Vom Martyrium und dem ersten Karfreitag

Matthew Archbold und sein Bruder Patrick entwickeln sich für mich immer mehr zu einer täglichen Pflichtlektüre, sowohl was ihren gemeinsamen Blog als auch ihre Kolumne im National Catholic Register betrifft. Aktuell befindet sich dort ein ernüchternder Artikel über die Aussichten katholischer Eltern und ihrer Kinder in der nahen Zukunft. Ein kurzer Auszug (es lohnt sich aber, den ganzen Artikel zu lesen):

I was looking at my children in Mass yesterday and a horrifying thought occurred to me. If I do my job well as a parent, my children may end up persecuted and/or in jail. That may be the best I can hope for at this point in 21st century America.

(…)

I’m not talking about troubled times ahead for my grandchildren’s children in some possible future. I’m talking about my kids. So revolutionary have been the recent changes in America that defending life, liberty, and the pursuit of holiness could very well lead to persecution in the very near future.

(Gestern schaute ich meine Kinder bei der Messe an und mir kam ein schrecklicher Gedanke. Wenn ich meine Aufgabe als Elternteil gut erfülle, könnten meine Kinder dereinst verfolgt werden oder im Gefängnis landen. Das könnte das beste sein, worauf ich im Amerika des 21. Jahrhunderts hoffen kann.

(…)

Ich spreche nicht über schwere Zeiten in irgendeiner möglichen Zukunft für die Kinder meiner Enkelkinder. Ich spreche über meine Kinder. So revolutionär waren die Veränderungen in letzter Zeit, so dass die Verteidigung des Lebens und der Freiheit und das Streben nach Heiligkeit sehr wohl in sehr naher Zukunft zur Verfolgung führen könnten.

Ernüchternd, aber wahr, nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa. Einige der Gründe, die für diese – manchen hysterisch-optimistischen Zeitgenossen allzu extrem erscheinende – These sprechen, zählt der Autor in seinem Artikel auf. Systematisch wird der Freiheit der Christen das Wasser abgegraben, auch wenn viele der unmittelbaren Handlungsträger der fraglichen Veränderungen dies nicht realisieren, und sicher aus guter Absicht handeln.

Es ist eine Tatsache, dass Kirche und Staat noch nie lange friedlich nebeneinander bestanden haben, ohne voneinander Notiz zu nehmen. Es gibt eben keine „staatliche Neutralität in Fragen der Religion“, es sei denn wir sprechen von einem völlig unrealistischen Nachtwächterstaat, der einige seiner eigentlich ihm zukommenden Aufgaben nicht mehr erfüllt. Wenn der Staat seine legitimen Aufgaben erfüllen will, dann muss er in Bereichen aktiv werden, in denen auch das ausgebildete christliche Gewissen bzw. die Kirche legitime Interessen haben.

Wenn sie dann nicht zusammenarbeiten, kommt es unweigerlich zum Machtkampf zwischen Staat und Kirche.

Die einzigen Alternativen lauten also Zusammenarbeit oder Machtkampf, und wie der Machtkampf in einer säkularisierten Gesellschaft ausgehen wird, steht außer jeder sinnvollen Diskussion. Vor allem, da die Kirche, angeführt von popularitätssüchtigen Hirten, denen es selten um Wahrheit, viel häufiger um Mehrheit zu tun ist, in diesen Machtkampf kaum einzutreten bereit ist. Aufgrund der Massendesertion der zur Verteidigung der Kirche, ihrer Freiheit und ihrer unverkürzten Lehre bestellten Hirten steht die Kirche wehrlos vor einem immer raumgreifenderen Staat, der kaum noch bereit ist, seinen traditionell katholischen Bürgern selbst liberal verstandene Freiheitsrechte einzuräumen, wenn sie nicht im Gegenzug weite Teile der antichristlichen Staatsideologie – wie das „Recht“ auf Verhütung, Homo-„Ehe“, Abtreibung, Scheidung, Gender Mainstreaming etc. – übernehmen.

Rational betrachtet gibt es nur drei Modelle für die Koexistenz von Kirche und Staat: Verfolgung, Zusammenarbeit oder ein System, das an die „Zweischwerterlehre“ erinnert, derzufolge der geistliche und der weltliche Arm letztlich nur zwei verschiedene Schwerter in der Hand der Kirche seien. Letztere ist nur in einer zutiefst christlichen Gesellschaft über längere Zeit umzusetzen, und zwar selbst in nichtdemokratischen Systemen, weil keine Staatsform dauerhaft gegen den Willen der überwältigenden Volksmasse regieren kann. Außerdem ist ihre (moralische) Zulässigkeit selbst in einer solchen Gesellschaft zweifelhaft, da eine genuine staatliche Autonomie in rein weltlichen Fragen bestehen bleiben sollte.

Sehen wir also von der unrealistischen und zweifelhaften Zweischwerterlehre ab, so bleibt nur die Alternative „Kooperation oder Verfolgung“. Doch wenn der Staat von der Kirche oder ihren Gläubigen gesetzlich den Bruch ihres Gewissens bzw. der Lehre der Kirche zu Fragen des Glaubens oder der Sittenlehre verlangt, wird die Kooperation unmöglich und der Staat verliert objektiv seine Legitimität.

Er wird in der Regel weiterhin faktisch hingenommen werden müssen – Revolutionen scheitern meistens, und selbst wenn sie erfolgreich sind, verkehren sie sich fast immer in ihr Gegenteil. Es ist daher sinnlos und in der Regel verwerflich, sich an ihnen zu beteiligen.

Verlangt der Staat solches von den Christen, so müssen sie dem imperialen Willen trotzen. Caesar bekommt, was ihm zusteht, aber es steht ihm nicht zu, auf dem Gewissen der Christen herumzutrampeln, indem er von den Christen verlangt, gegen die Sittenlehre oder den Glauben zu handeln.

Genau dies sind die westlichen, ehemals christlichen Staaten aber flächendeckend im Begriff zu verlangen. Und so mag es sein, dass, nach den Worten von Kardinal George, sein Nachfolger im Gefängnis und dessen Nachfolger als Martyrer sterben werde.

Dass Christen darauf in der Nachfolge des Herrn gefasst sein müssen, steht unbezweifelbar fest, seit dem ersten Karfreitag der Menschheitsgeschichte, als die Sklaven der Welt und ihres Fürsten ihren Schöpfer dahingeschlachtet haben.

Seit einem halben Jahrhundert verschließt die Kirche davor ihre Augen, um sich der Welt und ihrem Fürsten anzupassen. Die Quittung bekommen wir bald.

Staatskirche, Christlicher Staat und Religionsfreiheit (2/2)

Bewertung

Im ersten Teil des Artikels habe ich den Versuch einer Typologie oder Systematisierung einiger grundsätzlicher Optionen in der Debatte um das richtige Verhältnis von Kirche und Staat unternommen. Es folgt eine kurze Bewertung der dargestellten Ideen.

Staatskirchensysteme sind mit dem wohlverstandenen wahren katholischen Glauben in keiner Form zu vereinbaren. Schon der Hl. Augustinus bestand, angesichts der beginnenden Christianisierung der weltlichen Autorität, vehement auf einer prinzipiellen Trennung zwischen weltlicher und religiöser Sphäre. Ebenso ist jedoch die gegenteilige Abirrung zu verurteilen, nach welcher eine absolute religiöse Neutralität des Staates anzustreben sei (wie dies durch die Verurteilungen liberalistischer und sozialistischer Irrlehren im 19. und frühen 20. Jahrhundert lehramtlich deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist).

Mit dem christlichen Glauben unvereinbar sind damit also die Fälle (1) bis (3) sowie (8) und (9). Zu der derzeitigen Kontroverse um die Vereinbarkeit der Konzilslehre von der Religionsfreiheit mit dem traditionellen katholischen Glauben möchte ich mich im Rahmen des Artikels nicht äußern. Diese Frage muss ich besser informierten Zeitgenossen überlassen. Dass die Zweischwerterlehre zumindest ebenso zweifelhaft ist, wie die „gemäßigte Form“ der Religionsfreiheit am entgegengesetzten Ende des Spektrums christlicher Gesellschaftslehre, ist eindeutig, weil eine reale Autonomie der weltlichen Sphäre berechtigt und notwendig ist.

Übrig bleiben damit die Konzeptionen des klassischen Bekenntnisstaates und die Minimalversion. Ersterer setzt jedoch eine weitgehend christliche Gesellschaft voraus, da kein Staat langfristig gegen sein eigenes Volk regieren kann ohne zur Tyrannei zu werden. Er ist daher, wenn auch theoretisch sehr ansprechend, praktisch keine Option in der modernen, multikonfessionellen, säkularistisch geprägten westlichen Demokratie, ebenso wie er auch im Rom des frühen 2. Jahrhunderts nicht denkbar war.

Die Minimalversion eines christlichen Staates, in der Typologie mit (6) gekennzeichnet, setzte weitgehende Inaktivität der staatlichen Macht in einer Reihe sehr wichtiger Themengebiete, darunter Bildungs- und Sozialpolitik, voraus, was ebenfalls kaum durchsetzbar erscheint.

Eine einfache, klare und durchsetzbare Lösung des Problems der Rollenverteilung zwischen Kirche und Staat scheint es nicht zu geben. Praktisch sieht sich die Kirche heute einem Feind gegenüber, der ihr selbst die religiöse Neutralität noch streitig machen will – wie man an der Kontroverse um das Krankenversicherungsgesetz in den USA sieht, wo die Kirche sich mittels der Idee der Religionsfreiheit gegen den Versuch zur Wehr setzt, katholische Institutionen und Individuen zur finanziellen Unterstützung von Verhütung, Sterilisierung und frühabtreibenden Mitteln zu zwingen. Die Verteidigung der religiösen Neutralität des Staates wird daher heute zu einem wichtigen Anliegen der Kirche, wodurch sich das „Pastoralkonzil“ des 20. Jahrhunderts ausnahmsweise einmal tatsächlich als pastoral wegweisend zeigt. Wie auch immer die theologische Debatte um die Religionsfreiheit ausgehen mag, muss die Kirche heute nicht ihre Privilegien verteidigen, sondern ihre Grundrechte, und diese Grundrechte lassen sich mit der konziliaren Religionsfreiheit ganz vortrefflich und auf eine für moderne Ohren nicht extremistisch klingende Weise verteidigen.

Wie schon öfters begibt sich der Autor damit zwischen alle Stühle und Stuhlkreise. „Pastoral“ halte ich die Lösung des Konzils sogar für ziemlich günstig, obwohl ich mit ihr theologisch große Schwierigkeiten habe, so dass ich sie nicht für eine Dauerlösung und schon gar nicht für ideal halten kann, selbst wenn es eine Möglichkeit geben sollte, wie man diese Konzeption mit der traditionellen Idee eines christlichen Staates in Einklang bringen kann.

Ich bin davon überzeugt, dass wir drei verschiedene Dinge unterscheiden müssen:

(1) Eine derzeit nützliche Konzeption, die sich mit der kirchlichen Lehre vereinbaren lässt, und eine gute strategische Verteidigungsposition für die kommenden Angriffe auf die Freiheit der Kirche darstellt. Dafür scheint sich mir die Lehre des letzten Konzils zu eignen, so denn die dogmatischen Schwierigkeiten sich als überwindbar herausstellen, was ich für sehr wahrscheinlich halte.

(2) Eine ideale Konzeption, also das, was wir als Ziel anstreben; die bestmögliche Gesellschaftsordnung, die sich unter den Bedingungen dieser Welt (Erbsünde usw.) erreichen lässt. Dies ist meiner Ansicht nach in jedem Fall ein christlicher Bekenntnisstaat wie die vorkonziliaren Päpste ihn gefordert haben, in dem die wahre Religion die Förderung des Staates erhält, soweit dies je nach den spezifischen Zeitumständen möglich und sinnvoll erscheint, und die Ausübung der verbreiteten falschen Religionen toleriert, aber nicht gefördert wird. Ein solcher Staat müsste ferner strikt begrenzte Kompetenzen und Aufgabengebiete haben, damit er weder in die den Familien und Einzelpersonen zustehenden Freiheiten eingreift, noch die Kirche in ihrem heilbringenden Werk in irgendeiner Form beschränken kann.

(3) Einen Mittelweg zwischen beiden, also eine Konzeption, die anzustreben als Zwischenziel sinnvoll erscheint, das modifiziert wird, wenn ein Zwischen- oder Etappenziel erreicht worden ist. Wie dieser aussehen könnte, muss in jedem Land einzeln untersucht werden, da dies von der Ausgangsposition, der rechtlichen Stellung der Kirche in diesem Land, den historisch-kulturell gewachsenen Traditionen, der Rechtsordnung usw. abhängt. Ein solches Zwischenziel könnte heute zum Beispiel darin bestehen, dass islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen abgeschafft wird, um eine Sonderstellung des christlichen Glaubens zu bewahren, doch das ist nur ein Beispiel. Gemeint sind hier Zwischenschritte, pragmatische Reformvorschläge, die praktisch umsetzbar sind, und die Gesamtlage der Kirche und ihrer Rechte verbessern.

Sowohl der klassische Bekenntnisstaat und seine traditionellen und traditionalistischen Verteidiger (etwa in der Piusbruderschaft), als auch diejenigen, die sich, unbeschadet der theologischen Schwierigkeiten der Konzeption, ganz praktisch für die Verteidigung wenigstens gleicher Rechte der Kirche gegenüber Staat und den falschen Religionen einsetzen, haben damit ihre legitime, sinnvolle Berechtigung in der heutigen Gesellschaft. Wir brauchen sie beide, und ich möchte beide dazu aufrufen, dass sie das Gute anerkennen, das die jeweils andere Seite zu verteidigen versucht, ohne dabei das Gute aufzugeben, für das sie sich selbst einsetzen, und dass Kritik, wo notwendig, sachlich und in christlicher Nächstenliebe vorgebracht wird, statt mit Polemik, wie es leider oft der Fall zu sein scheint, wenn „Anhänger“ und „Gegner“ der „konziliaren Religionsfreiheit“ aufeinander prallen.

Staatskirche, Christlicher Staat und Religionsfreiheit (1/2)

Angespornt durch einen Artikel auf dem neuen Blog des geschätzten Johannes habe ich dort kommentiert und mich dann dazu entschlossen, die dort im Kommentar angedeuteten Gedanken etwas weiter auszuformulieren. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist der vorliegende Artikel. Als Vorbemerkung möchte ich darauf hinweisen, dass die folgenden Gedanken in keiner Weise die offizielle Lehre der Kirche darstellen. Die Darstellung ist nicht katechetischer Natur, auch wenn sie in keinem Punkt absichtlich von der Lehrtradition der Kirche abweicht. Für versehentliche Abweichungen kann ich nichts – ich bitte dann um brüderliche Korrektur bei diesem schwierigen Thema.

Doch genug der Vorrede, kommen wir zum Thema. Die Absicht des Artikels ist eine Systematisierung verschiedener Vorstellungen des Verhältnisses von Kirche, Religion und Staat.

Staatskirche

In einer staatskirchlich verfassten Gesellschaft sind Staat und Kirche in keiner Form getrennt. Das Oberhaupt des Staates ist zugleich das Oberhaupt der Kirche oder zumindest ist einer von beiden gegenüber dem anderen weisungsbefugt. Generell gibt es nun drei mögliche Grundformen einer Staatskirche, die sich danach unterscheiden, welche Macht – weltliche oder religiöse – nun dominant ist.

(1) Theokratie: In einer Theokratie ist die Kirche oder sonstige Religionsgemeinschaft dominant. Der Staat ist bloß das ausführende Organ der religiösen Führer. Das beste Beispiel dürfte das Regime der Ayatollahs im Iran sein.

(2) Echte Staatskirche: Der Staat und die Kirche sind absolut identisch. Ein Unterschied zwischen weltlicher und religiöser Sphäre wird nicht gemacht. Das Staatsoberhaupt ist identisch mit dem religiösen Oberhaupt und wird entweder als Gott angebetet und anderweitig religiös verehrt. Ein Beispiel wäre die Herrschaft der ägyptischen Pharaonen.

(3) Säkularismus: Der Staat dominiert die Kirche und bestimmt, was die Kirche tun und lassen darf. Die Ausübung der Religion ist nur insoweit zulässig, wie sie den Gesetzen und Ideologien der im Staat herrschenden säkularen Eliten nicht zuwiderläuft. Diese Form der Staatskirche befindet sich derzeit in Westeuropa im Vormarsch. Eine bekannte Vertreterin dieser Thesen ist etwa Claudia Roth, wobei sie sich jedoch auch gut unter Punkt (9) weiter unten einordnen ließe.

Christlicher Staat

Unter einem christlichen Staat ist ein jeglicher Staat zu verstehen, zu dessen Fundamenten das Bekenntnis zum christlichen Glauben gehört. Dies kann prinzipiell sowohl in Demokratien als auch in Monarchien geschehen – der Monarch kann sich natürlich zum christlichen Glauben bekennen, aber es kann auch nicht änderbare Verfassungsprinzipien geben, die ein solches Bekenntnis voraussetzen bzw. für die Staatsführung vorschreiben. Weltliche und religiöse Gewalt sind in einem christlichen Staat grundsätzlich voneinander getrennt, arbeiten aber in allen Bereichen zusammen, in denen sowohl weltliche als auch religiöse Aspekte bedeutsam sind. Eine vollständige Trennung von Kirche und Staat ist nicht möglich, da das Gemeinwohl – die genuine Staatsaufgabe – eben in der Realität auch religiöse Anteile hat. Auch hier möchte ich drei Grundtypen beschreiben, deren Unterscheidungsmerkmal diesmal der Grad der Zusammenarbeit zwischen weltlicher und religiöser Gewalt ist.

(4) Zweischwerterlehre: Diese Auffassung kommt, soweit ich sie verstanden habe, der Staatskirchenidee recht nahe. Die weltliche Gewalt bleibt zwar prinzipiell von der Kirche getrennt, ist jedoch nur das zweite Schwert der kirchlichen Gewalt, besitzt also keine reale, religionsunabhängige Autonomie.

(5) Bekenntnisstaat: In einem Bekenntnisstaat, wie die vorkonziliaren Päpste ihn in diversen Enzykliken beschrieben haben, bekennt sich der Staat zum christlichen Glauben und fördert die Ausübung der wahren Religion nach Kräften. Die Unterscheidung zwischen kirchlicher und staatlicher Gewalt bleibt davon jedoch unangetastet, und der Staat besitzt eine reale Autonomie, eine Kernkompetenz in rein weltlichen Fragen. Seine Aufgabe ist das Gemeinwohl, und er muss mit der Kirche zusammenarbeiten, wo das Gemeinwohl religiöse Fragen berührt. Die klassische christliche Monarchie ist das Paradebeispiel für einen Bekenntnisstaat.

(6) Minimalversion: Ein christlicher Staat, in dem religiöse und staatliche Gewalt eine maximale Trennung erhalten sollen, müsste zumindest ein implizites verfassungsmäßiges Bekenntnis zur christlichen Religion enthalten, der Kirche volle Handlungsfreiheit in allen Dingen gewähren, die die religiöse Sphäre berühren, und dürfte die falschen Religionen nicht fördern (er dürfte ihnen aber neutral gegenüberstehen, indem er sie im Namen der Freiheit einfach „leben lässt“, ohne von ihnen weiter Notiz zu nehmen) und der wahren Religion nicht schaden. Ein solcher Staat wäre sehr minimalistisch, d.h. er müsste sich aus der Regelung aller Fragen zurückziehen, die in die religiöse Sphäre hineinreichen – da er sonst zur Parteinahme für die Wahrheit und gegen die falschen Religionen verpflichtet wäre. Damit wäre, um ein wichtiges Beispiel zu nennen, ein staatliches Bildungssystem nicht möglich, da in staatlichen Schulen entweder die wahre Religion (was eine Förderung der wahren Religion bedeutete), oder alle Religionen (was einer Förderung der falschen Religionen gleichkäme), oder gar keine Religion (was eine Förderung des Atheismus bedeutete, und damit der wahren Religion schadete) unterrichtet werden müsste. Eine gewisse „religiöse Neutralität“ wäre auf diese Weise in einem christlichen Staat durchaus umsetzbar, ob diese Minimalversion wünschenswert wäre, möchte ich nicht beurteilen. Sie scheint mir jedoch den Punkt maximalen christlichen Entgegenkommens gegenüber den falschen Religionen darzustellen.

Religionsfreiheit

Unter Religionsfreiheit kann man wiederum verschiedene Dinge verstehen. Generell soll aber in einem nach dem Prinzip der Religionsfreiheit organisierten Staat keine Religion gefördert werden. In irgendeinem Sinne soll der Staat „religiös neutral“ sein. Auch hier möchte ich wieder drei verschiedene Ausprägungen unterscheiden, diesmal nach dem Kriterium, inwieweit der Staat im Rahmen der religiösen Neutralität die Ausübung der wahren Religion als gut, neutral oder schlecht begreift.

(7) Konziliare Religionsfreiheit: Ich nenne diesen Typus so, weil er mir das zu sein scheint, was etwa Papst Benedikt, das II. Vatikanische Konzil und das nachkonziliare Lehramt anzudeuten scheinen. Darunter ist eine Religionsfreiheit zu verstehen, die ein freiwilliges, starkes und kämpferisches Bekenntnis zum wahren Glaubens seitens der Staatsführer durchaus nicht ablehnt, sondern sogar begrüßt. Ein religiös neutraler Staat dürfte nach dieser Auffassung  jederzeit von christlichen moralischen Prinzipien geleitet sein, und sogar die christliche Religion fördern (etwa durch christlichen Religionsunterricht oder Schulgebete). Er bleibt dem Naturrecht uneingeschränkt verpflichtet, da dies nicht auf einer religiösen Offenbarung, sondern auf der allgemeinen Menschenvernunft aufsetzt.

(8) Liberale Religionsfreiheit: Im Liberalismus ist Religion Privatsache. Für das Verhältnis von Kirche und Staat bedeutet dies eine strikte Trennung. Ausübung der Religion (egal welcher Religion) ist zulässig (und der individuelle Liberale mag sehr fromm sein) doch kann niemals staatliche Förderung erhalten, oder wenn doch, dann müssten alle Religionen gleichermaßen gefördert werden. Dieses Verständnis ist von der Kirche immer klar und eindeutig verurteilt worden.

(9) Atheistische Religionsfreiheit: Ein auf einer so verstandenen Religionsfreiheit basierender Staat müsste die Ausübung der Religion aktiv bekämpfen.  Er wäre „religiös neutral“, weil er diese Bekämpfung auf alle Religionen ausdehnt. Faktisch fördert er dadurch natürlich den Atheismus, selbst wieder ein bestimmtes Glaubensbekenntnis, und ist dadurch in die Nähe einer atheistischen Staatskirche – wie in (3) beschrieben – zu rücken. Beispiele für diese Art Religionsfreiheit bieten die kommunistischen Regime in großer Zahl, und der moderne Westen entfernt sich rapide von der liberalen Religionsfreiheit und schreitet zu ihrer radikalisierten atheistischen Version voran. Dass die Kirche sie lehramtlich verurteilt, ist sowohl vor wie nach dem Konzil vollkommen klar.

Soweit die Typologie. Es folgt morgen im zweiten Teil des Artikels eine Zusammenfassung samt kritischer Bewertung der dargestellten Inhalte unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach dem Verhältnis von Christlichem Staat und Religionsfreiheit. Dem Autor ist bewusst, dass eine solche Typologie keine Konzeption erschöpfend darstellen, oder ihr auch nur gerecht werden kann, und dass im Interesse der Übersichtlichkeit wichtige Punkte der Darstellungsweise zum Opfer fallen müssen, doch er glaubt, dass auch für solche Übersichtsdarstellungen Platz sein muss, da sie allein Orientierung in der Komplexität solcher sozialethischer und theologischer Debatten bieten können.

Gott? Welcher Gott?

Wieder einmal hat es eine Umfrage gegeben, in der sich die Mehrheit der Deutschen als gottgläubig bezeichnet, und sogar 59% erklärten, sie glaubten, Christus sei Gottes Sohn. Ferner gab knapp die Hälfte der Befragten an, sie hätten vor einen Weihnachtsgottesdienst zu besuchen. In diesem Fall ist es eine repräsentative Umfrage von Emnid, also eines durchaus renommierten Meinungsforschungsinstituts. Das Problem ist nur, dass man daraus keine vernünftigen Schlüsse ziehen kann. Denn dieselbe Umfrage findet auch heraus, dass nur 6 (in Worten: s e c h s) Prozent der Deutschen ein Tischgebet sprechen. Weniger als ein Drittel glaubt an das bereits im Glaubensbekenntnis verankerte jüngste Gericht. Nur fünf Prozent lesen regelmäßig in der Bibel. Wir wissen ferner, dass nur etwa 10% der Katholiken und 5% der Protestanten sonntags einen Gottesdienst besuchen. Das macht, bezogen auf die Gesamtbevolkerung eine Gottesdienstteilnahme von etwa 5%.

Insgesamt lässt sich also konstatieren, dass etwa fünf Prozent der deutschen Bevölkerung dem christlichen Glauben anhängt, und da sind die evangelischen Gemeinschaften bereits eingerechnet. Dazu kommen, wenn manandere relevante Weltreligionen auch noch hinzurechnen möchte, mikroskopisch kleine Grüppchen praktizierender Juden und die hinlänglich durchdiskutierten Moslems, die wohl realistisch betrachtet als die derzeit größte und wichtigste religiöse Gruppe in Deutschland gelten müssen.

Vor dem Hintergrund der bekannten sonstigen Zahlen, der anderen Umfrageergebnisse aus der oben erwähnten Emnid-Umfrage, und dem allgemeinen, generell unwidersprochen hingenommenen antichristlichen gesellschaftlichen Klima, erscheint die Behauptung, fast 60% der Deutschen glaubten an die Gottessohnschaft Jesu Christi und sogar mehr als 60% glaubten an Gott, fast wie ein schlechter Scherz. Wenn 60% der Deutschen an einen Gott glaubt, dann ist es offenbar kein christlicher Gott.

Doch es scheint nur so. In Wahrheit ist es kein schlechter Scherz. Denn nicht nur die gläubigen Christen glauben an die Gottessohnschaft Jesu Christi. Auch der Satan glaubt – und zittert.

Abschlussfrage: Soll sich die Kirche dieser Welt wirklich öffnen, oder wäre es nicht angemessener, aus der Kirche eine Trutzburg gegen den heraufziehenden Sturm zu machen, die dann allen gutwilligen Menschen eine Zuflucht bieten könnte?

Die kinderfeindliche Betreuungslüge

Durch Zufall stieß ich auf dem Osnabrücker Bistumsblog auf einen Artikel zum Thema Kinderlosigkeit in Deutschland, las ihn, und stellte mir sofort die Frage, warum selbst Katholiken heute so sehr vor einer ernsthaften Betrachtung des Problems zurückscheuen. Stattdessen arbeitet man sich auch auf dem „Bistumsblog“ an den üblichen Orthodoxien der Politischen Korrektheit ab. Beispiel gefällig?

Es gibt ein Betreuungsproblem für Menschen mit Kindern. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch nicht so gut, wie ich mir das wünsche. Ein Elternteil, meist die Mutter, ist durch die Kleinkindphase deutlich im Erwerbsleben eingeschränkt. Oft ist Kinderbetreuung so teuer, dass ein guter Teil der Einkünfte des teilzeitbeschäftigten Elternteils gleich „weitergereicht“ wird.
All das stimmt, erklärt aber nicht die Geburtenrate.

Lächerlich! Es gibt so kein „Betreuungsproblem“, sondern ein Moralproblem, dessen Ursache im sogenannten Feminismus liegt, der frauenfeindlichsten Ideologie, die den Westen jemals heimgesucht hat. Das Problem wird völlig missverstanden – durch ideologische Verblendung missverstanden – wenn man von „Betreuungsplätzen“ und den armen Frauen schwafelt, die in dem Einzigen „eingeschränkt“ werden, was nach der Ansicht der feministischen Ideologen im Leben überhaupt zählt, der Ersatzgottheit Selbstverwirklichung durch abhängige Erwerbsarbeit. Wie sehr dieser Götze die Gedanken selbst scheinbar katholischer Personen beherrscht, kann jeder sehen, der den verlinkten Artikel des Bistumsblogs von Osnabrück liest.

Die Mutter ist durch ihr Kind „in der Kleinkindphase deutlich im Erwerbsleben eingeschränkt?“ Mag sein. Aber warum wird so getan, als ob es sich dabei um ein Problem handelte? Weil eben doch finanzieller Wohlstand mehr zählt, als das Wohl des Kindes? Weil die Mentalität, Kinder als „Last“ zu sehen, als „Einschränkung“, kurzum als Hindernis eben auch in den Köpfen sogenannter Katholiken steckt? Blasen wir unser Hirn einmal von den engstirnigen, rein diesseitigen, glaubensfernen Wohlstandsdünkeln des Säkularismus und der selbstsäkularisierten Kirche frei!

Wenn Wir nun, Ehrwürdige Brüder, Uns anschicken, die Segensgüter, die Gott in die wahre Ehe hineingelegt hat, darzulegen, so kommen Uns die Worte des gefeierten Kirchenlehrers in den Sinn, dessen fünfzehnhundertjährigen Todestag Wir noch vor kurzem durch Unser Rundschreiben „Ad salutem“[10] festlich begangen haben: „Das alles“, so sagt Augustinus, „sind Güter, um derentwillen die Ehe selbst gut ist: Nachkommenschaft, Treue, Sakrament“.[11] Inwiefern diese drei Worte eine klare und erschöpfende Zusammenfassung der gesamten Lehre über die christliche Ehe bieten, setzt der heilige Kirchenlehrer auseinander, wenn er schreibt: „Die Treue will besagen, daß nicht außerhalb des Ehebundes mit einem anderen oder einer anderen Verkehr gepflegt werde. Die Nachkommenschaft, daß das Kind mit Liebe entgegengenommen, mit herzlicher Güte gepflegt und gottesfürchtig erzogen werde. Das Sakrament endlich, daß die Ehe nicht geschieden werde und der Geschiedene oder die Geschiedene nicht einmal, um Nachkommenschaft zu erhalten, mit einem anderen eine Verbindung eingehe. Das hat als Grundsatz der Ehe zu gelten, durch das die naturgewollte Fruchtbarkeit geadelt und zugleich das verkehrte Begehren in den rechten Schranken gehalten werde.“

Soweit Papst Pius XI. in seiner unverzichtbaren Enzyklika Casti Connubii über die durch die Ehe zu erreichenden und anzustrebenden Güter. Und wenn die selbstsäkularisierten Biederkatholiken einmal so richtig schockiert tun wollen, dann mögen sie jetzt in der Enzyklika weiterlesen:

In der Familiengemeinschaft, deren festes Gefüge so die Liebe ist, muß dann auch die Ordnung der Liebe, wie es der hl. Augustinus nennt, zur Geltung kommen. Sie besagt die Überordnung des Mannes über Frau und Kinder und die willfährige Unterordnung, den bereitwilligen Gehorsam von seiten der Frau, wie ihn der Apostel mit den Worten empfiehlt: „Die Frauen sollen ihren Männern untertan sein wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist.“[32]

Die Unterordnung der Gattin unter den Gatten leugnet und beseitigt nun aber nicht die Freiheit, die ihr auf Grund ihrer Menschenwürde und der hehren Aufgabe, die sie als Gattin, Mutter und Lebensgefährtin hat, mit vollem Recht zusteht. Sie verlangt auch nicht von ihr, allen möglichen Wünschen des Mannes zu willfahren, die vielleicht unvernünftig sind oder der Frauenwürde weniger entsprechen. Sie ist endlich nicht so zu verstehen, als ob die Frau auf einer Stufe stehen sollte mit denen, die das Recht als Minderjährige bezeichnet und denen es wegen mangelnder Reife und Lebenserfahrung die freie Ausübung ihrer Rechte nicht zugesteht. Was sie aber verbietet, ist Ungebundenheit und übersteigerte Freiheit ohne Rücksicht auf das Wohl der Familie. Was sie verbietet, das ist, im Familienkörper das Herz vom Haupt zu trennen zu größtem Schaden, ja mit unmittelbarer Gefahr seines völligen Untergangs. Denn wenn der Mann das Haupt ist, dann ist die Frau das Herz, und wie er das Vorrecht der Leitung, so kann und soll sie den Vorrang der Liebe als ihr Eigen- und Sonderrecht in Anspruch nehmen.

Grad und Art der Unterordnung der Gattin unter den Gatten können sodann verschieden sein je nach den verschiedenen persönlichen, örtlichen und zeitlichen Verhältnissen. Wenn der Mann seine Pflicht nicht tut, ist es sogar die Aufgabe der Frau, seinen Platz in der Familienleitung einzunehmen. Aber den Aufbau der Familie und ihr von Gott selbst erlassenes und bekräftigtes Grundgesetz einfachhin umzukehren oder anzutasten, ist nie und nirgends erlaubt.

So, nachdem die Feministen und Säkularisten unter meinen Lesern jetzt sicher kurz vor einem unkontrollierten Wutanfall oder einem Herzinfarkt stehen, möchte ich jetzt einmal fragen: Wo kommt hier bitteschön irgendetwas, und sei es auch nur in einem Nebensatz, vor, das auch nur irgendwie andeutet, dass es eine unangenehme „Einschränkung“ für die Mutter eines Kindes sein könnte, wenn sie sich auch tatsächlich um die von ihr gezeugten Kinder kümmert, statt sie bei erster Gelegenheit in fremde Hände zu geben, nur damit sie wieder ihre Hände frei für die Dinge hat, die ihr offensichtlich (durch ihr Handeln bezeugt) wichtiger sind als das neue Leben, das Gott ihrer Familie geschenkt hat?

Wo ist die absurde, modernistische Auffassung, es sei beklagenswert, dass es nicht genug Ablagehalden für Kleinkinder gebe und die vorhandenen zu teuer für viele seien, hergekommen? Aus dem Schoße der Kirche? Welcher Papst, welches lehramtliche Dokument, hat jemals gelehrt, es sei gleichermaßen die Aufgabe der Mutter wie des Vaters Geld zu scheffeln? Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: Es gibt Situationen, in denen es nicht anders geht, als dass Vater und Mutter beide ihre Kinder zurücklassen müssen, um ihnen das physische Überleben zu sichern. Aber das gibt es in Deutschland und Westeuropa eben so gut wie nicht! Niemand muss in diesem Lande von einem Einkommen hungern (und wenn doch, dann hat er seine Prioritäten falsch gesetzt). Denn einmal keinen Urlaub machen zu können, oder nur einen Gebrauchtwagen zu besitzen, das ist keine Armut, sondern Wohlstandsgemecker. Armut ist hierzulande relativ – und zwar relativ zu den eigenen Vorstellungen und Ansprüchen.

Doch die ewige „drängt die Frauen in den Beruf“-Arie, jene ewige Leier des Großkapitals zwecks Drückung der Löhne und des Zentralstaats zwecks antikatholischer Indoktrination und Verbildung möglichst vieler Kinder in möglichst frühem Alter, ist nur die Folge einer viel tieferen Krankheit. Der Westen leidet unter einer tiefgreifenden Geschlechterverwirrung, so dass Mann und Frau praktisch als austauschbar erscheinen. Feminismus ist nichts anderes als die Idee, dass Frauen von Männern unterdrückt würden, wann immer sie nicht dieselben Dinge auf dieselbe Weise tun wie Männer. Geht der Mann arbeiten und sieht seine Kinder nur noch nach Einbruch der Dunkelheit, und die Frau nicht, dann sehen die Feministen dies als „Ungleichheit“ und „Benachteiligung der Frau“. Hier sieht man, wie die Rolle des Mannes vom Feminismus zum Ideal erhoben und die Frau als minderwertige Kopie gesehen wird – denn die Frau muss scheinbar immer den Mann nachäffen. Doch das hat die Frau nicht nötig, denn in Wahrheit sind Mann und Frau ihrer Würde nach gleich, Abbilder des einen Gottes. Und gerade deshalb haben sie unterschiedliche Stärken und Schwächen, unterschiedliche Fähigkeiten, und, daraus folgend, logischerweise auch unterschiedliche Funktionen in Familie und Gesellschaft.

Wie Pius XI. es hinreißend suggestiv und zugleich absolut treffend ausdrückt: Der Mann als Haupt und die Frau als Herz der Familie. Kopf und Herz sind beide absolut notwendige Teile des ganzen Körpers. Sie besitzen die gleiche Würde. Aber sie sind eben gerade nicht gleich – und wären sie gleich, so könnte der Körper nicht funktionieren. Beide haben eine wichtige, unersetzliche Funktion, aber nicht die gleiche Funktion. Und wenn das Herz versucht, so zu werden wie der Kopf, dann wird es seine Funktion nicht mehr erfüllen, und der Körper wird sterben. Ebenso, wenn der Kopf versucht, die Funktion des Herzens auszufüllen. Auch hier wird der Körper sterben. Beide sind – in ihrer wunderbaren Verschiedenheit – notwendig.

Exakt dasselbe gilt auch für die Familie. Die Mutter und der Vater sind beide absolut notwendig – keiner von beiden ist verzichtbar. Jedes Kind braucht einen Vater und eine Mutter. Doch auch Vater und Mutter sind nicht gleich, nicht austauschbar. Im Idealfall erfüllt der Vater seine Aufgabe und die Mutter ihre. Die Mutter, das Herz der Familie, hat in der Regel eine besondere Beziehung zu ihren Kindern – immerhin trug sie sie neun Monate unter dem Herzen. Der Vater steht in dieser Beziehung immer etwas außerhalb, aber auch er hat seine unersetzliche Funktion. Er wacht über die Sicherheit und das Wohlergehen dieser engsten Mutter-Kind-Paarung. Das bedeutet in der Erwerbsgesellschaft, dass er für die finanzielle Sicherung vornehmlich verantwortlich ist – und die Mutter eben nur im Notfall. Ist das eine Ungleichheit? Ja, natürlich. Und das ist auch gut so. Denn nicht jede Ungleichheit ist auch eine Ungerechtigkeit. Im Gegenteil – manche Ungleichheiten sind absolut notwendig für die Gerechtigkeit und sogar den Fortbestand der Familie:

Denn wohin die Alternative zu dem hier beschriebenen Familienmodell führt, kann jeder sehen, der sich in Westeuropa umschaut. Es gibt kaum noch Kinder – warum sollte man auch Kinder zeugen? Durch die Verbreitung künstlicher Empfängnisverhütung ist längst in die Köpfe der Gedanke des Kindes als Luxusgut eingezogen (auch wenn sich die üblichen Verdächtigen mit Worten so nicht ausdrücken würden, sie beweisen es durch ihr Tun). Und es fällt auf, dass der Artikel aus dem Bistumsblog die Themen Verhütung und Abtreibung mit keinem einzigen Wort auch nur erwähnt – denn der Autor scheint ja die Auffassung der Feministen vollauf zu teilen, dass man sich Kinder in besonders passenden Momenten des Lebens „anschafft“, wenn sie gerade nicht so sehr stören (sie die Mutter nicht so sehr „einschränken“). Es gibt keinen Grund für Kinder mehr. Warum soll eine Frau sich denn auch eine Schwangerschaft antun, wenn sie ohnehin das Kind so schnell wie möglich wieder an staatliche oder private Verwahranstalten abtreten will, auf dass sie bei den für sie wirklich wichtigen Dingen nicht gestört werde? Warum sollte man Kinder wollen, wenn durch die mutwillige Vernichtung der Ehe und der traditionellen Familie in den letzten 50 Jahren eine Situation entstanden ist, in der man schon am Tag der Hochzeit praktisch auf die kommende Scheidung in einigen Jahren wetten kann? Warum sollte man eine Familie gründen wollen – eine Familie im katholischen Sinne, im Einklang mit der Sittenlehre der Kirche – wenn man ganz offenbar irdische Güter der „Selbstverwirklichung“ höher bewertet als das Gut des Herrn? Eine Familie zu gründen und Kinder aufzuziehen ist schwere Arbeit, wenn man sich Mühe gibt. (Es ist auch keine „Halbtagsstelle“, die man mit Beruf und Karriere „vereinbaren“ müsste.)

Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht verwunderlich, dass die Gerichte und die Politik mehr und mehr aktiv gegen die wenigen noch verbliebenen traditionellen Familien mit rechtlichen Mitteln vorgehen – wie bei dem neuesten Skandalurteil des Bundesgerichtshofs gut zu erkennen, über das der Predigtgärtner geschrieben hat.

Doch das Problem sind nicht die Gerichte und die Politik. Sie passen sich nur der herrschenden Mentalität an. Jedes Volk bekommt die Regierung, die es verdient. Der Satz ist zumindest in Wahldemokratien immer und ausnahmslos wahr. Wir haben eine familienfeindliche Regierung, weil die Mehrheit der Wähler (und scheinbar selbst der Bistumsblog von Osnabrück) das Konzept der (traditionellen christlichen) Familie als in sich hinderlich und diskriminierend begreift. (Nicht expressis verbis, aber die entsprechende Mentalität scheint durch). Klar, manche bekommen immer noch Kinder. Und einige von ihnen sind sogar noch verheiratet und bleiben es auch. In der Praxis ist das alles richtig. Doch die Mentalität spricht Bände. Unhinterfragt bleibt es stehen, dass wir ja mehr „Betreuungsplätze“ bräuchten, und diese auch preiswerter sein müssten. Wollen wir wirklich starke Familien? Wie wäre es mit folgendem Programm:

1. Abschaffung sämtlicher staatlicher Förderungen für sog. Betreuungsplätze vor dem sechsten Geburtstag des Kindes.

2. Abschaffung der diversen Scheidungsliberalisierungen der letzten 60 Jahre, idealerweise totales Scheidungsverbot.

3. Totales, ausnahmsloses Verbot der Abtreibung, Künstlicher Befruchtung und sonstiger lebensfeindlicher Praktiken. Verbot von Verhütungsmitteln mit potenziell frühabtreibender Wirkung.

4. Abschaffung aller Privilegien für homosexuelle Paarbeziehungen, so dass die Ehe wieder als einzige staatlich privilegierte Lebensform besteht.

5. Abschaffung aller sog. Gleichstellungs- oder Frauenförderungsgesetze. Abkehr vom Gender Mainstreaming – falls die EU sich dagegen wehrt, notfalls austreten.

6. Streichung aller Fördermittel und Werbekampagnen, inklusive schulischer Sexualisierungspropaganda (sog. Sexualunterricht), für Verhütung, Abtreibung und außereheliche Sexualität.

Doch diese Vorschläge könnten in Deutschland niemals umgesetzt werden, niemals auch nur diskutiert werden, und fänden sicher auch nicht die Zustimmung der Mehrzahl der deutschen Katholiken, oder auch nur Bischöfe. Warum nicht? Eben weil sie alle die Mentalität der Welt übernommen haben, weil sie alle sich selbst säkularisiert haben, weil sie alle eine generelle Abkehr von traditioneller katholischer Sittenlehre vollzogen haben, um damit den Reichen und Mächtigen zu gefallen.

Abschließend noch ein Zitat vom Bistumsblog:

Ich glaube, dass die Kinderzahl einer Gesellschaft davon abhängt, wie hoch die Bereitschaft ist, von eigenen Interessen abzusehen, um sich stattdessen intensiv um das Wohl anderer zu kümmern und wie sehr Werte wie Treue und Verbindlichkeit verwirklicht werden.
Beide Faktoren werden klassischerweise von Religionen gestärkt.
Das könnte erklären, warum im Osten Deutschlands die Kinderzahl besonders niedrig ist und warum religiöse Menschen signifikant mehr Kinder haben.
Ich selbst jedenfalls deute die Herausforderungen und Geschenke unseres Familienlebens durchaus spirituell und erlebe meine Religion als stärkend.

Hängt die demographische Krise auch mit der schwindenden religiösen Verwurzelung unserer Gesellschaft zusammen?

Dies ist das Fazit des Artikels vom Bistumsblog. Hier scheint wenigstens in halb vergessener Form etwas auf, das schon einmal neben einer religiösen Idee gelegen hat. Doch selbst sie wird säkularisiert vorgetragen. Die Rede ist von „Werten wie Verbindlichkeit und Treue“. Wie bitte? „Werte wie Verbindlichkeit und Treue“!? Erst zerstört man durch vorsätzliche Selbstsäkularisierung die Grundlage für sittliches Handeln, und verschanzt sich dann hinter den wenigen noch verbliebenen Restchen der Sexualmoral? Man kann schon verstehen, warum Atheisten diese Art von Moralgerede als Bigotterie sehen. Wenn die Welt mit ihrem Feminismus und ihrer „sexuellen Befreiung durch Todsünde“ doch im Wesentlichen Recht hat und traditionelle Sexualmoral und die aus ihr folgende Kinderschar tatsächlich als – wie war das Wort noch? – „Einschränkung“ gesehen wird, warum soll man dann noch leere Werthülsen wie „Treue“ oder „Verbindlichkeit“ befolgen? Wenn Sexualmoral doch das ist, was immer mir gerade gefällt und mich nicht „einschränkt“ – wie in die Kirche in Deutschland seit ihrem Verrat an Humanae Vitae durch die häretische Königsteiner Erklärung in der Praxis lehrt (und betrachtet man die diversen Missbrauchsskandale auch erscheckend oft selbst umsetzt)?

Wenn Sexualmoral unwichtig ist und verschwiegen wird, wie es regelmäßig seit 1968 geschieht, warum wird sie dann plötzlich wichtig, wenn es um die spießbürgerlichen sentimentalen Wörtchen von „Verbindlichkeit“ und „Treue“ geht? Treue? Wie lange? Bis zur Scheidung? Wie sollen sich die Ehepartner auch aufeinander verlassen können, wenn Scheidung zum Normalfall geworden ist? Verbindlichkeit? Da ist es genauso. Treue und Verbindlichkeit gelten entweder lebenslang oder gar nicht. Und lebenslang bedeutet dann auch die Zeit VOR der Ehe. Doch wenn sie lebenslang gelten sollen, dann gibt es keine Scheidung, folglich – abgesehen von Witwen – auch keine in positivem Licht erscheinenden „alleinerziehenden Mütter“. Und Verbindlichkeit kann es nur geben, wenn man offen zum Leben hin ist. Denn wie „verbindlich“ ist es, die Pille zu nehmen, und dadurch stillschweigend zum Ausdruck zu bringen, dass man sich ja alle Optionen offen halten muss? Denn will man wirklich bei seinem Ehemann oder seiner Ehefrau bleiben, und wirklich an Gott glauben und auf seine Hilfe vertrauen, dann braucht man keine Verhütungsmittel, sondern noch einen Kinderwagen.

Das Problem der Kinderlosigkeit hat also nicht das Geringste mit angeblichen „Betreuungskosten“ zu tun. Es hat zu tun mit der Dekadenz einer übersättigten Luxusgesellschaft, mit dem totalen Verfall christlicher Sexualmoral – einem Verfall, der von der Kirche mitbetrieben wurde und wird, sowie mit der Tatsache, dass jährlich weit über 100000 ungeborene Kinder im Mutterleib umgebracht werden.

Und am Ende noch ein Syllogismus:

1. Prämisse: Wirklich gläubige Menschen haben signifikant mehr Kinder.

2. Prämisse: Moslems haben signifikant mehr Kinder als der Durchschnitt, Katholiken nicht.

3. Konklusion: Moslems glauben wirklich, Katholiken nicht.

Erschreckend, aber oft genug wahr.