Wir leben nicht in einer Zeit des moralischen Fortschritts, sondern des moralischen Vergessens. Im letzten halben Jahrhundert hat die ehemals christliche Kultur eine grundsätzliche Abwendung von traditioneller Sittlichkeit vollzogen – nur der moralische Zeigefinger des bürgerlichen Spießers ist geblieben. Einzig, er ist jetzt hohl, wo er früher zumindest teilweise auf sachliche Argumente zur Rechtfertigung seines puritanischen Moralismus hätte zurückgreifen können. Es ist dies das moderne Spießertum, demzufolge nicht mehr diskriminiert werden darf, weil es keine Gerechtigkeit mehr geben darf. Gerechtigkeit bedeutet „Jedem das Seine“. Und da die Menschen verschieden sind, bekommen nicht alle das Gleiche, selbst wenn jeder das Seine erhält. Wo Menschen verschieden sind, da sind Ergebnisse, Chancen, Ausgangspositionen eben ungleich, und diese Ungleichheit ist gerecht. Gerechtigkeit ist „Jedem das Seine“. „Jedem das Gleiche“ ist Totalitarismus.
Männer sind keine Frauen; Priester sind keine Laien; Akademiker sind keine Arbeiter; Dumme und Intelligente, Dicke und Dünne, Große und Kleine sind alle verschieden. Und in einer gerechten Gesellschaft bleiben sie auch verschieden.
Nur der Totalitarist will den Großen enthaupten, um ihn dem Kleinen ähnlicher zu machen. Dadurch wird er zum Henker.
Und nur der Neid bringt den Kleinen dazu, dies „im Namen der Gerechtigkeit“ zu fordern. Dadurch wird er zum Mitläufer.
Wenn Gerechtigkeit „Jedem das Seine“ bedeutet, und die Gesetze gerecht sein sollen, dann muss auch das Recht Ungleiches ungleich behandeln, so wie es Gleiches gleich behandelt. Dasselbe gilt in der Privatwirtschaft und im täglichen gesellschaftlichen Zusammenleben. „Diskriminierung“, also Unterscheidung (lat. discriminare), ist eine notwendige Voraussetzung der Gerechtigkeit, solange es um real existierende Unterschiede geht. „Diskriminierung“ ist nur dann negativ, wenn sie ungerecht ist, wenn also durch sie nicht mehr „Jeder das Seine“ erhält.
Generell gegen „Diskriminierung“ kämpfen zu wollen, ist daher unvereinbar mit dem Gedanken der Gerechtigkeit. Um dies in aller Deutlichkeit zu sagen: Es gibt gerechte Diskriminierung, genauso wie es ungerechte Diskriminierung gibt. Gerechte Diskriminierung hat einen guten Sachgrund; ungerechte Diskriminierung ist Terror und Schikane. Die Streiter gegen „Diskriminierung“ als Solche haben den Boden der Gerechtigkeit verlassen, weil sie real existierende Unterschiede zwischen Männern und Frauen, normaler und fehlgeordneter Sexualität, Ehepartnern und Konkubinen, Leistungsträgern und Leistungsnehmern (und dergleichen mehr) nicht mehr anerkennen wollen.
Doch die modernen Spießer zeigen auf jeden Zweifler am Dogma des Egalitarismus mit ihren beiden ausgestreckten Zeigefingern, wie die verknöcherten Omas, gegen die sie einst randalierend zu Felde gezogen waren. Nur hätten die Omas ihre Moralpredigten (zumindest theoretisch) mit Argumenten untermauern können, während dem modernen Spießer nur der Rückgriff auf die Keule der Politischen Korrektheit und notfalls der direkten Staatsgewalt bleibt. Der moderne Spießer diskriminiert im Namen der Antidiskriminierung, unterdrückt im Namen der Befreiung und lügt für die Wahrheit.
Der moderne Spießer hat den Tugendterror perfektioniert und dann die Tugend gestrichen. Das Resultat ist sprachlich wie praktisch vorhersehbar.
Der moderne Spießer zeigt mit seinem überlangen Zeigefinger auf die verschmähten Minderheiten, die er abwechselnd als „konservativ“, „rechts“, „extremistisch“, „reaktionär“, „fundamentalistisch“ oder gleich „Nazi“ brandmarkt, und nennt dies Minderheitenschutz. Doch solange sein Zeigefinger auf die bösen Hinterwäldler zeigt, weisen vier Finger auf ihn zurück.
Die Feinde der Gerechtigkeit sind daher nicht die selten gewordenen Verteidiger traditioneller Sittlichkeit und traditioneller Unterschiede, sondern die modernen Spießer selbst.
Mann und Frau sind in Wahrheit verschieden, und diese Verschiedenheit ist etwas Gutes. Sie muss anerkannt werden, anstatt sie als böse „Diskriminierung“ zu bekämpfen, oder gar durch „Antidiskriminierung“ unter Strafe zu stellen. Eine gerechte Erwerbsgesellschaft würde die Beschäftigung von Familienvätern zu einem „Familienlohn“ fördern, damit die Mutter für die gemeinsamen Kinder da sein kann. Das ist keine Diskriminierung, sondern Gerechtigkeit.
In Wahrheit ist die Ehe auf die Fortpflanzung hingeordnet. Homosexuelle Akte sind ihrem Wesen nach steril. Kein Staat kann eine Ehe zwischen Homosexuellen erfinden. Wenn der Staat der Wahrheit trotzen will, kann er eine Institution einführen, die sich fälschlich mit dem Namen „Ehe“ schmückt. Doch diese Lüge ist keine Gerechtigkeit. Und die Wahrheit ist keine (ungerechte) Diskriminierung.
Nicht alle Menschen sind gleich intelligent. Daher ist es unsinnig, sie alle auf die gleiche Schule zu schicken. Verschiedene Menschen haben verschiedene Talente, die eine gerechte Gesellschaft anerkennen muss. Nicht jeder kann Abitur machen, außer man macht aus dem Abitur einen Hauptschulabschluss unter anderem Namen. Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das geistige Niveau unter den lokalen Sandkasten sinkt, wie dies weithin der Fall ist. Alle Menschen gleich dumm zu machen ist keine Gerechtigkeit, sondern Unterdrückung der Intelligenten.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Der Satz von der Gleichheit aller Menschen ist die offensichtlichste Lüge, die jemals aus einem Menschenmund geflossen ist. Im Gegenteil: Alle Menschen sind verschieden, und zwar sehr verschieden. Und das ist auch gut so.
Gleich sind alle Menschen nur in der Hinsicht, dass sie alle Abbilder des einen Gottes sind; in jeder anderen Hinsicht sind sie ungleich. Wer einem Menschen etwas tut, der tut es in einem gewissen Sinne auch Gott. Was man dem Geringsten tut, das hat man Gott getan. Auch den Geringsten, gerade den Geringsten, sollen wir lieben, und die Letzten werden ohnehin die Ersten sein. Doch wenn es keine Geringsten, Letzten und Ersten mehr geben darf, dann sind Gerechtigkeit und Wahrheit verloren. Dann ist Krieg Frieden, Wahrheit Lüge und Freiheit Sklaverei.
Wenn die modernen Spießer erfolgreich sind, wird selbst Nächstenliebe zu einer Unterart der Selbstliebe, weil der Nächste ja auch nicht anders sein darf als ich.
Und eine Kultur des Egalitarismus wird niemals einen Gott über sich dulden können.
Wir sollten also die Unterschiede feiern, die es – Gott sei Dank! – zwischen den Menschen immer noch gibt, wir sollten sie kultivieren, wo immer wir können. Egal, was die modernen Spießer mit ihren verrunzelten, zittrigen, verknöcherten Moralzeigefingern dazu sagen; egal, ob sie uns der „Diskriminierung“ beschuldigen, oder behaupten, wir wären der Inbegriff des Bösen, wenn wir Frauen Frauen und Männer Männer sein lassen, wenn wir die Realität klar benennen, wo dem Vater der Lüge der Nebelwerfer lieber wäre, und wenn wir den Wahren Glauben bekennen, wo Gleichgültigkeit und Indifferentismus Staatsraison sind.
Es lebe die Wahrheit! Es lebe der Unterschied!