Roberto de Mattei zum Zweiten Vatikanum

Aus der Einleitung des Werkes „Das zweite Vatikanische Konzil – Eine bislang ungeschriebene Geschichte“ von Roberto de Mattei (inzwischen in deutscher Übersetzung erhältlich):

„Die Hermeneutik der Kontinuität bekräftigt mit Recht den Primat des Lehramtes, aber nimmt das Risiko auf sich, nicht nur eine falsche theologische Konzeption zu eliminieren, sondern auch das Geschehen selbst, über das man diskutiert. Die Konsequenz dieses Unterfangens das Ereignis [des Konzils, Anm. von Catocon] zu eliminieren, zeigt sich darin, dass es heute keine ernsthafte Alternative zur Schule von Bologna gibt; dieser muss somit das Verdienst zuerkannt werden, die erste, wenn auch tendenziöse Rekonstruktion der Fakten des Geschehens vorgelegt zu haben.

Viele Anhänger der These von der Hermeneutik der Kontinuität lassen die geschichtliche Dimension des Konzils als Ereignis unberücksichtigt und trennen das Konzil von der nachkonziliaren Epoche ab, um letztere als eine Krankheit, die sich an einem gesunden Körper entwickelt hat, zu isolieren. Man hat sich jefoch die Frage zu stellen, ob die Tilgung der Ereignisdimension des Konzils dazu beiträgt, ein tiefgreifendes Verständnis für das zu bekommen, was in der nachkonziliaren Epoche vorgefallen ist. Das Zweite Vatikanische Konzil war in der Tat ein Ereignis, das nicht mit seiner feierlichen Schlusssitzung endete, sondern auch aus geschichtlicher Umsetzung und Rezeption bestand. Nach dem Konzil passierte etwas, das eine logische Folge davon war.“

In seinem Werk folgt de Mattei beharrlich und in beeindruckender Genauigkeit, unter Berücksichtigung der verfügbaren offiziellen Dokumente und einer Unzahl privater Aufzeichnungen der Teilnehmer, den Ereignissen des letzten Konzils und liefert damit ein unverzichtbares Grundlagenwerk für den Katholiken ab, der verstehen will, was damals eigentlich abgelaufen ist. De Mattei erzählt aber nicht nur die Geschichte des Konzils, sondern auch seine Vor- und Nachgeschichte, und weist auf die Zusammenhänge hin, die zwischen der vorkonziliaren Periode, dem Konzil selbst, und seiner späteren Umsetzung bestehen.

Allein die guten Kritiken, die de Mattei aus traditionellen und traditionalistischen Kreisen erhalten hat, weisen schon darauf hin, wo die Sympathien des Autors zu finden sind. Doch die Tatsache, dass de Mattei für sein Werk den (nicht gerade von Traditionalisten dominierten) angesehenen italienischen Historikerpreis „Premio Acqui Storia“ erhalten hat, lässt erkennen, dass de Matteis Konzilsgeschichte eine auch vom neutralen oder gar progressistischen Blickwinkel aus betrachtet ein profundes Werk historischer Gelehrsamkeit und Detailtreue ist, welches dennoch für den interessierten Laien auf verständlichem Niveau bleibt.

Das Bild, das de Mattei vom Konzil zeichnet, ist ein Gemischtes, das mir sehr viel plausibler erscheint, als die Karikaturen, die man manchmal in der Diskussion hört: Entweder war das Konzil „nur eines von vielen“ und eindeutig in Kontinuität mit der Tradition, oder es war „das zweite Pfingsten“, das „Ereignis der Kirchengeschichte“, durch das nun alles anders sei. Als Historiker enthält sich de Mattei eines abschließenden Urteils über derartige Fragen, da, wie er im Schlußwort schreibt, vom Tod Pauls VI. bis heute mehr als dreißig Jahre verstrichen seien, was eine zu geringe Zeitdauer darstelle, als dass sie dem Historiker erlaubte, die Geschehnisse dieser Zeit objektiv zu bewerten.“ Ähnliches gilt auch von den theologischen Fragen, die der ganzen Debatte zugrunde liegen. De Mattei schreibt:

„Am Ende dieses Buches sei es mir erlaubt, mich voller Verehrung an Seine Heiligkeit Benedikt XVI. zu wenden, in dem ich den Nachfolger Petri erkenne, dem ich mich unlöslich verbunden weiß, und ihm meine tiefe Dankbarkeit dafür zum Ausdruck zu bringen, die Tore zu einer seriösen Debatte über das Zweite Vatikanum aufgestoßen zu haben. Zu dieser Debatte, bekräftige ich, wollte ich einen Beitrag nicht als Theologe, sondern als Historiker leisten, wobei ich mich jedoch den Bitten jener Theologen anschließe, die in respektvoller und kindlicher Haltung den Stellvertreter Christi auf Erden darum bitten, eine vertiefte Untersuchung des Zweiten Vatikanischen Konzils in seiner ganzen Komplexität und Ausdehnung voranzubringen, um seine Kontinuität zu den zwanzig vorangegangenen Konzilien zu prüfen und um die Schatten und Zweifel zu zerstreuen, die seit fast einem halben Jahrhundert die Kirche leiden lassen – in der Gewissheit, dass die Pforten der Unterwelt sie niemals überwinden werden.“

Alles in allem das beste historische Werk über das Zweite Vatikanum, das ich bisher gelesen habe.

Anmerkung in eigener Sache: Die Reihe zum atheistischen Kommunismus wird bald fortgesetzt, vermutlich in den nächsten Tagen. Im Moment bin ich in meiner freien Zeit durch Roberto de Matteis exzellentes Werk und die Scholien von Dávila abgelenkt.

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