Priesterberufungen: Ein Zehnpunkteprogramm

Gott beruft immer genug Männer zum Priestertum, davon bin ich fest überzeugt. Das Problem ist also nicht eine zu geringe Zahl an Berufungen, sondern unter den Berufenen eine zu schlechte „Ausbeute“. Die Zahl derjenigen, die zwar eine Berufung hätten, aber niemals davon erfahren, ist einfach zu hoch. Diözesen versuchen schon – erfolglos – seit vielen Jahren, mehr Priesterberufungen zu erlangen. Doch das alles funktioniert nicht richtig. Andererseits ist die Zahl der Neupriester bei der Petrusbruderschaft und anderen traditionell-katholischen Gruppen nur durch den knappen Platz in den Priesterseminaren begrenzt. Das trifft selbst auf die Piusbrüder zu, die nicht einmal eine kirchenrechtliche Stellung haben, und deren Priester allesamt suspendiert werden, sobald ihre Weihe vollzogen ist.

Was machen die traditionellen Gruppierungen richtig, was die Bistümer und der Mainstream der heutigen Kirche falsch machen? Die Frage wird sich wohl niemals wirklich schlüssig lösen lassen. Ich verzichte auf eine ausführliche Analyse oder Herleitung meiner Vorschläge und führe stattdessen ein schlichtes Zehnpunkteprogramm für die Lösung des „Priestermangels“ an. Die meisten dieser Punkte lassen sich auf Gemeindeebene umsetzen, für manche müßte man auf Diözesanebene handeln.

1. Totales Quengelverbot: Die Kirche ist die Kirche; ihre Dogmen sind ihre Dogmen; und fertig. Wer das anders sieht, irrt. Wir stehen für etwas, was nicht jedem gefallen muss, aber wem es gefällt, dem gefällt es so richtig. Es muss klar werden: Hierfür lohnt es sich, sein ganzes Leben umzustellen und gar hinzugeben.

2. Anbetung des Eucharistischen Herrn: Der Herr ist wirklich gegenwärtig im Sakrament des Altares – dieses „Stück Brot“ kann man nur anbeten, wenn man wirklich an die Realpräsenz glaubt, denn sonst hält man es wirklich nur für ein „Stück Brot“. Doch diese reale Präsenz bringt uns der Priester, und nur er.

3. Kinderreiche Familien: Viele Kinder heißt auch viele Söhne, also ein großes potenzielles „Reservoir“ – und einer Priesterberufung zu folgen, wenn man der einzige Sohn einer Familie ist, fällt aus offensichtlichen Gründen deutlich schwerer.

4. Männlicher Altardienst: Sehr viele Priester waren früher Meßdiener. Doch in dem Alter, in dem Jungen diesen Dienst heute in der Regel ausüben, wollen sie nicht viel mit Mädchen zu tun haben. Mädchen zuzulassen heißt, viele Jungen abzustoßen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Meßdienerinnen und Ordensberufungen, wohl aber zwischen Meßdienern und Priesterberufungen.

5. Respekt vor dem Priester: Keiner will einen Beruf ergreifen, in dem er von seinem engsten Umfeld nicht respektiert wird. Sieht der Jugendliche schon sehr früh, dass der Priester zumindest von den anderen Gläubigen mit Respekt behandelt wird, wird er einer späteren Berufung wesentlich häufiger folgen. Zudem drückt der Respekt vor dem Priester auch Respekt vor seiner unverzichtbaren Handlung am Altar aus.

6. Katechese, Katechese, Katechese: Wer den Glauben nicht kennt, wird auch keine Priesterberufung erkennen und ihr folgen. Dabei darf man keinesfalls unpopuläre Themen aussparen. Sonst kann der Priester ja gleich Politiker oder Medienberater werden – was viele dann auch scheinbar tun. Einen Politikermangel gibt es ja leider nicht.

7. Männliche Priester: Priester sollten sich nicht scheuen, „echte Männer“ zu sein. Sie sind wirklich Väter ihrer Gemeinde. Sie sollten sich auch so verhalten. Viele Priester erscheinen heute aber sehr verweichlicht; in ihrem Verhalten fast androgyn. Kein Wunder, dass die Priesterschaft von Homosexuellen scheinbar nur so wimmelt. Vorbilder sind, gerade für Jugendliche, sehr wichtig – sie brauchen echte, väterliche Männer, die Christus lieben, zu Vorbildern. Keine „viri probati“, aber solche, denen man zutraut, sie hätten es durchaus werden können, wenn nicht ihre Liebe zum Herrn stärker gewesen wäre.

8. Jugendliche ansprechen: Viele Jugendliche haben vielleicht eine Priesterberufung, aber keine Ansprechpartner, die ihnen Amt, Auftrag und Würde des Priestertums aus eigener Erfahrung nahebringen. Hochglanzflugblätter sind sinnlos, mögliche Kandidaten schon früh zu erkennen und individuell zu beraten ist hingegen sinnvoll.

9. Entbürokratisierung: Der Priester sollte sich aufs Kerngeschäft konzentrieren – Sakramente, Seelsorge, Katechese. Für Bürokratie hat man Angestellte, gerade in einem an Finanzmitteln und Bürokratie so reichen Land wie Deutschland, wo man solche braucht und sie sich auch leisten kann. Wer Buchhalter werden will, braucht dafür nicht zölibatär zu leben. Also sollten Priester nicht Buchhalter sein müssen.

10. Katholizität der Seminare: Wer wirklich die Kirche liebt und seine Berufung zum Priester ernst nimmt, so wird zuweilen gesagt, der komme im heutigen Priesterseminar nicht weit. Frömmigkeit, grundsolide (vorzugsweise scholastische) Theologie und Philosophie, die tägliche Messe usw. sind notwendig, sowohl um das Seminar für ernsthafte Seminaristen attraktiv zu machen als auch um gute Priester im Seminar heranbilden zu können.

NACHTRAG: Alipius hat mich in den Kommentaren darauf aufmerksam gemacht, dass ich einen ganz zentralen Punkt vergessen habe: Hier ist er.

11. Gebet um Priesterberufungen in allen Gemeinden: Wer nicht fragt, dem wird auch nicht geantwortet.

Soweit mein ziemlich spontaner Zehnpunkteplan (inzwischen mehr als zehn Punkte! – siehe Nachtrag!) auf den Quengelaufruf von Kurienkardinal Grocholewski, über den auf kath.net berichtet wurde. Der Kardinal meint, die Problematik des Priestermangels sei den ach so antikatholischen Medien in die Schuhe zu schieben. Mag ja alles sein. Doch die Medien können wir nicht direkt ändern und sie tragen in noch viel stärkerem Maß zur Schrumpfung der Gläubigenzahlen bei, so dass dies an dem Verhältnis der Priesterzahl zur Zahl der aktiven Gläubigen nichts ändert, oder den Priestermangel vielleicht gar mildert.

Fällt Ihnen noch mehr ein, was man für Priesterberufungen tun könnte? Scheuen Sie sich nicht, Ihre Meinung zu sagen und Vorschläge zu machen. Ideen sammeln schadet nie – man weiß nie, wann man sie überraschenderweise umsetzen oder an den Mann bringen kann!

EFSF im Kontext der Moderne (2/2)

Dies ist der zweite Teil des Artikels zum Rettungsschirm EFSF im Kontext der Moderne. (Teil 1)

Weitere Strategien: Medien und Mobilität

Zugleich lassen sich aber noch Parallelstrategien verfolgen, die dasselbe Ziel der allgemeinen Bindungslosigkeit verfolgen. Ein wesentlicher Aspekt ist etwa die Medienlandschaft. Massenmedien aller Art begünstigen das Ziel des Staates ebenso wie überhaupt jede Form von unpersönlichem Informationsaustausch. Der Fernseher ist nach bisherigen Erkenntnissen ideal. Man kann die gewünschten Informationen unkompliziert an alle Haushalte übermitteln, und durch den Fernseher wird selbst in noch stabilen Familien das Zentrum der Aufmerksamkeit von den anderen Familienmitgliedern auf eine mechanische Apparatur verlagert, was gleich den Keim dessen in sich trägt, was viele Geschiedene als „sich auseinanderleben“ bezeichnen. Dasselbe gilt auch, in geringerem Maße, für das Radio („Volksempfänger“).

Man täusche sich jedoch nicht. Das Internet, obzwar seine effiziente Kontrolle zugunsten der Zentralisierung momentan noch schwerfällt, bietet enorm chancenreiche Perspektiven für den modernen Staat. Durch Plattformen wie „Facebook“ lassen sich auf bisher ungeahnt effizientem Wege alle möglichen Details über das Privatleben der Menschen ganz ohne Agenten ausschnüffeln, die Vorstellung einer „Privatsphäre“ nimmt ab, was spätere effiziente Kontrolle erleichtert, und ganz nebenbei ersetzen einige Bürger ihre realen Außenweltbeziehungen durch virtuelle Kontakte – die ihrer Natur nach schwächer und dank der weltweiten Vernetzung leichter zu kontrollieren sind. Alles in Allem ist das Internet also ein Vorteil für die Moderne und ihren allmächtigen Staat.

Generell ist ferner Mobilität sehr erstrebenswert. Je mehr die Menschen umziehen, je weniger sie an einem Ort für viele Jahre leben, umso weniger Wurzeln schlägt der Mensch in seinem nächsten Umfeld. Aus Freunden werden Bekannte. Besonders für die Kinder ist es nützlich, wenn sie oft die Schule und den Wohnort wechseln müssen – vor allem, wenn dies an den beruflichen Bedürfnissen der Eltern liegt.

Wohlstandsnomaden

Der so entstandene Bürger ohne familiäre Bindungen, ohne religiöse Überzeugungen, ohne historisches Bewusstsein und daraus erwachsenden Patriotismus, ohne feste, langfristige, persönliche Freundschaften, ohne Bindung an unveränderliche moralische Werte, ohne die Art von Bildung, die es dem Gebildeten ermöglicht, in eine Gemeinschaft mit allen anderen Gebildeten aller Zeiten einzutreten, ist die perfekte Knetmasse für den modernen Staat. Der moderne Wohlstandsnomade ist seinem steinzeitlichen Kameraden nur insofern unähnlich, als letzterem eben nur die Ortsbindung fehlte, dem modernen Nomaden jedoch Bindungen aller Art.

Dieser Wohlstandsnomade ist fast beliebig programmierbar. Ein nationalistischer Staat vermag ihn in einen wilden Hass gegen andere Völker zu peitschen, und er wird sich willig für die Nation opfern. Ebenso kann er zum Selbsthass und Hass auf seine eigene Heimat erzogen werden, indem man ihm einfach mundgerecht die richtigen historischen Floskeln über die Vergangenheit seines Vaterlandes vorlegt (und da gibt es in jedem Land sehr dunkle Flecken, die sich aufbereiten lassen).

Dieser Wohlstandsnomade kann jederzeit zum Sozialisten erzogen werden, aber auch zum Liberalisten, und für beide Ideologien wird er sich willig einsetzen. Er hat keine eigenen Maßstäbe, nach denen er Ideologien messen kann – er hat nur noch, was der Staat ihm gegeben hat.

Wenn es dem Staat angenehm ist, kann er einen geradezu puritanischen (und völlig unbegründeten) Moralismus in seinem Mündel verursachen – gegen Raucher, um ein aktuelles Beispiel zu nennen. Ebenso kann er aber auch zur vollständigen Amoralität gebracht werden.

Mit dem Wohlstandsnomaden hat die Moderne das ideale Nutztier herangezogen. Es ist gleichermaßen einsetzbar für alle Ideologien, es wird sich nicht wehren, es wird nicht verstehen, was man mit ihm macht, es wird sich, wenn man nur für eine Sekunde die Schützende Hand wegzieht, sofort nach derselben sehnen, weil es weiß, dass es außerhalb des Nutztierstalls niemals überleben könnte.

Unabhängig davon, welcher Geschmacksrichtung die gerade aktuelle moderne Ideologie angehört (links oder rechts, national oder international, feministisch oder chauvinistisch, liberal oder sozialistisch, Gleichgültigkeit oder übertriebene Glorifizierung der Natur…), das willige Nutztier steht für den Ideologen mit minimalen Modifikationen bereit.

Der moderne Mensch als williges Nutztier der Ideologen ist natürlich nicht demokratiefähig. Er hat nicht die starke Verankerung in seinem Gewissen und dem natürlichen moralischen Gesetz, die für eine Demokratie nötig ist, er vermag nicht zwischen Gerechtigkeit und seinem persönlichen Willen oder Gefühl zu unterscheiden. Doch das muss er ja auch gar nicht. Er hat ja seine Viehtreiber, die ihm schon sagen, wo er sein Kreuz zu machen hat.

EFSF: Ein kleiner Schritt für die Moderne…

Um nun wieder auf den oben erwähnten aktuellen Anlass zurückzukommen: Die Moderne zeichnet sich durch eine Zentralisierung aus, die durch den Abbau aller Arten von Institutionen ermöglicht wird, welche den Menschen mit anderen Menschen ohne Umweg über den Staat verbinden. Je weiter dieser Staat von den Menschen entfernt ist, je zentraler die maßgeblichen Körperschaften sind, je weniger stark lokaler oder regionaler Einfluss ist, umso stärker verwischen die Unterschiede, die einmal jede Region unverkennbar gemacht haben, und werden erst zu nicht mehr verstandenen kulturellen Artefakten, und dann vergessen. Der Abbau solcher lokaler und regionaler Besonderheiten schwächt wiederum die Fähigkeit der Bürger, sich mit diesen Lokalitäten oder Regionen zu identifizieren, und stärkt daher den modernen Staat. Je mehr eine Region der anderen ähnlich wird, umso geringer ist das Potenzial für Regionalismus oder Lokalpatriotismus. Gleichen sie wie ein Ei dem anderen, so ist eine weitere Quelle zentralstaatsunabhängiger Loyalität eliminiert.

Verschiedene Regionen und Nationen können daher nur noch als „Wirtschaftsstandorte“ gesehen werden, die sich im gegenseitigen Wettstreit befinden. Durch diese Erosion nationaler Loyalität (die auf eine ähnliche Erosion familiärer, religiöser, lokaler und religionaler Loyalitäten folgt) verliert der Bürger eine weitere Ebene staatsunabhängiger Bindung und transzendiert so selbst den dumpfen Nationalismus, der ihm in früheren Zeiten wenigstens noch die toxische Version einer realen Bindung hatte liefern können.

Befreit von diesen ganzen „sentimentalen“ Bindungen an Gott, Familie, Heimat und Vaterland irrt er ziellos umher und nennt dieses Umherirren Freiheit. Während er auf diese Weise sich frei wähnend umherirrt, gehen die Technokraten und Architekten der nächsten Stufe der Zentralisierung an die Verwirklichung des Endziels der Moderne.

In diesem Kontext gesehen, ergibt der als „alternativlos“ verkaufte Rettungsschirm EFSF auf einmal Sinn. Natürlich geht es in erster Linie um Wirtschaftspolitik. Doch letztlich ist die aktuelle Krise – wie viele hundert vor ihr – nichts als ein Vorwand, eine Gelegenheit, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen möchte. Nicht vergessen: Der bindungslose Bürger verfügt gar nicht mehr über die innerliche Stärke, einer Krise ins Gesicht zu sehen – er ist der Sklave seiner Ängste, oder vielmehr der Sklave derjenigen, die solche Ängste schüren.

Aber das braucht er ja gar nicht. Schließlich hat er ja ein Herrchen, das ihm schöne kleine Käfige aus reinem Gold zu bauen verspricht. Mit ganz viel Entertainment. Brot und Spiele. Und im Namen der Gerechtigkeit sind alle Käfige dieses sozialplanerischen Zoos der Moderne gleich groß.

Schlussbemerkung: Man kann übrigens in dem obigen Artikel ohne Probleme das Wort „Staat“ jeweils durch das Wort „Großkonzerne“ ersetzen. Die beiden sind Zwillinge. Sie haben im Wesentlichen dieselben Interessen und dieselbe Art von Macht; dieselben Ziele und dieselben Mittel. Es gibt keinen Interessengegensatz zwischen ökonomischer und staatlicher Machtelite. Beide pochen auf mehr Zentralisierung in allen Bereichen – und erst wenn das erreicht ist, werden sie darum kämpfen, ob die nun fertig zentralisierte Macht über Milliarden und Abermilliarden gezähmter Nutztiere nun faktisch in den Händen einer Oligarchie von Konzernchefs oder einer Oligarchie von Politikern liegt.

Mich kümmert nicht im Geringsten, welche Variante am Ende obsiegt. Beide sind prinzipiell abzulehnen.

Verweise:

Stellungnahme des Bundestagsabgeordneten Dr. Frank Schäffler (FDP) im Wortlaut. (Diese Worte waren ein wesentlicher Anstoß für den Artikel. Definitiv lesenswert.)

Antikatholizismus: Eine Zukunftsperspektive (Teil 2)

(Dies ist der zweite Teil der Artikelserie zum Antikatholizismus anlässlich der diversen Vorfälle beim Weltjugendtag und um ihn herum. Der erste Teil findet sich hier)

Mögliche Gegenmaßnahmen

Wie sollte man als Katholik, besonders als junger Katholik, mit dieser Lage umgehen? Ein Abfall vom Glauben aus politischer Korrektheit sollte überhaupt nicht in Erwägung gezogen werden. Man wird also entschlossen die Wahrheit sagen müssen, sich zugleich auf eine Verschlechterung der Lage einrichten, vorbereiten, so dass man seinen Glauben so gut kennt, dass man ihn auch in einer sehr feindseligen Umgebung entschlossen vortragen und verteidigen kann, und die nötige moralische Festigkeit entwickeln („fortitudo“), auch schwerwiegenden Bedrohungen und selbst einer möglichen neuen Christenverfolgung in Treue zum Glauben und zur Kirche gegenübertreten zu können.

Mit dieser inneren Stärke und Überzeugung sowie dem soliden Glaubenswissen (und den besten Argumenten für den Glauben) ausgerüstet, kann dem Katholiken eigentlich nicht so viel passieren. Historisch haben viele Menschen ihr Leben verloren, sind brutal ermordet worden, nicht weil sie ein Verbrechen begangen hätten, sondern einfach nur, weil sie offen ihren christlichen Glauben bekannt haben. Diese Märtyrer haben die schlimmsten Dinge bereits durchgemacht, die einem Christen auf dieser Erde drohen können – und sie haben in Festigkeit und Treue zum Glauben und zur Wahrheit gestanden. Mehr wird von uns auch nicht verlangt werden können – wahrscheinlich viel weniger. Das sollten wir doch schaffen können.

Der kommende Bruch

Ein Einwand könnte vorgebracht werden: Man könnte sagen, es sei doch viel eher unsere Aufgabe, das gesellschaftliche Klima zu beeinflussen wo wir können, um das Abgleiten der Gesellschaft in offenen Hass und vielleicht gar Verfolgung abwenden zu können, und ihr sogar wieder auf einen besseren Weg zu verhelfen. Das zu tun ist sicher richtig, soweit man dazu in der Lage ist. Doch der faktische Einfluss des Katholizismus auf das Denken und Handeln der breiten Bevölkerungsmehrheit tendiert gegen Null. Ähnliches gilt inzwischen auch für den Einfluss des Glaubens auf die Politik, selbst innerhalb von CDU und CSU. Daher kann man sicher sein Möglichstes tun, und sollte es sogar. Doch ich fürchte, das wird nicht ausreichen – haben denn nicht die gläubigen Katholiken schon bisher in dieser Hinsicht alles versucht und sind glatt gescheitert? Die Kraft der heutigen winzigen Minderheit gläubiger, junger Katholiken wird nicht in erster Linie in der Bekehrung der Gesellschaft durch Argumente und ein gutes Beispiel liegen, sondern in der Bewahrung des Schatzes der Wahrheit für zukünftige Generationen, die wieder ein Interesse daran entwickeln werden, wenn das derzeitige Gesellschaftssystem an seinen schweren Konstruktionsfehlern zerbrochen ist. Böckenförde und andere wussten schon lange, dass die moderne Gesellschaft von Grundvoraussetzungen und Werten lebt, die sie selbst nicht bereitstellen, sondern von denen sie nur zehren kann. Schon heute sehen wir das Modell der relativistischen Wohlfahrtsgesellschaft überall knirschen und knarren – wirtschaftlich, kulturell, ethnisch, in allen Bereichen driftet die europäische Gesellschaft auf einen Bruch- oder Wendepunkt zu. Vor diesem Bruchpunkt wird es keine kulturelle Umkehr geben, keine Abkehr von einem sittlichen Standpunkt der zunehmenden Verrohung, in dem aufgrund seiner moralischen Verwerflichkeit schon latent die Abneigung gegen das gediegene, ausgeglichene Wertesystem des traditionellen Katholizismus steckt, allein schon um seiner Selbstrechtfertigung Willen.

Doch nach diesem Bruchpunkt, nachdem die illusorische Sicherheit nicht mehr existiert, die uns der weitgehend auf Pump und auf Kosten der gesellschaftlichen und familiären Substanz angehäufte Wohlstand oberflächlich zu bieten vermag, werden die Menschen allein schon um der Sicherung ihres physischen Überlebens Willen von ihren derzeitigen Ideologien Abstand nehmen müssen. Wer dann die traditionellen Tugenden noch beherrscht, in einer traditionellen christlichen Gemeinde seine Heimat findet, und sich auf die Unterstützung einer traditionellen Familie verlassen kann, der hat Glück gehabt. Die anderen werden dann, nach dem Wegfall großzügiger Wohlfahrtssysteme, schon eher in Schwierigkeiten geraten.

Das heutige Gesellschaftsmodell ist nicht überlebensfähig. Es basiert auf Voraussetzungen, die es nicht selbst bereitstellen kann. Es kann nur von ihnen zehren – und das tut die gesellschaftliche Moderne schon seit 200 Jahren. Die Reserven sind immer weiter geschrumpft, und mit dem Zerfall der Kernfamilie aus Vater, Mutter und Kindern in den letzten 50 Jahren, sowie der damit einhergehenden Auslagerung elementarer Funktionen aus diesem Familienverbund hin zum Staat (z.B. Kindererziehung, Altenpflege) ist eine weitere Reserve aufgebraucht. Die Substanz, von der die moderne Gesellschaft noch zehren kann, ist, jenseits oberflächlicher Wohlstandsillusionen, die verschwinden, sobald das Finanzsystem endgültig sein Vertrauen in Papiergeld und Papieraktien verliert, die nur so viel wert sind wie das Vertrauen, das „der Markt“ in sie setzen möchte, extrem dünn geworden. Alles ist „vermarktet“, alle sind abhängig von diesem weltweiten Markt – keiner könnte mehr lokal leben. Zugleich sind die ökonomischen Ansprüche so überzogen hoch, dass schon ein kleiner Wohlstandsverlust zu schweren gesellschaftlichen Verwerfungen und massiven bürgerkriegsähnlichen Gewaltexzessen führen kann. Alles das sind Symptome der Substanzlosigkeit einer Gesellschaft, zusammen mit der moralischen Verrohung, und nicht unabhängig von ihr.

Abschluss: Saat und Ernte

Die Abneigung gegen den traditionellen katholischen Glauben ist dem modernen Gesellschaftssystem in der einen oder anderen Form schon seit seiner Erfindung durch die Aufklärer des 18. und frühen 19. Jahrhunderts inhärent. Nicht immer kam es zu virulenten Ausbrüchen, aber latent fehlte sie nie. Vielleicht wird sie noch einmal zu voller Blüte erwachen, wenn die Schwierigkeiten, die sich vor der Moderne auftürmen, immer höher, immer unübersteigbarer, immer unlösbarer werden, wenn sich wieder einmal die Chance ergibt, die Schuld einem Sündenbock zuzuschieben, ob es die „Reaktionären“, die „Juden“, die „Kapitalisten“, die „Banker“ oder wer auch immer sind. Und dass es sehr schwer ist, solchen Versuchungen zu widerstehen, wenn man kein solides Wertefundament hat – und das hat der moderne Westen nicht – ist aus der Geschichte nur zu gut bekannt.

Sollte dieser latente Antikatholizismus noch einmal größte Virulenz erreichen, so wird man in späteren Generationen auf diese unsere Zeit, die ersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts, als die Zeit zurückblicken, in der die Saat ausgebracht worden ist, deren Ernte die Verfolgung gewesen sein wird.

Antikatholizismus: Eine Zukunftsperspektive (Teil 1)

Einleitung: Anlässe

Die offizielle Internetseite des Weltjugendtages in Madrid ist offenbar Opfer eines Hackerangriffs beworden, wie kath.net unter Berufung auf die spanische Zeitung „El Mundó“ berichtet. Die Täter sind derzeit noch unbekannt, niemand weiß also, ob ein speziell antikatholischer Hintergrund oder die übliche allgemeine Zerstörungswut breiter (und breiter werdender) Bevölkerungsschichten hinter dem Cyberanschlag steckt.

Doch der Internetangriff auf die Seite des Weltjugendtages ist, ebenso wie die teils gewalttätigen Proteste radikaler Antikatholiken gegen den Besuch des Papstes und den Weltjugendtag allgemein, nicht die Ursache für diesen Artikel, sondern nur der Anlass. Denn mehr und mehr setzt sich ein gesellschaftliches Klima der Bigotterie und des scharfen Antagonismus gegen den ernsthaften katholischen Glauben in Europa durch. Dies äußert sich in der Art und Weise wie über katholische Themen berichtet wird – oder auch nicht berichtet wird – in den Medienorganen der herrschenden Elite („Mainstream-Medien“). Es äußert sich auch in wütenden Protesten, teils gewalttätiger Natur und in sinnlos destruktiven Internetangriffen. Doch das alles ist nur die Spitze des Eisbergs.

Tiefgreifende Differenzen

Was sich unter dieser Spitze verbirgt, ist wesentlich größer und tiefgreifender als alles, was durch bloße mediale Desinformation und Ausschreitungen einzelner Minderheitengruppen beschreiben ließe. Einen Einblick in die Volksstimmung bekommt man oft in den Kommentarspalten der Internetausgaben diverser Zeitungen. Es herrscht bei den meisten Europäern, und in besonderem Maße unter den Deutschen, eine fundamentale, fast schon fundamentalistische Abneigung gegen alles, was nur nach katholischem Glauben riechen könnte – solange es sich nicht „modern“ geriert und dadurch jegliche Bedeutung und potenzielle Strahlkraft einbüßt. (Denn eines hat der modernisierte „Reform-Katholizismus“ nicht: Strahlkraft, mögliche Anziehungskraft für eine neue Generation. Daher ist er tolerabel für den heutigen Anti-Katholizismus – er birgt keine Gefahr).

Wann immer vom Papst die Rede ist, fällt das Urteil negativ aus. Der Papst ist gegen Verhütung, gegen die „Entscheidungsfreiheit“ oder „Wahlfreiheit“ der Frau, wenn es um die Tötung ungeborener Menschen geht, gegen die „Errungenschaften“ der modernen Bioethik, darunter die Tötung von Menschen im embryonalen Entwicklungsstadium zu Forschungszwecken sowie die ebenfalls lebensvernichtende Künstliche Befruchtung und vieles, vieles mehr.

Allenfalls zu ökonomischen und umweltpolitischen Themen stimmt der Deutsche mit dem Papst überein – und das auch nur, weil er nicht allzu genau hinhört.

Und was auf den Deutschen zutrifft, das trifft, zumindest in der Tendenz, auch auf den Engländer, den Niederländer, den Franzosen, den Spanier und die anderen Westeuropäer zu. Das ist es, womit Katholiken es in Zukunft zu tun bekommen werden, wenn sich die derzeitigen Entwicklungslinien inicht umkehren.

Es sind nicht bloß „die Mainstream-Medien“ – die mögen an der Entstehung dieser Stimmung mitgewirkt haben, konnten dies aber nur, weil entsprechende Propaganda auf fruchtbaren Boden fiel. Wie die Mainstream-Medien heute über den ernsthaften Katholiken und seine Ansichten berichten, ist natürlich ungerecht – aber es entspricht den Vorurteilen und Wünschen der breiten Bevölkerungsmehrheit. Die Menschen werden durch die unausgeglichene, tendenziöse Berichterstattung getäuscht, sagt der Katholik. Doch das ist nur zum Teil wahr. Denn was wir als Täuschung ansehen, als ungerechtes Foulspiel des Journalismus, das verkauft sich einfach gut. Die Leute wollen den Priester als Bösewicht, den Papst als rückwärtsgewandten Fanatiker sehen, es bestätigt ihre eigenen Vorurteile.

Und langfristig werden die Medien sich immer nach dem Willen der Zuschauer und Leser richten, da die Medien sonst auf dem Markt nicht bestehen könnten – und dasselbe gilt auch für die Politik.

Was derzeit beim Weltjugendtag geschieht, wird nicht oder nur sehr unzureichend berichtet. Die Beschwerden diverser, verglichen mit der großen Zahl anwesender junger Katholiken, winziger Protestgrüppchen stehen im Vordergrund, nicht die Katholiken und ihr Ereignis selbst. Sympathische Berichterstattung gibt es kaum, und selbst die neutrale Variante ist rar gesät. Der Angriff auf die Webseite des Weltjugendtages und die teils gewalttätigen Proteste selbst stoßen in dieselbe Richtung. Die Feindseligkeit, die dem Katholiken außerhalb seines Milieus – und oft genug von Verbandsfunktionären der Kirche auch innerhalb desselben – entgegenschlägt, ist ein weiteres Indiz für den Eisberg, auf den unsere Gesellschaft mit großem Tempo zuzudriften begonnen hat.

Droht die neue Verfolgung?

Doch diese verschiedenen Einzelereignisse treffen nicht den Kern der Sache. Hinter den Eruptionen der Abneigung, die von kleinen Minderheiten der Gesellschaft ausgehen, steht im Großen und Ganzen mit nickendem Haupt die Mehrheit. Die schweigende Mehrheit in Deutschland sympathisiert keinesfalls mit dem Katholizismus, und nicht einmal mit einem allgemeinen „Christentum“. Zwar bezeichnen sich immer noch fast 60% der Deutschen als „Christen“, doch die allermeisten von ihnen haben keine Ahnung, was dieser Begriff überhaupt bedeutet. Immerhin leben wir in einem Land, in dem die Hälfte der Menschen nicht weiß, was an Ostern eigentlich gefeiert wird – und darunter sind auch sehr viele getaufte Christen. Eine andere Umfrage von Infratest dimap zeigt, dass 30% der evangelischen und 15% der katholischen Christen nach eigener Aussage nicht an Gott glauben – also dem Wortsinne nach als Atheisten zu gelten hätten.

In einer derart glaubensfernen Gesellschaft ist die instinktive Sympathie, die man mit dem verspürt, was man kannt, die intuitive Vertrautheit, die das Christentum in Europa lange genossen hat, nahezu vollständig verschwunden. Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass selbst die Nichtchristen doch im Wesentlichen ein christliches Wertesystem durch das allgemeine gesellschaftliche Klima und ihr Umfeld aufsaugen werden. Im Gegenteil: Heute kann man sich selbst bei Christen dessen nicht mehr sicher sein. Doch ohne diese instinktive Vertrautheit fehlt ein ganz wesentlicher Stützpfeiler, der Christen bislang vor den Auswirkungen der schon lange anhaltenden Glaubenskrise noch weitgehend geschützt hat. Es ist, ob uns das gefällt oder nicht, nun einmal so, dass Menschen mit dem Vertrauten, dem Bekannten, anders umgehen als mit dem Fremden. Viel Ablehnung von Schwarzen oder Ausländern kommt sicher daher. Doch es ist eine kaum zu leugnende Tatsache, dass der überzeugte Katholik heute als Fremdling in dieser europäischen Gesellschaft zu gelten hat – ihm wird also die gleiche Art gesellschaftlicher Exklusion zuteil wie dem Ausländer historisch oft zuteil geworden ist, sofern man ihn als solchen identifizieren kann.

Vielleicht ist dieses Niveau noch nicht erreicht – und ganz sicher noch nicht überall in Europa oder auch nur in Deutschland gleichmäßig. Doch die Trendlinie ist eindeutig. Es ist nicht nur so, dass immer weniger Menschen in diesem Land an Gott glauben, und nicht einmal nur, dass die offiziellen Christen faktisch leben, als ob es Gott nicht gäbe, sondern dass aufgrund dieser Ablösung der christlichen durch eine latent spiritualistisch-heidnische Kultur mit einem kräftigen Schuss zur Schau getragener Gottlosigkeit, selbst unter den Gegnern des Christentums mehr und mehr die eben erwähnte instinktive Sympathie fehlt – es ist nicht mehr selbstverständlich, die christlichen Denkkategorien überhaupt zu kennen.

Doch wenn der Katholizismus (in Treue zum Papst und dem überlieferten Glauben) faktisch als Fremdkörper wahrgenommen wird, dann kann es dem Gläubigen passieren, dass er genau so behandelt wird, wie andere unzivilisierte Völker (nicht zuletzt die Deutschen selbst zuweilen in der Vergangenheit) fremde Völker und Einwanderer behandelt haben – mit Verachtung und Ausgrenzung im besten Fall, mit offenem Hass bis hin zu Pogromen im schlimmsten Fall.

Wird es mit Sicherheit dazu kommen? Nein, Sicherheiten gibt es keine. Eine Trendwende ist immer möglich. Aber wie der Versuch, das Beichtgeheimnis in Irland auszuhebeln, zeigt, sind selbst katholische Stammländer nicht mehr sicher vor kruden Versuchen der Unterdrückung katholischer Menschen. Der katholische Priester der Zukunft wird, wenn er sich denn der Öffentlichkeit als solcher zu erkennen gibt, womöglich wieder einmal Märtyrer werden – vielleicht anfangs noch im übertragenen Sinne durch aggressive Ausgrenzung seitens der Mehrheit, doch das muss nicht so bleiben.

Eine Gesellschaft, die sich so weit vom Glauben entfernt hat, dass der Antikatholizismus sich fast so gut verkauft wie Sex, hat auch schlicht nicht mehr die moralischen Ressourcen eine solche neue Christenverfolgung als eindeutig moralisch falsch zu bewerten. Wer sich bereit findet, die Tötung unschuldiger Kinder im Mutterleib nicht nur zu legalisieren, sondern als Frauenrecht zu verteidigen und durch die Krankenkassen zu finanzieren, der wird vor dem wesentlich kleineren Unrecht der Unterdrückung einer katholischen Minderheit ebenfalls nicht zurückschrecken. Und da die Tötungshemmschwelle bereits gefallen ist – siehe Abtreibung – wird man auch vor dem letzten Schritt nicht unbedingt zurückschrecken.

Wir dürfen hoffen, dass sich die Lage in der Zukunft durch eine neue Generation junger Katholiken bessert, doch selbst wenn es stimmt, dass die jungen Katholiken zurück zum wahren Glauben wollen, so bleibt es doch ebenso wahr, dass die kirchentreuen Katholiken unter der nachwachsenden Generation eine verschwindend kleine Minderheit ausmachen – die breiteste Mehrheit ist völlig kirchenfern und eine größere Minderheit islamisch. In dem dadurch entstehenden Klima wird die kleine glaubenstreue Minderheit eher noch stärker als Fremdkörper erscheinen als selbst von heute aus absehbar, besonders dann, wenn sie wieder katholisches Profil zeigt, mit der nötigen Schärfe das wachsende Unrecht anprangert und den mehrheitsfähigen Irrlehren argumentativ entschlossen entgegentritt.

(Hier endet der erste Teil der Artikelserie zum Thema Antikatholizismus im Zusammenhang mit diversen Ereignissen beim Weltjugendtag und in seinem Umfeld. Der zweite Teil wird voraussichtlich am Montag veröffentlicht.)