EFSF im Kontext der Moderne (2/2)

Dies ist der zweite Teil des Artikels zum Rettungsschirm EFSF im Kontext der Moderne. (Teil 1)

Weitere Strategien: Medien und Mobilität

Zugleich lassen sich aber noch Parallelstrategien verfolgen, die dasselbe Ziel der allgemeinen Bindungslosigkeit verfolgen. Ein wesentlicher Aspekt ist etwa die Medienlandschaft. Massenmedien aller Art begünstigen das Ziel des Staates ebenso wie überhaupt jede Form von unpersönlichem Informationsaustausch. Der Fernseher ist nach bisherigen Erkenntnissen ideal. Man kann die gewünschten Informationen unkompliziert an alle Haushalte übermitteln, und durch den Fernseher wird selbst in noch stabilen Familien das Zentrum der Aufmerksamkeit von den anderen Familienmitgliedern auf eine mechanische Apparatur verlagert, was gleich den Keim dessen in sich trägt, was viele Geschiedene als „sich auseinanderleben“ bezeichnen. Dasselbe gilt auch, in geringerem Maße, für das Radio („Volksempfänger“).

Man täusche sich jedoch nicht. Das Internet, obzwar seine effiziente Kontrolle zugunsten der Zentralisierung momentan noch schwerfällt, bietet enorm chancenreiche Perspektiven für den modernen Staat. Durch Plattformen wie „Facebook“ lassen sich auf bisher ungeahnt effizientem Wege alle möglichen Details über das Privatleben der Menschen ganz ohne Agenten ausschnüffeln, die Vorstellung einer „Privatsphäre“ nimmt ab, was spätere effiziente Kontrolle erleichtert, und ganz nebenbei ersetzen einige Bürger ihre realen Außenweltbeziehungen durch virtuelle Kontakte – die ihrer Natur nach schwächer und dank der weltweiten Vernetzung leichter zu kontrollieren sind. Alles in Allem ist das Internet also ein Vorteil für die Moderne und ihren allmächtigen Staat.

Generell ist ferner Mobilität sehr erstrebenswert. Je mehr die Menschen umziehen, je weniger sie an einem Ort für viele Jahre leben, umso weniger Wurzeln schlägt der Mensch in seinem nächsten Umfeld. Aus Freunden werden Bekannte. Besonders für die Kinder ist es nützlich, wenn sie oft die Schule und den Wohnort wechseln müssen – vor allem, wenn dies an den beruflichen Bedürfnissen der Eltern liegt.

Wohlstandsnomaden

Der so entstandene Bürger ohne familiäre Bindungen, ohne religiöse Überzeugungen, ohne historisches Bewusstsein und daraus erwachsenden Patriotismus, ohne feste, langfristige, persönliche Freundschaften, ohne Bindung an unveränderliche moralische Werte, ohne die Art von Bildung, die es dem Gebildeten ermöglicht, in eine Gemeinschaft mit allen anderen Gebildeten aller Zeiten einzutreten, ist die perfekte Knetmasse für den modernen Staat. Der moderne Wohlstandsnomade ist seinem steinzeitlichen Kameraden nur insofern unähnlich, als letzterem eben nur die Ortsbindung fehlte, dem modernen Nomaden jedoch Bindungen aller Art.

Dieser Wohlstandsnomade ist fast beliebig programmierbar. Ein nationalistischer Staat vermag ihn in einen wilden Hass gegen andere Völker zu peitschen, und er wird sich willig für die Nation opfern. Ebenso kann er zum Selbsthass und Hass auf seine eigene Heimat erzogen werden, indem man ihm einfach mundgerecht die richtigen historischen Floskeln über die Vergangenheit seines Vaterlandes vorlegt (und da gibt es in jedem Land sehr dunkle Flecken, die sich aufbereiten lassen).

Dieser Wohlstandsnomade kann jederzeit zum Sozialisten erzogen werden, aber auch zum Liberalisten, und für beide Ideologien wird er sich willig einsetzen. Er hat keine eigenen Maßstäbe, nach denen er Ideologien messen kann – er hat nur noch, was der Staat ihm gegeben hat.

Wenn es dem Staat angenehm ist, kann er einen geradezu puritanischen (und völlig unbegründeten) Moralismus in seinem Mündel verursachen – gegen Raucher, um ein aktuelles Beispiel zu nennen. Ebenso kann er aber auch zur vollständigen Amoralität gebracht werden.

Mit dem Wohlstandsnomaden hat die Moderne das ideale Nutztier herangezogen. Es ist gleichermaßen einsetzbar für alle Ideologien, es wird sich nicht wehren, es wird nicht verstehen, was man mit ihm macht, es wird sich, wenn man nur für eine Sekunde die Schützende Hand wegzieht, sofort nach derselben sehnen, weil es weiß, dass es außerhalb des Nutztierstalls niemals überleben könnte.

Unabhängig davon, welcher Geschmacksrichtung die gerade aktuelle moderne Ideologie angehört (links oder rechts, national oder international, feministisch oder chauvinistisch, liberal oder sozialistisch, Gleichgültigkeit oder übertriebene Glorifizierung der Natur…), das willige Nutztier steht für den Ideologen mit minimalen Modifikationen bereit.

Der moderne Mensch als williges Nutztier der Ideologen ist natürlich nicht demokratiefähig. Er hat nicht die starke Verankerung in seinem Gewissen und dem natürlichen moralischen Gesetz, die für eine Demokratie nötig ist, er vermag nicht zwischen Gerechtigkeit und seinem persönlichen Willen oder Gefühl zu unterscheiden. Doch das muss er ja auch gar nicht. Er hat ja seine Viehtreiber, die ihm schon sagen, wo er sein Kreuz zu machen hat.

EFSF: Ein kleiner Schritt für die Moderne…

Um nun wieder auf den oben erwähnten aktuellen Anlass zurückzukommen: Die Moderne zeichnet sich durch eine Zentralisierung aus, die durch den Abbau aller Arten von Institutionen ermöglicht wird, welche den Menschen mit anderen Menschen ohne Umweg über den Staat verbinden. Je weiter dieser Staat von den Menschen entfernt ist, je zentraler die maßgeblichen Körperschaften sind, je weniger stark lokaler oder regionaler Einfluss ist, umso stärker verwischen die Unterschiede, die einmal jede Region unverkennbar gemacht haben, und werden erst zu nicht mehr verstandenen kulturellen Artefakten, und dann vergessen. Der Abbau solcher lokaler und regionaler Besonderheiten schwächt wiederum die Fähigkeit der Bürger, sich mit diesen Lokalitäten oder Regionen zu identifizieren, und stärkt daher den modernen Staat. Je mehr eine Region der anderen ähnlich wird, umso geringer ist das Potenzial für Regionalismus oder Lokalpatriotismus. Gleichen sie wie ein Ei dem anderen, so ist eine weitere Quelle zentralstaatsunabhängiger Loyalität eliminiert.

Verschiedene Regionen und Nationen können daher nur noch als „Wirtschaftsstandorte“ gesehen werden, die sich im gegenseitigen Wettstreit befinden. Durch diese Erosion nationaler Loyalität (die auf eine ähnliche Erosion familiärer, religiöser, lokaler und religionaler Loyalitäten folgt) verliert der Bürger eine weitere Ebene staatsunabhängiger Bindung und transzendiert so selbst den dumpfen Nationalismus, der ihm in früheren Zeiten wenigstens noch die toxische Version einer realen Bindung hatte liefern können.

Befreit von diesen ganzen „sentimentalen“ Bindungen an Gott, Familie, Heimat und Vaterland irrt er ziellos umher und nennt dieses Umherirren Freiheit. Während er auf diese Weise sich frei wähnend umherirrt, gehen die Technokraten und Architekten der nächsten Stufe der Zentralisierung an die Verwirklichung des Endziels der Moderne.

In diesem Kontext gesehen, ergibt der als „alternativlos“ verkaufte Rettungsschirm EFSF auf einmal Sinn. Natürlich geht es in erster Linie um Wirtschaftspolitik. Doch letztlich ist die aktuelle Krise – wie viele hundert vor ihr – nichts als ein Vorwand, eine Gelegenheit, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen möchte. Nicht vergessen: Der bindungslose Bürger verfügt gar nicht mehr über die innerliche Stärke, einer Krise ins Gesicht zu sehen – er ist der Sklave seiner Ängste, oder vielmehr der Sklave derjenigen, die solche Ängste schüren.

Aber das braucht er ja gar nicht. Schließlich hat er ja ein Herrchen, das ihm schöne kleine Käfige aus reinem Gold zu bauen verspricht. Mit ganz viel Entertainment. Brot und Spiele. Und im Namen der Gerechtigkeit sind alle Käfige dieses sozialplanerischen Zoos der Moderne gleich groß.

Schlussbemerkung: Man kann übrigens in dem obigen Artikel ohne Probleme das Wort „Staat“ jeweils durch das Wort „Großkonzerne“ ersetzen. Die beiden sind Zwillinge. Sie haben im Wesentlichen dieselben Interessen und dieselbe Art von Macht; dieselben Ziele und dieselben Mittel. Es gibt keinen Interessengegensatz zwischen ökonomischer und staatlicher Machtelite. Beide pochen auf mehr Zentralisierung in allen Bereichen – und erst wenn das erreicht ist, werden sie darum kämpfen, ob die nun fertig zentralisierte Macht über Milliarden und Abermilliarden gezähmter Nutztiere nun faktisch in den Händen einer Oligarchie von Konzernchefs oder einer Oligarchie von Politikern liegt.

Mich kümmert nicht im Geringsten, welche Variante am Ende obsiegt. Beide sind prinzipiell abzulehnen.

Verweise:

Stellungnahme des Bundestagsabgeordneten Dr. Frank Schäffler (FDP) im Wortlaut. (Diese Worte waren ein wesentlicher Anstoß für den Artikel. Definitiv lesenswert.)

Resümee zum Papstbesuch

Ich möchte zunächst einmal auf diese Zusammenfassung und Wertung des Papstbesuchs vom wie üblich lesenswerten Armin Schwibach auf Kath.net verweisen. Viele wesentliche Punkte, die ich eigentlich in diesem Resümee auch hätte ansprechen wollen, sind dort schon erwähnt, so dass ich mich auf einige kurze persönliche Anmerkungen und Beobachtungen beschränken werde.

Der Opti-Mist:

1. Ich war nicht selbst dabei – aber ich konnte alles verfolgen was ich wollte, und war immer gut informiert. Dies liegt allerdings nicht an der Berichterstattung der Mainstreammedien, die ich, soweit möglich, vollständig ignoriert habe, sondern vielmehr an der vorbildlichen Berichterstattung im Internet verfügbarer katholischer Medien. Besonders kath.net war, wie meistens, eine unverzichtbare Informationsquelle über alle möglichen Details des Besuchs, die sonst selbst persönlich Anwesenden hätten entgehen können. Ein großes Lob also an die für diese Berichterstattung Verantwortlichen.

2. Die Reden, Predigten und Ansprachen des Papstes waren definitiv Höhepunkte der Reise (abgesehen von den Worten beim Treffen mit der EKD, die deutlicher hätten herausstellen müssen, dass es keine Gremien-Ökumene mit einer Gruppierung geben kann, die darauf besteht, sich in allen wesentlichen Punkten mit Volldampf vom Christentum abzusetzen, um der Welt zu gefallen). Besonders die Ansprache im Bundestag muss als Jahrhundertrede gelten, da sie die Grundlagen gerechter Rechtsfindung hervorgehoben hat, und zwar in einer Weise, die sehr wenige Deutsche bislang jemals gehört haben.

3. Die Papstmessen haben gezeigt, dass der Deutsche durchaus in der Lage ist, mit lateinischen Antworten in der Messe umzugehen. Allerdings werde ich die Papstmessen weiter unten noch genauer behandeln müssen.

Der Pessi-Mist:

4. Leider waren die Papstmessen nicht wirklich Höhepunkte der Reise, obwohl das eigentlich Wichtigste, nämlich Christus, dort wirklich präsent war. Dies lag an einer Vielzahl von Faktoren: Die belanglosen Liedchen mit musikalischen Arrangements irgendwo im fruchtlosen Niemandsland zwischen Jazz, Disco und Woodstock, für den Anhänger dieser Art Musik womöglich ganz gefällig, aber definitiv ungeeignet für eine Messe trugen einen gewichtigen Teil dazu bei.

5. Der Kommunionempfang bei der Heiligen Messe in Berlin (bei den anderen Messen habe ich nicht so sehr darauf geachtet, aber ich fürchte, es wird nicht anders gewesen sein) hat wieder einmal gezeigt, dass Massenmessen generell nicht besonders zielführend sind, und ich möchte gar nicht wissen zu wie vielen Sakrilegien es dabei gekommen ist. Die Mehrzahl der Anwesenden ebenso wie die Mehrzahl der „Kommunionspender“ schienen nicht den geringsten Sinn für den ehrfürchtigen Umgang mit dem Leib des Herrn zu haben. Im Gegensatz dazu stand die Mundkommunion des Papstes.

6. Bereits im Vorfeld des Besuchs absehbar war die mit 2000 Jahren kirchlicher Tradition einfach nicht zu vereinbarende Dominanz von Frauen am Altar. Es ist bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Dienst am Altar und Priesterberufungen gibt – je mehr man weiblichen Personen Zugang zu solchen Diensten ermöglicht, umso weniger Priesterberufungen wird es geben. Außerdem wird in den Köpfen vieler Katholiken die Präsenz von Frauen am Altar die Vorstellung weiblicher Priester immer „normaler“ werden lassen.

7. Die Machenschaften der Kirchenbürokratie in Deutschland bereits Monate vor der Messe, bis direkt zu dem kleinen Skandal um die Verweigerung von zugesagten Eintrittskarten für Deutschland pro Papa, deutet bereits die Absicht weiter Teile der zuständigen Bürokraten an, den Besuch möglichst verpuffen zu lassen. Die Einpeitschung der anwesenden Jugendlichen mit tendenziösen Fragen zu den üblichen Plapperthemen der Verbandskatholiken in Freiburg ließ zusätzlich noch erkennen, dass die Zuständigen selbst während des Papstbesuchs nicht ruhten, um den Heiligen Vater zu brüskieren.

Zusammenfassung:

Der Heilige Vater hat nun Deutschland wieder verlassen, und er hat den Deutschen alles gesagt, was er ihnen sagen musste. Er hat ihnen einen Ausblick über die üblichen Fragen im verbandskatholischen Plapperprozess geboten, er hat sie auf die Notwendigkeit der persönlichen Umkehr hingewiesen, ihnen erklärt, dass Rechtssetzung immer im Einklang mit dem natürlichen moralischen Gesetz stehen muss, und vieles mehr.

Doch leider ist dies alles nicht genug gewesen. Nichts was der Papst hätte tun können, hätte je genug sein können. Denn die überwältigende Mehrheit der Deutschen erfährt von dem Besuch nur aus den politisch korrekten Mainstream-Medien – das gilt auch für die meisten Katholiken – und vielleicht noch aus ebenso politisch korrekten Kirchen- oder Bistumszeitungen. Alles, was sie vom Papst hören, ist sorgfältig chemisch gereinigt, auf belanglose Floskeln reduziert, oder zumindest in einen Schwall von Protesten und politisch korrekten Wertungen eingebettet, dass es seine explosive Wirkung verliert.

Die Mehrzahl der deutschen Bischöfe, Gremienkatholiken und sonstigen Verantwortlichen ist ohnehin so verhärtet in ihren Ansichten, dass persönliche Bekehrungen unmöglich erscheinen. Dazu braucht es wenigstens ein offenes Herz. Gänzlich unmöglich ist mit Gottes Hilfe natürlich nichts, aber dass die Opladens und Zollitschs dieses Landes auf einmal papsttreu werden, ist doch ziemlich unwahrscheinlich.

Die Auswirkungen des Papstbesuches werden also auf eine kleine Zahl schon vorher überzeugter Zuschauer beschränkt bleiben, die von den Aussagen des Papstes in ihrem Glauben bestärkt werden. Der Heilige Vater ist ein großer Philosoph, manche nennen ihn gar einen Propheten. Doch jeder Philosoph und jeder Prophet kann nur Erfolg haben, wenn man ihm mit offenem Herz zuhört.

Das ist jedenfalls nicht geschehen. Jetzt wo der Papst wieder sicher im Ausland ist (ich habe erstmal durchgeatmet, dass er wenigstens aus diesem Land heil entkommen ist – keine Selbstverständlichkeit, betrachtet man das Kesseltreiben der Medien und modernen linken Politiker gegen ihn), können die üblichen Verdächtigen ihre üblichen Spiele in sicheren Pfründen weitertreiben, bis ihnen das Dach der schrumpfenden Kirche endgültig auf den Kopf fällt, oder der Vatikan endlich auf der Abschaffung der Zwangskirchensteuer besteht, die diese Pfründe bewässert.

Der Papst hat sein Möglichstes getan, und Gott wird daraus reiche Früchte sprießen lassen. Doch wie viele dieser Früchte werden seine Rückkehr nach Rom überdauern? Und wie viele werden von den Gremien durch irgendeinen neuen Vorstoß direkt wieder zertreten, bevor sie dem Status Quo gefährlich werden können?

Nachdem englischsprachige Katholiken im Internet und der Papst mich bekehrt hatten, brauchte ich 18 Monate, bis ich meine Abscheu gegen die „Kirchenhierarchie“ in Deutschland endlich überwinden konnte. Inhaltlich war ich schon im Frühjahr 2009 überzeugt – bei der Kirche gemeldet habe ich mich im Herbst 2010. Der Grund dafür war, dass ich bei der Kirche in Deutschland kaum Spuren des katholischen Glaubens entdecken konnte, den ich gerade erst lieben gelernt hatte.

Wie viele andere Menschen wird es geben, die ähnlich denken, sich aber nie den letzten Ruck geben? Wie viele Bekehrungen, wie viele Konversionen sind vom Verbands- und Bürokratiemorast schon erstickt worden? Wir werden es nie wissen. Aber Gott weiß es.

Und wenn die Verantwortlichen dafür irgendwann vor IHM stehen – dann Gnade ihnen Gott.

Denn es geht hier nicht um diesen oder jenen Musikgeschmack, nicht um modern oder traditionell, sondern um unsterbliche Seelen.