“ („Man kann Menschen nicht studieren, man kann sie nur kennenlernen, was etwas völlig anderes ist.“)

Lewis hat hier, wie meistens, eine tiefe Einsicht auf den Punkt gebracht. Das, was im modernen Sinn des Wortes als Wissenschaft gelten kann, vermag den Menschen als Menschen nicht zu studieren, weil ihr das Wesentliche entgeht. Materielle Wissenschaft kann den Menschen nicht erfassen, weil der Mensch nicht nur Materie ist, sondern auch Geist; weil im Menschen Materie und Geist eng und untrennbar zusammenwirken. Der Mensch ist beseelt, anders als das Elementarteilchen. Die Seele, aristotelisch gesprochen die Form des Körpers, kann nicht vom Menschen getrennt werden (außer durch den Tod). Doch die materielle Wissenschaft kann die Seele nicht sehen, weil sie nur Materie untersuchen kann.

Um den Menschen mit wissenschaftlichem Anspruch zu untersuchen, benötigt man ein anderes, nämlich ein geistiges Instrumentarium. Und damit kommen wir zu den sogenannten Geisteswissenschaften. Im Kontext der säkularen Hochschule sind sie weitgehend deformiert und kaum noch als solche zu erkennen, weil sie sich dem modernen wissenschaftlichen Paradigma ihren Wesensgehalt aufgebend auf der Jagd nach wirtschaftlichem Nutzwert angepasst haben, um überhaupt überleben zu können. Sie führen ein erbärmliches Schattendasein. Die faktische Apostasie eines guten Teils der universitären Theologie ist nur Teil eines breiteren Phänomens, das den Niedergang aller Geisteswissenschaften umfasst. Diese Wissenschaften haben das Instrumentarium, nämlich vornehmlich den menschlichen Geist, um etwas über den Menschen als beseeltes Lebewesen herausfinden zu können. Doch sie sind im modernen Sinn keine Wissenschaften, da sie weder empirisch noch formal mathematisch oder formal logisch vorgehen. Sie sind „nur“ in einem älteren Sinne „Wissenschaft“. Sie stellen einen geordneten Korpus von Wissen dar, doch er wurde nicht nach der modernen wissenschaftlichen Methode gewonnen, sondern durch die Verwendung des menschlichen Geistes etwa in Form philosophischer Reflektion.